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ODESSAER EVANGELISCHES KRANKENHAUS , 1892 gegründetes Krankenhaus

Rubrik: Kultur, Wissenschaft, Bildung, Medizin

ODESSAER EVANGELISCHES KRANKENHAUS, 1892 gegründetes Krankenhaus.

Die Idee, ein für die deutsche Gemeinschaft in Odessa bestimmtes Krankenhaus zu gründen, geht auf den Pastor der evangelisch-lutherischen Gemeinde G. Bienemann zurück, der dabei nicht nur an die Mitglieder seiner eigenen Gemeinde, sondern auch an auswärtige Glaubensbrüder dachte. Zu den Initiatoren der Krankenhausgründung gehörte zudem der Pastor der Odessaer evangelisch-reformierten Gemeinde Jewgeni. Kornmann (*1854, †1917), der später auch Mitglied des Vorstand war. 1882 startete eine Gruppe angesehener deutscher Bürger Odessas einen Spendenaufruf. Den größten Beitrag leisteten die beiden örtlichen evangelischen Gemeinden, aber es gingen auch Spenden aus dem Ausland ein. Ursprünglich sollte das neue Krankenhaus mit den zu diesem Zeitpunkt schon bestehenden wohltätigen Einrichtungen der evangelischen St. Pauli-Gemeinde zusammengelegt werden, aber bei näherer Prüfung stellte sich heraus, dass die Räume ungeeignet waren und auch einige andere technische Schwierigkeiten einer Umsetzung dieses Plans im Wege standen. Also erwarb man 1886 ein Grundstück, auf dem das Krankenhaus wenige Jahre später nach Plänen des auf den Bau von Krankenhäusern spezialisierten Berliner Architekten Heino Schmieden (*1835, †1913) errichtet wurde. 1892 wurden die Pavillons eingeweiht und die ersten Patienten aufgenommen. Das Krankenhaus hatte Stationen für Innere Medizin, Chirurgie und Gynäkologie. Nach der im Jahr 1894 erfolgten Eröffnung des Frauenpavillons konnte das Evangelische Krankenhaus bis zu 80 Patienten gleichzeitig aufnehmen. In den Jahren 1902-03 wurde in der Tiefe des Krankenhaushofs nach Plänen des Odessear Architekten Paul Klein (der auch dem Vorstand des Evangelischen Krankenhauses angehörte) das bis heute erhaltene Schwesternhaus errichtet. 1903 wurde beim Krankenhaus eine Ambulanz eingerichtet. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde in diesem Gebäude im September 1914 das Odessaer Evangelische Lazarett für verwundete Soldaten eingerichtet.

In den Jahren 1913-14 baute der Odessaer Architekt Fjodor Nesturch nach Plänen des Darmstädter Architekten W. Bortnewski ein weiteres zweistöckiges Gebäude, in dem auch die Wohnung des Chefarztes, das Schwesternheim und die Ambulanz untergebracht waren.

Die Einnahmen des Krankenhauses setzten sich aus den jährlichen Mitgliedsbeiträgen der Förderer, einmaligen Spenden, den Zinsen aus dem Stiftungskapital und den Zahlungen für die Behandlung zahlungsfähiger Patienten zusammen. So war es möglich, einen Teil der Patienten unentgeltlich oder gegen geringe Bezahlung zu behandeln. Vom Umfang der im Krankenhaus geleisteten Arbeit vermitteln die folgenden Zahlen eine Vorstellung: Aufnahme von Patienten zur stationären Behandlung: 318 im Jahr 1892, 1.216 im Jahr 1896, 1.486 im Jahr 1901, 2.058 im Jahr 1906, 2.298 im Jahr 1911 und 3.159 im Jahr 1916 (in den Jahren 1892-1901 insgesamt 10.932, in den Jahren 1902-11 insgesamt 19.817 und in den Jahren 1912-17 insgesamt 16.260 Patienten. Tägliche durchschnittliche Bettenbelegung: 20 im Jahr 1892, 59 im Jahr 1896, 66 im Jahr 1901, 86 im Jahr 1906, 110 im Jahr 1911 und 140 im Jahr 1916. Im Jahr 1906 suchten 7.162, im Jahr 1911 16.631 und im Jahr 1916 26.961 Patienten die Ambulanz auf.

Eine große Rolle spielte Freiherr Thomas von Mahs für das Krankenhaus, der zu Gründern des Hauses gehörte und nach seiner im Jahr 1888 erfolgten Wahl fast ein Vierteljahrhundert lang Vorsitzender und anschließend Ehrenvorsitzender des Vorstands war. Mit seinen Spenden finanzierte er den Bau der Pavillons der 1. und 2. Klasse, den Operationssaal sowie die Ausstattung der Desinfektionskammer.

Ein weiterer Mitinitiator der Gründung des Odessaer Evangelischen Krankenhauses war Eugen Fricker (*1846, †1906), der bis April 1905 auch Chefarzt und Mitglied des Krankenhausvorstands war. Nach Abschluss seines Studiums an der Universität Tübingen war er nach Russland gekommen, hatte sein Diplom an der Universität Dorpat bestätigt und sich Ende 1874 in Odessa niedergelassen, wo er zunächst als Chirurg am Städtischen Krankenhaus tätig war. Seine Tätigkeit als Chefarzt des Evangelischen Krankenhauses übte er unentgeltlich aus. Seine Popularität war so groß, dass sich im Volksmund der Name „Fricker-Krankenhaus“ einbürgerte.

Einen großen Anteil an der Gründung des Evangelischen Krankenhauses hatte auch Heinrich Michael Meyer (*1821, †1900). Nachdem er sein Arztdiplom in Deutschland erworben hatte, lebte er von 1856 an in Odessa, wo er zunächst in der Quarantäne-Station und von 1866 an als Chefarzt des Odessaer Quarantäne-Bezirks tätig war. Als Vorsitzender des Baukomitees leitete Meyer sämtliche mit der Errichtung des Krankenhauses verbundenen Vorbereitungsarbeiten und schrieb zudem das Statut. Anschließend war er bis 1895 Mitglied des Vorstands. Nach seinem Tod vermachte Meyer dem Krankenhaus seine überaus umfangreiche medizinische Bibliothek.

In den Jahren 1891-96 war der spätere Professor des Odessaer Medizinischen Instituts Nikolai Iwanowitsch Kaefer (*1864, †1944) am Odessaer Krankenhaus als Assistent tätig. Bei der Gründung des Krankenhauses waren Ernst Iwanowitsch Donat (*1836, †1900) als Facharzt für chirurgische Krankheiten und Karl Maximilianowitsch Schmidt (*1857, †1915) als Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten tätig. Letzterer wurde 1901 zudem Mitglied des Vorstands und war von 1910 an parallel auch Assistent des Chefarztes. Facharzt für Augenkrankheiten war von 1897 an Otto-Heinrich Walter (*1862, †1917).

Von 1900 an war Alexander Rosenberg (*1857, †1909) Facharzt für Innere Medizin, der später auch Mitglied des Vorstands werden sollte. Sein Nachfolger als Facharzt für Innere Medizin war der Allgemeinarzt und Professor der Neurussischen Universität Peter (Pjotr Alexandrowitsch) Walter (*1856, † nach 1929), dessen Vater der bekannte Anatom und Physiologe Alexander Walter war. Von 1902 an war Theodor Wernke (*1870, †1946) am Krankenhaus als Prosektor tätig. Von 1905 an arbeitete der Gynäkologe Friedrich Jürgenson in der Ambulanz des Krankenhauses, der außerdem auch Arzt der Handelsschule für Mädchen der Südrussischen Deutschen Gesellschaft und einer der Gründer der Kur- und Heilkolonie dieser Gesellschaft war.

Anfang der 1920er Jahre wurde das Odessaer Evangelische Krankenhaus zum 4. Sowjetischen Volkskrankenhaus umstrukturiert. Später war in dem Gebäude das Odessaer Tuberkulose-Institut untergebracht.

Literatur

Autoren: Wassiljew K. (Sumy)

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