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DEUTSCHER NATIONALRAYON PULIN , territoriale Verwaltungseinheit in der Ukrainischen SSR

Rubrik: Geschichte und Geographie der Ansiedlung der Deutschen im Russischen Reich, in der UdSSR und GUS / Geschichte der Ansiedlung
Карта-схема Пулинского немецкого национального района

DEUTSCHER NATIONALRAYON PULIN, territoriale Verwaltungseinheit in der Ukrainischen SSR. Verwaltungszentrum war die städtische Siedlung Pulin. Gegründet am 20. Juni 1930 auf Beschluss des Allukrainischen Zentralexekutivkomitees vom 3. April 1930. Gehörte ursprünglich zum Bezirk Wolhynien, war nach dem 2. September 1930 unmittelbar den zentralen Behörden der Ukrainischen SSR unterstellt und nach dem 9. Februar 1931 Teil des Gebiets Kiev. Der Rayon hatte 30 Dorfsowjets, die zuvor zu den Rayonen Pulin und Volodarsk im Bezirk Wolhynien sowie zum Rayon Baryševka im Bezirk Korosten' gehört hatten. Unter diesen waren: 18 deutsche – Aleksandrovka (2.725 Einwohner), Budo-Bobrica (1.767), Burjakovka (630), Vol'vachovka (834), Vydumka (834), Vjazovec (944), Gabrovka (734), Grintal' (1.638), Kremjanka (1.444), Kurgancy (877), Leski (688), Pulino-Guta (1.548), Solodyry (2.645), Soročen' (720), Staraj-Aleksandrovka (1.338), Cvetjanka (1.225) und Frajnwal'd (787), der jüdische Dorfsowjet Pulin (1.280), der russische Adamovka (1.051), die polnischen Košelevka (2.025) und Radeckaja Boljarka (1.197) sowie acht ukrainische. Im April 1934 waren 2.996 (53%) der 5.660 Wirtschaften des Rayons deutsch.

            Grundlage der Wirtschaft des Rayons war die Landwirtschaft. Hauptanbaukulturen waren Roggen, Winterweizen, Gerste, Hafer, Buchweizen, Hirse und Kartoffeln. Eine erhebliche Rolle kam auch der Entwicklung der Viehwirtschaft zu. Im Rayon gab es mehrere Mühlen und kleinere Molkereien. Das schulische Bildungssystem umfasste Grundschulen und einige Siebenklassenschulen.

            1930 begann im Rayon die Massenkollektivierung. Die Mehrheit der Bevölkerung stand der Vergemeinschaftung ihrer Wirtschaften allerdings entschieden ablehnend gegenüber, so dass zum 1. Oktober 1930 gerade einmal  594 (9%) der 6.587 Arm- und Mittelbauernwirtschaften den Kolchosen beigetreten waren. Ungeachtet aller rigiden Maßnahmen von Seiten der Machthaber konnten bis Oktober 1931 nur 27,6% der bäuerlichen Einzelwirtschaften in den Kolchosen zusammengeschlossen werden. Zunächst wurden 17 Artel-Kollektive und zwei Kommunen gegründet, die über 50,9% aller Ackerflächen, 25% der Pferde und 10,7% der Kühe verfügten. Im Frühjahr 1934 gehörten den 60 Kolchosen 2.758 (48,7%) der insgesamt 5.660 Wirtschaften an. Der kollektive Sektor verfügte über eine Fläche von 25.907 Hektar vergemeinschafteten Lands (68,4% der Gesamtfläche) und 1.737 Pferde. Die örtliche Maschinen-Traktoren-Station, die über 21 Traktoren und mehr als 50 Sämaschinen verfügte, beschickte 29 Kolchosen mit etwa 13.000 Hektar Ackerland. Infolge der schlechten Arbeitsorganisation kam es in den Kolchosen zu einem massiven Einbruch der Ernteerträge. 1931 wurden nur 4,3 Doppelzentner Roggen  5,3 dz Winterweizen, 4,9 dz Gerste, 4,4 dz  Hafer, 5,2 dz Buchweizen, 6 dz Hirse und 81 dz Kartoffeln pro Hektar geerntet. 1932 wurden 3 Doppelzentner Roggen, 2,7 dz Winterweizen, 8 dz Gerste, 2,3 dz Hafer, 7,4 dz Hirse und 78 dz Kartoffeln pro Hektar geerntet. Erst 1933 begann der Erntertrag bei einigen Kulturen wieder zu steigen: So wurden 5,2 dz Roggen, 4,6 dz Hafer und 5,8 dz Winterweizen pro Hektar geerntet. Schlecht organisiert war auch die Haltung der Pferde, die sich zum Frühjahr 1934 zu 50-60%  in ausgelaugtem Zustand befanden. Laut Plan sollte die Saatfläche 1934 20.100 Hektar betragen (6.700 Hektar entfielen auf Einzelbauern). Tatsächlich war zum 10. April 1934 allerdings nur auf 16,5% der geplanten Saatfläche ausgesät. Extrem niedrig war in den Kolchosen die Bezahlung des Arbeitstags. 1931 wurden 31,5 Kopeken gezahlt, was in Kaufkraft umgerechnet 745 Gramm Brot entsprach, 1932 42 Kopeken bzw. 565 Gramm Brot, 1933 32,5 Kopeken bzw. 1150 Gramm Brot. Die Mehrheit der Kolchosen des Rayons konnte den Kolchosbauern in den Jahren 1932/33 ihre Löhne nicht zahlen. Die Gesamtsumme der Schulden lag bei über 260.000 Rubel.  Im Frühjahr 1934 löste die sich weiter verschlechternde Wirtschaftslage des Rayons eine Versorgungskrise aus. Aus dem Rayon begann der Massenexodus der Bevölkerung. Allein im Zeitraum zwischen dem 1. August 1933 und dem 15. März 1934 verließen 826 Familien den Rayon, darunter 537 Einzel- und 289 Kolchosbauern, was 14% aller Haushalte entsprach. Ein Großteil der abwandernden Familien zog in die deutschen Siedlungen des Bezirks Dnepropetrovsk. Der hungernden Bevölkerung des Rayons wurde 1934 umfangreiche Lebensmittelhilfe aus dem Ausland und insbesondere aus Deutschland zuteil. Im April dieses Jahres erhielten 3.892 Familien entsprechende Hilfe (darunter 2.996 deutsche).

            Die Rayonsorganisation der KP(b)U hatte im April 1934 65 Mitglieder, 52 Kandidaten und 22 Sympathisanten. Davon waren 35% Deutsche, 33% Ukrainer, 16% Juden und 9% Russen. Von 1930 bis Oktober 1935 erschien in Pulin die Zeitung „Der Sozialistische Umbau“ als Pressorgan des Partei- und des Exekutivkomitees des Rayons.

            Von Anfang 1934 an kam es im Rayon zu politischen Repressionen. Im Januar dieses Jahres wurden 29 Lehrer der deutschen Schulen zu „klassenfeindlichen Elementen“ erklärt und entlassen. Im März 1935 wurden zwölf  Personen verhaftet und zu Lagerhaft unterschiedlicher Länge verurteilt, denen zur Last gelegt wurde, im Auftrags des Sekretärs des Deutschen Konsulats Kiev „Hitlerhilfe“ verteilt und „faschistische Kader“ aufgebaut zu haben.

            1935 wurde der Rayon Pulin „angesichts seiner ökonomischen Schwäche“ aufgrund der  Beschlüsse „Über die Rayone Marchlevsk und Pulin“ des Politbüros der KP(b)U vom 17. September 1935 und des Allukrainischen Exekutivkomitees vom 3. Oktober 1935 aufgelöst. 

Literatur

Німці в Україні 20–30-ті р.р. ХХ ст. Збірник документів державних архивів України. Київ, 1994; Чирко Б.В. Національні меншини в Україні (20–30 роки ХХ століття). Київ, 1995; Національні меншини в Україні 1920–1930-ті роки. Істрико-картографічний атлас. Київ, 1996.

Archive

Центральный государственный архив органов власти Украины (ЦГАВОВ Украины). Ф. 413. Оп. 1. Д. 552. Л. 11, 18, 22–23.

Autoren: Smirnowa T.B.

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