Gegenpropaganda-kampagne 1941, von der Führung der UdSSR in den ersten Monaten des Deutsch-Sowjetischen Kriegs betriebene Kampagne, die unter der Bevölkerung und in den Streitkräften Deutschlands antifaschistische Stimmungen wecken sollte. Im Zuge der Kampagne wurde praktisch die gesamte erwachsene Bevölkerung der ASSR der Wolgadeutschen gezwungen, sowjetischen Patriotismus zu demonstrieren.
Auf Weisung der zentralen Parteiführung erstellte das Gebietsparteikomitee der WKP(b) der ASSR der Wolgadeutschen einen Plan, dem zufolge in allen Städten und Kantonen der Republik Resolutionen antifaschistischer Versammlungen sowie kollektive patriotische Schreiben und Aufrufe verfasst werden sollten. Der Plan sah genaue Daten für die Durchführung konkreter Maßnahmen vor. So sollte z.B. der Kanton Erlenbach (einer der kleinsten Kantone der Autonomie) am 16. Juli die Resolution einer Versammlung der Arbeiter der Artel-Kooperative „Zukunft“, am 17. Juli die Resolution einer Versammlung der Arbeiter und Angestellten der Maschinen-Traktoren-Station Rosenberg, am 18. Juli die Resolutionen einer Versammlung der Kolchosbauern zweier Vorzeigekolchosen und am 19. Juli eine Resolution der Intelligenz des Kantons beitragen. Alle Resolutionen, Schreiben und Aufrufe wurden beim ZK der WKP(b) eingereicht. Viele dieser Dokumente wurden in den zentralen sowjetischen Presseorganen veröffentlicht, in für Deutschland bestimmten Radioprogrammen gesendet oder auf über deutschen Stellungen abgeworfenen Flugblättern verwendet. Alle Resolutionen, Briefe und Aufrufe enthielten die gleichen Versatzstücke: Berichte über das „wohlhabende, kulturreiche und glückliche Leben“ der Wolgadeutschen und im Namen des Sozialismus erbrachte heldenhafte Arbeitsleistungen sowie Beschreibungen der von der Bevölkerung Deutschlands unter den Bedingungen des Faschismus zu erleidenden Nöte und Qualen. Je nach Verfasser richteten sich die Schreiben gezielt an einzelne Bevölkerungsgruppen und riefen die Soldaten der Wehrmacht auf, ihre Waffen gegen Hitler zu wenden und auf die Seite der UdSSR überzulaufen.
Eine exponierte Stellung nahmen unter den der Gegenpropaganda dienenden Dokumenten die an die deutsche Bevölkerung gerichteten Aufrufe des Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der ASSR der Wolgadeutschen K. Hoffmann und des Vorsitzenden des Rats der Volkskommissare der ASSR der Wolgadeutschen A. Heckmann ein. In Hoffmanns Aufruf hieß es im Einzelnen: „Mit dem Gefühl größter Sorge denken wir an euch, die ihr unter der Knute der Hitlerschen Bande armseliger Bastarde, schändlicher Räuber und Mörder leidet, die alles Beste, was im strebsamen und kulturreichen deutschen Volk ist, in Schmutz und Blut getreten haben... Soldaten, Arbeiter, Bauern, Intelligenzler Deutschlands! Vergießt euer Blut nicht im Name der räuberischen Ziele Hitlers! Wendet eure Waffen gegen euren Todfeind Hitler und seine blutrünstige Bande von Gewalttätern. Erst nach der Vernichtung Hitlers und seiner Meute könnt ihr ein freies und glückliches Leben führen. Nieder mit dem blutigen Faschismus! Steht auf für den Kampf für ein freies Deutschland!“ Im gleichen Ton war auch Heckmanns Aufruf gehalten. Angesichts der Tatsache, dass die Gegenpropaganda fast ausschließlich auf dem utopischen Glauben an die nationale Klassensolidarität aufbaute, konnten die entsprechenden Dokumente nur eine geringe Wirkung entfalten, zumal die deutschen Soldaten schon lange unter massivem Einfluss der nationalsozialistischen Propaganda standen und in den vorangegangenen zwei Jahren von den unaufhörlichen Siegen der Wehrmacht in Europa berauscht waren. Im August wurde die von den Wolgadeutschen getragene Gegenpropagandakampagne nach und nach abgeschwächt und zum Ende des Monats am Vorabend der Zwangsdeportation der deutschen Bevölkerung schließlich ganz eingestellt.
Герман А.А., Немецкая автономия на Волге. 1918–1941, ч. 2. Автономная республика. 1924–1941, Саратов, 1994; его же, «Поверните ваше оружие...» (Использование поволжских немцев в контрпропаганде на население и вооруженные силы Германии летом 1941 г.). Публикация документов, в кн.: Военно-исторические исследования, вып. 2, Саратов, 1997.