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WAISENHAUS IN KARLSRUHE (Amtsbezirk Landau, Bezirk Odessa, Gouvernement Cherson, später Rayon Warwarowka, Kreis Nikolejewsk, Gouvernement Odessa)

Rubrik: Geschichte und Geographie der Ansiedlung der Deutschen im Russischen Reich, in der UdSSR und GUS

WAISENHAUS IN KARLSRUHE (Amtsbezirk Landau, Bezirk Odessa, Gouvernement Cherson, später Rayon Warwarowka, Kreis Nikolejewsk, Gouvernement Odessa).

Die im Jahr 1892 zur Fürsorge, Erziehung und Ausbildung aller Kategorien von Waisenkindern im Alter von unter 14 Jahren gegründete Einrichtung wurde von einem gewählten Vorstand geführt, dem Vertreter der nahegelegenen Kolonien Sulz, Speуer, Landau und anderen angehörten, die die für den Unterhalt benötigten Mittel beschafften. Das Waisenhaus verfügte über ein eigenes, gut ausgestattetes Gebäude mit Schlafsälen für Jungen und Mädchen, einem Unterrichtsraum, einem Ankleidezimmer, einem Bad, einer Bäckerei, einer Küche und einem Essraum. Im Hof stand ein separater Anbau, in dem die Erzieherinnen untergebracht waren. Das Haus verfügte über eigenes Ackerland, das von den Mitarbeitern und Zöglingen bewirtschaftet wurde. Neben der religiösen Unterweisung wurden den Zöglingen von fachkundigen Ausbildern auch handwerkliche Fertigkeiten im Sattler-, Schuhmacher-, Schlosser-, Schmiede-, Tischler-, Schneider- und Weberhandwerk vermittelt. Die Werkstätten arbeiteten für den Bedarf des Hauses und die bäuerliche Bevölkerung des Amtsbezirks. Es gab eine eigene Ölmühle. Beim Auszug konnten die Waisen wählen, ob sie die Einrichtung verlassen oder bleiben und verschiedene bezahlte Arbeiten verrichten wollten. Im Fall der Heirat bekamen die Mädchen eine Aussteuer aus dem Besitz des Hauses und die jungen Männer das Nötige für den Aufbau eines eigenen Hausstands. Im August 1920 lebten in der Einrichtung 77 Waisen, fünf Invaliden, fünf handwerkliche Ausbilder, sieben Angestellte sowie zwölf Leiter, zu denen die Schwester Oberin mit Helferinnen, die Erzieher mit Gehilfen, eine Hutmacherin, eine Köchin, eine Bäckerin, eine Krankenschwester, ein Webermeister und ein Schuhmachermeister gehörten. Das Haus wurde von I.Ja. Reisenhausen und die Schule von G.M. Schönfeld geleitet.

Im August 1920 ging das Haus mit seinem gesamten Besitz an die Abteilung für Volksbildung des Bezirks Odessa über und nannte sich zunächst Kinderheim und später Arbeitskolonie. Zur Integration der Zöglinge in das sozialistische Erziehungs- und Bildungssystem wurde das Waisenhaus mit der auf Basis des früheren Gymnasiums neu eingerichteten polytechnischen Fachoberschule zusammengelegt. Der auf den Posten des Direktors berufene Ingenieur Drobinski übernahm die Leitung des Waisenhauses, löste den Vorstand auf und entließ alle, „die nicht der Bestimmung entsprachen“. Die Werkstätten des Hauses wurden von der Polytechnischen Fachoberschule übernommen. Das Waisenhaus wurde unter dem Namen „Florian Geyer“ zu einer Arbeitskolonie. Schon bald nach dem Verlust einer eigenständigen Führung herrschten in der Kolonie katastrophale Zustände. 1924 befanden sich dort 84 Zöglinge, der Leiter der Kolonie, der Leiter der pädagogischen Arbeit, ein Wirtschafter und zwei Hilfsarbeiter. Es gab keine qualifizierten Mitarbeiter für die Führung der Wirtschaft. Es mangelte an Lebensmitteln, Heizmaterial, Kleidung und Schuhen. Infolge fehlender Mittel für umfassende Reparaturarbeiten verfielen alle Bauten und das Pumpwerk. Die Wirtschaft wurde verkleinert, die Gesundheit der Zöglinge verschlechterte sich. Das Datum der Schließung ist nicht überliefert.

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Autoren: Plesskaâ È.G.

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