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KLEINE GEMEINDE , Strömung bei den Mennoniten

Rubrik: Religion

KLEINE GEMEINDE, Gemeindebewegung innerhalb der mennonitischen Kirche, deren Anhänger der Idee der Erlösung durch Absonderung der „Kinder Gottes“ vom zersetzenden Einfluss der Außenwelt anhingen, strenge Disziplin und Askese hielten und sich mit äußerster Konsequenz an die mennonitischen Traditionen hielten. Noch strenger als alle anderen russischen Mennoniten hielten sich die Mitglieder der Kleinen Gemeinde an das Prinzip der Gewaltfreiheit und lehnten die Teilnahme an weltlichen Wahlen kategorisch ab. Jegliche weltliche Tätigkeit (Missionsarbeit, Studium an Hochschulen usw.) wurde missbilligt. Den Mitgliedern der Kleinen Gemeinde waren Kartenspiel, Fluchen, Tabak und Alkoholkonsum sowie das Spiel von Musikinstrumenten strengstens verboten. Die ernsthafte Einstellung zum Leben lernten die Kinder schon von klein auf. Lachen und Scherzen war verboten. Die Gottesdienste dienten der Ermahnung und sollten auf das Jüngste Gericht vorbereiten. Besondere Aufmerksamkeit galt der Lektüre der Bibel, der Werke Menno Simons und seiner Mitstreiter Dirk Filips und Peter Peters sowie des anabaptistischen „Märtyrerspiegels“. Aufgrund ihrer äußerst konservativen Ausrichtung blieb die Gruppe zahlenmäßig klein, weswegen sie den plattdeutschen Namen „De Kleen-Gemeenta“ erhielt.

Die Kleine Gemeinde wurde 1805 an der Molotschna gegründet, wo der frühere Kirchenlehrer Klaas Reimer (*1770, † 25. Dezember 1837) einer kleinen Gruppe mennonitischer Kirchenmitglieder vorstand. 1801 wurde er zum Prediger der mennonitischen Kirche in Neunhuben (bei Danzig ) gewählt, woraufhin er sich mit großem Eifer dem Studium der Bibel und anderer geistlicher mennonitischer Bücher zu widmen begann. Zusammen mit dreißig Mitgliedern seiner Kongregation wanderte er 1804 nach Russland aus, wo er sich zunächst in der Alten Kolonie (Chortiza) niederließ und von dort 1805 an die Molotschna zog. Er kam zu dem Schluss, dass die Kirchendisziplin unter den dort lebenden Mennoniten nur äußerst schwach ausgeprägt war. Äußerst angespannt war sein Verhältnis zu Jakob Epp, dem Kirchenältesten der Molotschnaer Gemeinde. Von 1812 an hielt Reimers Gruppe eigene Betversammlungen in Privathäusern ab, deren Mitglieder ihn 1814 zu ihrem Ältesten wählten. Auf der Versammlung war auch der Kirchenälteste von Schönwiese (Alte Kolonie) Heinrich Janzen zugegen, der sich allerdings nicht dazu entschloss, Reimer formal zu weihen, so dass dieser ohne offizielle Ordination tätig war und mit seiner etwa 18-20 Personen starken Gruppe eine separate Kirche gründete.

Nach Reimers Tod wurde Abraham Friesen zum Ältesten gewählt, der im April 1838 einer aus 61 stimmberechtigten Männern bestehenden Gruppe vorstand. Für seine Ordination wurde der Älteste der Molotschnaer Mennonitenkirche Bernhardt Fast eingeladen. Da sich die Vertreter der Großen Gemeinde und der Kleinen Gemeinde allerdings nicht einigen konnten, zu welchen Bedingungen Abraham Friesen offiziell ordiniert werden sollte, übte letzterer seine Pflichten ohne Ordination aus. Auf Intervention von Johann Cornies zwangen die weltlichen Behörden die Ältesten der mennonitischen Kirche, die Rechtmäßigkeit der Kleinen Gemeinde und ihrer offiziell nicht bestätigten Ältesten anzuerkennen (Dekret des Fürsorgekomitees vom 28. Januar 1843). Bei der im Juni 1847 erfolgten Wahl Johann Friesens zum neuen Ältesten zählte die Kleine Gemeinde bereits 91 und bei den Wahlen von 1864 122 stimmberechtigte männliche Mitglieder. 1834 schloss sich der aus Tiege kommende Prediger Heinrich Balzer der Kleinen Gemeinde an, der seine Beweggründe in dem Traktat „Verstand und Vernunft“ darlegte.

1869 sonderten sich unter Führung Jakob Wiebes (* 1839, † 1921) die vom Neupietismus beeinflussten „Krimmer Mennonitischen Brüder“ von der Kleinen Gemeinde ab, die den ultrakonservativen Geist der alten Gemeinde mit den pietistischen Ideen der Bekehrung, des Erlebens und der Buße verbanden. Noch im Jahr 1860 kauften einige von der Molotschna stammende mennonitische Familien in einem auf der Krim gelegenen tatarischen Dorf Land, um dort die Siedlung Annenfeld zu gründen. Unter den Kolonisten entwickelte sich eine religiöse Bewegung zur Wiederbelebung der Prinzipien des rechtschaffenen christlichen Lebens. Wiebe, der an der Molotschna als Lohnarbeiter gearbeitet hatte, übte die Pflichten des Leiters der Kleinen Gemeinde aus. 1867 lud er den Kirchenältesten J. Friesen nach Annenfeld ein und baute eine Kongregation der Kleinen Gemeinde auf, zu deren Ältestem man ihn wählte. Cornelius Enns vollzog das Ritual der Wiedertaufe an Wiebe, der wiederum am 21. September 1869 die übrigen 18 Mitglieder der Gruppe taufte, die sich von diesem Zeitpunkt an „Brüdergemeinde“ oder „Krimmer Mennoniten-Brüdergemeinde“ nannte, um sich von der 1860 an der Molotschna entstandenen Gemeinde der Brüdermennoniten zu unterscheiden. Durch die Neutaufe brach Wiebes Gruppe de facto mit der Kleinen Gemeinde.

1866 wurden 26 Personen männlichen Geschlechts aufgrund von Meinungsverschiedenheiten aus der Kleinen Gemeinde ausgeschlossen, die 1869 eine eigene von dem Ältesten A. Friesen geführte Kongregation bildeten. Später zogen 16 Personen aus dieser Gruppe in die Kolonie Friedensfeld (Bezirk Jekaterinoslaw), wo sie sich der Gemeinde der Brüdermennoniten anschlossen. Nach der im Jahr 1874 erfolgten Einführung der allgemeinen Wehrpflicht wanderten fast alle Vertreter der Kleinen Gemeinde in die USA und nach Kanada aus.

Literatur

Friesen P.M., The Mennonite Brotherhood in Russia (1789–1910), Fresno, California, 1980, P. 93–94; Friesen J., The Mennonite Churches and Religious Developments in Russia 1789–1850, in: Mennonites in Russia. 1788–1988, Winnipeg, Manitoba, p. 59–60; Kleine Gemeinde, in: The Mennonite Encyclopedia. A Comprehensive Reference Work on the Anabaptist-Mennonite Movement. Vol. III, I-N, Kansas, 1957, p. 196–198.

Autoren: Čerepanova N.G.

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