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WOLGAZEITUNG (WZ) , bis 1995 „Zeitung der Wolgadeutschen” (ZWD), in den Jahren 1990–2003 in Saratow erschienene Monatszeitung

Rubrik: Politische Geschichte
Газета «Zeitung der Wolgadeutschen», № 2. Январь 1991 г.
Газета «Zeitung der Wolgadeutschen», №3. Февраль 1991 г.
Отрывок из произведения Я. Шмаля «Мое родное село Гримм» (ZWD. 1991. № 5)
«Wolgazeitung», №3. 2002 г.

WOLGAZEITUNG (WZ), bis 1995 „Zeitung der Wolgadeutschen” (ZWD), in den Jahren 1990–2003 in Saratow erschienene Monatszeitung.

Die Idee, eine Zeitung zu gründen, wurde im Dezember 1990 im Saratower Deutschen Kulturverein „Freundschaft“ geboren. Das Layout der ersten Nummer erstellten die Vereinsmitglieder N. Wajzul und L. Tetjuew von Hand: Die Texte wurden mit der Schreibmaschine geschrieben, die Illustrationen mit Tusche gezeichnet und die Fotos aufgeklebt.

Im Vorfeld des Ersten Kongresses der Sowjetdeutschen (1991) wurde auch auf den Seiten der „Zeitung der Wolgadeutschen“ die Frage der Wiedererrichtung der Republik der Wolgadeutschen diskutiert. „Im Wolgagebiet müssen wir alle darauf hinarbeiten, für normale Beziehungen, Stabilität und Gleichgewicht zwischen den einzelnen Nationalitäten zu sorgen. Auf eben dieser Grundlage müssen wir einen Konsens mit der gesamten Bevölkerung finden“, äußerte der Abgeordnete des Volksdeputiertenkongresses P.P. Falk in einem Interview (ZWD, 1990 Nr. 1). In der gleichen Ausgabe der Zeitung wandte sich B.W. Rauschenbach, Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Mitglied der Staatlichen Kommission für Sowjetdeutsche Fragen mit dem folgenden Aufruf an seine wolgadeutschen Landsleute: „Möge das Jahr 1991 im multinationalen Wolgagebiet ein Jahr des gegenseitigen Verständnisses und der Verständigung werden. Möge jeder von uns mit dem scheidenden Jahr auch Angst, Misstrauen und Kränkung hinter sich lassen. Und vor allem, liebe Landsleute, verliert nicht Eure Hoffnung, bewahrt Stehvermögen, Ruhe und Vernunft.“ Unmittelbar vor dem Kongress äußerten sich auch zahlreiche Leser zu dieser Frage: „Ein Volk ohne Land ist kein Volk“, schrieb Alma Elit, Vorstandsmitglied der Unionsgesellschaft der Sowjetdeutschen „Wosroschdenije“ [„Wiedergeburt“] aus der Stadt Krasnoarmejsk (ZWD, 1991, Nr. 3). Boris Peters (Stadt Pugatschow), der sich aktiv in der Bewegung für die Wiedererrichtung der Wolgarepublik engagierte, stellte fest: „Ich glaube, dass die Frage der Wiedererrichtung der Autonomie auf dem Kongress konkret gestellt werden wird und wir von unserer Regierung (entweder noch vor dem Kongress oder aber an dessen ersten Arbeitstagen) die Wiedererrichtung der Autonomie betreffende Garantien hören werden“ (ZWD, 1991, Nr. 4).

Auch über die im Juni 1991 erfolgte Spaltung der Vereinigung „Wosroschdenije“ wurde in der Zeitung rege diskutiert. So hieß es unter anderem in einem der Leitartikel: „Unsere Probleme wird niemand sonst für uns lösen“, „Die Taktik der Konfrontation führt zu Scheitern, Misstrauen und Intoleranz“, „Wir glauben, dass die Gerechtigkeit siegen wird, dass das Volk seine eigene Staatlichkeit erlangen wird und dass das Wolgagebiet die ökonomischen, kulturellen und wissenschaftlichen Traditionen des Russischen Staates stärken wird“ (ZWD, 1991, Nr. 5). Auch das die Umsetzung des "Gesetzes zur Rehabilitierung der repressierten Völker“ bzw. den Weg zu einer Wiedererrichtung der Wolgarepublik betreffende Konzept, das die im Zuge der Spaltung von „Wosroschdenie“ entstandene deutsche Vereinigung „Heimat“ ausgearbeitet hatte, wurde in der Zeitung zur Diskussion gestellt (ZWD,1991, Nr. 9).

Zu dieser Zeit wurde die „Zeitung der Wolgadeutschen“ als zweisprachige großformatige Zeitung offiziell registriert. Als Gesellschafter der Zeitung firmierte neben der Redaktion die von P.P. Hamm (Präsident) und N.L. Leiman (Generaldirektor) geführte Vereinigung „Hoffnung”. Finanziert wurde die Zeitung vom Ministerium für Föderations- und Nationalitätenfragen der Russischen Föderation. Nach der Registrierung wurde die Zeitung im Einzelverkauf und im Abonnement verbreitet. Chefredakteur war auch weiterhin L. Tetjuew, Lehrer am Saratower Pädagogischen Institut und Philologe.

Zur Redaktion gehörten neben dem Chefredakteur der Germanist und Dozent des Saratower Pädagogischen Instituts A. Minor, die späteren Deutschlehrer A. Leontjew, O. Schaposchnikowa, Je. Herzen und O. Engelhardt, der Graphikdesigner A. Gordejew sowie Ju. Ustinowa als Korrektorin. In den ersten Jahren lernten die jungen Journalisten ihr Handwerk im Bildungszentrum des Moskauer Goethe-Instituts. L. Tetjuew hospitierte am Münchner Institut für Publizistik der Katholischen Medienakademie. Die Zeitung arbeitete eng mit dem Büro des „Vereins für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland“ (VDA) in Saratow zusammen, das der Redaktion auch Computer, Nachschlagewerke und moderne Büroausstattung zur Verfügung stellte. Die Redaktion kooperierte mit den Journalisten der Zeitung „Saratow“ und den deutschsprachigen Zeitungen „Neues Leben” und “Nachrichten” (Uljanowsk). Dem journalistischen Erfahrungsaustausch dienten auch Hospitationen bzw. Gastaufenthalte deutscher Studenten und Journalisten. In Kamyschin wurde ein eigenes von dem Heimatkundler A. Baier geleitetes Korrespondentenbüro eingerichtet. In der Zeitung erschienen Beiträge von Historikern, Ethnographen und Heimatkundlern wie beispielsweise I. Plewe, A. German, S. Terechin, E. Arndt, O. Lizenberger, G. Schöneman und A. Eisfeld. Als Beilage erschien unter anderem ein Nachdruck des von P.K. Haller verfassten Buches „Erinnerungen: Das Leben der deutschen Kolonisten in den 1860er Jahren“. In der Serie „Das Buch in der Zeitung“ („Taschenbuch“) wurden A. Germans „Die Kollektivierung in der Republik der Wolgadeutschen (ZWD, 1993, Nr. 8), Je. Jerinas „Geschichte des Archivs der Republik der Wolgadeutschen“ (ZWD, 1993, Nr. 9) und das von Edith Notdorff verfasste Lehrwerk „Musikalische Erziehung in der Familie, in Vorschuleinrichtungen und in Schulen“ (ZWD, 1994, Nr. 10–11) veröffentlicht. Auch weit von ihrer Heimat entfernt lebende Schriftsteller und Dichter sandten ihre Werke ein. Unter ihnen waren unter anderem J. Schmal mit einem Ausschnitt aus seinem Werk „Mein Heimatdorf Grimm“ (ZWD, 1991, Nr. 5), N. Pfeffer und R. Weber.

In den in der Zeitung veröffentlichten Interviews (mit P. Falk, G. Wormsbecher, J. Haar und anderen), in den Leitkommentaren und Artikeln sowie in vollständig abgedruckten Dokumenten spiegelt sich die bewegte Geschichte der deutschen Bewegung der 1990er Jahre. Im Rahmen der die weiteren Perspektiven betreffenden Diskussionen - freiwillige Assimilation in Russland oder Übersiedlung nach Deutschland – ging es immer wieder auch um unterschiedliche Konzepte der Wiedererrichtung der deutschen Staatlichkeit bzw. um die Idee der Gründung deutscher nationaler Gebietskörperschaften in den Gebieten Wolgograd oder Saratow ( ZWD, 1992, Nr. 1–2). So wurden im Mai 1992 im Rahmen des Besuchs des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesinnenminister Horst Waffenschmidt in Wolgograd und Saratow praktische Schritte zur Gründung eines im Gebiet Wolgograd gelegenen deutschen Nationalbezirks und eines im Gebiet Saratow gelegenen deutschen Nationalrayons erörtert. Wie schon zuvor rief der Staatssekretär die Russlanddeutschen auch bei dieser Gelegenheit dazu auf, sorgfältig zu prüfen, welche Perspektiven sich für sie in Russland und anderen Staaten der GUS ergäben. Jegliche Hilfe von Seiten Deutschlands könne nur „Hilfe zur Selbsthilfe“ sein. Das Tor nach Deutschland bleibe offen, so dass niemand übereilte Entscheidungen treffen müsse (ZWD, 1992, Nr. 4).

An dem Gespräch mit dem Parlamentarischen Staatssekretär des Bundesinnenministeriums war auch der Vorsitzende des Internationalen Verbands der Russlanddeutschen H. Wormsbecher beteiligt. Als Reaktion auf Waffenschmidts Aussage sagte er: „Die russische Regierung hat viel versprochen und wenig getan. Es gibt ein gutes Gesetz des Obersten Sowjets über die Rehabilitierung der repressierten Völker, dem zufolge die Republik der Wolgadeutschen bereits im Jahr 1991 hätte wiedererrichtet werden müssen. Es gibt einen Erlass Boris Jelzins, dem zufolge als erster Schritt in Richtung Wiedererrichtung der Autonomie ein nationaler Bezirk an der Wolga eingerichtet werden sollte. Nichts davon wurde umgesetzt. Unter der im Wolgagebiet ansässigen Bevölkerung wurde Stimmung gegen die Republik gemacht. Die Russlanddeutschen selbst rücken immer mehr von der Idee ab, die Wolgarepublik wiederzuerrichten. Sie besteht eigentlich nur noch als Symbol“ (ZWD, 1993, Nr. 7).

Am 17.-20. Januar 1994 fand im Gebiet Wolgograd eine den Problemen der Wolgadeutschen gewidmete überregionale Konferenz statt, an der Vertreter der Verwaltungen der Gebiete Wolgograd, Samara, Uljanowsk, Nowosibirsk und Saratow, Vertreter des Staatskomitees der Föderation Russlands und des bundesdeutschen Innenministeriums sowie zivilgesellschaftliche und kommerzielle Organisationen der Wolgadeutschen teilnahmen. Die Zeitung berichtete ausführlich über die unter den Konferenzteilnehmern geführten Diskussionen, die sich u.a. an der Frage der Gründung der gemeinsamen russisch-deutschen „Entwicklungsgesellschaft Wolga“ entzündeten (ZWD, 1994, Nr. 1).

Das Programm der Übersiedlung deutscher Familien an ihre im Wolgagebiet gelegenen traditionellen Siedlungsorte stand im Mittelpunkt der von J. Haar (Präsident) und S. Krause (Vizepräsident) geführten Stiftung „Republik“. Die Wolgazeitung informierte ihre Leser, dass bereits 180 Familien eine vorübergehende Unterkunft bekommen hätten und in möblierten Containern mit integriertem Sanitärbereich und Stromheizung untergebracht seien. Das vollständig aus bundesdeutschen Mitteln finanzierte Containerprojekt wurde in Samara, Kamyschin, Uljanowsk und Marx übernommen. Die Aktiengesellschaft „Sojus“ (Präsident E. Walter) lieferte 40 schlüsselfertige Wohncontainer in das im Rayon Saratow gelegene Dorf Bagajewka. Für die Zukunft war der Bau von 48 Häusern geplant.

In Reportagen berichteten Journalisten vom Ort des Geschehens über den Bau der ersten zwölf von 100 geplanten Wohnungen in der in der Siedlung Burny (Rayon Engels) gelegenen Sowchose Nr. 23 und die Entwicklung landwirtschaftlicher deutscher Kleinbetriebe in den Rayonen Engels, Marx, Sowjetski und Saratow (WZ, 1994, Nr. 12). Vor dem Hintergrund der allgemeinen Krise war allerdings auch in den in Stepnoje, Bagajewka, Loginowka, Internazionalnoje, Kriwoj Jar, Beregowoje und Tschkalowo errichteten kompakten Containersiedlungen eine extrem hohe Arbeitslosigkeit zu verzeichnen. So erklärte der Chefredakteur der „Wolgazeitung L. Tetjuew am 7. Februar 1995 auf einer Pressekonferenz im Deutschen Haus, dass die steigende Arbeitslosigkeit unter den vorübergehend in den Containersiedlungen untergebrachten Übersiedlern bei diesen zu Zukunftsängsten führe und in der Folge zahlreiche Ausreiseanträge zu erwarten seien (WZ, 1995, Nr. 2). Die steigende Inflation hatte ebenso wie die massenhafte Ausreise der Übersiedler nach Deutschland und das sinkende Interesse für das deutsche Thema zur Folge, dass die Auflage der „Zeitung der Wolgadeutschen“ auf nur noch 1.500 Exemplare sank.

In den Jahren 1993-94 gab die „Zeitung der Wolgadeutschen“ unter dem Titel „Deutsch für Kinder“ eine (von B. Glubokowa illustrierte) bunte Kinderzeitung heraus, in der die Grundlagen der deutschen Grammatik und Phonetik in kindgerechter und spielerischer Form erklärt wurden. Im ersten Halbjahr 1994 kam sie auf 10.000 Abonnenten aus verschiedenen Landesteilen und hatte eine Gesamtauflage von 15.000 Exemplaren.

Im Oktober 1994 wurde die Landmannschaft der Wolgadeutschen in Person ihres Ratsvorsitzenden J. Haar zum neuen und einzigen Herausgeber der Zeitung, die in „Wolgazeitung“ umbenannt wurde und von diesem Zeitpunkt an zweisprachig in einem Format von A3 auf 12 Seiten erschien. Im Juli 1995 stellte der neue Herausgeber eine neue von E. Semlanuchina geführte Redaktion zusammen, der zudem A. Minor (Übersetzer), E. Schukowa (verantwortliche Redakteurin) und I. Uljanowa (Design, Layout) angehörten. L. Tetjujew verließ die Redaktion und widmete sich der wissenschaftlichen Arbeit. Von 1997 an gehörte die Zeitung zu den im Rahmen des Föderalen Zielprogramms „Entwicklung des sozial-ökonomischen und ethno-kulturellen Potentials der Russlanddeutschen“ geförderten Projekten. Zu dieser Zeit wurde die Zeitung kostenlos an die deutschen Kulturzentren im Wolgagebiet (Gebiete Saratow, Wolgograd, Uljanowsk, Samara und Astrachan) und in den Gebieten Pensa, Orenburg und Rostow, in der Region Krasnodar sowie in den baltischen Staaten und in Deutschland verteilt.

Hauptdevise der Zeitung wurde die Losung „Die Russlanddeutschen - Brücke zwischen den Kulturen des Ostens und Westens“, die ihrer Grundausrichtung Ausdruck verlieh. Die Zeitung berichtete weiterhin über die politischen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Aspekte des Lebens der Russlanddeutschen, über Fragen der Bewahrung der Sprache und Kultur der Russlanddeutschen sowie über das Leben der in die Bundesrepublik übergesiedelten Aussiedler. Viel Aufmerksamkeit widmete die Zeitung den mit der Bewahrung der deutschen Sprache verbundenen Fragen. So berichtete die Wolgazeitung über von bundesdeutschen Deutschlehrern geführte Seminare und Meisterklassen, über Veranstaltungen des deutschen Kulturzentrums und des deutschen Lesesaals, über die von Seiten des „Vereins für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland“ (VDA) geleistete Hilfe, über Geschenke an Schulen und deutsche Kulturzentren sowie über den Umstand, dass Deutsch nicht nur als Fremdsprache, sondern in den kompakten deutschen Siedlungsgebieten an Kindergärten und Schulen auch als Muttersprache unterrichtet wurde. Breiten Raum nahmen zudem Berichte über die in der deutsch-russischen Zusammenarbeit in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur auftretenden Probleme ein. Die regionale Rubrik „Religion“ informierte über Neuigkeiten des religiösen Lebens und präsentierte Material zur Geschichte verschiedener Religionen und Konfessionen. Die Zeitung hatte auch eine eigene Kinderseite.

Die Wolgazeitung unterhielt enge Kontakte zur Landsmannschaft der Wolgadeutschen, zu der im Gebiet Saratow aktiven deutschen Vereinigung „Heimat“, zu den im Wolgagebiet bestehenden Nationalen Kulturautonomien der Russlanddeutschen, zum nationalen Kultur- und Bildungszentrum „Freundschaft“, zum Internationalen Verband der deutschen Kultur, zu den Vertretern des Goethe-Instituts im Wolgagebiet sowie zu anderen gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Organisationen, deren Arbeit sie journalistisch begleitete. Die Wolgazeitung wiederum bezog regelmäßig Material deutscher Nachrichtenagenturen.

Im Jahr 2001 stellte die Zeitung ihr Erscheinen vorübergehend ein. In den Jahren 2002–03 wurde die Zeitung von dem Historiker und Journalisten E. Arndt geführt. 2003 erschien die Wolgazeitung mit finanzieller Unterstützung der Abteilung der Ingermanländischen Evangelisch-lutherischen Kirche in Saratow, wofür sie im Gegenzug eine vom Kirchenrat in Saratow produzierte, religiösen Themen gewidmete Sonderbeilage veröffentlichte (WZ, 2003, Nr. 1). Ende 2003 stellte die Zeitung ihr Erscheinen endgültig ein.

Literatur

Ерина Е.М., Тетюев Л.И. К истории создания газеты поволжских немцев в 90-е годы ХХ в. // Ежегодник Международной ассоциации исследователей истории и культуры российских немцев. 2017. № 3. С. 199-209.

Autoren: E.A. Arndt Saratow

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