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NOWOSOFIJEWKA , (Nikolaital), im Jahr 1865 von Molotschnaer Mennoniten als Tochtersiedlung gegründete

Rubrik: Geschichte und Geographie der Ansiedlung der Deutschen im Russischen Reich, in der UdSSR und GUS / Geschichte der Ansiedlung
Frunse-Straße im früheren Dorf Nikolaital
Frühere deutsche Dorfbewohnerin (rechts)

NOWOSOFIJEWKA (Nikolaital), im Jahr 1865 von Molotschnaer Mennoniten als Tochtersiedlung gegründete, 100 Kilometer südwestlich von Jekaterinoslaw im Amtsbezirk Nikolaipol (Nowosofijewka, Bezirk Jekaterinoslaw, Gouvernement Jekaterinoslaw) gelegene frühere deutsche Kolonie [in sowjetischer Zeit Rayon Stalindorf, Rayon Friesendorf bzw. Rayon Scholochowski, Gebiet Dnepropetrow]. Heute Landratsgemeinde Nowosofijewka (Rayon Nikopol, Gebiet Dnepropetrowsk).

Die Kolonie verfügte über 990 Desjatinen Land und hatte im Jahr 1885 97, im Jahr 1897 85 und im Jahr 1908 84 Einwohner (39 Männer und 45 Frauen). Es gab 15 Höfe, die über 991 Desjatinen Land verfügten. Für die folgenden Jahre unterliegen die Angaben sowohl hinsichtlich der Einwohnerzahl als auch der zur Verfügung stehenden Fläche kleineren Schwankungen. So gibt Karl Stumpp für die Zeit unmittelbar vor dem Ersten Weltkriegs 96 Bewohner und 986,8 Desjatinen Land an. Vor der Revolution gab es im Dorf eine Grundschule, die von 30-35 Kindern besucht wurde. Die Ereignisse von 1917 und der darauf folgende Bürgerkrieg führten zu zahlreichen Fluchtbewegungen, in deren Folge die Bevölkerungszahl in Nowosofijewka und anderen Tochterkolonien anstieg: So lebten dort 1919 109 Personen. Die Bewohner sprachen schwäbischen Dialekt. Im Zuge der Bodenreform von 1920-22 verlor die Bevölkerung 734 Desjatinen Land. 1924 gab es 26 Höfe.

Am 1. Januar 1925 war Nowosofijewka Hauptort des gleichnamigen Dorfsowjets, dessen Vorsitzender der ortsansässige Deutsche Funk und dessen Sekretär der Ukrainer Kowtun war. Acht örtlichen Predigern war das Wahlrecht entzogen. Insgesamt gehörten elf Ortschaften mit 507 Höfen zum Dorfsowjet. Die 2.494 Einwohner des Dorfsowjets hatten 565 Arbeitspferde und 185 Jungtiere, 565 Rinder, 561 Kälber und sieben Ochsen, 506 Schafe und 347 Schweine und bestellten 5.516 Desjatinen Land. Für jede dreiköpfige Familie waren mindestens sechs Desjatinen Land vorgesehen.

In Nikolaital selbst gab es zu diesem Zeitpunkt 30 Höfe mit insgesamt 177 Personen (90 Männer und 87 Frauen), die etwa 398 Desjatinen Land bestellten. In der Kolonie bestand auch weiterhin eine Grundschule, an der bis 1927 in deutscher Sprache unterrichtet wurde. Zu den Aufgaben der Lehrer gehörte auch die antireligiöse Propaganda, was sich in den deutschen Dörfern nur schwer und in den mennonitischen Dörfern praktisch gar nicht umsetzen ließ. Die Behörden waren sich der Bedeutung der Schule für die ideologische Erziehung der nachwachsenden Generation vollauf bewusst, weswegen sie große Anstrengungen unternahmen, die alte Lehrerschaft umzuerziehen und neue Lehrer auszubilden. In der Kolonie gab es Alphabetisierungskurse (im Rahmen der Kampagne zur Beseitigung des Analphabetentums) und eine Lesehütte. Ende 1926 gab es in der Siedlung 29 Höfe und 174 Einwohner, die 292,25 Desjatinen Land bestellten. Auf einen Hof kamen 11,2 Desjatinen und nach der Zuteilung weiterer 55 Desjatinen aus dem Kollektivfond 13 Desjatinen Land. Im Dorf wurde zu dieser Zeit eine Traktorengemeinschaft gegründet, der fünf Personen angehörten.

Mitte der 1920er Jahre wurden Nikolaital und Olgino zu einem Dorf zusammengelegt, das den Namen Nowosofijewka erhielt. Die Häuser (größtenteils Lehm- und Steinhäuser traditionellen Zuschnitts) standen beiderseits der Straßen. Den Einwohnern jener Jahre blieben die Sauberkeit der Höfe, die vor den Häusern und an der Straße angelegten Blumenbeete sowie die großen Obst- und Weingärten in Erinnerung. Die Bevölkerung war größtenteils deutsch. Ukrainische und russische Familien zogen erst später zu. Ab Mitte der 1930er Jahre änderte sich nach und nach die nationale Zusammensetzung der Bevölkerung und der Anteil ukrainischer Familien stieg. An der Spitze der neu eingerichteten „Thälmann-Kolchose“ stand der Vorsitzende Rausch, ein pragmatischer Leiter und kompetenter Wirtschaftler, unter dessen Führung die Kolchose schnell zu einem der Vorzeigebetriebe des Rayons wurde, der 1935 über 2.600 Hektar Ackerland, 12 Hektar bewässerte Gemüsegärten, 12 Hektar Obstgärten, eine Milchfarm mit 160 Kühen, die seinerzeit größte Schweinefarm mit 104 Tieren, ein Mustergestüt mit 78 Zuchtstuten sowie 40 Bienenstöcke, ein eigenes Auto, einen vorbildlich eingerichteten Klub, eine Bibliothek mit insgesamt 1.000 Büchern und ein eigenes E-Werk verfügte. Auf den Feldern der Kolchose wurden 18 Doppelzentner Getreide pro Hektar geerntet, was deutlich über dem im Rayon Stalindorf üblichen Durchschnittsertrag von 10 Doppelzentnern pro Hektar lag. Die Kolchose zahlte bis zu zwölf Kilogramm Getreide und vier Rubel Bargeld für den Arbeitstag, während die entsprechenden Vergleichswerte im Rayon bei 8-12 Kg Getreide und 2-3 Rubeln Bargeld lagen.

Nowosofijewka galt als einer der besten Dorfsowjets im Rayon. In ihm waren ausschließlich deutsche Kader beschäftigt, die Akten wurden in deutscher Sprache geführt. Zweifelsohne waren die Erfolge sowohl des Dorfsowjets als auch der Thälmann-Kolchose vor allem den Menschen zu verdanken, die gewissenhafte und ehrliche Arbeit leisteten. Im Rayon wusste man die Qualitäten der Bewohner von Nowosofijewka durchaus zu schätzen. So wurde der in der Kolchose tätige Pferdewirt Peter Jakowlewitsch Tissen für seinen mustergültigen Umgang mit den Tieren prämiert.

Der beste Pferdewirt des Gestüts Jakob Funk organisierte zusammen mit dem Tierpfleger eine Dusche im Pferdestall. Funks Pflege der Pferde war mustergültig. Der erfahrene Pferdewirt Penner sorgte für eine mustergültige Arbeit in seinem Gestüt.

Ungeachtet aller Erfolge sorgten die Getreidebeschaffungskampagnen der Jahre 1930, 1931 und 1932 (am 1. Oktober 1932 wurde der Rayon Stalindorf zum Ort der flächendeckenden Kollektivierung erklärt) im Verbund mit Dürren, Missernten und Hunger für eine extreme Zuspitzung der sozialen Lage. Der Prediger Penner wurde beschuldigt, in seinen Predigten erklärt zu haben, dass es keine Sünde und nicht von Gott verboten sei, in den Kolchosen zu stehlen. Es fällt schwer, sich eine Predigt solchen Inhalts vorzustellen. Zweifelsohne handelte es sich um Verleumdung, die zum Anlass diente, die Bekämpfung der Religion ein weiteres Mal zu forcieren. Penner wurde verhaftet und teilte das tragische Schicksal aller Geistlichen jener Jahre.

Bei Ausbruch des Krieges wurde die Kolchose zusammen mit dem technischen Inventar nach Mittelasien evakuiert. In der Kolchose gab es zu diesem Zeitpunkt bereits fünf Kraftwagen, der Vorsitzende fuhr einen „Emka“ [GAZ-M1].

Im Dorf gab es vor dem Krieg zwei Schulen, die beide deutsch waren. In einem Fall handelte es sich um eine Zehnklassenschule, die auch von den Kindern der Nachbardörfer und insbesondere der jüdischen Siedlung Nr. 13 (Ordschonikidse) besucht wurde. In den Jahren 1938-41 war die Unterrichtssprache Russisch. An der Siebenklassenschule waren Eduard Semjonowitsch Kwisner als Direktor und Susanna Miller als Deutschlehrerin tätig. Direktor der Zehnklassenschule war Sergei Andrejewitsch Pida. Ende der 1930er Jahre wurden viele Lehrer verhaftet und durch neue Kader ersetzt. Die allgemeinen Veränderungen schlugen sich auch auf die Zusammensetzung der Schülerschaft nieder. So waren vor dem Krieg zwar noch immer die meisten der insgesamt 39 Schüler einer siebten Klasse Deutsche, aber es gab auch zehn Ukrainer und 3-5 Juden. Die Kinder lernten zusammen und waren befreundet. Es gab keine ethnisch bedingten Feindseligkeiten.

1937 gab es im Dorf viele nächtliche Verhaftungen, bei denen jeweils 3-4 Personen pro Familie mitgenommen wurden. Einer dieser Verhafteten, der noch vor Ausbruch des Krieges ins Dorf zurückgekehrt war, wurde später von den deutschen Besatzungsbehörden zum Dorfvorsteher ernannt. Dies geschah mit Kalkül auf die Rachegefühle, die er mutmaßlich hegte, was sich allerdings als Fehleinschätzung erweisen sollte. Der Vorsteher (an dessen Namen man sich nicht erinnert) half der ukrainischen Bevölkerung und warnte vor Razzien, bei denen die jungen Leute nach Deutschland verschleppt werden sollten.

Vor dem Krieg hatte das Dorf ein eigenes Radio, ein kleines E-Werk, zwei Klubs, ein Orchester und einen Laden.

Die deutschen Familien waren recht groß, hatten 8-10 Kinder und waren nicht sonderlich wohlhabend. Meist hielten 2-3 Familien gemeinsam eine Kuh. In den 1930er Jahren wurden mehrere gemischtnationale Ehen geschlossen. Die Besatzungsbehörden kümmerten sich wenig um die religiösen Gefühle der Bevölkerung und deren Bildungsniveau. Nach Angaben von Karl Stumpp gab es in den Jahren 1941-43 im Dorf nur eine Grundschule (vier Klassen), in der 138 Schüler von drei deutschen Lehrern unterrichtet wurden. Zur Zeit der Besatzung gab es im Dorf keine Elektrizität. Die Musik- und Theatergruppen stellten ihre Tätigkeit ebenso ein wie die zwei Chöre, die es vor dem Krieg gegeben hatte. Die Instrumente des Orchesters nahmen rumänische Soldaten an sich. Aber die Bibliothek blieb weiter geöffnet, nachdem die Bestände nach politischen Kriterien gesäubert worden waren.

Anhand der auf den Materialien Stumpps basierenden Archivinformationen lässt sich das folgende Bild der in den Jahren der Besatzung im Dorf herrschenden sozialen Lage zeichnen: Im Jahr 1942 lebten in Nowosofijewka 565 und in Schöndorf (Olgino) 153 Einwohner. 49 der insgesamt 138 in Nikolaital lebenden deutschen Familien waren vaterlos (35,5 %). In Schöndorf lebten 32 Familien. Aus den Dokumenten geht hervor, dass aus Nowosofijewka 104 Personen zwangsausgesiedelt und 54 Personen verbannt wurden. 26 Personen verhungerten (1921), vier wurden getötet. In Nikolaital gab es 37 in den Jahren 1925-33 geborene Jungen bzw. junge Männer, so dass die Rede von 9-17-jährigen Kindern ist, die bereits zu Sowjetzeiten geboren wurden und in gewissem Maße ein Produkt des sowjetischen Erziehungssystems waren. Nichtsdestotrotz erklärte ein Teil von diesen, den (mennonitischen) Glauben ihrer Väter bewahrt zu haben.

Die Dokumente zeugen davon, dass ein Teil der deutschen Bevölkerung nur schlecht Ukrainisch oder Russisch sprach. Bis 1938 war die Unterrichtssprache in den Schulen Deutsch.

Im Herbst 1943 wurden die ethnischen Deutschen nach Deutschland gebracht. Die befragten Zeitzeugen erklärten einvernehmlich, dass die deutsche Bevölkerung nicht ausreisen wollte, was in besonderem Maße für jene galt, die in gemischten Ehen lebten. Heute besteht das Dorf aus einer einzigen Straße und einigen im Bereich der Kreuzung der Fernstraßen liegenden Bauten. Das Dorf hat 552 größtenteils ukrainische Einwohner und 212 Höfe.

Autoren: Bobyleva S.I.

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