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KAUKASUS , zwischen dem Schwarzen Meer, dem Asowschen Meer und dem Kaspischen Meer gelegene Region

Rubrik: Geschichte und Geographie der Ansiedlung der Deutschen im Russischen Reich, in der UdSSR und GUS / Geschichte der Ansiedlung

KAUKASUS, zwischen dem Schwarzen Meer, dem Asowschen Meer und dem Kaspischen Meer gelegene Region.

Der Kaukasus bildet eines der ältesten Zentren der menschlichen Zivilisation. Im Verlauf der gesamten schriftlichen Menschheitsgeschichte lag der Kaukasus an der Schnittstelle der Interessensphären verschiedener Staaten und Großreiche. Anfang des 19 Jahrhunderts konkurrierten Russland, das Osmanische Reich und Persien sowie die westeuropäischen Großmächte in der Region. Heute liegen die Staaten Aserbaidschan, Armenien und Georgien sowie Teile der Russischen Föderation, des Iran und der Türkei auf dem Gebiet des Kaukasus.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ließen sich ungeachtet der in der Region herrschenden instabilen und gefährlichen Lage zahlreiche Siedler aus Deutschland bzw. aus den in der Schwarzmeer- und Wolgaregion gelegenen deutschen Enklaven in den von den russischen Truppen kontrollierten Gebieten des Kaukasus nieder. Als erste Kolonie in der Region gilt traditionell die von schottischen Missionaren gegründete Kolonie Karras, von der aus die örtliche Bevölkerung zum Christentum bekehrt werden sollte. Nachdem Zar Alexander I. den Bericht des Innenministeriums über die Gründung dieser Kolonie bestätigt (1802) und den Kolonisten die gesetzlich vorgesehenen Sonderrechte und Privilegien gewährt hatte, wurden zunächst im Nordkaukasus und später auch in Transkaukasien zahlreiche deutsche Kolonien gegründet.

Der Vorschlag, deutsche Kolonisten nach Transkaukasien einzuladen, ging ursprünglich auf den Generalgouverneur von Transkaukasien und Oberbefehlshaber der dortigen russischen Truppen Alexei Jermolow zurück, der der Regierung den Vorschlag unterbreitete, mehrere Dutzend deutsche Bauernfamilien in Georgien anzusiedeln, um die Produktivität der dortigen Landwirtschaft zu steigern.

Es waren sowohl wirtschaftliche als auch religiöse Motive, die den Großteil der aus Württemberg stammenden ersten Kolonisten in den Jahren 1816-18 dazu bewegten, sich auf den Weg nach Russland zu machen. Die Menschen litten unter den Folgen der Napoleonischen Kriege und die Bauern darüber hinaus unter mehreren aufeinanderfolgenden feuchten und kalten Jahren, der hohen Grundsteuer und der aus dem rapiden Bevölkerungswachstum resultierenden Zerstückelung ihrer Wirtschaften. Vor allem aber hatten sich unter den württembergischen Pietisten seit den 1790er Jahren separatistische und chiliastische Stimmungen verbreitet, in denen der gegen den sich innerhalb der lutherischen Kirche ausbreitenden Rationalismus gerichtete Protest zum Ausdruck kam. Nach Ansicht der „Separatisten“ leiteten die Französische Revolution sowie der Atheismus, Positivismus und Materialismus der damaligen Zeit die Machtübernahme des Antichrist ein. Nach einer Zeit des Schreckens erwarteten diese Chiliasten die baldige Wiederkehr Christi und den Beginn des in der Offenbarung des Johannes verkündeten Tausendjährigen Friedensreichs.

Bei der Vorbereitung der Auswanderung spielte die baltische Adlige Juliana Barbara von Krüdener eine wichtige Rolle, die von 1808 an unter den schwäbischen Chiliasten aktiv war und Einfluss auf den russischen Zaren Alexander I. gewann, in dem viele den „Erlöser unserer Zeit“ sahen und die von ihm geschmiedete Heilige Allianz als göttliches Werk interpretierten. In den Jahren 1815-16 predigte die Baronin vor den von Missernten heimgesuchten verarmten Bauern in Südbaden und in der Schweiz, während ihr Begleiter Kellner verkündete, dass sich die gereinigte Kirche in den Kaukasus begeben müsse, wo schon Noahs Arche auf dem Berg Ararat gestrandet sei.

Bereits im Herbst 1816 machte sich eine aus dem württembergischen Schwaikheim stammende Separatistengruppe auf den Weg die Donau herunter. Im Oktober passierte die aus 281 Personen bestehende Gruppe Wien und durchlief wenig später in Ismail die Quarantäne. Einige Familien wollten sich bei Odessa niederlassen, aber die meisten ersuchten den Zaren, sie nach Georgien weiterziehen zu lassen. Im Frühjahr 1817 kamen sie nach Tiflis, in dessen Nähe sie das Dorf Mariental gründeten.

Anfang April 1817 meldete der russische Gesandte in Stuttgart Juri Golowkin, dass insgesamt 5.037 Personen beiderlei Geschlechts Interesse an einer Ansiedlung in Russland bekundet hätten, bei denen es sich um Pietisten handele, die ihre Gemeinschaften als Harmonien bezeichneten. Aufgrund der im November 1816 ausgearbeiteten Statuten der „Esslinger Harmonie der Gläubigen“ sollte in die Gemeinschaft nur aufgenommen werden, wer sich „aus freien Stücken und ohne Ansicht des vergänglichen Glücks als Anhänger der Gemeinschaft der Heiligen im wahren Glauben an Jesus Christus“ bekenne. Alle Anhänger der „Harmonie“ sollten darauf achten, dass „kein einziger Maßloser, Gotteslästerer, Heuchler, Lügner, Betrüger, Müßiggänger, Unzüchtiger oder kurz Ungläubiger“ aufgenommen werde. Es sollten Älteste gewählt werden, die „über das Ganze Aufsicht führen“ sollten, im Fall von Unvermögen aber auch wieder abgesetzt werden konnten. Darüber hinaus sollte die Harmonie auch die für den Gottesdienst und den Schulunterricht verantwortlichen Männer bestimmen.

Golowkin teilte die Auswanderer nach „militärischen Prinzipien“ in jeweils etwa 200-250 Personen starke Kolonnen ein und ließ sie Anführer wählen, denen er die uneingeschränkte Gewalt über die Anderen übertrug. Die Kolonnen machten sich in kurzen Zeitabständen zwischen dem 7. (19.) Mai und dem 7. (19.) August 1817 in neun Gruppen von Ulm aus auf den Weg. 5.508 Personen wurden zu 963 „Familien“ zusammengeschlossen. Die russische Regierung wollte die Einwanderer in Neurussland ansiedeln, aber diese bestanden nach der Quarantäne in Ismail größtenteils auf einer Weiterfahrt in den Kaukasus. Schließlich erlaubte die Regierung etwa 500 Familien (einschließlich von 100 deutschen Kolonistenfamilien, die sich bereits in den Jahren 1803-04 bei Odessa niedergelassen hatten) die Weiterfahrt nach Georgien und gewährte ihnen dafür eine finanzielle Hilfe in Höhe von 500.000 Rubeln.

Nach ihrer im August-November 1818 erfolgten Ankunft in Transkaukasien gründeten die Einwanderer acht Kolonien: Neu-Tiflis, das vor allem Handwerker beherbergte und 1861 in die Stadt Tiflis eingemeindet wurde, Marienfeld (Rosenfeld), Katharinenfeld (in sowjetischer Zeit Luxemburg), Elisabethtal (Asureti), Alexanderdorf (in sowjetischer Zeit Liebknechtsdorf) und Petersdorf in der Nähe von Tiflis, sowie Annenfeld (Annino, seit 1941 Schamchor) und Helenendorf (Jelenino, seit 1938 Chanlar) bei Jelisawetpol (Gjandscha). Die Kolonisten erhielten Landstücke in der Größe von bis zu 35 Desjatinen pro Familie.

Bis 1824 gab die russische Regierung für die verbleibenden 480 Familien (etwa 2.000 Personen) fast eine Million Rubel aus, so dass jede Familie von 1832 an eine Schuld in Höhe von 2.000 Rubeln zu begleichen hatte. Angesichts schwieriger klimatischer Bedingungen, häufiger Epidemien und Viehseuchen sowie regelmäßiger Überfälle von Seiten der Bergvölker kamen die Kolonistenwirtschaften nur langsam voran. In den Jahren 1826-28 wurden Katharinenfeld und Helenendorf vollständig geplündert und zum Teil zerstört. 142 Kolonisten wurden in die Sklaverei verkauft. Deshalb blieben die Kolonien bis Mitte des 19. Jahrhunderts auf die Hilfe der russischen Regierung angewiesen.

Vor diesem Hintergrund wuchs die Zahl der Kolonisten bis 1850 nur auf 2.864 Personen (562 Familien), die über insgesamt 1.280 Pferde, 3.141 Kühe und 333 Pflüge verfügten. Während des Krimkriegs von 1853-56 erschlossen sich den Kolonisten zusätzliche Einnahmequellen durch den Transport von Truppen und Material sowie den Verkauf ihrer vierrädrigen Wagen an die Armee. Allein in Helenendorf stellten die örtlichen Handwerker innerhalb eines Jahres bis zu 1.600 solcher Fuhrwerke her, die sich nicht nur auf den Märkten des Russischen Reichs, sondern auch in Persien großer Nachfrage erfreuten. Von 1864 an durften die Kolonisten die ihnen zugeteilten Landstücke innerhalb eines bestimmten Rahmens unter ihren Söhnen aufteilen. Das hatte zur Folge, dass neben den Vollwirtschaften auch zahlreiche Halb- und Viertelwirtschaften entstanden, verhinderte aber nicht, das viele Kolonisten landlos blieben.

Nach der Gründung der beiden Tochterkolonien Alexanderhilf (1858) und Freudental (Abas-Tuman) lebten 1870 in neun Kolonien (ohne Neu-Tiflis) 3.927 Personen (688 Familien), die über 24.407 Desjatinen Land verfügten. Auch die Zahl ihrer Pferde (1.827), Kühe (4.982) und Pflüge 488 war inzwischen gestiegen. Die Kolonisten belieferten Tiflis und Jelisawetpol mit Kartoffeln, Milch, Butter und Käse. Bis 1875 hatten die Kolonien sämtliche gegenüber der Staatskasse bestehenden Schulden beglichen.

Nach 1880 wurden neue Tochterkolonien wie das in der Nähe von Annenfeld gelegene Georgsfeld (1887) und das bei Kars gelegene Petrowka (1891) gegründet. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs lebten in den Kolonien Transkaukasiens bereits 12.059 Kolonisten, die über 45.526 Desjatinen Land verfügten. Anfang des 20. Jahrhunderts lebten in den Kolonien neben Deutschen auch Angehörige anderer Nationalitäten, deren Bevölkerungsanteil in einigen Kolonien erheblich war und in Helenendorf z.B. im Jahr 1900 bei 46% lag.

Eine Quelle des Reichtums war in vielen Kolonien der Weinbau. 1870 verfügten die Kolonisten über fast zwei Millionen Weinstöcke und kelterten etwa 400.000 Wedro Wein [ein Wedro (Eimer) = 12,7 Liter]. Der Weinhandel wurde von den aus Helenendorf stammenden Kolonistenfamilien Vohrer und Hummel dominiert. So stieg der Jahresumsatz der Firma „Gebrüder Vohrer“ von etwa 1.000 Rubeln in den 1870er Jahren auf 300.000 Rubel im Jahr 1895 und 1,7 Mio. Rubel im Jahr 1911. Im Jahr 1900 besaß die Familie zwei Güter mit einer Gesamtfläche von 2.900 Desjatinen, eine Kognak- und Spirituosenfabrik, eine Brauerei und eine Mühle. Das „Handelshaus Gebrüder Hummel“ konnte seinen Umsatz ebenfalls von 50.000 Rubeln im Jahr 1895 auf 1.158.000 Rubel im Jahr 1913 steigern. Beide Firmen verkauften ihren Kognak im gesamten Russischen Reich. Um mit diesen großen Handelshäusern konkurrieren zu können, gründeten die Kolonisten die Winzergenossenschaften „Eintracht“ (1905 in Helenendorf), „Hoffnung“ (1906 in der Tochterkolonie Georgsfeld-Georgowskije, später Leninfeld) und „Concordia“ (1908 in Helenendorf). Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden beide Firmen enteignet, in die Aktiengesellschaften „Transkaukasische Weinkelterei“ und „Südliche Weinkelterei“ überführt und nach der Machtübernahme der Sowjets in Aserbaidschan (1920) schließlich verstaatlicht.

Für die geistliche Betreuung der Kolonisten waren von 1823 an die Prediger der Basler Mission zuständig, deren Statut 1829 vom Zaren bestätigt wurde. Unter den früheren Separatisten entstanden mehrere Sekten. Nachdem Barbara Spohr in einer ihrer Predigten den Anbruch des Tausendjährigen Friedensreiches für das Jahr 1846 vorausgesagt hatte, beschloss eine 362 Personen starke Gruppe im Jahr 1843 die Auswanderung nach Palästina, wurde aber von Kosaken zurückgehalten.

Vor 1917 gab es in den Kolonien siebenklassige Volksschulen, je ein Realgymnasium in Tiflis und Helenendorf sowie eine erweiterte Grundschule in Katharinenfeld. Nach der Machtübernahme der Sowjets wurde das Tifliser Gymnasium geschlossen, während die übrigen Schulen in das sowjetische Schulsystem integriert wurden. In der Zeit zwischen der Revolution von 1905 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs sowie in den ersten Nachkriegsjahren erschien in Tiflis die Tageszeitung „Kaukasische Post“.

Nach dem Zusammenbruch des Russischen Reiches wurde 1917 der „Transkaukasische Deutsche Nationalrat“ gegründet, der in den Jahren 1918-20 mit den unabhängigen Republiken Georgien und Aserbaidschan in Kontakt stand. Im Nationalrat der Demokratischen Republik Aserbaidschan waren die Deutschen durch den aus Helenendorf stammenden Kolonisten Lorenz Kuhn repräsentiert. In den ersten vier Jahren nach der Machtübernahme der Sowjets entstanden neue Tochterkolonien, so dass es 1926 in Georgien 17 und in Aserbaidschan acht deutsche Kolonien gab.

Unter den Bedingungen der Neuen Ökonomischen Politik (NEP) schlossen sich die in Georgien und Aserbaidschan ansässigen deutschen Winzer zu den Genossenschaften „Concordia“ (Helenendorf) und „Union“ (Katharinenfeld) zusammen, die mit ihren Gewinnen zur Finanzierung der Schulen und Internate beitrugen und Stipendien vergaben. Die Genossenschaften erlebten in den 1920er Jahren mit insgesamt 160 in der gesamten Sowjetunion bestehenden Verkaufsstellen eine Zeit der Blüte, bis sie im September 1929 zu Staatsbetrieben wurden.

Von 1929 an mussten die deutschen Siedlungen alle Lasten der Kollektivierung ertragen. Ungeachtet aller von Seiten der deutschen Bauern vorgebrachten Proteste (insbesondere im März 1930) wurde der von den Machthabern ausgeübte Druck immer stärker. 1934 wurden viele im Kaukasus ansässige Deutsche im Zuge der Kampagne des „Kampfes gegen die Faschisten und ihre Helfershelfer“ verhaftet. Zahlreiche Lehrer wurden als „sozial fremde Elemente“ aus dem Schuldienst entlassen.

1935 wurde die „Concordia“ geschlossen und ein Teil ihres Führungspersonals verhaftet. Im gleichen Jahr wurden 76 „Kulakenfamilien“ vom NKWD zum Bau des Weißmeer-Ostsee-Kanals [Belomorkanal] deportiert. 1936 wurden alle Pastoren verhaftet und unter der Anschuldigung von „Spionagetätigkeit“ verurteilt. Vom Schuljahr 1938/39 an durften die deutschen Kinder nur noch russische Schulen besuchen. Nach der im August 1939 erfolgten Unterzeichnung des sowjetisch-deutschen Nichtangriffspakts („Hitler-Stalin-Pakt“) kursierten unter den Deutschen Gerüchte, dass ihnen bald eine Ausreise nach Deutschland gestattet werde, wodurch sich viele veranlasst sahen, ihren Besitz zu verkaufen. Zum Zeitpunkt der Deportation von 1941 lag die Zahl der in den sowjetischen Republiken Transkaukasiens lebenden Deutschen bei 46.260 Personen, davon 25.625 in der Aserbaidschanischen SSR, 20.423 in der Georgischen SSR und 212 in der Armenischen SSR.

Siehe auch den Artikel: Nordkaukasus.

Literatur

Джафарлы М., Политический террор и судьбы азербайджанских немцев, Баку, 1998; Schrenk P.M., Geschichte der deutschen Kolonien in Transkaukasien, Tiflis, 1869; Hoffmann P., Die deutschen Kolonien in Transkaukasien, Berlin, 1905; Auch E.M., Unternehmerische Aktivitäten deutscher Kolonisten in Transkaukasien, in: «...das einzige Land in Europa, das eine große Zukunft vor sich hat.» Deutsche Unternehmen im Russischen Reich im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Hg. v. D. Dahlmann u. C. Scheide, Essen, 1998, S. 589–610.
Autoren: Brandes Detlef

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