PARTEI DER DEUTSCHEN KOMMUNISTEN DES WOLGAGEBIETS, im September 1918 durch Austritt der Kommunisten aus dem Bund der deutschen Sozialisten des Wolgagebiets und dessen anschließende Auflösung gegründete kommunistische Organisation der Wolgadeutschen. Im Juni 1918 fand der II. Kongress des zu diesem Zeitpunkt bereits von den Kommunisten dominierten Bundes der deutschen Sozialisten des Wolgagebiets statt, der die Repräsentanz verschiedener politischer Strömungen innerhalb einer einzigen Organisation für nicht akzeptabel erklärte und eine Initiativgruppe wählte, die die Gründung einer rein kommunistischen Organisation vorbereiten und den Bund der deutschen Sozialisten auflösen sollte. Die Initiativgruppe wurde von E. Reuter geleitet, der zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender des Kommissariats für deutsche Angelegenheiten im Wolgagebiet war. Im Juli-September 1918 betrieb die Initiativgruppe in den lokalen Organisationen des Bundes der deutschen Sozialisten umfangreiche Arbeit, um in Saratow, in den anderen Städten des Saratower Wolgagebiets und in den deutschen Dörfern rein kommunistische Organisationen zu gründen.
Am 22. September 1918 fand in Saratow die Gründungsversammlung der Kommunisten statt, auf der Vertreter der deutschen Kommunisten Saratows, Katharinenstadts und einiger weiterer deutscher Ortschaften zugegen waren. Nach Anhörung des von E. Reuter vorgetragenen Rechenschaftsberichts über die von der Initiativgruppe geleistete Arbeit und deren Aufbau und Charakter der neuen Parteiorganisation betreffende Vorschläge fassten die Teilnehmer der Versammlung nach hitziger Diskussion den folgenden Beschluss: Die zu organisierende Gruppe nennt sich „Russische Kommunistische Partei (Bolschewiki), Organisation der deutschen Kolonisten“. Sitz des Zentralkomitees der Gruppe ist Saratow. Über das ZK werden die drei Bezirksorganisationen der Partei in Katharinenstadt, Seelman und Balzer vereint. Die Aufgabe des ZK besteht darin, die Bezirke mit Literatur und Material zu versorgen und über das Zentralkomitee in Moskau den Kontakt zur Allrussischen Partei herzustellen. Die gesamte Gruppe ist dem Zentralkomitee der Partei unterstellt und arbeitet in allen Fragen mit der Gesamtpartei zusammen.
Es wurde ein „Provisorisches Zentralkomitee der Gruppe in Saratow“ gewählt, dem E. Reuter, K. Petin, J. Schneider, I. Schönfeld und A. Schütz angehörten. Die Versammlung fasste ferner den Beschluss, im Wolgakommissariat für deutsche Angelegenheiten eine kommunistische Fraktion zu gründen, die „im Kommissariat die Beschlüsse der Partei durchbringen“ sollte.
Die auftretenden Kommunisten sprachen über die Notwendigkeit, schnellstmöglich Bezirksparteiorganisationen aufzubauen, um „am 20. Oktober auf dem Sowjetkongress in Seelman als einige starke Kraft aufzutreten“ (am 20. Oktober sollte auf dem II. Sowjetkongress die Gründung des Gebiets der Wolgadeutschen verkündet werden). Es wurde beschlossen, am 5.-6- Oktober in Seelman, am 9. Oktober in Katharinenstadt und am 12.-13. Oktober in Balzer Gründungsversammlungen abzuhalten. Dieser Beschluss wurde in allen Bezirken umgesetzt, so dass der organisatorische Aufbau der kommunistischen Organisation der deutschen Kolonisten des Wolgagebiets Mitte Oktober I9I8 vollzogen war. Vom 5. September 1918 an gaben die deutschen Kommunisten ihre Zeitung „Kommunist“ heraus. Alle Mitarbeiter des Kommissariats für deutsche Angelegenheiten im Wolgagebiet wurden Mitglieder der Saratower Gruppe der Partei.
Der in Saratow und in den Bezirkszentren begonnene Prozess der Gründung von Parteizellen wurde in den Kolonien fortgesetzt. Im November 19I8 wurden kommunistische Gruppen in Norka, Kresty, Boisroux, im Dezember in Umjot und Popowka, im Januar 1919 in Schaffhausen und Langenfeld gegründet. Die Gründung kommunistischer Parteiorganisationen beseitigte in den Kolonien auch die letzten Reste sozialdemokratischen Andersdenkens, beschleunigte den Prozess der „Klassenausrichtung“ des sowjetischen Aufbaus und machte diesen rigider.
Im Oktober 1918 war die Sowjetmacht in den deutschen Wolgakolonien fest etabliert. Am 19. Oktober verabschiedete der Rat der Volkskommissare der RSFSR das Dekret über die Gründung der Arbeitskommune (des Autonomen Gebiets) der Wolgadeutschen. Der am 20.–24. Oktober in Seelman (Rownoje) stattfindende II. Sowjetkongress der deutschen Wolgakolonien plante konkrete Maßnahmen zur Umsetzung dieses Dekrets und wählte die führenden Sowjetorgane der Arbeitskommune.
Mit der Gründung des Autonomen Gebiets begann für die Parteiorganisationen eine neue wichtige Phase, in der sie sich vor allem mit Fragen der terrritorialen Ausgestaltung der Autonomie, der Stärkung der Sowjetmacht auf deren Gebiet und der Organisation des Wirtschaftslebens beschäftigen musste. Unter den Bedingungen des Bürgerkriegs waren die Versorgung der Hauptstadt, der größeren Städte und der Armee mit Lebensmitteln sowie die Mobilisierung der Deutschen zur Verteidigung der bolschewistischen Macht zentrale Aufgaben, die sich nicht lösen ließen, ohne die Gebietsparteiorganisation zu stärken, die Zahl der Kommunisten und Basiszellen zu steigern und Autorität und Einfluss der Partei zu heben.
All diese und weitere Fragen wurden auf der am 16.–18. Februar 1919 stattfindenden Ersten Gebietskonferenz der RKP(b) erörtert, wie sich der Tagesordnung entnehmen lässt: 1 ) Bericht über die innen- und außenpolitische Lage (P. Tschagin): 2) Bericht über die Tätigkeit der Saratower Kommunistischen Gruppe (B. Klausch); 3) Organisationsfrage (G. Schulz); 4) Taktik der Partei in den Kolonien (G. Schaufler); 5) Rote Armee (A. Ebenholz); 6) Agitationsfrage (A. Emich); 7) Parteipresse (F. Nonnenbruch); 8) Frauenorganisation (M. Jakobsen); Organisation der Jugend (A. Steineman); 10) Verschiedenes.
Auf der Konferenz erhielt die Organisation der Kommunisten der deutschen Kolonien den Status einer Gebietsorganisation der RKP(b) und ihr „Provisorisches Zentralkomitee“ wurde zum Gebietsparteikomitee. Zum ersten Vorsitzenden des Gebietsparteikomitees wurde P. Tschagin (Boldowkin) gewählt.
Герман А.А. Из истории образования партийной организации трудовой коммуны немцев Поволжья // Советские немцы: история и современность. М., 1990.