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DEUTSCHER NATIONALRAYON SPARTAKOVKA (bis 1929 Großliebenthal), territoriale Verwaltungseinheit in der Ukrainischen SSR

Rubrik: Geschichte und Geographie der Ansiedlung der Deutschen im Russischen Reich, in der UdSSR und GUS / Geschichte der Ansiedlung
Карта-схема Спартаковского немецкого национального района

DEUTSCHER NATIONALRAYON SPARTAKOVKA (bis 1929 Großliebenthal), territoriale Verwaltungseinheit in der Ukrainischen SSR. Gegründet am 28. April 1926 auf gemeinsamen Beschluss des Allukrainischen Zentralexekutivkomitees und des Rats der Volkskommissare der Ukrainischen SSR. Gehörte zunächst zum Bezirk Odessa, unterstand dann ab dem 2. September 1930 unmittelbar den zentralen ukrainischen Behörden und gehörte ab dem 9. Februar 1932 zum Gebiet Odessa. Ursprünglich bestand der Rayon aus den sechs Dorfsowjets Großliebenthal, Kleinliebenthal, Neuburg, Marienthal, Josefsthal und Franzfeld. Später kamen die Dorfsowjets Alexanderhilf, Petersthal und Freudenthal hinzu. 1926 gab es im Rayon zehn Ortschaften (Alexanderhilf, Großliebenthal, Josefsthal, Karlsthal, Kleinliebenthal, Marienthal, Neuburg, Petersthal, Franzfeld und Freudenthal). Im Zuge der Umsiedlung landloser und landarmer Bauern wurde 1927 eine weitere Ortschaft gegründet, die den Namen Lenintal erhielt und Mitte November 1928 101 Höfe umfasste. Im April 1927 hatte der Rayon 13.631 Einwohner, von denen 12.873 (94,5%) Deutsche waren. 1932 hatte der Rayon eine Fläche von 31.897 Hektar. Verwaltungszentrum war das Dorf Großliebenthal (später in Spartak bzw. Spartakovka umbenannt).

            Grundlage der Wirtschaft des Rayons war die Landwirtschaft. Die Saatfläche betrug im Jahr 1926 22.044 Hektar, im Jahr 1928 21.387 Hektar, im Jahr 1929 19.977 Hektar, im Jahr 1930 20.346 Hektar, im Jahr 1931 20.775 Hektar und im Jahr 1932 22.103 Hektar. Ab der zweiten Hälfte der 1920er Jahre wurden vermehrt Industriepflanzen statt Getreide angebaut. Wurden 1926 noch auf 976 Hektar Industriepflanzen angebaut, stieg die entsprechende Anbaufläche bis 1928 auf 2.920 Hektar.

            In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre verzeichnete die Kooperativbewegung im Rayon erhebliche Zuwächse. So stieg die Zahl der Mitglieder landwirtschaftlicher Kooperativen im Zeitraum von 1926-1928 von gerade einmal 150 auf 1.500 Personen. Besondere Aufmerksamkeit galt dabei dem Ausbau der Erzeugung von Milchprodukten. Gab es 1926 im Rayon zwei Molkereigenossenschaften mit 200 Mitgliedern, waren es 1928 bereits neun mit 2.400 Mitgliedern. Zu beobachten war auch eine Zunahme der Kollektivwirtschaften. 1926 bestanden vier Kollektive, die insgesamt 60 bäuerliche Einzelwirtschaften vereinten (2% der Gesamtzahl), 1928 bereits 24, in denen insgesamt 400 Einzelwirtschaften (12%) zusammengeschlossen waren.

            Das Volksbildungssystem umfasste im Schuljahr 1928/29 zehn Schulen: acht Grundschulen sowie zwei Siebenklassenschulen in Großliebenthal und Marienthal. Zu diesem Zeitpunkt besuchten 94% aller Kinder im Schulalter eine Schule. Anfang der 1930er Jahre wurde im Rayon eine Agrar-Oberschule gegründet, die im Studienjahr 1932/33 127 Studenten hatte. Die Gesamtzahl aller Schüler betrug zu diesem Zeitpunkt 2.346, was 100% aller Kinder im schulpflichtigen Alter entsprach. In den Schulen des Rayons waren 70 Lehrer tätig, von denen sechs über einen Hochschulabschluss verfügten, 47 spezialisierte mittlere Lehranstalten und die übrigen lediglich pädagogische Schnellkurse absolviert hatten. Die Schulen waren nur zu 75% mit Schulbüchern ausgestattet. Im Rayon gab es fünf Kindergärten.

            Anfang der 1930er Jahre gab es im Rayon einen Rayons- und mehrere Dorfklubs, eine Rayonsbibliothek und in einer ganzen Reihe von Ortschaften Lesehütten. 1932 gab es im Rayon 27 feste Rundfunkanlagen und 97 Radiopunkte sowie ein mobiles Kino. Von 1930 bis zum 5. April 1939 erschien 15-mal monatlich die Rayonszeitung „Kollektiver Aufbau“ (ab Nr. 32(581) vom 2. März 1935 unter dem Titel „Für bolschewistische Kollektive“), deren Auflage bei über 2.000 Exemplaren lag.

            Zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung gab es 1930 fünf und 1932 bereits acht medizinische Einrichtungen, in denen 14 bzw. 22 medizinische Angestellte für die Behandlung der Kranken zuständig waren. 

            Hinsichtlich ihrer Religionszugehörigkeit teilte sich die Bevölkerung des Rayons in evangelisch-lutherische (Großliebenthal/ Pastor A. Koch, Alexanderhilf, Karlsthal, Neuburg, Petersthal und Freudenthal) und römisch-katholische Christen (Kleinliebenthal/ Pater W. Bechler, Josefsthal/ Pater F. Jaufmann, Marienthal/ Pater J. Wolf und Franzthal/ Pater K. Eger)

            Anfang der 1930er Jahre begann im Rayon die flächendeckende Kollektivierung. Zum 3. Februar 1930 waren 98% der Bauernwirtschaften zwangsvergemeinschaftet. 275 Personen (53 wohlhabende Wirtschaften) wurden entkulakisiert und anschließend ausgesiedelt. Im Zuge der Entkulakisierung kam es zu zahlreichen Verbrechen und Gesetzesbrüchen. Nach der Veröffentlichung des Beschlusses des ZK der VKP(b) über die vorübergehende Aussetzung der Kollektivierung vom 14. März 1930 begann der Massenaustritt der Bauern aus den Kolchosen, in denen bis Oktober nur 50% der Wirtschaften verblieben. Die nächste Etappe der Massenkollektivierung begann Anfang 1931. Zum 1. April 1931 waren 86,7% der bäuerlichen Einzelwirtschaften in Kolchosen zusammengeschlossen. Am 1. Oktober 1931 waren 90,7% der bäuerlichen Bevölkerung Mitglied von 14 Kolchosen (11 Artels und drei „Genossenschaften zur gemeinsamen Landbestellung“). Im Dezember 1932 waren 98% der bäuerlichen Einzelwirtschaften des Rayons in elf Kolchosen zusammengeschlossen.

            Auch in den Kolchosen war die Landwirtschaft des Rayons vor allem auf Milch- und Viehwirtschaft ausgerichtet. Im Rayon gab es drei Milchbetriebe mit 213 Kühen, vier Betriebe für Kälberzucht mit 350 Tieren und drei Schweinezuchtbetriebe mit 150 Muttersauen. Die folgenden Zahlen verdeutlichen die Entwicklung der Nutztierhaltung Anfang der 1930er Jahre: 1930, 1931 bzw. 1932 gab es im Rayon 2.925, 2.655 bzw. 2.868 Pferde, 2.893, 3.158 bzw. 2.664 Kühe sowie 885, 1.831 bzw. 2.099 Schweine. Große Aufmerksamkeit galt dem Ausbau des Weinbaus. Die für den Weinbau genutzte Anbaufläche lag 1932 bei 2.605 Hektar. Eine Kolchose war zudem auf einer Fläche von 5.018 Hektar auf Saatzucht spezialisiert. Örtliche Gewerbebetriebe waren 1932 ein Weinkombinat, mechanisch-technische Werkstätten, eine Mühle  und sechs Handwerkerkooperativen. 1931 arbeiteten in diesen Betrieben 279 Personen, deren Bruttoproduktion bei 997.643 Rubeln lag. 1932 lag die Zahl der Arbeiter bereits bei 355 Personen, die Waren im Gesamtwert von 1.483.126 Rubeln produzierten. 

            Zugleich sah sich die Bevölkerung des Rayons mit erheblichen materiellen Schwierigkeiten konfrontiert. Ein großes Problem stellte der Arbeitskräfteüberschuss dar, der zur Folge hatte, dass im Rayonsdurchschitt auf einen Kolchoshof nur 207 Arbeitstage entfielen. Jeder Einzelhof verfügte im Durchschnitt nur über 6,2 Hektar Land. Extrem niedrig war auch die Entlohnung der Kolchosbauern, die für einen Arbeitstag lediglich 2-3 Rubel bekamen, die zudem meist in Naturalien ausgezahlt wurden. In extremem Maße verschärft wurde die Wirtschaftslage im Rayon durch die Getreidebeschaffungskampagnen. Der Getreidebeschaffungsplan für 1931 wurde vom Rayon zu 111,6% erfüllt. Obwohl die Planziffern der Getreidebeschaffung des Jahres 1932 bereits Anfang November erfüllt waren, wurde die Kampagne fortgesetzt und nahm bald den Charakter flächendeckender Hausdurchsuchungen in den Bauernhöfen an, in deren Verlauf nicht nur Getreide, sondern auch andere Lebensmittel beschlagnahmt wurden. Nachdem die Versorgungslage bereits Ende 1932 extrem angespannt war, kam es unmittelbar zu Beginn des Folgejahres zu einer umfassenden Hungernot.

            Von Mitte der 1930er Jahre an geriet die deutsche Bevölkerung des Rayons immer wieder ins Visier der politischen Massenrepressionen. 1937 fabrizierten die Organe des NKVD den Fall der sogenannten illegalen deutschen faschistischen Partei. Unter der Beschuldigung, sich an dieser beteiligt zu haben, sowie wegen antisowjetischer Tätigkeit und Spionage wurde Dutzende Einwohner des Rayons verhaftet und verurteilt. Allein in Kleinliebenthal wurden im Zeitraum von 1937-39 44 Dorfbewohner Repressionen unterzogen, von denen 18 erschossen wurden. Die Repressionen waren zu dieser Zeit auch gegen die Partei- und Sowjetführung des Rayons gerichtet. So wurden der Sekretär des Rayonsparteikomitees Dürmaier, der Leiter der Abteilung für Volksbildung des Rayons Mauer, der Redakteur der Rayonszeitung Löffler, der Kolchosvorsitzende Walguni sowie eine ganze Reihe weiterer Personen verhaftet.

            Am 7. April 1939 wurde der Rayon auf Beschluss des ZK der KP(b)U aufgelöst. Die Dorfsowjets Alexanderhilf, Kleinliebenthal, Marienthal, Neuburg, Josefsthal, Petersthal, Spartakovka und Franzfeld wurden dem neugegründeten Rayon Ovidiopol', der Dorfsowjet Freudenthal dem Rayon Beljaevka angeschlossen. 

Literatur

Ченцов В.В. Трагические судьбы. Политические репрессии против немецкого населения Украины в 1920-е – 1930-е годы. М., 1998; Евтух В.В., Чирко Б.В. Німці в Україні (1920-і – 1990-і роки).– К., Інтел, 1994; Материалы к энциклопедии «Немцы России».Вып.7. Немцы Украины. Пилотный сборник.– Москва, 2002; Russland-Deutsche Zeitgeschichte. Band 2, Ausgabe 2002. Jahrbuch mit den Forschungsergebnissen der Vereinsmitglieder. - /Anton Bosch (Hrsg.). – Nürnberg, München, 2002.

Archive

Государственный архив Российской Федерации (ГАРФ). Ф.3316, Оп.20, 153, Л. 261; Центральный государственный архив высших органов власти и управления Украины (ЦГАВОУ). Ф.413, Оп. 1, Д.253, Л.3; Д. 387, Л.Л. 107–109; Д. 472, Л.Л. 2–3; Д.531, Л. 83; Д.587, Л.Л. 1–7; Центральный государственный архив общественных объединений Украины (ЦГАОО) Ф.1, Оп. 20. Д.3948, 3952, Л.Л.85,122,152, 154; Німці в Україні. 20 – 30-тi рр. ХХ ст. Збірник документів державних архівів України /Упоряд. Л.В. Яковлєва, Б.В. Чирко та С.П. Пишко. – К., Інститут історії України НАН України, Центральний державний архів вищих органів влади і управління України, 1994.

Autoren: Smirnowa T.B.

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