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Nemwolbank /Deutsche Wolgabank für Landwirtschaftskredite/ im November 1922 gegründete Bank mit Beteiligung ausländischen Kapitals, deren Stammkapital Devisenmittel bildeten, die die russisch-deutsche „Wirtschaftsstelle der Wolgadeutschen“ durch erfolgreiche Handelsoperationen mit reichsdeutschen Firmen erwirtschaftet hatte. Später stockte die Bank ihr Kapital durch staatliche Mittel sowie örtliche und ausländische Einlagen auf

Rubrik: Republik der Wolgadeutschen

DEUTSCHE WOLGABANK FÜR LANDWIRTSCHAFTSKREDIT, im November 1922 gegründete  Bank mit Beteiligung ausländischen Kapitals, deren Stammkapital Devisenmittel bildeten, die die russisch-deutsche „Wirtschaftsstelle der Wolgadeutschen“ durch erfolgreiche Handelsoperationen mit reichsdeutschen Firmen erwirtschaftet hatte. Später stockte die Bank ihr Kapital durch staatliche Mittel sowie örtliche und ausländische Einlagen auf. Zur Beschaffung ausländischen Kapitals wurden Niederlassungen in Berlin und Chicago gegründet. Der Versuch, eine weitere Filiale in Buenos Aires zu gründen, war nicht von Erfolg gekrönt. Die im Ausland gegründeten Filialen dienten vor allem dem Ziel, wolgadeutsche Emigranten zur Zeichnung von Anleihen zu bewegen. 1923 reisten die Vorstandsmitglieder der Wolgabank A. Schneider, D. Borger, A. Reichert u.a. nach Deutschland, in die USA und in andere amerikanische Länder, um die Arbeit der Niederlassungen zu organisieren.

Über Auslandsanleihen mit einer Laufzeit von 15 Jahren sollten 1 Mio. Dollar bzw. 2 Mio. Goldrubel eingeholt werden. Zur Besicherung dieser Anleihen überließ die Sowjetregierung der Wolgabank 100.000 Desjatinen in der ASSR der Wolgadeutschen gelegenes Staatsland, das ausländischen Unternehmern und Firmen in Konzession überlassen werden sollte, um aus deren Einnahmen die für die Anleihen anfallenden Zinsen zu begleichen. Allerdings konnten nur 20.000 Desjatinen Land an die von dem reichsdeutschen Unternehmer von Rheinbaben geleitete Deutsch-Russische Agrargesellschaft (DRUAG) in Subkonzession übergeben werden, auf denen Getreideanbau- und Viehzuchtbetriebe aufgebaut wurden, in denen örtliche Bauern beschäftigt waren. Da sich keine weiteren ausländischen Interessenten für das von der Deutschen Wolgabank zu verpachtende Land fanden, wandte sich die Regierung der ASSR der Wolgadeutschen mit dem Gesuch an das Hauptkonzessionskomitee des Rats der Volkskommissare der UdSSR, das Konzessionsland an örtliche Bauern verpachten zu dürfen. Nach Erteilung der entsprechenden Genehmigung wurde das Land an in den Kantonen Pallasowka, Krasnyj Kut und Fjodorowka (in denen das Konzessionsland lag) ansässige wohlhabende Bauern verpachtet.

Der Tabelle lässt sich entnehmen, dass sowohl die Menge des von der Deutschen Wolgabank an örtliche Bauern verpachteten Landes als auch die auf diesem Weg erzielten Einnahmen stetig stiegen, so dass sich die Weiterverpachtung des Konzessionslands für die Bank als recht lukrativ erwies. Auch die örtlichen Pächter konnten ungeachtet der hohen Pachtzahlungen profitieren. So wies der Vorsitzende des Rats der Volkskommissare der ASSR der Wolgadeutschen W. Kurz auf einer Sitzung des Büros des Gebietsparteikomitees der WKP(b) am 8. Februar 1928 darauf hin, dass die dreijährige Praxis der Landverpachtung gezeigt habe, dass die Einnahmen der Pächter ungeachtet der in den meisten Fällen über den Normen der einheitlichen Landwirtschaftssteuer liegenden hohen Abgabenlast rapide gestiegen seien.

Vor diesem Hintergrund wurde die Führung der Deutschen Wolgabank mehrfach dafür kritisiert, die die Stärkung des „Klassencharakters“ der Nutzung des Konzessionslands betreffenden Parteidirektiven nur unzureichend umgesetzt zu haben. Aufgrund der von der Sowjetführung beschlossenen Neuregelung der Landwirtschaftssteuer wies der Rat der Volkskommissare der ASSR der Wolgadeutschen das Volkskommissariat für Finanzen, die Exekutivkomitees der Kantone und die Steuerkommissionen im Juli 1928 darauf hin, dass die Pacht von Konzessionsland der Deutschen Wolgabank eines der Kriterien darstelle, aufgrund derer eine Bauernwirtschaft in individueller Ordnung (d.h. nach willkürlich erhöhten Steuersätzen) besteuert werden könne. Im Zuge Umsetzung dieser Anordnung wurden die bäuerlichen Subpächter der Deutschen Wolgabank zu einem der Hauptopfer des gegen die Kulaken gerichteten Kampfes.

Mit den aus dem Verkauf von Anleihen der Deutschen Wolgabank im Ausland erzielten Erlösen konnten Produktionsmittel erworben werden, die es in der UdSSR entweder gar nicht oder nur in sehr begrenztem Umfang gab. So gelangten im August 1923 einige Dutzend in den USA hergestellte Traktoren in das Gebiet der Wolgadeutschen, die zum Preis von von neun Mrd. Rubel pro Stück exklusiv an Bauerngenossenschaften und Kollektivwirtschaften verkauft wurden.

 

Menge des von der Deutschen Wolgabank verpachteten Landes und der erzielten Einnahmen

Jahr

Menge des verpachteten Landes in Hektar

Erzielte Pachteinnahmen in Rubel

1924

10 702

17 435

1925

77 940

55 584

1926

92 669

95 834

1927

92 912

104 404

 

Ungeachtet dessen waren die Versuche, Anleihen der Deutschen Wolgabank in Deutschland und in den USA zu verkaufen, insgesamt wenig erfolgreich. Im Mai 1926 sah sich der Rat der Volkskommissare der ASSR der Wolgadeutschen gezwungen, das Darlehen der Deutschen Wolgabank für unbestimmte Zeit einzufrieren, was mit dem „aus der Annullierung der Auslandsschulden der Zarenregierung und der Provisorischen Regierung resultierenden allgemeinen Misstrauen gegenüber der Sowjetmacht“ erklärt wurde.

Auch wenn die aus den Anleihen erzielten Erlöse weit hinter den Erwartungen zurückblieben, konnte die Deutsche Wolgabank durch die Abwicklung von Geldüberweisungen von Emigranten an ihre in der Wolgaregion lebenden Verwandten erhebliche Devisenmengen beschaffen. Da die Deutsche Wolgabank eine für die damalige Zeit schnelle Überweisungstechnik nutzte (eine Überweisung per Telegraph aus Amerika brauchte z.B. nur 10 Tage) konnte sie unter den Emigranten schnell Vertrauen und sogar Popularität gewinnen. So wurden bis zum 1. März 1927 allein von der Chicagoer Niederlassung der Deutschen Wolgabank 17.502 Überweisungen in einer Gesamthöhe von 810.000 Dollar getätigt. Die meisten Überweisungen (in einer Höhe von insgesamt etwa 400.000 Dollar) erhielten die Wolgadeutschen in den Jahren 1924/25, als infolge von Missernten erneut eine Hungersnot drohte.

Dank der Erfolge der Chicagoer Filiale der Deutschen Wolgabank konnte diese im August 1925 in eine Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 25.000 Dollar umwandelt werden, zu deren Aktionären neben der Filiale selbst auch einige aus dem Wolgagebiet nach Amerika emigrierte örtliche Unternehmer gehörten. Die auf diese Weise erzielten zusätzlichen Deviseneinnahmen flossen dem Haushalt der Wolgarepublik zu und wurden für lizenzfreie Importoperationen wie z.B. den Ankauf hochwertiger amerikanischer Landwirtschaftstechnik genutzt.

Aufgrund eines geheimen Beschlusses des Politbüros des ZK der WKP(b) vom 27. August 1925 wurde der Deutschen Wolgabank für ihre Aktivitäten im Ausland und insbesondere in Deutschland eine gewisse Handlungsfreiheit gewährt; die aus der Konzession erzielten Einnahmen flossen unmittelbar dem Haushalt der ASSR der Wolgadeutschen zu. Allerdings spielte dieser Beschluss in der Praxis kaum eine Rolle, da er von „Monopolisten“ wie dem Volkskommissariat für Handel, der Staatsbank und dem Volkskommissariat für Äußere Angelegenheiten sabotiert wurde, die keine neuen Konkurrenten dulden wollten.

Im Zuge der Abkehr von der Neuen Ökonomischen Politik und der Verschärfung des politischen Kurses der UdSSR war die Führung der ASSR der Wolgadeutschen auf Druck von oben gezwungen, seine Auslandsaktivitäten einschließlich der Tätigkeit der Deutschen Wolgabank allmählich einzustellen. Im November 1927 fasste das Büro des Gebietsparteikomitees der WKP(b) den Beschluss, die Chicagoer Niederlassung der Deutschen Wolgabank „wegen mangelnder Rentabilität“ zu schließen. Der Beschluss wurde 1928 ausgeführt. Im Verlauf der Jahre 1928/29 wurde nach und nach auch die Tätigkeit der Deutschen Wolgabank in Deutschland zurückgefahren. Zu dieser Zeit stellte auch die „DRUAG“ ihre Tätigkeit in der Wolgaregion ein.

Mit Beginn der durchgängigen Kollektivierung wurde im August 1929 im Zuge der Kampagne zur „Aufspürung von Kulakenwirtschaften“ der Hauptschlag gegen jene Bauern geführt, die Unterpächter der Ländereien der Deutschen Wolgabank waren. Die Augustkampagne trieb das „unter den Fittichen der Deutschen Wolgabank gebaute Kulakennest“ in den Ruin, woraufhin natürlich die Unterpacht zu bestehen aufhörte und nach etwas mehr als einem halben Jahr auch die Deutsche Wolgabank ihre Selbständigkeit verlor, zu einer Filiale der Allunions-Kooperativ- und Kolchosbank wurde und die Möglichkeit verlor, über das eigene Kapital zu verfügen.

Autoren: German A.

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