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SELBSTORGANISATION DER DEUTSCHEN IN DEN REGIONEN WOLGA UND SÜDWESTRUSSLAND

Rubrik: Politische Geschichte

SELBSTORGANISATION DER DEUTSCHEN IN DEN REGIONEN WOLGA UND SÜDWESTRUSSLAND. Regionaler Zusammenschluss der die deutschstämmigen Bürger der folgenden zwölf Subjekte der Russischen Föderation repräsentierenden gesellschaftlichen Organisationen: Republik Baschkortostan, Republik Karatschajewo-Tscherkessien, Republik Nordossetien-Alanien, Republik Tatarstan, Region Krasnodar, Region Stawropol, Gebiet Wolgograd, Gebiet Pensa, Gebiet Rostow, Gebiet Samara, Gebiet Saratow und Gebiet Uljanowsk. An der Spitze der Selbstorganisation steht der Überregionale Koordinierungssrat der Deutschen in den Regionen Wolga und Südwestrussland. Nach den Zahlen der Volkszählung von 2010 lebten zu diesem Zeitpunkt in den genannten Subjekten der Russischen Föderation über 66.000 Russlanddeutsche.

Das Überregionale Koordinierungszentrum wurde im April 2012 durch den einvernehmlichen  Zusammenschluss der zuvor eigenständigen Koordinierungsräte des Wolgagebiets und Südwestrusslands gegründet, die ihrerseits seit 2007 bestanden und von L.L. Reisich bzw. L.F. Krenzler geführt wurden. An der Spitze des heutigen Überregionalen Koordinierungsrats steht I.W. Belenina.

Unter dem Dach des Überregionalen Koordinierungsrats der Regionen Wolga und Südwestrussland sind die folgenden Organisationen zusammengeschlossen:

Unter dem Dach der genannten Organisationen sind über 80 Zentren und Außenstellen aktiv, die sich in über 200 Arbeitskreisen und Klubs der Förderung der deutschen Kultur widmen, mehrere Dutzend nationale Musik-, Theater- oder Folkloregruppen unterhalten, 84 Deutschkurse für Erwachsene und Kinder anbieten und sieben Gruppen für den frühkindlichen Spracherwerb organisieren (in Kindergärten und Schulen der Gebiete Uljanowsk, Saratow und Wolgograd).

Die heutige Praxis, die Aktivitäten der deutschen Vereine und Organisationen in den Regionen Wolga und Südwestrussland über das Überregionale Koordinationszentrum zu organisieren, geht auf die Erfahrung der 1990er Jahre zurück, als das für die deutsche Bevölkerung bestimmte Hilfsprogramm „Breitenarbeit” über die “Entwicklungsgesellschaft Wolga” abgewickelt wurde und sich ein System der Vergabe von Fördergeldern etablierte, bei dem die Finanzierung von Fortbildungsseminaren, Meisterklassen oder Arbeitstreffen über Ausschreibungen organisiert wurde. Es wurden Koordinierungszentren gegründet, bei denen sich die einzelnen Begegnungsstätten um die Umsetzung einzelner Projekte bewerben konnten. Auch wenn diese Praxis in der Anfangszeit oft zu Streit und Missgunst führte und übergangene Anbieter oft Kritik an den Vergabekriterien übten und fehlende Objektivität oder Voreingenommenheit witterten, legte dieses System die Grundlage für die überregionale Zusammenarbeit. Allen Schwierigkeiten zum Trotz zeigte sich der Vorteil gemeinsamer Projekte. Damals entstand die überregionale Zusammenarbeit der deutschen gesellschaftlichen Organisationen über die Grenzen einzelner Subjekte der Russischen Föderation hinaus.

Nach Ablauf des aus bundesdeutschen Mitteln finanzierten Hilfsprogramms wurde das System der Vergabe von Fördermitteln durch über entsprechende Erfahrung im Bereich der Projektarbeit verfügende regionale Organisationen beibehalten, so dass der Übergang ohne größere Qualitätsverluste erfolgen konnte.

In den folgenden fünf Jahren kam der Überregionale Koordinierungsrat mindestens zweimal im Jahr zusammen, um allgemeine Fragen und Aufgaben zu erörtern. Diese Praxis trug maßgeblich dazu bei, sich einen objektiven Überblick über die in den einzelnen deutschen Vereinen und Organisationen real geleistete Arbeit zu verschaffen und ein System aufzubauen, bei dem die Fördergelder nach objektiven Kriterien verteilt werden.

Die Ende der 1990er Jahre entstandene Praxis, Projekte nach Ausschreibung aufgrund einer Auswahl zwischen verschiedenen eingereichten Anträgen zu vergeben, wird bis heute beibehalten. Sie trägt dazu bei, sowohl die Motivation als auch die inhaltliche Qualität der Projekte zu steigern, neue Formen und Methoden der zur Bewahrung des ethnokulturellen Erbes der Deutschen geleisteten Arbeit zu entwickeln und kompetente Partner und Finanzierungsquellen zu suchen. Insgesamt hilft diese Form der Projektarbeit den Begegnungsstätten, ihr Image zu verbessern und neue Mitglieder für ihre Angebote zu interessieren

Eine wichtige Rolle kommt dem Internationalen Verband der deutschen Kultur (IVDK) zu, der die vor Ort geleistete Projektarbeit in enger Zusammenarbeit mit dem Überregionalen Koordinierungsrat regelmäßig prüft (alljährliches Monitoring), Qualitätsanalysen durchführt und zusammen mit dem Überregionalen Koordinierungsrat Arbeitsschwerpunkte und Maßnahmen zur Qualitätssteigerung der in den Begegnungsstätten geleisteten Arbeit ausgearbeitet. Der Überregionale Koordinationsrat spielt eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, gesellschaftliche Initiativen voranzubringen und die Umsetzung der ethnokulturellen Arbeit in den einzelnen Regionen Russlands betreffende Entscheidungen zu treffen.

 

Die wichtigsten Arbeitsschwerpunkte des Überregionalen Koordinierungsrats liegen in den folgenden Bereichen: Sprachförderung, ethnokulturelle Arbeit, Jugendarbeit, Sozialarbeit und Entwicklung der Selbstorganisation.

Neben der Organisation von Klubs der Freunde der deutschen Sprache für Erwachsene, Jugendliche und Kinder sowie einer vielschichtigen und inhaltlich anspruchsvollen ethnokulturellen Arbeit, die so wichtige Bereiche wie die Beschäftigung mit der Geschichte und die Pflege von Traditionen und Brauchtum umfasst und nicht nur der Bewahrung, sondern auch der Weiterentwicklung der Folklore der Russlanddeutschen dient, werden auch soziale Projekte für Veteranen durchgeführt, die Opfer der Deportationen, der Arbeitsarmee und der Sondersiedlung waren.

Die Arbeit wird auf Grundlage des bewährten Konzepts der Weiterentwicklung der Selbstorganisation der Russlanddeutschen und im Einklang mit den Anforderungen der Geldgeber geleistet. Die Sozialarbeit erweitert die Möglichkeiten, mit den Einrichtungen der sozialen Absicherung zusammenzuarbeiten, und gibt der ethnokulturellen Bewegung einen zusätzlichen Impuls, den Zusammenhalt innerhalb der Gemeinschaft zu stärken.

In den vergangenen Jahren wird aktiv daran gearbeitet, in der Stadt Marx ein sozial-kulturelles Zentrum aufzubauen. Dabei fiel bei der Suche nach einem passenden Standort die Wahl nicht zufällig auf diese Stadt, die in den letzten Jahren zu einer Art „Mekka“ der Russlanddeutschen geworden ist. Hierher kommen die Leute nicht nur, um die Gräber ihrer Vorfahren zu besuchen, sondern auch mit dem Ziel, sich mit dem erhaltenen materiellen und kulturellen Erbe der Russlanddeutschen und mit der Tätigkeit der gesellschaftlichen Organisationen bekannt zu machen.

Im Wolgagebiet wurden große Projekte durchgeführt, die weit über die Region hinaus Beachtung fanden: die Feiern zum 250. Jahrestag des Erlasses Katharinas II., auf dessen Grundlage viele Deutsche nach Russland übersiedelten, die Gedenkveranstaltungen aus Anlass des 75. Jahrestags der Deportation und des 100. Jahrestags der Gründung der Republik der Wolgadeutschen, das Museum der Russlanddeutschen in Marx und das soziale Forum. Ein weiteres wichtigstes Ereignis mit hohem Symbolcharakter war die Restaurierung und Eröffnung der lutherischen Kirchen in Sorkino (ehemals Zürich) und Marx (ehemals Katharinenstadt). An all diesen Maßnahmen war das Überregionale Koordinierungszentrum aktiv beteiligt.

Eine wichtige Rolle sowohl für die Stärkung des Ansehens der Selbstorganisation der Russlanddeutschen als auch für die Popularisierung ihrer Folklore und Geschichte spielen auch Jugendtheateraufführungen, deren Mitwirkende aus allen Subjekten der Föderation kommen, in denen der Überregionale Koordinierungsrat der Regionen Wolga und Südwestrussland aktiv ist. Einige der Projekte, die die jungen Schauspieler in den letzten Jahren auf die Beine gestellt haben, sind der Kurzfilm „Der Ehrenbürger“ (2015) sowie die Theateraufführungen „Die verblühte Blume verlassener Gärten“ (2016), „Passion für Luther“ (2017), „Hoffnung auf Besseres (2018) und „Du Große! Mit Liebe, Katharina“ (2019).

Ein weiteres öffentlichkeitswirksames Projekt, das vom Überregionalen Koordinierungsrat angestoßen und umgesetzt wurde, ist das bereits zum zweiten Mal veranstaltete Internationale Musikfestival, das nach dem Komponisten und Musiker Edwin Fritzler benannt ist, dessen Leben und Werk eng mit den Gebieten Saratow und Samara verbunden ist.

Die Mitwirkenden der genannten Veranstaltungen sind vor allem russlanddeutsche Schüler und Studenten von Musikschulen und anderen spezialisierten Bildungseinrichtungen. Die jungen Leute bekommen nicht nur Gelegenheit, ihr Talent zu zeigen, sondern können sich auch der Geschichte und Kultur eines Volkes verbunden fühlen, das sich seiner herausragenden Vertreter erinnert und diese ehrt.

An der Arbeit der Selbstorganisation der Deutschen der Regionen Wolga und Südwestrussland aktiv beteiligt sind die folgenden Personen, die einen großen Beitrag zu der der Bewahrung des historischen Erbes der Russlanddeutschen dienenden Organisations- und Kulturarbeit leisten: Wiktor Ditz (Tatarstan), Irina Samojlowa, Lilia Tifkina, Ljubow Stailskaja (Gebiet Pensa); Julia Kartaschowa (Samara); Jelena Heidt, Natalia Meidt, Aleftina Schubajewa, Swetlana Tschajun, Ljubow Schorochowa (Gebiet Saratow); Tatjana Schmidt, Wladimer Schreiner, Tatjana Schäfer (Gebiet Wolgograd); Leonid Kasper, Iwan Kasper (Baschkortostan); Irina Weber (Gebiet Rostow); Alexander Rotermel (Region Krasnodar); Robert Eiswert (Nordossetien) und viele andere.

Die Selbstorganisation der Deutschen der Regionen Wolga und Südwestrussland ist eine sich dynamisch entwickelnde Gemeinschaft von Russlanddeutschen aller Generationen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen, aktiv und kreativ arbeiten können, bemerkenswerte Erfolge erzielen, aus Fehlern schnell lernen und optimistisch und selbstbewusst in die Zukunft schauen.

Autoren: Belenina I. W.

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