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DEUTSCHER NATIONALRAYON KARL LIEBKNECHT , territoriale Verwaltungseinheit in der Ukrainischen SSR

Rubrik: Geschichte und Geographie der Ansiedlung der Deutschen im Russischen Reich, in der UdSSR und GUS / Geschichte der Ansiedlung
Карта-схема Карл-Либкнехтовского немецкого национального района

DEUTSCHER NATIONALRAYON KARL LIEBKNECHT (bis Mai 1926 Deutscher Nationalrayon Landau), territoriale Verwaltungseinheit in der Ukrainischen SSR. Gegründet am 11. Januar 1925 entsprechend einem durch Beschluss des Allukrainischen Zentralexekutivkomitees und des Rats der Volkskommissare der Ukrainischen SSR bestätigten Projekts. Gebildet aus den zuvor zum Rayon Varvarovka (Bezirk Nikolaev) gehörigen Dorfsowjets Sulz, Johannestal, Karlsruhe, Katherinental, Landau und Speyer sowie den zuvor zum Rayon Berezovka (Bezirk Odessa) gehörigen Dorfsowjets Rorbach, Worms und Rastadt. Anfang 1926 wurden im Rayon zudem die Dorfsowjets Halbstadt und Waterloo eingerichtet. Ursprünglich unmittelbar den zentralen ukrainischen Behörden unterstellt wurde der Rayon am 9. Februar dem Gebiet Odessa angeschlossen. Das Verwaltungszentrum war Landau (im Mai 1926 in Karl-Libknechtovo umbenannt). Nach Angaben für das Jahr 1925 hatten die 24 Ortschaften des Rayons (19 deutsche und fünf ukrainische) insgesamt 25.859 Einwohner, davon 23.521 Deutsche (91%), 1.265 Ukrainer (4,9%), 437 Russen (1,7%) 398 Juden (1,5%) und 238 Angehörige sonstiger Nationalitäten (0,9%).

            Grundlage der Wirtschaft des Rayons war die Landwirtschaft. Die Gesamtackerfläche betrug 66.308 Desjatinen (1 Desjatine = 1,1 Hektar), von denen 1925 allerdings nur 36.112 Desjatinen zur Aussaat genutzt wurden. Außerdem waren 11.356 Desjatinen im sogenannten staatlichen Reservefond ausgelagert. Von den 5.445 Wirtschaften des Rayons wurden 1925 581(10,7%) als landlos und 3.334 (61,2%) als landarm (1-10 Desjatinen Land) eingestuft. Nach der 1926-28 durchgeführten internen Landverteilung gingen Landlosigkeit und Landarmut erheblich zurück. Ab Mitte der 1920er Jahre wurden Traktoren zur Landbearbeitung eingesetzt. Bis 1928 wurden zehn Maschinen-Traktoren-Genossenschaften gegründet, die sieben Traktoren der Marken „Fordson“ und „International“ nutzten. Zur Unterstützung der leistungsschwachen Wirtschaften waren acht landwirtschaftliche Kreditgenossenschaften tätig, die ihren Mitgliedern zu günstigen Konditionen Saatanleihen und kleinere Darlehen gaben.

            Im Rayon wurden vor allem Winter- und Sommerweizen sowie Mais angebaut. Große Aufmerksamkeit galt dem Obst- und Weinanbau, wozu zehn erfolgreich tätige Obst- und Weingenossenschaften gegründet wurden. 1925 gab es im Rayon insgesamt 6.766 Pferde, 14 Ochsen, 7.315 Kühe, 105 Ziegen und 3.603 Schweine. Mit der Rasseveredelungen von Pferden und Kühen beschäftigten sich drei Zuchtgenossenschaften (die über 156 reinrassige Pferde verfügten) und zwei Viehzuchtgenossenschaften. Intensiv entwickelte sich die Milchwirtschaft, die vor allem auf die Produktion von Butter und Käse spezialisiert war.

            1926/27 wurden das landwirtschaftliche Artel-Kollektiv „Chutorjanin“, das vier Armbauernwirtschaften vereinte, sowie zwei „Genossenschaft für die gemeinschaftliche Landbestellung“ („Vorwärts“ und „Grünfeld“), in denen 40 bzw. 17 bäuerliche Einzelwirtschaften zusammengeschlossen waren, gegründet. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre gab es im Rayon elf Dampfmühlen, zwei Buttereien und eine Ziegelei. Handel betrieben 13 Verbrauchergenossenschaften. Der Gesamthaushalt des Rayons lag 1928/29 bei 172.667 Rubeln.

            Das Volksbildungssystem umfasste Ende der 1920er Jahre 19 Schulen, davon acht Dreiklassenschulen, vier Vierklassenschulen, eine Fünfklassenschule und sechs Siebenklassenschulen. Im Rayonszentrum gab es eine Landwirtschaftsschule, die Agrarspezialisten für die Arbeit unter der deutschen Bevölkerung der Ukraine ausbildete. Im Schuljahr 1924/25 lernten dort 14, im Schuljahr 1926/27 42 Personen. Ebenfalls in Karl-Libknechtovo gab es ein Waisenhaus für 80 Kinder. 1925 hatte der Rayon drei Dorfklubs und sechs Lesehütten, unter deren Dach zwei Orchester, acht Theatergruppen und eine große Zahl politischer Arbeitskreise (Internationale Rote Hilfe, Gesellschaft zur Förderung der Verteidigung, des Flugwesens und der Chemie u.a.) bestanden. Von 1931–1939 erschien die Rayonszeitung „Der sozialistische Vormarsch“.

            Im Herbst und Winter 1929 wurde im Rayon die Getreidebeschaffungskampagne durchgeführt, in deren Verlauf 635 Vertreter sogenannter Kulakenwirtschaften vor Gericht gestellt wurden und der Besitz von 165 Wirtschaften beschlagnahmt und von 322 verkauft wurde. Ein Teil der wohlhabenden Bauern floh unter Zurücklassung seines Besitzes aus dem Rayon. Infolge dieser Maßnahmen wurde der Plan zur Getreidebeschaffung zu 105% erfüllt.

            Im Januar 1930 begann im Rayon die Massenkollektivierung. Ungeachtet der rigiden Maßnahmen der Behörden traten bis Ende Februar 1930 nur 51% der bäuerlichen Einzelwirtschaften den Kolchosen bei. Nach Veröffentlichung des Beschlusses des ZK der VKP(b) über die zeitweise Aussetzung der Kollektivierung (März 1930) blieben nur 23,5% der Wirtschaften in den Kolchosen. Die neue Etappe der Kollektivierung wurde in Winter 1930/31 eingeleitet. Im Mai 1931 waren 89,1% der Wirtschaften in 69 Artel-Kollektiven und 32 „Genossenschaften zur gemeinschaftlichen Landbestellung“ zusammengeschlossen. 1933 gehörten 95% der Bevölkerung den Kolchosen an.

            Im April 1939 wurde der Rayon aufgelöst.

INHALT

Archive

Государственный архив Николаевской области, ф. р. – 1, оп. 1, д. 180, л. 4; ф. р. – 2201, оп. 1, д. 163, л. 16, 40; ЦГАВОВУУ, ф. 413, оп. 1, д. 95, л. 74; д. 130, л. 6, 105, 117, 178; д. 381, л. 21 об.; д. 531, л. 83, 92; д. 552, л. 23; д. 1133, л. 16.

Literatur

Государственный архив Николаевской области. Путеводитель, К., 1985, с. 246.

Autoren: Smirnowa T.B.

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