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KRONEWALD, Iwan Iwanowitsch * 11. Juni 1919 in Saratow, † 9. August 1995 in Nischni Tagil. Historiker, Pädagoge und Figur des Öffentlichen Lebens

Rubrik: Biographische Beiträge (Personalien)
КРОНЕВАЛЬД (KRONEWALD) ИВАН ИВАНОВИЧ

KRONEWALD, Iwan Iwanowitsch, * 11. Juni 1919 in Saratow, † 9. August 1995 in Nischni Tagil.  Historiker, Pädagoge und Figur des Öffentlichen Lebens.

Kronewalds Vater Iwan Iwanowitsch (1896–1982) war Arbeiter in einer Brotfabrik, seine Mutter Theresia Andrejewna (1900–90) zog als Hausfrau und Mutter neun Kinder groß. Beide Eltern entstammten armen Bauernfamilien aus dem Dorf Schaffhausen (Wolkowo, Bezirk Nikolajewsk, Gouvernement Saratow). Bis zum Krieg lebte die Familie in der Stadt Wolsk (Gebiet Saratow).

Nach Abschluss der Lenin-Mittelschule Nr. 1 der Stadt Wolsk im Jahr 1937 nahm Kronewald ein Studium an der Historischen Fakultät der Staatlichen N.G.-Tschernyschewski-Universität Saratow auf, das er 1941 mit Auszeichnung abschloss. Sein wissenschaftlicher Leiter war der bekannte sowjetische Historiker A.M. Pankratow (seit 1953 Mitglied der Akademie der Wissenschaften). Nach dem Studium arbeitete Kronewald zunächst als Lehrer für die Geschichte und Verfassung der UdSSR an der Mittelschule Nr. 4 in Wolsk. Im September 1941 wurde die Familie nach Kasachstan deportiert, wo Kronewald an der Mittelschule des Dorfs Aleksandrowskoje (Rayon Galkino, Gebiet Pawlodar, Kasachische SSR) als Geschichts- und Geographielehrer tätig war.

Im Januar 1942 wurde Kronewald zur Arbeitsarmee eingezogen. Am 17. Februar kam er zur Sondereinheit Nr. 19-74 des Tagiler Baulagers des NKWD nach Nischni Tagil, wo er bis September 1945 verschiedene Arbeiten verrichtete (Koch, Ausfahrer, Anwesenheitskontrolleur, Statistiker, Wirtschaftsingenieur der Mechanischen Fabrik des Trusts Tagilstroj). Von Oktober 1943 an arbeitete er parallel zunächst als Deutsch- und Geographielehrer und später als Stellvertretender Schulleiter an der Schule der Arbeiterjugend Nr. 14 des Trusts Tagilstroj. 1945 wechselte er ganz in den Schuldienst. In den Jahren 1948–56 war er als Stellvertretender Schulleiter und Lehrer an der Schule der Arbeiterjugend Nr. 5 in Nischni Tagil tätig.

In den Jahren 1934-48 war Kronewald Mitglied des Leninschen Komsomol, in den Jahren 1946–48 Sekretär des Komitees der Lehrerorganisation des Komsomol des Rayons Tagilstroj, in den Jahren 1943–47   externer Referent bei der Politabteilung des Tagiler Lagers des NKWD. 1959 trat er in die Kommunistische Partei ein.

Von Dezember 1955 an arbeitete Kronewald zunächst parallel und von 1956 an als festangestellter Deutschlehrer am Pädagogischen Institut Nischni Tagil. 1956 schloss er im Fernstudium die Deutsche Abteilung der Fremdsprachenfakultät des Pädagogischen Instituts Swerdlowsk ab. Er war Dekan der Philologischen und der Fremdsprachenfakultät, Leiter des Lehrstuhls für Deutsche Sprache, ab 1965 Lehrkraft für Wissenschaftlichen Kommunismus und ab 1969 Dozent am Lehrstuhl für Politökonomie und Wissenschaftlichen Kommunismus (später Philosophische Wissenschaften) des Staatlichen Pädagogischen Instituts Nischni Tagil. 1971 schloss er im Fernstudium seine Aspirantur am Leningrader A.I. Herzen-Institut ab und promovierte mit dem Thema „Das Vielparteiensystem der DDR“ zum Kandidaten der Philosophischen Wissenschaften. Kronewald veröffentlichte über 130 diversen politikwissenschaftlichen Themen, der Geschichte der DDR und dem historischen Schicksal der Sowjetdeutschen gewidmete Artikel, war an der Zusammenstellung und Herausgabe zahlreicher wissenschaftlicher Sammelbände beteiligt und schrieb für Zeitungen unterschiedlicher Ebenen.

Kronewald legte ein ausgeprägtes politisches und gesellschaftliches Engagement an den Tag. Er war Verantwortlicher für die Durchführung politischer Informationsveranstaltungen (Politinformator) an der Fremdsprachenfakultät, Vorsitzender des Rats für die Arbeit im Wohnheim, Stellvertretender Vorsitzender der Institutsorganisation der Gesellschaft „Wissen“, Sekretär am Lehrstuhl für Philosophie und Wissenschaftlichen Kommunismus, Mitglied des Partei- und des Ortskomitees des Instituts, Leiter des Methodischen Seminars an der Fremdsprachenfakultät, Mitglied des Methodischen Rats der Gesellschaft „Wissen“, Leiter des städtischen Seminars „Wissenschaftlicher Kommunismus“, Lehrkraft an der Abenduniversität für Marxismus-Leninismus beim Stadtparteikomitee der KPdSU, freier Referent beim Stadtparteikomitee der KPdSU sowie aktiver Journalist und ab 1963 Mitglied des Journalistenverbands der UdSSR. Er veröffentlichte zahlreiche Artikel in den Zeitungen „Tagilski Rabotschi“ („Tagiler Arbeiter“) und „Neues Leben“ sowie in der Zeitschrift „Heimatliche Weiten“ und war Leiter des Nischni Tagiler Korrespondentenbüros von „Neues Leben“.

Kronewald war Anhänger einer Rückkehr zur auf dem Selbstbestimmungsrecht der Völker Russlands basierenden Leninschen Nationalitätenpolitik. Ende der 1970er Jahre hielt er den Prozess der Herausbildung einer einheitlichen nationalen Gemeinschaft der Sowjetdeutschen für abgeschlossen und trat für die Wiedererrichtung der Republik der Wolgadeutschen ein. Auf sein Betreiben entstand eine regionale Initiative, die eine deutsche Delegation an das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR organisierte. Im Juni-Juli 1965 war er selbst Mitglied der zweiten und im April 1988 Leiter der dritten Delegation, deren Arbeit ein von Kronewald geführtes Organisationskomitee koordinierte. Im Zuge der Vorbereitung einer vierten Delegation (Juli 1988) wurde ein aus 39 Personen bestehendes Koordinierungszentrum der Sowjetdeutschen gegründet, das die Wiedererrichtung der ASSR der Wolgadeutschen bei der Regierung vorantreiben sollte und von I. Kronewald (Vorsitzender), H. Groth und R. Korn (Stellvertretende Vorsitzende) geleitet wurde. Kronewald gehörte auch der fünften Delegation an, die H. Groth zum Vorsitzenden des Koordinierungszentrums und ihn selbst zum Ehrenvorsitzenden und Vorsitzenden des Regionalkomitees Ural wählte. Zusammen mit Juri Arlt arbeitete Kronewald ein Schema der nationalen Selbstverwaltung der Sowjetdeutschen aus, das er dem Koordinierungszentrum vorlegte. Den Schlusspunkt der von Kronewald in der nationalen Bewegung geleisteten aktiven Arbeit setzte die Vorbereitung des Dritten Kongresses der Russlanddeutschen. Im Zusammenhang mit der Erkrankung und dem späteren Tod seiner Frau bat er um Entbindung von den ihm übertragenen Aufgaben.

Kronewald war an der Gründung der Vereinigung „Wiedergeburt“ in Nischni Tagil beteiligt, deren Rat er angehörte. Er förderte die Gründung der deutschen Jugendorganisation „Zukunft”. Auf Initiative I. Kronewalds und I. Brauns wurden den Veteranen der Arbeitsarmee 1992 erstmals Medaillen „Für tapfere Arbeit im Großen Vaterländischen Krieg“ verliehen. Bald folgte die Rehabilitierung von etwa 4.000 früheren Arbeitsarmisten. Kronewald selbst wurde im Jahr 1993 rehabilitiert.

Iwan Kronewald erarbeitete ein Programm der Erforschung der Geschichte der Russlanddeutschen, das in weiten Teilen erst nach seinem Tod umgesetzt wurde. Er schlug vor, am Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der UdSSR einen der Erforschung der Geschichte der Sowjetdeutschen gewidmeten Sektor zu gründen, ein der Geschichte der Sowjetdeutschen gewidmetes Lehrwerk sowie  Kunst und Literatur gewidmete Dokumentenbände und Monographien herauszugeben, ein Gesamtsowjetisches Archiv der Geschichte der Deutschen sowie volkskundliche und historische Museen zu gründen und auf eine Öffnung der Archive des NKWD hinzuarbeiten.

Auszeichnungen: Orden des Roten Banners der Arbeit (1986), Medaillen „Für heldenhafte Arbeit“ (1970), „Veteran der Arbeit. Für langjährige gewissenhafte Arbeit“ (1981), Abzeichen „Musterarbeiter der Volksbildung“, zweifache Auszeichnung mit dem Abzeichen des Swerdlowsker Gebietsparteikomitees der KPdSU „Für aktive Propaganda des Marxismus-Leninismus“, Urkunde des Bildungsministeriums der RSFSR, Urkunden des Stadtkomitees und des Rayonskomitees der KPdSU, mehrere Dankschreiben mit Einfügung in die Personalakte. Bis zu seinem Tod im Jahr 1995 arbeitete er am Staatlichen Pädagogischen Institut Nischni Tagil. Kronewalds Name ist in das Ehrenbuch des heutigen Staatlichen Sozial-Pädagogischen Instituts Nischni Tagil eingetragen.

Literatur

Книга памяти. Екатеринбург: Наука, 1994. С.249-254, 257; Немцы России: энциклопедия: Т.2.К-О/Редкол.: В.Карев (пред. редкол.) и др. М., ЭРН, 2004. С.234.

Autoren: Kirillow V. M.

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