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SCHÄFEREILAND

Rubrik: Wirtschaftsgeschichte

SCHÄFEREILAND, bei den den Kolonisten zugeteilten Ackerflächen gelegene weitläufige Landflächen, die die Regierung den im Süden des Landes gelegenen deutschen Kolonien für die Haltung von Feinwollschafen und die Errichtung von Wollwebereien zur Verfügung stellte.

Da die Idee, in den Kolonien die Schafhaltung zu etablieren, nur geringe Erfolge zeitigte und die gemeinschaftlich unterhaltenen Schafherden unrentabel blieben, wurden die entsprechenden Ländereien zusammen mit dem Gewerbe- und Reserveland der Kolonisten an reiche Bauern verpachtet und stellten eine wichtige Einnahmequelle der Gemeinden dar. Da es sich bei den Pächtern vielfach um ortsansässige Vollbauern handelte, profitierten diese in der Regel gleich doppelt. Dies galt insbesondere für die Zeit nach 1838, als die Kolonien zunehmend für den Markt produzierten. Angesichts des in den Kolonien zu dieser Zeit bereits herrschenden Landmangels wurde das Schäfereiland zu einer ständigen Quelle des Streits, da die landlosen Kolonisten statt der von den Großbauern bevorzugten Verpachtung eine Verteilung des Landes forderten. Insgesamt nahmen die entsprechenden Ländereien in den im Süden des Russischen Reichs gelegenen Kolonien eine Fläche von 18.304 Desjatinen ein, wobei der größte Teil auf die Kolonien der Gouvernements Taurien (13.232 Desjatinen) und Jekaterinoslaw (5.060 Desjatinen) entfiel, während die entsprechenden Flächen im Gouvernement Cherson sehr klein und in Bessarabien gar nicht vorhanden waren. Um die im Dorf herrschenden Interessenkonflikte abzuschwächen und wenigstens einen Teil der landlosen Kolonisten zu befriedigen, schlug die Regierung 1866 vor, die entsprechenden Flächen unter den Landlosen aufzuteilen, so dass z.B. bei den an der Molotschna ansässigen Mennoniten neben 1.245 vollen weitere 284 Halb- und 1.563 Viertelwirtschaften entstanden. Angesichts der hohen Zahl landloser Bauern ließ sich das Problem des Landmangels auf diese Weise allerdings nicht lösen, zumal sich die Gemeinden unter dem Einfluss der Großbauern vielfach dennoch für eine Verpachtung der entsprechenden Flächen entschieden, um mit den Einnahmen für die Gründung von Tochterkolonien bestimmtes Land zu erwerben. Die Rolle der entsprechenden Ländereien für den Ankauf von Land und die Gründung von Tochterkolonien sollte allerdings nicht überschätzt werden: So machten alle in den im Süden gelegenen Kolonien vorhandenen Freiflächen (Schäferei-, Gewerbe- und Reserveland) bei einer Bevölkerung von 66.300 männlichen Revisionsseelen (1870) durchschnittlich gerade einmal eine Drittel-Desjatine pro Kopf aus (bei einer Gesamtfläche von durchschnittlich zehn Desjatinen pro Kopf). Abgesehen davon verfügten auch gar nicht alle Kolonien über entsprechende Ländereien. Da das bei den Kolonien gelegene Land teuer war und sich an neuen Orten deutlich günstiger Land erwerben ließ, war es für die Kolonisten vorteilhafter, anderswo Land zu erwerben und das Schäfereiland nicht zu verteilen, sondern zu verpachten. Diese Rechnung ging auf und führte zu einer allmählichen Abschwächung der in den Kolonien bestehenden Gegensätze, auch wenn sich das Problem der Landlosigkeit nicht abschließend lösen ließ, da eine neue Generationen landloser Bauern nachwuchs, die erst im Zuge der Stolypinschen Reformen in erheblichem Umfang abzog.

Literatur

Autoren: Malinovskij L.

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