SIEBENTEN-TAGS-ADVENTISTEN, Anhänger einer 1845/46 in den USA entstandenen protestantischen Freikirche, für die die Bibel (als das auf göttlicher Inspiration basierende „Wort Gottes“) die einzige Quelle des Glaubens darstellt. Im Zentrum des Glaubens der Siebenten-Tags-Adventisten steht die Erwartung der baldigen Wiederkehr Christi, bei der die Gerechten sofort und die Sündigen nach dem Tausendjährigen Reich Christi von den Toten auferstehen. Vom Baptismus haben sich die an Erwachsenen vollzogene Immersionstaufe sowie das Ritual der Fußwaschung erhalten. Seit 1863 bilden die Siebenten-Tags-Adventisten eine eigenständige, von den Adventisten getrennte Kirche. Sie predigen die strenge Einhaltung der biblischen Gebote und insbesondere des vierten Gebots, den „Sabbat zu halten“. Der Sabbat ist das bleibende Zeichen, das die Auserwählten kennzeichnet. Am Sabbat ist nicht nur die Arbeit, sondern sogar die Zubereitung von Speisen verboten. Jedes Mitglied der Siebenten-Tags-Adventisten muss den Zehnten seiner Einkünfte an die Kirche abtreten. Die Siebenten-Tags-Adventisten verneinen die Lehre von der grundsätzlichen Unsterblichkeit der Seele und den ewigen Qualen der Ungläubigen. In die Kirche wird aufgenommen, wer Christus als seinen persönlichen Erlöser anerkennt. An neu Bekehrten wird das Ritual der Taufe durch Eintauchen in Wasser vollzogen. Die Siebenten-Tags-Adventisten verbieten jegliche Zerstreuung und billigen nicht einmal die Lektüre von Belletristik. Sie betreiben eine ausgeprägte Missionsarbeit, da der Zeitpunkt der Wiederkehr Christi ihres Erachtens davon abhängt, wie schnell alle Menschen die adventistische Predigt vernehmen. Die Siebenten-Tags-Adventisten weisen eine spezifische Organisationsstruktur auf: Mehrere Gemeinden eines kleineren Gebiets bilden sogenannte „Felder“, die wiederum innerhalb größerer Regionen (Länder) zu Unionen zusammengefasst werden. Mehrere Unionen bilden im Rahmen eines Kontinents oder eines Teils eines Kontinents Divisionen.
In Russland traten die Siebenten-Tags-Adventisten erstmals im Jahr 1886 in Erscheinung, als der Missionar und Vertreter der Hamburger Traktatgesellschaft Ludwig Richard Conradi (von 1910 an Leiter der Europäischen Division der Siebenten-Tags-Adventisten) in der im Nordwesten der Halbinsel Krim gelegenen Kolonie Berdy-Bulat (Priwolnoje) eine Gemeinde gründete und deren Presbyter wurde. Diakon war der aus der Gegend selbst stammende Johann Perk. Während Conradi schon wenig später wegen verbotener Missionstätigkeit aus Russland ausgewiesen wurde, zog Perk 1889 in die im Gouvernement Jekaterinoslaw gelegene Kolonie Schönwiese (heute ein Stadtteil von Saporoschje). Die größte Gemeinde der Siebenten-Tags-Adventisten entstand in dem im Bezirk Alexandrowsk (Gouvernement Jekaterinoslaw) gelegenen Dorf Nataljewka, von dem aus sich der neue Glaube nach und nach ausbreitete. 1890 fand in der im Mennonitenbezirk Wohldemfürst-Alexanderfeld (Gouvernement Jekaterinoslaw) gelegenen Kolonie Eigenheim die erste Konferenz der Siebenten-Tags-Adventisten statt. In den Jahren 1886-96 beschränkte sich ihre Missionstätigkeit auf die ländlichen Regionen verschiedener deutscher Kolonien. 1896 gab es in Russland insgesamt 799 Siebenten-Tags-Adventisten. 1890 entstand auch unter den in der zu Österreich-Ungarn gehörenden Westukraine ansässigen deutschen Baptisten eine erste Gemeinde der Siebenten-Tags-Adventisten, die von dem aus dem Gouvernment Taurien übergesiedelten K. Reiwin geleitet wurde. 1896 gingen einige Mitglieder dieser bei Luzk gelegenen Gemeinde sowie einige den Siebenten-Tags-Adventisten zugehörige deutsche Kolonisten aus der Süd- und Zentralukraine nach Lodz (Königreich Polen), wo ein adventistisches Seminar und Missionszentrum entstand, das von D. Heide und F. Remfred geleitet wurde. 1901 entstanden in Galizien unter dem Einfluss des deutschen Missionars Ju. Peter mehrere ukrainische Adventisten-Gemeinden. Um die Jahrhundertwende wurden auch in Riga, St. Petersburg, Kiew, Odessa, Saratow und Moskau adventistische Gemeinden gegründet, denen vor allem Deutsche angehörten. Bekannte deutsche Missionare waren unter anderem F. Reiswig, K. Laubhan, Ja. Klein, A. Neufeld, R. Wagner, O. Wildgrube, K.A. Reifschneider, I. Schneider, Ju.T. Böttcher, Ja. Ebel, O.E. Reinke und D.P. Gede.
Um das Jahr 1904 traten die Siebenten-Tags-Adventisten erstmals auch in Sibirien und Mittelasien in Erscheinung. Nach der im Jahr 1905 erfolgten Verkündung der Glaubensfreiheit richteten die russischen Adventisten unter Führung Conradis eine „Dankadresse“ an Zar Nikolai II., in der sie ihren untertänigen Gefühlen Ausdruck verliehen. 1906 wurden die Siebenten-Tags-Adventisten den Baptisten rechtlich gleichgestellt, woraufhin die Zahl ihrer Gemeinden schnell anstieg (vor allem durch Übertritt früherer Baptisten, Evangeliumschristen und orthodoxer Bewohner der Städte und größeren Dörfer). Im Jahr 1907 waren über 2.600 Adventisten in über vierzig Kirchen zusammengeschlossen. 1906 entstand eine Gemeinde der Siebenten-Tags-Adventisten in Warschau, die von G. Schmitz geleitet wurde und in der Westukraine Missionsarbeit leistete.
Bis 1907 gehörten die im Russischen Reich ansässigen Siebenten-Tags-Adventisten zunächst der Deutschen und später der Osteuropäischen Division an. Von 1908 an erhielten sie Eigenständigkeit innerhalb einer Russischen Division, deren Zentrum in Riga lag. Im Gouvernement Saratow betrieb der Leiter der dortigen Vertretung der Bibelgesellschaft Perk aktive Missionsarbeit. 1911 gab es in Russland bereits 4.000 Siebenten-Tags-Adventisten. In den Jahren des Ersten Weltkriegs verlangsamte sich das Wachstum infolge der gegen die „deutschen Konfessionen“ gerichteten Verfolgungsmaßnahmen. Aber bereits 1916 gehörten den Adventisten-Gemeinden über 6.000 Gläubige an.
Nach der Oktoberrevolution von 1917 wurden die Siebenten-Tags-Adventisten zunächst von der Sowjetregierung begünstigt, die auf diese Weise ein Gegengewicht zur Russisch-Orthodoxen Kirche schaffen wollte. In den 1920er Jahren wurde ein Bundesverband der Siebenten-Tags-Adventisten gegründet, der von H. Löbsack, G. Zirat und B. Schmidt geführt wurde und insgesamt 605 Gemeinden umfasste. Bis zu seinem Verbot im Jahr 1929 führte der Verband sechs Kongresse durch. Seine Führung befand sich in Moskau (Vorstand - H. Löbsack). In den Jahren 1925-29 erschien in Moskau „Der Adventbote“, die einzige adventistische Zeitschrift der Sowjetunion. In der ASSR der Wolgadeutschen wurden zwei adventistische Kliniken gegründet.
1924 gab es in der UdSSR 11.500, 1926 12.700 und 1928 13.400 Siebenten-Tags-Adventisten, bei denen es sich größtenteils um Deutsche handelte. 1924 kam es auf dem 5. Kongress der Siebenten-Tags-Adventisten zur Spaltung, in deren Folge sich eine Gruppe von Reformadventisten abspaltete, deren Mitglieder sich streng an das Prinzip hielten, keinen Dienst an der Waffe zu leisten. 1928 erklärten die sowjetischen Siebenten-Tags-Adventisten ihre Loyalität in Fragen des Wehrdienstes, was eine erneute Spaltung nach sich zog. 1929 schlossen sich die von G. Oswald geführten Reformadventisten zum Russischen Feld der Reformbewegung der Siebenten-Tags-Adventisten zusammen, das im Untergrund tätig war. 1936 wurde das Russische Feld in Allrussische Union der Reformadventisten umbenannt und von W. Schelkow und P. Manschura geführt.
Die auf dem Gebiet der Westukraine bestehenden Gemeinden der Siebenten-Tags-Adventisten wurden 1922 zur Union der Siebenten-Tags-Adventisten in Polen zusammengefasst, die wiederum der Osteuropäischen Division unterstand. Es wurden die Zeitschriften „Sluga Soborow“, „Snameni vremeni“ und „Swet dlja proswetitelstwa“ (in deutscher, polnischer und russischer Sprache) sowie „Snaki wremeni“ (Lwow, 1927-33, in ukrainischer Sprache) verbreitet. Es wurde übersetzte Literatur ausländischer Missionen gedruckt. Nach dem 1939 erfolgten Anschluss der Westukraine an die UdSSR waren die Gemeinden der Siebenten-Tags-Adventisten illegal tätig.
In den 1930er Jahren waren nahezu alle Gemeindeführer Repressionen ausgesetzt. 1938 wurde der Bundesvorstand der Siebenten-Tags-Adventisten Heinrich Löbsack erschossen. 1941 wurden die deutschstämmigen Siebenten-Tags-Adventisten nach Sibirien und Kasachstan deportiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der deutsche Einfluss in der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten in der Sowjetunion minimal. Ende der 1980er Jahre gab es in der Ukraine offiziellen Angaben zufolge etwa 20.000 Siebenten-Tags-Adventisten, die in der Kirchenvereinigung der Republik zusammengeschlossen waren, die wiederum dem Kirchenrat der Siebenten-Tags-Adventisten der UdSSR unterstellt war, auf dessen Kongressen auch der Kirchenrat und dessen Führung gewählt wurde. Im Dezember 1988 wurde in Saokski (Gebiet Tula) ein adventistisches Führungs- und Bildungszentrum gegründet, das alle in der UdSSR bestehenden Gemeinden zur Allunionskirche der Siebenten-Tags-Adventisten zusammenschloss. In den Jahren 1989-97 wanderten über 2.000 deutschstämmige Gemeindemitglieder nach Deutschland aus. Heute gibt es auf dem Gebiet der Russischen Föderation und der Länder der GUS über 100.000 Siebenten-Tags-Adventisten.
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