BANDENWESEN, nach der in den Jahren 1921/22 erfolgten Niederschlagung der antibolschewistischen Bauernaufstände in den kompakten deutschen Siedlungsgebieten (Wolgaregion, Westsibirien, Ukraine) verbreitete Erscheinung.
Die versprengten Reste der zerschlagenen Aufstandsgruppen schlossen sich zu einzelnen, in der Regel nicht miteinander in Kontakt stehenden Banden zusammen, die ein Auffangbecken für viele Aufständische bildeten, die sich aus Angst vor Repressionen gegen eine Rückkehr in ihre Heimatorte entschieden. Das Auftreten der Banden trug einen offen kriminellen Charakter. Die Banden, die Zusammenstößen mit regulären Einheiten der Roten Armee aus dem Weg gingen, größere Ortschaften mieden und ständig ihren Aufenthaltsort änderten, überfielen abgelegene kleinere Dörfer und Gehöftsiedlungen und raubten Durchreisende aus. Zugleich hatten die Banden in einigen Fällen ihre politische Färbung bewahrt, zumal sie in der Regel von den früheren Aufstandsführern geführt wurden. Die Mitglieder solcher Banden töteten Kommunisten, Sowjetmitarbeiter und Bauern, die sich den Anordnungen der Sowjetmacht fügten, hintertrieben die Aussaat und Ernte und vernichteten Saatgut, die eingebrachte Ernte und landwirtschaftliches Inventar. Im Gebiet der Wolgadeutschen raubten einzelne Banden auch die Lebensmittellager der ausländischen Hilfsorganisationen aus und töteten deren Mitarbeiter. Die Beteiligung deutscher Kolonisten an diesen Banden war kein Massenphänomen. Im Einzelnen hieß es in einem Bericht des NKWD der Ukrainischen SSR (1923): “Es gibt die falsche Vorstellung, dass die deutsche Bevölkerung der Sowjetmacht gegenüber feindlich eingestellt sei. Konterrevolutionäre Erscheinungen lassen sich aber auch in den russischen Dörfern beobachten [...] So wie es überall Bauern gibt, die uns gegenüber feindlich oder loyal eingestellt sind, lässt sich dies auch bei der deutschen Bevölkerung beobachten”.
Das Bandenwesen fügte nicht nur dem bolschewistischen Regime, sondern auch der gesamten Bevölkerung einen erheblichen Schaden zu, da es alle auf eine Überwindung von Hunger und Zusammenbruch ausgerichteten Anstrengungen lähmte und einer Rückkehr zum normalen Lebensrhythmus im Wege stand. Im Zuge des Übergangs zur Neuen Ökonomischen Politik (NEP) verloren die Banden in immer größerem Maße die Unterstützung und Solidarität der Bauern. Von Herbst 1921 an wurden in einigen deutschen Dörfern bäuerliche Selbstschutzeinheiten aufgestellt, deren Mitglieder einzelne Bandenmitglieder ergriffen und in einigen Fällen auch ganze Banden ausschalteten.
Im Kampf gegen das Bandenwesen griffen die Machthaber zu unterschiedlichen Repressions- und Strafmaßnahmen, die nicht nur gegen die aktiven Bandenmitglieder, sondern auch gegen die in den Jahren 1918/19 an antibolschewistischen Aufständen beteiligten „früheren Aufstandselemente“ sowie Mitglieder der deutschen Selbstschutzeinheiten der Bürgerkriegszeit gerichtet waren.
In der ersten Zeit wurden als Strafmaßnahme vielfach Geiseln genommen und einzelne oder alle Familienangehörigen der Bandenmitglieder Repressionen ausgesetzt. Bekannt sind auch Fälle, in denen Kolonisten öffentlich erschossen wurden, weil sie Bandenmitgliedern Unterschlupf gewährt hatten. Aber schon bald sollte sich zeigen, dass derartige Maßnahmen das Gegenteil dessen erreichten, was sie bezweckten: Die überzogene Härte gegenüber den zu den Banden gegangenen Leuten trug nicht nur nichts zu deren Auflösung bei, sondern führte im Gegenteil zu einer weiteren Verrohung und Abstumpfung der Bandenmitglieder selbst. Auch die Versuche, die Banden mithilfe regulärer Armeeeinheiten auszuschalten, brachten nicht die gewünschten Erfolge. Zu einer radikalen Veränderung der Situation kam es erst, als eine allgemeine Amnestie für alle Bandenmitglieder verkündet wurde, die sich freiwillig stellten, und deren als Geiseln verhaftete Familienmitglieder freigelassen wurden.
Герман А. А., Немецкая автономия на Волге 1918–1941, Ч. 1. Автономная область. 1918–1924, Саратов, 1992; Бруль В. И., Немцы в Западной Сибири, ч. 1, Топчиха, 1995; Кулинич I. М., Крiвець Н. В., Нариси з iсторiї нiмецьких колонiй в Українi, Київ, 1995.