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MISSIONSARBEIT , Tätigkeit von Kirchenorganisationen zur Verbreitung ihrer Glaubenslehre

Rubrik: Religion

MISSIONSARBEIT (von lateinisch missio - „Sendung“, „Aussendung“). Tätigkeit kirchlicher Organisationen zur Verbreitung ihrer Glaubenslehre durch eigens entsandte Missionare (Evangelisten).

Unter den Anhängern des Christentums betreiben die Protestanten die aktivste Missionsarbeit und setzen auf diese Weise ihr konfessionelles Prinzip des „Priestertums aller Gläubigen“ um. Die Gründung zielgerichtet tätiger Missionswerke war mit den pietistischen Bewegungen des 18.-19. Jahrhunderts (siehe: Pietismus) und der sich unter deren Einfluss vollziehenden Entstehung des sogenannten „neuen“ („evangelikalen“, „missionarischen“) Protestantismus verbunden. Mitte des 19. Jahrhunderts waren unterschiedliche Missionsgesellschaften in Deutschland, Belgien, Dänemark, den Niederlanden, Norwegen, Finnland, Frankreich, der Schweiz, Schweden und anderen europäischen Ländern aktiv. Mehr als ein Dutzend protestantische Missionsgesellschaften wurden in Nordamerika gegründet. Aktive Predigertätigkeit betrieben auch die Bibelgesellschaften und Gesellschaften zur Verbreitung christlicher Literatur. Im Jahr 1840 wurde die Europäische Evangelische Allianz gegründet, der zahlreiche Freikirchen und Missionswerke aus verschiedenen europäischen Ländern angehörten. 1846 wurde die Evangelische Allianz von Friedrich Wilhelm Baedeker (1823-1906) geführt, der über vierzig Jahre in Russland und vielen anderen Ländern der Welt Missionsarbeit leistete (siehe: Johann Gottlieb Kargel).

Vom frühen 18. Jahrhundert an verfolgte die russische Regierung eine Politik der Sicherung der „Führungsrolle der Orthodoxen Kirche“ (Gesetzessammlung des Russischen Reichs, Bd. 14), was die Tätigkeit der ausländischen („anderskonfessionellen“) Missionare unter der orthodoxen Bevölkerung strengen Einschränkungen unterwarf. Eine Ausnahme bildete lediglich die Herrschaftszeit Alexanders I. (1801-25), unter dessen Regierung verschiedene christliche Gemeinschaften auf dem Gebiet des Russischen Reiches frei agieren durften. 1813 wurde die Russische Bibelgesellschaft gegründet. Aber schon 1825 wurde den ausländischen Missionaren gegenüber erneut eine streng restriktive Politik verfolgt. Die Russische Bibelgesellschaft wurde geschlossen. 1830 nahm sie ihre Tätigkeit als Protestantische Bibelgesellschaft wieder auf, die allerdings ausschließlich unter der protestantischen, muslimischen oder „heidnischen“ Bevölkerung des Russischen Reiches aktiv sein durfte. 1842 wurde die Predigertätigkeit der Basler Mission in Russland verboten, deren Repräsentanten fortan ebenso wie die Missionare der Evangelischen Allianz, des Deutschen Baptistenbunds und anderer Organisationen auf halblegaler Grundlage aktiv waren. Alles in Allem verhielten sich die russischen Behörden den ausländischen Missionen gegenüber loyal, sofern sich diese an die ihnen auferlegten Einschränkungen hielten. Ausländer, die überführt wurden, „Propaganda unter Orthodoxen“ betrieben zu haben, wurden ohne Recht auf Wiedereinreise ausgewiesen.

Deutlich härter traf es die russischen Staatsangehörigen unter den Missionaren. Nach den Gesetzen des Russischen Reiches hatte ausschließlich die Orthodoxe Kirche das Recht auf Missionsarbeit, weswegen Katharina II. und ihre Nachfolger Pawel I. und Alexander I. die Ansiedlung in Russland an den Verzicht auf Missionsarbeit unter Christen banden. Verboten war auch die Gründung von Lehranstalten und Seminaren, die der Ausbildung anderskonfessioneller Geistlicher und Missionare dienten. Während sich die in das Russische Reich übergesiedelten Katholiken, Lutheraner und Kirchenmennoniten an diese Bedingungen hielten, leisteten die Angehörigen der Mitte des 19. Jahrhunderts unter Lutheranern und Mennoniten aufkommenden spätprotestantischen Konfessionen (Baptisten, Adventisten, Brüdermennoniten) zunehmend auch unter der orthodoxen Bevölkerung aktive Missionsarbeit, was nicht zuletzt auch dadurch bedingt war, dass die jungen Kolonisten ihre geistliche Ausbildung an den Missionsschulen in Deutschland und in der Schweiz erhielten, wo sie unter den Einfluss evangelisch-missionarischer Ideen gerieten.

Besonders aktive Missionsarbeit betrieben Baptisten und Brüdermennoniten. Während sich die (reichs-)deutschen Baptisten dabei auf die deutsche und tschechische Bevölkerung konzentrierten, waren die Brüdermennoniten und die Vertreter der mennonitischen Allianzgemeinden auch unter den Angehörigen anderer im Russischen Reich lebender ethnischer und religiöser Gruppen aktiv. 1905 gründeten die Brüdermennoniten eigens eine Stiftung, die die Arbeit von acht russischen Evangelisten finanzieren sollte. Auch wenn die „russischen“ Mennoniten keine eigenen im Ausland tätigen Missionswerke gründeten, arbeiteten ihre Vertreter (G. Dirk, Familie Friesen) innerhalb der holländischen mennonitischen Stationen auf der Insel Sumatra und in Indien. Zur Ausbildung junger Missionare gründeten die Molotschnaer Mennoniten 1905 die „Allianzschule“, an der künftige Missionare für die Arbeit unter den Völkern Russlands geschult wurden. In den 16 Jahren ihres Bestehens bildete diese Schule etwa 80 aus Russland stammende Personen aus (russische Stundisten und Baptisten, Mennoniten unterschiedlicher Konfession, Vertreter jüdisch-christlicher Gemeinden). An der Schule studierten auch deutsche Staatsangehörige, die später als Evangelisten nach Russland gehen wollten.

Nach der Februarrevolution von 1917 und der auf diese folgenden Aufhebung aller religiösen Beschränkungen betrieben die Missionswerke auch unter Orthodoxen aktive Missionsarbeit. Bereits auf der ersten nachrevolutionären Konferenz der mennonitischen Brüdergemeinden, die im September 1918 im Dorf Wassiljewka (Gouvernement Charkow) stattfand, wurde erklärte, dass man unter den Bedingungen der Revolution einige Tausend Rubel für die Mission gesammelt habe. Im gleichen Jahr gründete der Mennonit Jakob Kroeker in Wernigerode (Harz, Deutschland), wohin die Berliner Allianzschule gezogen war, den der Missionsarbeit unter den nichtchristlichen Völkern Russlands dienenden Missionsbund „Licht im Osten“, dessen deutsche und russische Mitarbeiter unter Kirgisen (Familien von Martin Thielman, R. Bon, I. Warns und G. Jantzen) sowie Chanten und Mansen (Karl Benzien, Familien von I. Peters, P. Bär, Geschwister Koop u.a.) aktiv waren.

Mit der Festigung der Sowjetmacht waren viele Missionare gezwungen, ihre Tätigkeit einzustellen. Die deutschen Staatsangehörigen verließen 1922 Russland, die „sowjetischen“ wurden nach 1925 repressiert und in vielen Fällen erschossen. Die legale Tätigkeit der Missionswerke wurde beendet und erst nach dem Zusammenbruch der UdSSR im Jahr 1991 wiederaufgenommen.

Literatur

История евангельских христиан-баптистов в СССР, М., 1989; Раймер Й., Евангельские первопроходцы в Кыргызстане: Из жизни и деятельность Мартына Тильмана, Lage, 1989; его же, Чудо на Оби: Из жизни и деятельности Ивана Петерса, 1989; Дородницын А.Я., Из жизни инославия и

заграничного сектанства: Успехи протестантской миссии к концу XIX ст., «Миссионерское обозрение», 1900, Февраль, с. 333–34; Prizkau J., Geschichte der Baptisten in Süd-Russland, Odessa, 1914; The Mennonite Encyclopedia. A Comprehensive Reference Work on the Anabaptist-Mennonite Movement, v. 1–4, Scottdale, 1955; Mennonites in Russia, ed. J. Friezen, Winnipeg, Manitoba, 1989; Neil S., A History of Christian Missions, Suffolk, 1992; Schlatter W., Geschichte der Basler Mission, Stuttgart, 1992; Kudinova (Beznosova) O., Missionstätigkeit deutscher Evangelisten unter den Russlanddeutschen, «Newsletter/Бюллетень», 1996, № 6, S. 5–20.

Autoren: Čerepanova N.G.

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