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KRIM , zwischen dem Schwarzen Meer und dem Asowschen Meer gelegene, mit dem Festland über die Landenge von Perekop verbundene Halbinsel, die seit 1783 Teil des Russischen Reiches war

Rubrik: Geschichte und Geographie der Ansiedlung der Deutschen im Russischen Reich, in der UdSSR und GUS / Geschichte der Ansiedlung

KRIM, zwischen dem Schwarzen Meer und dem Asowschen Meer gelegene, mit dem Festland über die Landenge von Perekop verbundene Halbinsel, die seit 1783 Teil des Russischen Reiches war. 1921 wurde innerhalb der RSFSR die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Krim gegründet. Nach der 1944 erfolgten Zwangsdeportation der Krimtataren nach Mittelasien wurde die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Krim aufgelöst und zum Gebiet [Oblast] Krim umgewandelt, das zunächst innerhalb der RSFSR und von 1954 an innerhalb der Ukrainischen SSR bestand. Seit 1991 gehört die Republik Krim zur Ukraine.

Kolonien auf der Krim bis 1917.

In den Jahren 1804/05 und 1808/09 wurde ein kleinerer Teil der nach Russland kommenden Einwandererströme auf die Krim gelenkt. So gründeten z.B. von Major Hans Kaspar Escher in der Schweiz angeworbene Bauern auf der Krim eine Kolonie, der sie den Namen Zürichtal gaben. Von Franz Ziegler in Südwestdeutschland und im Elsass angeworbene Übersiedler gründeten 1805 die Kolonien Neusatz, Friedental, Heilbrunn, Sudak, Herzenberg und Rosental sowie im Jahr 1811 die Kolonie Kronental (Bulganak). Die im Bezirk [Ujesd] Simferopol gelegenen lutherischen Kolonien Neusatz, Friedental und Rosental sowie die katholische Kolonie Kronental wurden zum Kolonistenbezirk Neusatz und die im Bezirk Feodosija gelegenen lutherischen Kolonien Zürichtal, Heilbrunn, Sudak und Herzenberg zum Kolonistenbezirk Zürichtal zusammengeschlossen. Mit der im Zuge der Reformen von 1871 erfolgten Eingliederung der Kolonien in das allgemeine Verwaltungssystem wurden die deutschen Dörfer des früheren Kolonistenbezirks Neusatz zunächst zwischen den Amtsbezirken Kronental und Neusatz (Friedental, Rosental) aufgeteilt und gehörten 1892 bereits ethnisch gemischten Amtsbezirken an. Wegen der großen Entfernungen zwischen den Dörfern wurde Sudak von dem aus dem früheren Kolonistenbezirk hervorgegangenen Amtsbezirk Zürichtal getrennt, der wiederum durch den Anschluss zahlreicher Tochterkolonien auf zwölf (1881) bzw. siebzehn deutsche Dörfer (1890) anwuchs, von denen fünf in späteren Jahren erneut an den benachbarten ethnisch gemischten Amtsbezirk übergingen.

Da die deutschen Übersiedler vorrangig im Obst- und Weinanbau tätig sein sollten, wurden ihnen nur jeweils 20 Desjatinen pro Familie zugeteilt, auch wenn einzelne Kolonien wie z.B. Zürichtal über deutlich mehr Land verfügten (33 Desjatinen pro Kolonist). Rosental und Neusatz, denen zum Zeitpunkt der Ansiedlung nur wenig Land zugeteilt worden war, erhielten später weitere Landstücke, so dass 1822 alle auf der Krim gelegenen deutschen Kolonien über ausreichend Land verfügten. 1829 kauften die Bewohner von Zürichtal zunächst auf staatlichen Kredit 1.329 und bis 1887 mit eigener Finanzierung weitere 6.294 Desjatinen Land dazu. Die Kolonie Heilbrunn, der zunächst 39,5 Desjatinen Land pro Familie zugeteilt worden waren, erwarb im Jahr 1839 700 und im Jahr 1844 weitere 1.350 Desjatinen Land, woraufhin ein Teil ihrer Bewohner die bei dem neu erworbenen Land gelegene Kolonie Neudorf gründen konnten. 1848 kaufte die Kolonie einem in Neusatz ansässigen Landbesitzer zusätzliche 344 Desjatinen ab. In der Kolonie Sudak, zu der auch die Siedlung Otusy gehörte, waren den Familien jeweils über 20 Desjatinen zugeteilt, die aber zu einem großen Teil bewaldet waren. 1837 machten die Kolonisten ein 251 Desjatinen großes gepachtetes Landstück urbar, das aber ungeachtet zahlreicher vorheriger Bitten erst 1879 in den Besitz der Gemeinschaft überführt wurde.

Bereits 1858 gab es auf der Krim mehr landlose als Land besitzende deutsche Kolonistenfamilien. Die in Zürichtal und Heilbrunn ansässigen Kolonisten gründeten bis 1890 sieben im Bezirk Feodosija und vier im benachbarten Bezirk Simferopol gelegene Tochterkolonien. Die Bewohner der Kolonien Sudak, Otusy und Herzenberg kauften wenig oder gar kein Land. Die im Bezirk Simferopol gelegenen Mutterkolonien erwarben bis 1890 insgesamt 4.294 in unmittelbarer Nachbarschaft der Kolonien gelegene Desjatinen Land. 74 % der insgesamt 3.624 an ihren ursprünglichen Siedlungsorten „landlosen“ Kolonisten lebten außerhalb der Mutterkolonien, d.h. vor allem in den Tochterkolonien auf eigenem oder gepachtetem Land. Wenn Kolonisten von der Krim in den nördlich gelegenen Kreis Perekop zogen, schlossen sie sich dort vielfach mit Übersiedlern zusammen, deren Mutterkolonien in den auf dem Festland gelegenen Bezirken des Gouvernements Taurien lagen.

Im Jahr 1815 konnte der Hauptrichter des Fürsorgekontors Samuel Contenius nach Inspektion der Kolonien zufrieden einen wachsenden Wohlstand der auf der Krim lebenden Deutschen konstatieren: In den drei im Bezirk Neusatz gelegenen Kolonien brachte die Kartoffelernte mehr als das Zehnfache der Aussaat ein. Zürichtal und Kronental waren zwar etwas schlechter gestellt, aber auch dort musste niemand Hunger leiden. Die Bewohner von Zürichtal bauten Sommerweizen an und verkauften ihre Ernteüberschüsse in Feodosija. 1852 verdiente eine männliche Arbeitskraft in den Kolonistenbezirken Zürichtal und Neusatz durchschnittlich 68,81 bzw. 53,80 Silberrubel, was die höchsten Einkünfte unter allen deutschen Kolonisten darstellte. Die auf der Krim ansässigen Deutschen gehörten im Jahr 1866 zu den wenigen deutschen Kolonisten, die bei der Feldarbeit eine etwa gleiche Zahl an Pferden und Ochsen einsetzten. Die meisten auf der Krim ansässigen deutschen Bauern droschen das Korn mithilfe von Dreschsteinen. Erst in den 1880er Jahren kauften einige von ihnen ihre ersten Dreschmaschinen.

In Heilbrunn fanden die Kolonisten schon bei der Ansiedlung Obstgärten vor, die bereits von den zuvor auf diesem Land lebenden Tataren angelegt worden waren, während die Kolonisten in Sudak und Otusy selbst Obst- und Weingärten anlegten. Von 1826 an war jeder in den Kolonien Kronental und Neusatz lebende Kolonist verpflichtet, Weingärten in der Größe einer halben Desjatine anzulegen. 1829 ernteten die Deutschen auf der Krim jeweils 6.635 Wedro Wein [1 Wedro (Eimer) = 12,7 Liter]. 1836 konnten die in Kronental und Neusatz ansässigen Kolonisten 44% ihrer Ernte (8.267 Eimer) zu einem Preis von drei Rubeln pro Eimer verkaufen. Die in Herzenberg ansässigen Kolonisten belieferten die Hafenstadt Feodosija mit Wein, Obst, Gemüse und Butter.

Auch wenn die Vertreter der südrussischen Kolonien bereits im Jahr 1866 auf einer Konferenz den Beschluss gefasst hatten, in Neusatz eine Zentralschule einzurichten, sollte noch ein ganzes Jahrzehnt vergehen, bis die auf der Krim ansässigen Kolonisten die für das Projekt benötigten Mittel tatsächlich zusammentrugen. Erst die im Jahr 1874 erfolgte Einführung der allgemeinen Wehrpflicht bzw. deren gleichzeitig beschlossene Verkürzung für Absolventen Höherer Schulen beschleunigte die Finanzierung des Baus, so dass die Zentralschule in Neusatz im Jahr 1876 eröffnet werden konnte. Finanziert wurde der Schulbetrieb durch die aus dem Schulkapital anfallenden Zinsen, das von den Schülern zu entrichtende Schulgeld, Subventionen von Seiten des Bezirks sowie die im Jahr 1895 eingeführte Landsteuer in Höhe von einer Kopeke pro Desjatine Land für alle auf der Krim ansässigen lutherischen Landbesitzer. Infolge der schlechten Bezahlung herrschte insbesondere unter den russischen Lehrern eine große Fluktuation. In den Jahren 1887-96 schlossen nur 31 der insgesamt 145 männlichen Schüler die Schule ab, von denen wiederum 17 den Beruf des Lehrers wählten. In den Jahren der unter Zar Alexander III. eingeleiteten Russifizierung der deutschen Schulen war die Unterrichtssprache von 1881 an in allen Fächern einschließlich des Deutschunterrichts auf Weisung der russischen Schuldirektoren Russisch. Als die Zentralschule nicht mehr alle Lernwilligen aufnehmen konnte, wurde 1905 in Zürichtal eine zweite Zentralschule eröffnet. Für die auf der Krim lebenden Katholiken gab es keine eigene weiterführende Schule, so dass ihnen nur die beiden lutherischen Lehranstalten offenstanden.

Die Krim nach 1917

Die Februarrevolution von 1917 brachte abgesehen von der Aufhebung der 1915 eingeführten sogenannten Liquidationsgesetze keine radikalen Veränderungen im Leben der auf der Krim lebenden deutschen Kolonisten. Vertreter der deutschen Intelligenz beteiligten sich an der Arbeit der neuen Machtorgane und unterstützten den Kurs der Provisorischen Regierung. Nach der Oktoberrevolution von 1917 versuchten die meisten deutschen Kolonisten, sich aus den politischen Kämpfen herauszuhalten und Neutralität zu wahren. Nichtsdestotrotz nahmen Deutsche auf beiden Seiten der Front am Bürgerkrieg teil: So kämpften deutsche Kolonisten 1918 innerhalb des 1. Katharinenstädter Kommunistischen Kavallerieregiments und 1919 innerhalb der Ersten Roten Reiterarmee General Semjon Budjonnys, aber auch in den Weißen Armeen Denikins und Wrangels. Zur Zeit der Besetzung der Krim durch reichsdeutsche Truppen (Mai-November 1918) hing ein Teil der örtlichen deutschen Bevölkerung der Idee an, die Krim von Russland und der Ukraine zu lösen und mit reichsdeutscher Unterstützung eine selbständige Krim auszurufen. Im Februar 1918 arbeitete Pastor Immanuel Winkler den Plan aus, eine unter deutschem Protektorat stehende Kronkolonie Krim-Taurien zu gründen, zu der auch die Bezirke Ismail, Akkerman, Bender, Odessa und Tiraspol sowie der südliche Teil des Bezirks Ananjew (Gouvernement Cherson) gehören sollten. Im Mai 1918 wohnte der reichsdeutsche Kolonialbeamte und ehemalige Staatssekretär Lindequist einer Zusammenkunft der deutschen Kolonisten der Krim bei, auf der entsprechende Pläne diskutiert wurden. Nach Winklers Vorstellungen sollten auch aus anderen Regionen Russlands stammende Kolonisten auf die Krim umgesiedelt werden. Auch wenn sich die deutsche Regierung zunächst interessiert zeigte, wurde das Projekt im Sommer 1918 nicht weiter verfolgt.

Im November 1921 wurde auf dem Sowjetkongress der Krim in Simferopol die Gründung der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik Krim im Gefüge der Russischen Sozialistischen Föderalen Sowjetrepublik (RSFSR) verkündet, die zunächst aus sieben Kreisen [Okrug] und zwanzig Rayonen und nach der im Jahr 1923 vollzogenen Abschaffung der Kreise aus 15 Rayonen bestand, von denen fünf bereits ein Jahr später (1924) wieder aufgelöst wurden. Durch eine nach nationalen Gesichtspunkten erfolgende Zusammenlegung mehrerer Dörfer bzw. den Anschluss kleinerer Ortschaften an national ähnliche geprägte größere Orte entstanden ethnisch homogene Nationale Dorfsowjets. Ende 1925 waren 29 der insgesamt 345 in der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik Krim eingerichteten Dorfsowjets deutsch. Etwa 55% der Dorfsowjets blieben ethnisch gemischt. 1930 gab es in der ASSR eine nach nationalen Kriterien vollzogene Gebiets- und Verwaltungsreform, in deren Verlauf die seit 1924 bestehenden zehn durch sechzehn Rayone ersetzt wurden, unter denen mit Bijuk-Onlar auch ein deutscher Rayon sowie acht ethnisch gemischte Rayone waren. Am 1. September 1930 gab es auf der Krim insgesamt 27 deutsche Dorfsowjets, deren Zahl später im Zuge der Aufgliederung in kleinere Einheiten auf 36 stieg. 1935 wurden die zu diesem Zeitpunkt neun in der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik Krim bestehenden Rayone im Zuge einer weiteren Gebiets- und Verwaltungsreform in kleinere Rayone aufgegliedert, unter denen auch der deutsche Thälmann-Rayon war.

Die Einrichtung nationaler Dorfsowjets ging mit Wahlen zu den lokalen Organen der Sowjetmacht einher. Im Zuge der Wahlkampagnen wurden die deutschen Wähler massiv unter Druck gesetzt (Aberkennung des Wahlrechts und Kündigung von Bankkrediten für unliebsame Kolonisten oder ganze Kolonien, zwangsweise Aufnahme von zuvor bestimmten Personen in die Kandidatenlisten usw.). Anfang der 1920er Jahre kam es in den deutschen Kolonien des Rayons Bijuk-Onlar zu mehreren Zwischenfällen, weil sich die Mitglieder der Wahlkomitees selbst grobe Verstöße gegen das Wahlrecht zuschulden kommen ließen. Im deutschen Dorf Karasan wurde das Standrecht ausgerufen. In einigen Kolonien war fast die Hälfte der erwachsenen Deutschen von den Wahlen ausgeschlossen, weil sie als Kulaken eingestuft wurden.

Am 19. Dezember 1920 wurde beim Gebietsparteikomitee der RKP(b) der Krim eine Deutsche Sektion eingerichtet, die in den Kolonien Agitation und politische Arbeit betreiben sollte. Zur Ausbildung entsprechender Kader wurde 1921 in Simferopol eine deutsche Parteischule eingerichtet, die 1923 nach Odessa umzog. Bis November 1925 wurden 55 mobile und acht stationäre Schulen für die Partei- und Aufklärungsarbeit eingerichtet, in denen Deutsch, Tatarisch und Bulgarisch Unterrichtssprachen waren. Nach Stand zum Januar 1925 gab es in der ASSR Krim insgesamt 52 deutsche Kommunisten, die größtenteils aus dem Zentrum abkommandiert waren und nicht selbst von der Krim stammten. 1927 gab es in den Stadtsowjets achtzehn und in den Dorfsowjets 375 deutsche Deputierte. Ende der 1930er Jahre waren in der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik Krim insgesamt 230 deutsche bzw. deutschstämmige Personen in Führungspositionen tätig, davon etwa 50 % als Kolchosvorsitzende oder deren Stellvertreter, etwa 13% als Vorsitzende der Dorfsowjets oder deren Stellvertreter und etwa 20% als Unternehmensleiter.

Die deutsche Bevölkerung der Krim lebte vor allem in ländlichen Gegenden und war traditionell in der Landwirtschaft tätig. Etwa 92% aller Kolonisten lebten in den eher ländlich geprägten Rayonen Simferopol, Dschankoj, Jewpatorija und Feodosija. Im zentralen Teil der Halbinsel stellten die Deutschen über ein Drittel der Bevölkerung, in anderen Regionen bis zu 20%. Besonders groß waren (im Jahr 1926) die Kolonien Alexandrowka (Rayon Dschankoj, 666 Einwohner), Aschage-Dschamin (Rayon Jewpatorija, 402 Einwohner), Byten (Rayon Simferopol, 414 Einwohner), Grünental (Rayon Dschankoj, 407 Einwohner), Karasan (Rayon Simferopol, 722 Einwohner), Kronental (Rayon Simferopol, 802 Einwohner), Neudorf (Rayon Feodosija, 412 Einwohner), Neusatz (Rayon Simferopol, 608 Einwohner), Neu-Zürichtal (Rayon Feodosija, 546 Einwohner), Spat (Rayon Simferopol, 685 Einwohner), Temesch (Rayon Jewpatorija, 486 Einwohner) und Zürichtal (Rayon Feodosija, 738 Einwohner).

Anfang 1921 wurden auf der Krim auf dem im Zuge der Enteignung von 1.134 Landgütern an den Staat gefallenen Land (darunter auch zuvor deutscher Besitz) die ersten Sowchosen und Kolchosen eingerichtet. Mitte der 1920er Jahre erhielten praktisch alle in der ASSR Krim ansässigen nationalen Minderheiten mit Ausnahme der Deutschen größere Landzuteilungen, während die früheren deutschen Kolonisten erhebliche Einbußen zu verkraften hatten und 1925 statt der ursprünglich 360.000-460.000 Desjatinen Land (vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs) nur noch 95.000 Desjatinen Land bewirtschafteten. Angesichts der Beschaffenheit des Bodens, der eher durchschnittlichen dort zu erzielenden Ernteerträge und häufiger Dürren war es für die Deutschen kaum möglich, auf ihren verkleinerten Landstücken rentabel zu wirtschaften. Im Juli 1925 kam eigens eine vom Allrussischen Zentralexekutivkomitee entsandte Sonderkommission auf die Krim, um die gegen die Bodenreform gerichteten Beschwerden der deutschen Kolonisten zu prüfen und Streitfragen beizulegen. Einer der auffälligsten Unterschiede zwischen den deutschen Kolonisten und den anderen auf der Krim lebenden nationalen Minderheiten bestand darin, dass die Deutschen keinerlei Neigung zur Kollektivierung an den Tag legten und die für die Gründung von Kolchosen betriebene Propaganda selbst bei den deutschen Armbauern auf taube Ohren stieß. Mitte der 1920er Jahre waren etwa 80% der auf der Krim ansässigen Deutschen wohlhabende oder wenigstens Mittelbauern, was den Behörden die Möglichkeit bot, die deutschen Bauern mehrheitlich zu Kulaken und später auch Klassenfeinden zu erklären, obwohl selbst die Mitglieder der reichen Bauernfamilien auf ihren Höfen zusammen mit ihren Landarbeitern arbeiteten. Die für die deutschen Kolonien zuständigen Sowjet- und Parteimitarbeiter wiesen in ihren Berichten im gesamten Verlauf der 1920er Jahre immer wieder darauf hin, dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung angesichts der in ihren Augen ungerechten Bodenreform und der religiösen Verfolgung in die Vereinigten Staaten oder nach Kanada emigrieren wolle. Die Kolonisten sprachen sich zudem dafür aus, während der Arbeitszeit und insbesondere während der Saat- und Erntekampagnen jegliche Agitations- und Propagandaarbeit einzustellen, und forderten eine Absenkung bzw. Neuberechnung der für sie im Vergleich zu anderen Nationen besonders hohen Landwirtschaftssteuer. Anfang 1930 kam es in den deutschen Kolonien zu einer Verhaftungswelle. Viele Kolonisten wurden zu Kulaken und Feinden der Sowjetmacht erklärt und aus der ASSR Krim ausgewiesen. Etwa 50% aller auf der Krim entkulakisierten und in den Norden deportierten Personen waren Krimdeutsche. An einem einzigen Tag wurden im April 1930 in der mennonitischen Kolonie Spat 24 „Kulakenfamilien“ verhaftet und in den Norden ausgesiedelt. Die Entkulakisierung stand in engem Zusammenhang mit der Emigrationsbewegung der späten 1920er Jahre, in deren Verlauf sich ganze Dorfgemeinschaften geschlossen nach Moskau begaben, um dort Pässe zu beantragen. Als die Kolonisten nach ihrem missglückten Emigrationsversuch auf die Krim zurückkehren wollten, wurden sie stattdessen nach Sibirien gebracht. In den Jahren 1930-31 wurde den verbliebenen „wohlhabenden“ Bauern im Zuge der „Entkulakisierung“ das gesamte überschüssige Land abgenommen. Ein Großteil der Kolonisten wurde auf schlechteres Land umgesiedelt oder ganz von der Halbinsel verbannt. Auf Beschluss des Zentralexekutivkomitees und des Rats der Volkskommissare der UdSSR vom 1. Februar 1930 war es den Kolonisten verboten, Land zu pachten und auf ihren Höfen abhängige Landarbeiter zu beschäftigen. Die Anfang der 1930er Jahre nach Abschluss der Entkulakisierung einsetzende kurzzeitige Erholung der deutschen Wirtschaften wurde in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts durch neuerliche Repressionen jäh gestoppt. Allein in der deutschen Siedlung Menlertschik, die nach den Zahlen der Volkszählung von 1926 gerade einmal 174 Einwohner hatte, verhafteten die Organe des NKWD 1938 innerhalb einer einzigen Nacht 72 deutsche Kolonisten. Viele deutsche Siedlungen wurden entvölkert, da die ohne Familienoberhaupt zurückbleibenden Angehörigen der Verhafteten in die Städte oder ganz von der Krim weg zogen.

Auch wenn sich ein leichter Anstieg des Anteils der städtischen deutschen Bevölkerung von 7,6% im Jahr 1921 auf 9,8% im Jahr 1926 verzeichnen ließ, lebten auch weiterhin noch gut 90% der deutschen Kolonisten auf dem Land. Nach den Daten der Volkszählung von 1926 waren über zwei Drittel der ländlichen deutschen Bevölkerung kleinbäuerliche Eigentümer, während die sogenannte Dorfbourgeoisie in den deutschen Kolonien nicht einmal 10% der Bevölkerung stellte und es gerade einmal 1.300 deutsche Arbeiter gab (etwa 13% aller auf der Krim lebenden Deutschen). Auch der Anteil von Angehörigen der Intelligenzschicht war in der deutschen Gemeinschaft der Krim mit 5% (etwa 500 Personen) vergleichsweise gering. Ende der 1930er Jahre dominierten unter den deutschen Kolonisten ungelernte (Land-) Arbeiter, die 73% der gesamten deutschen Bevölkerung der Krim stellten. Unter den deutschen Angehörigen der Intelligenz (4,6%) waren vor allem Vertreter der Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie Verwaltungspersonal. Die Zahl der deutschen Angestellten lag zu diesem Zeitpunkt bei 3.800 Personen (14,5% der gesamten deutschen Bevölkerung der Krim).

Infolge des in den deutschen Kolonien zu verzeichnenden wirtschaftlichen Niedergangs und einer fehlenden zentralen Finanzierung des Bildungswesens sank die Zahl der deutschen Schulen zwischen 1921 und 1925 von 188 auf 133. Nichtsdestotrotz besuchten fast alle deutschen Kinder im Alter von 8-11 Jahren eine Schule. 1930 wurde in der ASSR Krim die allgemeine Grundschulpflicht eingeführt: 1934 lernten in den deutschen Grundschulen insgesamt 5.387 Kinder. Im Schuljahr 1932/33 wurde der Grundstein für die Einführung eines allgemeinen siebenjährigen Schulbesuchs gelegt: 1934 lernten in den 5.-7. Klassen 1.436 Deutsche. Einige vor 1917 gegründete deutsche „Zentralschulen“ wurden zu Zehnklassenschulen oder „Schulen der Kolchosjugend“ umfunktioniert. An die Schulen waren oft Internate angeschlossen, die in den Häusern der entkulakisierten deutschen Bauern untergebracht wurden. Die von den Direktoren F. Schoppert und K. Wiens geführte Zentralschule in Spat wurde zur „Musterschule“ erklärt. In den Jahren 1930-34 ging die Zahl der „Zwergschulen“ zurück, in denen ein Lehrer parallel in vier Klassen unterrichtete, während das Netz der Mittel- und erweiterten Mittelschulen ausgeweitet wurde. Insgesamt gab es 1934 gerade einmal 26 Schüler der Klassen 8-10, an deren Schulen die Unterrichtsprache Deutsch war. Infolge der „Säuberung der Studentenschaft von sozial fremden Elementen“ lernten Mitte der 1920er Jahre an der Staatlichen Universität der Krim gerade einmal neun und in den 32 Fachoberschulen und sonstigen beruflichen Lehranstalten 33 deutsche Kolonisten. Zum 1. Januar 1936 stellten die deutschen Studenten auf der Krim an den Arbeiterfakultäten gerade einmal 1,5% und an den Hochschulen gerade einmal 2% aller Studenten. Anfang 1936 waren in der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik Krim 239 von insgesamt 5.016 Schülern der Fachoberschulen Deutsche. Die meisten Kolonisten (über 80%) lernten in Fachoberschulen, an denen die Unterrichtssprache Deutsch war: an der in Dorf Okretsch (Rayon Itschki) gelegenen Fachoberschule für Mechanisierung der Landwirtschaft und an der Internationalen Pädagogischen Fachoberschule in Feodosija. Im März 1938 wurden alle deutschen Schulen und Fachoberschulen auf der Krim geschlossen.

Vom Moment der Gründung der ASSR Krim an wurde ein Netz von Kultur- und Bildungseinrichtungen aufgebaut, so dass es Ende 1921 bereits elf deutsche Klubs gab. Zwei Drittel der Anfang der 1920er Jahre insgesamt 33 nationalen Bibliotheken auf der Krim waren deutsch. Mitte der 1920er Jahre wurden die deutschen Klubs vielfach mit andersnationalen Klubs zusammengelegt. 1925 wurde ein Klub der nationalen Minderheiten des Westens eingerichtet, an dem neben einer deutschen auch estnische, tschechische und polnische Sektionen bestanden. Überall entstanden Lesehütten, die mit der Zeit die deutschen Bibliotheken verdrängten.

Nach dem Ende des Bürgerkriegs erschienen auf der Krim die von der Deutschen Sektion beim Gebietsparteikomitee der RKP(b) herausgegebene zentrale deutschsprachige Zeitung „Rote Krim“ sowie in den Jahren 1921-22 die deutschsprachige Wochenzeitung „Hammer und Pflug“, die angesichts fehlender Mittel später nach Odessa umzog. In den 1930er Jahren erschienen deutsche Zeitungen nur unregelmäßig und in kleinen Auflagen auf Ebene der Rayone. Die Herausgabe deutschsprachiger Literatur wurde auf der Krim in den 1920er Jahren praktisch eingestellt. 1925 erschien eine Broschüre mit dem Titel „Fragen des bäuerlichen Lebens“. In kleinen Auflagen erschienen dem „Tag der Ernte“ oder dem „Monat der Kaserne“ gewidmete deutschsprachige Flugblätter, die darauf ausgerichtet waren, das Klassenbewusstsein der deutschen Kolonisten zu schärfen. Ins Deutsche übersetzt und in den deutschen Kolonien verbreitet wurde der Text einer der „Sowjetverfassung“ gewidmeten Broschüre. In den Jahren 1929-30 gab der Staatsverlag der Krim vier deutschsprachige Publikationen heraus. In den deutschen Kolonien wurde die Ausstattung der Bibliotheken mit Belletristik, landwirtschaftlicher und religiöser Literatur immer wieder diskutiert, was aber nichts daran änderte, dass der Mangel an deutschsprachiger Literatur bestehen blieb.

Eine der entscheidenden Ursachen für den zwischen der deutschen Bevölkerung und den Organen der Sowjetmacht bestehenden Gegensatz war der in den 1920er Jahren tobende Kampf um die Religion. Bis 1917 bestanden auf der Krim die lutherischen Pfarrsprengel Neusatz, Zürichtal, Neuman und Byten sowie das Vikariat in Jewpatorija („Pfarrgemeinde Dschelal“). Zentren des Gemeindelebens der auf der Krim ansässigen Mennoniten waren die Kolonien Spat und Karasan, Zentrum der Katholiken war Simferopol. Nach der Etablierung der Sowjetmacht wurden auf der Krim die Gebäude der Pfarrhäuser verstaatlicht.

Im früheren Gebäude des Vikariats von Jewpatorija wurde das Revolutionskomitee und später das Exekutivkomitee des Rayons untergebracht. Die in den deutschen Dörfern bestehenden Bethäuser wurden meist zu Klubs umfunktioniert und später als Kinos oder Lagerhallen genutzt. Es war verboten, Gottesdienste in Privathäusern abzuhalten. Neben den Kirchengebäuden unterlagen auch alle von den Kolonisten gemeinschaftlich errichteten Krankenhäuser, Apotheken, Pumpwerke und landwirtschaftlichen Bauten der Verstaatlichung. In den 1930er Jahren wurde ein Großteil der deutschen Geistlichen repressiert.

Nach Ausbruch des Deutsch-Sowjetischen Kriegs wurden die auf der Krim ansässigen Deutschen (etwa 50.000 Personen) im Zeitraum vom 17.-20. August 1941 aus der ASSR der Krim deportiert. Im Dezember 1944 ordnete das Präsidium des Obersten Sowjets der RSFSR an, alle zuvor von Deutschen und Tataren bewohnten Ortschaften umzubenennen.

Literatur

Brandes D., Von den Zaren adoptiert. Die deutschen Kolonisten und die Balkansiedler in Neurußland und Bessarabien 1751–1914. München, Oldenbourg, 1993.
Autoren: Brandes D. (Düsseldorf)

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