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ARTIKEL
BUSSE Iwan Antonowitsch (1856 –1934). Bibliothekar, Direktor der Hauptbibliothek (Fundamentalbibliothek) der Universität Saratow

BUSSE, Iwan Antonowitsch, * 1856 im Gouvernement Petrokow (Petrikau), Polen, † 1934 in Saratow. Bibliothekar, Direktor der Hauptbibliothek (Fundamentalbibliothek) der Universität Saratow (1909–1920).

Busse wurde von Hauslehrern unterrichtet und sprach fließend Deutsch. In jungen Jahren war er in den Fabriken der Stadt Tomaschew tätig und nahm nach seiner Einberufung zum Kriegsdienst am Russisch-Osmanischen Krieg von 1877-78 teil. In den Jahren 1890-1909 war Busses Leben und Arbeit durch seine Tätigkeit an der Bibliothek der Kaiserlichen Universität Kasan geprägt, wo er unter der unmittelbaren Leitung des bekannten Bibliothekars und Sprachwissenschaftlers I.F. Gottwald arbeitete, den er als seinen Lehrer und Mentor im Bereich des Bibliothekswesens ansah. Seiner Arbeit an der Kasaner Universitätsbibliothek widmete Busse 19 Jahre seines Lebens, von denen wiederum sieben Jahre der Zusammenstellung eines alphabetischen Katalogs aller zu jener Zeit in den Beständen der Bibliothek vorhandenen Bücher ausländischer Herkunft galten. Resultat dieser großen und aufwendigen Arbeit war die Herausgabe von insgesamt sieben Ausgaben dieses Katalogs mit einem Gesamtumfang von 4.545 Seiten. Im Jahr 1909 wurde Busse auf Betreiben von Professor W.I. Rasumowski auf den Posten des Hauptbibliothekars der Universität Saratow berufen, den er bis zum 30. Juni 1920 ausübte.

Von der unermüdlichen und aufopferungsvollen Tätigkeit Busses im Bibliothekswesen zu seiner Saratower Zeit und seinem Streben nach Ordnung und strenger Systematisierung der Buchbestände (wie übrigens auch der Bibliotheksangelegenheiten insgesamt) zeugen seine auf den Seiten der Universitäts-“Nachrichten“ veröffentlichten Jahresberichte, in denen er über Stand und Verlauf des ihm anvertrauten Arbeitsbereichs gewissenhaft Rechenschaft ablegte.

Der letzte seiner Feder entstammende Bericht (der nicht mehr veröffentlicht wurde) wirft Licht auf die Geschicke der Universitätsbibliothek in den bewegten Jahren der Revolution und des Bürgerkriegs (1917–1920), in denen es für die Aufrechterhaltung eines normalen Bibliotheksbetriebs selbst am Allernötigsten fehlte: Formulare, Karteikarten, Feder und Tinte. Nicht unerwähnt lassen konnte der Autor auch die zu jener Zeit allgegenwärtige schreckliche Not (Kälte und Hunger), die die Leute zwang, auf der Suche nach Wärme und Lebensmitteln ihre angestammten Wohnorte zu verlassen. Aus dem Bericht geht hervor, dass das Stammpersonal der Universitätsbibliothek in der Zeit vor der Revolution aus gerade einmal sieben Personen bestanden hatte, die nicht nur diverse technische Schwierigkeiten, sondern auch die Arbeit mit den Lesern erfolgreich bewältigen konnten.

Aber ungeachtet der titanischen Anstrengungen Busses und seiner engsten Mitarbeiter hatte die Bibliothek auch schon in den Jahren vor der Revolution ihr Potential nicht in vollem Umfang ausschöpfen können, was neben der unzureichenden materiellen Ausstattung vor allem durch den Umstand bedingt war, dass die Bibliothek nicht über ein eigenes Gebäude verfügte und in den Jahren 1909-14 in angemieteten Räumen untergebracht war, die für die Verwahrung und Nutzung der Buchbestände nur wenig geeignet waren. Im vollen Bewusstsein der aus einer solchen Situation resultierenden Schwierigkeiten hatte sich Busse mehrfach für den Bau „eines eigenen, in ausreichendem Umfang mit modernen Stahlschränken ausgestatteten Gebäudes“ ausgesprochen.

Mit diesem honorigen Anliegen stand Busse selbstredend nicht allein. Seine in dieser Frage vertretene Position teilten auch alle Mitglieder der Professorenschaft der Universität Saratow. So konnte der Architekt Karl Ludwig Muffke bereits architektonisch überzeugende Entwürfe für einen künftigen Bibliotheksbau vorlegen, deren Realisierung aber durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs zunächst verschoben und später ganz aufgegeben wurde. Schließlich zog sich die „vorübergehende“ Unterbringung der Universitätsbibliothek im Gebäude des Physikalischen Instituts (III. Korpus der Staatlichen Universität Saratow) lange 43 Jahre hin, bis im Jahr 1957 ein nach Plänen der Architekten D.F. Friedman und S.W. Istomin errichtetes modernes Bibliotheksgebäude mit einem Volumen von 45 Kubikmetern und einer Fläche von 9.900 Quadratmetern gebaut wurde.

Aufgrund des erhaltenen Archivmaterials ist es leider nicht möglich, die persönlichen und professionellen Qualitäten dieses außergewöhnlichen, engagierten, in Bibliotheksfragen höchst qualifizierten und vor allem hingebungsvoll seiner Sache ergebenen Menschen in vollem Umfang zu rekonstruieren. Nicht eindeutig und höchst widersprüchlich ist auch der in diversen Erinnerungen erwähnte Eindruck, den Busse auf seine Zeitgenossen machte.

So schrieb beispielsweise A.W. Babin in seinen Tagebucheinträgen mit Blick auf seinen ersten Besuch der Universitätsbibliothek und sein Zusammentreffen mit Busse am 14. November 1917: „Am Morgen nahm ich das vom Rektor der Saratower Universität ausgestellte Papier und ging zu meinem neuen Chef, dem Bibliothekar I.A. Busse. Ich blieb bis zur Schließung um drei Uhr in der Bibliothek und verließ sie mit dem Eindruck, einen im Bibliothekswesen zutiefst inkompetenten (nach amerikanischem Verständnis) Herrn Busse kennengelernt zu haben. Aus dem Gespräch wurde klar, dass er keine universitäre Ausbildung und auch hinsichtlich seiner Manieren keine Erziehung genossen hat“.

Diese Einschätzung Busses zeigt einmal mehr, wie oberflächlich und letztlich auch falsch der erste flüchtige Eindruck von einer zuvor nicht bekannten Person beim ersten Zusammentreffen sein kann. Nur in einem Punkt sollte der Autor der angeführten Zeilen vollkommen recht behalten: Busse hatte tatsächlich kein Universitätsdiplom. Aber dieser Umstand schmälerte nicht nur nicht seine professionellen Qualitäten, sondern unterstreicht eher die beneidenswerte Zielstrebigkeit, mit der sich Busse seinen Beruf aneignete.

Schriften

Алфавитный каталог иностранных книг библиотеки Императорского Казанского университета. Вып. 1–7. Казань, 1893–1900.

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ÜBER DIE ENZYKLOPÄDIE

Die Enzyklopädie wurde auf die Initiative der öffentlichen Organisation „Föderale nationale Kulturautonomie der Russlanddeutschen“ (FNKA RD) unter aktiver Beteiligung der Internationalen Assoziation zur Erforschung der Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen erstellt. Das Projekt wurde von den Regierungen der Russischen Föderation und der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Während der Projektdurchführung wurden Geldmittel verwendet, welche gemäß den Anordnungen des Präsidenten der Russischen Föderation und auf der Grundlage von durchgeführten Wettbewerben der „Nationalen Wohltätigkeitsstiftung“, den allrussischen öffentlichen Organisationen die „Gesellschaft „Wissen“, die „Russische Union der Rektoren“ u.a., in den Jahren 2015–2017 als Zuschüsse zugewiesen wurden.

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NACHRICHTEN
RUSDEUTSCH
  • 1 19.04.2024

    Offene Treffen

    Wer warf das Tintenfass auf den Teufel? Offenes Treffen „Luther-Dostojewski-Thomas Mann“ im DRHM

    Am 15. April hat im Deutsch-Russischen Haus in Moskau ein offenes Treffen mit Doktor der Sprachwissenschaften und Professor der Staatlichen Universität Tomsk, Alexei Kasakow, stattgefunden. Bei dem Treffen erfuhren die Gäste, welche Rolle in den Werken von Fjodor Dostojewski die Ideen Martin Luthers gespielt haben, wie diese Idee von Thomas Mann transformiert wurde und was Iwan Karamasow und Doktor Faustus gemeinsam haben.

  • 1 18.04.2024

    Nachrichten aus den Regionen

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    Am 8. und 9. April hat das deutsche Volksensemble „Heimatklänge“ zwei Konzerte im Gebiet Kemerowo gegeben.

  • 1 17.04.2024

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    Am 17. April hat in der Stadt Barnaul, Region Altai, die feierliche Eröffnung des Diskussionsklubs der Russlanddeutschen „Avantgarde“ stattgefunden.

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    In Samara hat ein Arbeitstreffen der Leiterinnen und Leiter von Begegnungszentren und ethnokulturellen Klubs der Russlanddeutschen stattgefunden.

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    Interessant, Blick von oben zu bilden: Interview mit PR-Expertin Nelli Putilina

    Nelli Putilina ist PR-Expertin, aktives Mitglied der sozialen Bewegung der Russlanddeutschen und Organisatorin zahlreicher gesamtrussischer Projekte. Im Rahmen des Diskussionsklubs „Avantgarde“ in Barnaul wird Nelli einen Workshop zum Thema Personal Branding geben. Und wir haben sie gefragt, was die Teilnehmer erwartet.

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  • 1 15.04.2024

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    Vom 12. bis 14. April hat im Kultur- und Geschäftszentrum „Russisch-Deutsches Haus in Omsk“ ein Arbeitstreffen mit Vertreterinnen und Vertretern von Schulen und Kindergärten des Deutschen Nationalrayons Asowo stattgefunden, die ethnokulturelle Komponente in ihren Programmen einsetzen.

  • 1 12.04.2024

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    Am 7. April wurde im Deutsch-Russischen Haus in Moskau die Aufführung „Pygmalion“ von einer Theatergruppe von Studenten der Moskauer Städtischen Pädagogischen Universität (MSPU) präsentiert. Eines der berühmtesten Stücke des englischen Dramatikers Bernard Shaw wurde in deutscher Sprache mit Erläuterungen auf Russisch aufgeführt.

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    Nachrichten der Partner

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    Die Pilotausgabe der Moskauer Deutschen Zeitung ist am 12. April, dem Tag der Kosmonautik in Russland, im Jahr 1998 erschienen. Das RusDeutsch-Portal gratuliert der Redaktion der MDZ mit großer Freude zum 26-jährigen Geburtstag.

  • 1 10.04.2024

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    Wie kann man durch Familiengeschichte und Aussehen Rückhalt und Identität finden? Was sind ethnische Trends in der Mode und wie kann ein modernes, stilvolles Outfit mit Elementen der Tradition geschaffen werden? Das erfahren die Teilnehmenden des Diskussionsklubs „Avantgarde“ in Barnaul, wo Olga Bondarenko (Zitzer), eine Stylistin und Genealogin, auftreten wird.

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