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ODESSAER DEUTSCHE REALSCHULE ST. PAULI , 1825 als Evangelische St. Pauli-Schule gegründete mittlere Lehranstalt, die von 1848 an als Evangelisch-lutherische St.-Pauli-Schule, von 1858 an als Deutsche St. Pauli-Realschule und von 1876 an als Odessaer St. Pauli-Realschule firmierte

Rubrik: Politische Geschichte

ODESSAER DEUTSCHE REALSCHULE ST. PAULI, 1825 als Evangelische St. Pauli-Schule gegründete mittlere Lehranstalt, die von 1848 an als Evangelisch-lutherische St.-Pauli-Schule, von 1858 an als Deutsche St. Pauli-Realschule und von 1876 an als Odessaer St. Pauli-Realschule firmierte.

Die von Pastor Karl August Böttiger gegründete Schule war an die evangelisch-lutherische Gemeinde angeschlossen, aus deren Mitteln sie auch finanziert wurde. Sie war in verschiedenen Gebäuden untergebracht, die in den Jahren 1858, 1862 und 1871/72 auf dem Gelände der evangelisch-lutherischen Paulskirche errichtet wurden. An der Schule wurden Jungen und Mädchen ohne Ansehen von Nationalität und Konfession aufgenommen. Das Schulprogramm umfasste die Fächer Religion, Russisch, Französisch und Deutsch, Allgemeine und Russische Geschichte, Allgemeine Geographie, Rechnen, Geometrie, Schönschrift und Gesang. 1858 wurde die zuvor kirchliche St. Pauli-Schule zur ersten Realschule Odessas umgewandelt, deren Ziel darin bestand, die Jungen auf Tätigkeiten in Handel und Handwerk und die Mädchen auf die „Kenntnis der Hauswirtschaft“ vorzubereiten. Die Odessaer Realschule bestand aus zwei Abteilungen: der Real- und der Fachschule. Die Unterrichtssprache war Deutsch. Die Leitung der Schule oblag dem kirchlichen Gemeinderat. 1868 wurde das Schulprogramm reformiert, woraufhin einige Fächer auf Russisch unterrichtet wurden. Unter den Lehrern der Odessaer Realschule waren Absolventen der Universitäten Leipzig, Dorpat, Odessa (Neurussische Universität) und Kiew, der Petersburger Akademie der Künste sowie der Theologischen Akademien in Moskau und Kiew. Von 1876 an war die Unterrichtssprache in allen Fächern Russisch. Zugleich bekam die Schule den Status einer staatlichen Lehranstalt, auch wenn sie auch weiterhin von der evangelisch-lutherischen Gemeinde unterhalten wurde. Die vom kirchlichen Gemeinderat berufenen Direktoren und Inspektoren der Odessaer Realschule mussten vom Ministerium für Volksbildung bestätigt werden. Mit Blick auf die Schülerzahlen stellten Lutheraner in den Jahren 1876-79 (nach Orthodoxen und Juden) die drittgrößte und in den Jahren 1891, 1894 und 1895 (nach Orthodoxen) die zweitgrößte Gruppe. In prozentualer Hinsicht stieg der Anteil der Lutheraner im gleichen Zeitraum von 13,8% (15 von 109 Schülern) auf 33% (121 von 367 Schülern). Neben den Lutheranern besuchten auch anderen Konfessionen zugehörige Deutsche die Odessaer Realschule. 1890 waren unter den insgesamt 377 Schülern 139 Russen, 111 Deutsche, 83 Juden und 44 Polen.

1913 war die Odessaer Realschule eine der besten Lehranstalten des Odessaer Schulbezirks. Es gab einen Gymnastiksaal, das mit insgesamt 1.900 Geräten am besten ausgestattete Physikalische Kabinett des Bezirks sowie eine Bibliothek mit insgesamt 3.000 Bänden. Mit Blick auf die Schülerzahlen war die St. Pauli-Schule (mit insgesamt 524 Schülern nach Stand zum 1. Januar 1914) die größte der insgesamt 22 Realschulen des Bezirks. Direktoren der Odessaer Realschule waren: K. Flötnitzer, M. Dertel, T. Wurster, G. Kowaltzig, K. Schöttle (1877-80), G. Märtens (1881-83), N. Kaminski (1883-84), R. von Seddelmann (1884-87), K. von Schwanebach (1888 – ?), E. Mittelsteiner (1906-15, auch Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bildungsgesellschaft Südrusslands) und A.D. Schtscherbina (1915 – ?).

Nach der im März 1918 erfolgten Besetzung Odessas durch reichsdeutsche Truppen war geplant, die Odessaer Realschule in ein Knabengymnasium und ein Mädchenlyzeum umzuwandeln, an denen die Kinder deutscher Kolonisten, deutscher Staatsangehöriger sowie andersnationale Kinder in deutscher Sprache unterrichtet werden sollten. Aber das Projekt wurde nicht umgesetzt. 1919 gingen aus der Odessaer Realschule ein Knabengymnasium mit einem Realbereich sowie ein Mädchengymnasium mit einem Handelsbereich hervor (ohne Rechte einer staatlichen Lehranstalt). Nach der im Februar 1920 erfolgten Machtübernahme der Sowjets entstand aus diesen beiden Schulen die Deutsche Arbeitsschule Nr. 38, die bis 1938 bestand. Während des Deutsch-Sowjetischen Kriegs von 1941-45 wurde das Gebäude der früheren Odessaer Realschule zerstört.

Literatur

Отчет попечителя Одесского учебного округа... за 1913 г., Одесса, 1914; Одесса 1794–1894, Одесса, 1895; Плесская-Зебольд Э.Г., Одесские немцы, Одесса, 1999.

Archive

ГА Одесской обл., ф. 2, оп. 1, д. 69, 3396; ф. 52, оп. 3, д. 2; ф. 52, оп. 4, д. 1; ф. 42, оп. 35, д. 1968, 2173, 2660.

Autoren: Plesskaâ È.G.

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