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DEUTSCHER NATIONALER VERWALTUNGSKREIS WYSOKOPOLJE , territoriale Verwaltungseinheit in der Ukraine

Rubrik: Geschichte und Geographie der Ansiedlung der Deutschen im Russischen Reich, in der UdSSR und GUS / Geschichte der Ansiedlung
Карта-схема Высокопольского немецкого национального района

DEUTSCHER NATIONALRAYON VYSOKOPOL'E, (1927 – G.I. Petrovskij-Rayon, ab Mai 1936 Fritz-Heckert-Rayon), territoriale Verwaltungseinheit in der Ukraine. Gegründet im April 1926. Gehörte ursprünglich zum Bezirk Cherson, unterstand ab September 1930 unmittelbar den zentralen ukrainischen Behörden, war ab Februar 1932 Teil des Gebiets Dnepropetrovsk und ab September 1937 Teil des Gebiets Nikolaev. Bestand ursprünglich aus den sieben Dorfsowjets Vysokopol'e, Ozerovka, Prigor'e (jeweils deutsch), Zagradovka (ukrainisch), Ivanovka (gemischt) Kočubeevka (deutsch) und Natal'ino (gemischt). 1928 kam der deutsche Dorfsowjet Orlovo hinzu. 1926 gab es im Rayon 36 Ortschaften: 30 deutsche (darunter vier Einzelgehöfte) und 6 ukrainische mit insgesamt 13.874 Einwohnern, davon 9.375 Deutsche (67,5%). 1928 wurden vier neue Ortschaften gegründet, im März-April 1930 zwei Siedlungen (Gehöft Bratskij und Siedlung Mar'ino) aufgelöst. Der Rayon hatte eine Fläche von 35.809 Desjatinen (1 Desjatine = 1,1 Hektar). Verwaltungszentrum war das Dorf Vysokopol'e (1936 umbenannt in Fric-Gekkertovo/ Fritz-Heckert).

            Grundlage der Wirtschaft des Rayons war die Landwirtschaft. Die Saatfläche betrug 1925/26 – 20.000, 1926/27 – 25.000 und 1927/28 30.000 Desjatinen Land. Hauptanbaukulturen waren Winter- und Sommerweizen, Gerste und zu Beginn der 1930er Jahre Mais. 1926/27 wurden 792.328 und 1927/28 1.300.000 Pud Getreide produziert (1 Pud = 16,36 kg). 1926 gab es im Rayon 4.209 Arbeitspferde, 95 Ochsen, 4.435 Kühe und 3.135 Jungrinder. Neben Arbeitspferden wurden auch Traktoren zur Landbearbeitung eingesetzt: 1926 – 13, Ende 1927 - 23 Traktoren. Große Aufmerksamkeit galt dem Ausbau der Erzeugung von Milchprodukten: Es gab zwei Buttereien, die Qualitätsbutter für den Export produzierten. Intensiv entwickelte sich die Kooperativbewegung. 1926 wurde die erste „Genossenschaft zur gemeinschaftlichen Landbestellung“ „Rote Freundschaft“ gegründet, in der sich 18 bäuerliche Einzelwirtschaften (306 Personen inklusive Familienangehörige) zusammenschlossen. Im Verlauf der folgenden zwei Jahre wurde drei weitere Artel-Kollektive gegründet: „Aufbau“, „Ševčenko“ und „Neudorf“. 1928 bestanden ferner 16 Landwirtschafts-, sechs Kredit-, sechs Verbraucher-, zwölf Viehzucht- und acht Traktorengenossenschaften. Zu den örtlichen Gewerbebetrieben gehörten eine Ziegelei, einige Mühlen und Buttereien sowie ein großes Getreidesilo.

            Das Volksbildungssystem umfasste 1927/28 28 Schulen (24 deutsche und vier ukrainische), davon 26 Grundschulen (23 deutsche und drei ukrainische) sowie zwei Siebenklassenschulen (jeweils eine deutsche und eine ukrainische). In den Schulen arbeiteten 49 Lehrer, von denen 42 einen mittleren und sieben einen höheren Abschluss hatten. 1936 gab es 37 deutsche Schulen mit insgesamt 3.348 Schülern. 1927 bestanden im Rayon drei Dorfklubs, zehn Lesehütten und eine Rayonsbibliothek mit einem Bestand von 3.300 Büchern, davon die Hälfte in deutscher Sprache. Bis Ende der 1930er Jahre wuchs der Bücherbestand auf 10.000 Exemplare an. Unter dem Dach der Dorfklubs gab es u.a. landwirtschaftliche, genossenschaftliche und politische Arbeitskreise sowie Theater-, Musik- und Sportgruppen. 1927 gab es ein Kino und drei Rundfunkanlagen. Von 1932-39 erschien 12-mal monatlich die Rayonszeitung „Für bolschewistisches Tempo“. Zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung gab es ein Rayonskrankenhaus mit 50 Betten sowie einige Sanititätspunkte in den Zentren der Dorfsowjets.

            Hinsichtlich der Religionszugehörigkeit teilte sich die deutsche Bevölkerung in Lutheraner, Mennoniten und Katholiken. Nach offiziellen Angaben hatten die lutherischen Gemeinden 1927 1.633, die mennonitischen Gemeinden 1.861 und die katholischen Gemeinden etwa 800 ständige Gemeindemitglieder.

            Am 9. Februar 1930 begann im Rayon die Massenkollektivierung. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich nur 20% der bäuerlichen Einzelwirtschaften zu Kollektiven zusammengeschlossen. Im Zuge der Zwangskollektivierung wurde bis Februar 1930 der Besitz von 3.430 Höfen (91,2%) vergemeinschaftet und es wurden 37 Kolchosen gegründet. 238 Familien wurden entkulakisiert und aus ihren Häusern in sogenannte Kulaken-Aussiedlungen ausgesiedelt. Nach der Veröffentlichung des Beschlusses des ZK der VKP(b) über die zeitweise Aussetzung der Kollektivierung vom 14. März 1930 begann Anfang April der Massenaustritt aus den Kolchosen, in denen bis Oktober nur 27% der Höfe verblieben. Anfang 1931 kam die nächste Etappe der Massenkollektivierung, in deren Verlauf bis November erneut 96,8% der Höfe kollektiviert wurden. Die Kollektivierung der Jahre 1930/31 hatte gravierende Auswirkungen auf die Wirtschaft des Rayons: Die Zahl der Pferde und Kühe verringerte sich im Vergleich zu 1926 um das 1,5- bzw. 3,5-fache und auch die Saatfläche wurde deutlich verkleinert. Nichtsdestotrotz nahm der dem Rayon von den zentralen Behörden auferlegte Getreidebeschaffungsplan auf die reale Situation keinerlei Rücksicht und wurde zu 87% erfüllt. Im Zuge der Getreidebeschaffungskampagnen wurden 18 Eigentümer von Kulakenwirtschaften wegen Nichterfüllung des Plans verurteilt und 32 Kulakenwirtschaften verkauft. Im individuellen Sektor wurden 50 Besitzer der insgesamt 250 Einzelwirtschaften verurteilt und 133 Höfe verkauft. Sieben Kolchosführungen wurden vor Gericht gestellt, 16 Kolchosen, die den Plan zu weniger als 90% erfüllt hatten, wurden vollständig von der Belieferung mit Konsumgütern ausgeschlossen. Mit den gleichen Methoden wurde auch die Getreidebeschaffungskampagne 1932/33 umgesetzt. In der Folge kam es im Herbst 1932 zu extremen Versorgungsengpässen, die sich schließlich zur Hungersnot auswuchsen. Am stärksten betroffen waren die ukrainischen Dörfer Zagradovka (300 Hungernde), Natal'ino (110 Hungernde) und Nikolaevka (270 Hungernde) sowie die deutschen Dörfer Suvorovka mit 75 und Orlovo (mennonitisch) mit 90 Hungernden. Im Dorfsowjet Vysokopol'e waren auf 680 untersuchten Höfen 285 Personen vom Hunger betroffen. Nachdem es bereits im Januar 1933 erste Hungertote gegeben hatte, nahm die Hungersnot im Zeitraum Februar-April Massencharakter an. Insgesamt forderte die Hungerperiode 1932-33 allein unter den Deutschen (einschließlich Mennoniten) 323 Opfer. Eine beträchtliche Hilfe im Kampf gegen den Hunger und seine Folgen wurde der Bevölkerung aus dem Ausland zuteil: Zwischen April 1933 und September 1934 erhielt die Bevölkerung Hilfsleistungen im Umfang von 44.392 Goldrubeln, die vor allem für den Ankauf von Lebensmitteln verwendet wurden. 90% der Mittel kamen aus Deutschland. Im Herbst 1934 war der Hunger weitgehend überwunden und die Wirtschaft erholte sich. Schon bald wurde der Rayon zu einem der führenden der Ukraine. Besonders effektiv arbeiteten die Brigaden von Klund (Kolchose „Fortschritt“) und Reimer (Kolchose „Lenins Vermächtnis“), die 34 Doppelzentner Getreide pro Hektar ernteten, die Melkerin Oberdorfer (Kolchose „Dimitrov“), die 3000 l Milch aus einer Kuh molk, und die Mähdrescherfahrer Epp und Schmidt.

            Von Ende der 1920er Jahre an kam es im Rayon immer wieder zu politischen Repressionen. 1936 wurden unvollständigen Angaben zufolge 95 Personen repressiert. Im Zeitraum 1929-1942 wurden 474 Personen verbannt. Verfolgungen und Repressionen waren auch Kirchenvertreter ausgesetzt: 1934 wurden unter dem Vorwurf, nationalistische Propaganda betrieben zu haben, der lutherische Pastor M. Bauman, der Küster, vier Presbyter, der katholische Pater Wallieser und neun mennonitische Prediger verurteilt. Ende April 1939 wurde der nationale Rayon aufgelöst. 

Literatur

«Зоря», 1936, № 226, 20 сентября; Херсонский обл. державний apxiв. Путiвник, Київ, 1971, с. 342; Iсторiя мiст i сiл УРСР. Херсонська обл., Київ, 1972, с. 303–305; Государственный архив Николаевской обл. Путеводитель, Киев, 1987, с. 283–284; Материалы международной научной конференции. Анапа, 4–9 сентября 1996 г., М., 1997, с. 352, 365.

Archive

Государственный архив Днепропетровской обл., ф. П-19, оп. 1, д. 150, л. 255; д. 154, л. 5, 12, 17–18; д. 755, л. 3; ф. Р-2240, оп. 1, д. 75, л. 19; д. 80, л. 34; Государственный архив Херсонской обл., ф. Р-2, оп. 1, д. 254, л. 4; д. 701, л. 38, 42–43; д. 979, л. 20, 52–57; д. 1420, л. 50; Центральный государственный архив высших органов власти и управления Украины, ф. 413, оп. 1, д. 130, л. 15; д. 135, л. 104; д. 154, л. 17; д. 552, л. 18, 22–23.

Autoren: Smirnowa T.B.

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