RU

neue
illustrierte elektronische

Kollektivierung der Landwirtschaft in der UdSSR, auf die Liquidierung der bäuerlichen Einzelwirtschaften und die massenhafte Gründung von Kollektivwirtschaften (Kolchosen) gerichteter politischer Kurs der Partei- und Staatsführung der UdSSR Ende der 1920er – Anfang der 1930er Jahre, der im Zuge der Abkehr von der Neuen Ökonomischen Politik (NEP) erfolgte und von Sommer/ Herbst 1929 an unter massivem Einsatz von Gewalt und Repressionen in forciertem Tempo durchgeführt wurde („durchgängige Kollektivierung“).

Rubrik: Politische Geschichte

 KOLLEKTIVIERUNG der Landwirtschaft in der UdSSR, auf die Liquidierung der bäuerlichen Einzelwirtschaften und die massenhafte Gründung von Kollektivwirtschaften (Kolchosen) gerichteter politischer Kurs der Partei- und Staatsführung der UdSSR Ende der 1920er – Anfang der 1930er Jahre, der im Zuge der Abkehr von der Neuen Ökonomischen Politik (NEP) erfolgte und von Sommer/ Herbst 1929 an unter massivem Einsatz von Gewalt und Repressionen in forciertem Tempo durchgeführt wurde („durchgängige Kollektivierung“).

Erklärtes Ziel der Kollektivierung war die Umsetzung des „sozialistischen Umbaus im Dorf“. Formen, Methoden und Tempo der Kollektivierung wurden durch die Absicht der Partei- und Staatsführung diktiert, die Finanzierung der Industrialisierung des Landes (unter anderem durch eine massive Ausweitung der Lebensmittelexporte) und die Versorgung der wachsenden Stadtbevölkerung mit Lebensmitteln um jeden Preis sicherzustellen.

Der Übergang zur „durchgängigen Kollektivierung“ wurde durch die in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre im Agrarsektor zu verzeichnende Krisensituation beschleunigt. Während der jährliche Bevölkerungszuwachs der Städte in den Jahren 1927, 1928 und 1929 bei 4,8%; 5,0% bzw. 5,2% lag, stieg die landwirtschaftliche Produktion im gleichen Zeitraum nur um 2,5%; 2,5% bzw. 2,4%; die Bruttogetreideernte um 5,9%, 1,2% bzw. 2,5% und die zentralisierte Getreidebeschaffung um 5,2%; 2,0% bzw. 4,9%.

Die durchgängige Kollektivierung umfasste drei Phasen: die 1. Phase (Sommer 1929 – März 1930) war durch den gewaltsamen Zusammenschluss der Bauern in Kolchosen, eine nahezu vollständige Vergemeinschaftung ihres Besitzes einschließlich von Kleinvieh und Haushaltgerätschaften sowie die Gründung von Kommunen als Hauptform der Kollektivgemeinschaft gekennzeichnet. Die wichtigsten die Kollektivierung einleitenden Dokumente waren die Beschlüsse des Novemberplenums des ZK der WKP(b) (1929) sowie die Beschlussfassung des ZK der WKP(b) vom 5. Januar 1930 „Über das Tempo der Kollektivierung und staatliche Hilfsmaßnahmen für den Kolchosaufbau“.

Die forcierte Kollektivierung traf bei den Bauern auf heftigen Widerstand und führte zu einem massiven Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion. Infolge von Massenschlachtungen sank der Pferde- und Viehbestand um 9,2 Mio. Tiere. Zwischen Januar und Mitte März 1930 kam es zu über 2.000 Antikolchosaufständen, die mit Hilfe bewaffneter Einheiten der OGPU und der Armee niedergeschlagen wurden. Aufgrund der Beschlussfassung des ZK der WKP(b) „Über Maßnahmen zur Liquidierung der Kulakenwirtschaften in den Rayonen der durchgängigen Kollektivierung“ vom 30. Januar 1930 wurde die Massenkampagne zur Entkulakisierung eingeleitet, um die materielle Basis der Kolchosen zu stärken. Allein in den Jahren 1930–31 wurden über 382.000 Bauernfamilien (1,8 Mio. Personen) entkulakisiert und zur „Arbeitsansiedlung“ in entfernte Regionen des Landes verbracht.

Die 2. Phase der durchgängigen Kollektivierung (März-Juli 1930) wurde durch Stalins am 2. März in der „Prawda“ veröffentlichten Artikel „Vor Erfolgen von Schwindel befallen“ eingeleitet, in dem dieser „Exzesse“ bei der Durchführung der Kollektivierung eingestand und die Verantwortung für diese auf die Führer der lokalen Partei- und Sowjetorgane abwälzte. Der Artikel sorgte unter den Organisatoren der Kollektivierung für Verunsicherung. Die Bauern verstanden die Veröffentlichung als Recht, aus den Kolchosen auszutreten. Am 14. März 1930 verabschiedete das ZK der WKP(b) auf Grundlage der in Stalins Artikel vertretenen Thesen die Beschlussfassung „Über den Kampf gegen Verzerrungen der Parteilinie in der Kolchosbewegung“, die eine strenge Einhaltung des Prinzips der Freiwilligkeit beim Eintritt der Bauern in die Kolchosen anmahnte, Fälle der umfassenden Vergemeinschaftung des Besitzes verurteilte und die landwirtschaftliche Artel-Kooperative zur Hauptform der bäuerlichen Kollektivwirtschaft erklärte.

Der zwischenzeitliche Verzicht auf gewaltsame Zwangsmaßnahmen hatte zur Folge, dass die Bauern die Kolchosen massenhaft wieder verließen. Hatte der Anteil der kollektivierten Wirtschaften Anfang März noch bei 58% gelegen, sank er bis Juni auf 24%.

Der XVI. Parteitag der WKP(b) (26. Juni – 13. Juli 1930) nahm erneut Kurs auf den Abschluss der durchgängigen Kollektivierung, auch wenn das Tempo der Umsetzung im Vergleich zum ersten Versuch ein wenig herabgesetzt wurde. In der 3. Phase der durchgängigen Kollektivierung (August 1930–1931) erhielten die Kolchosen und Kolchosbauern gewisse staatliche Hilfen und Vergünstigungen. Zugleich wurden die gegen die Kulaken gerichteten Repressionen deutlich verschärft. Eine besondere Politik wurde gegenüber den Einzelbauern verfolgt. Im März 1931 wurde die Losung ausgegeben, dass nur der Kolchosbauer ein „Verbündeter“ der Arbeiterklasse und der Einzelbauer ein „Verbündeter des Kulaken“ sei. Viele Einzelbauern mussten ihre Landstücke abgeben und auf schlechtere, in größerer Entfernung vom Dorf liegende ausweichen. Zugleich wurden den Einzelbauern so hohe Abgabenormen für Getreide und Fleisch auferlegt, dass sie gezwungen waren, den Kolchosen beizutreten.

Anfang 1932 lag der Anteil der Kollektivwirtschaften landesweit bei einem Durchschnittswert von 61–62% und in den wichtigsten Getreideregionen des Landes bei 80% aller Wirtschaften. Der Prozess der Kollektivierung zog sich bis 1937 hin, als der „vollständige Sieg der Kolchosordnung“ in der UdSSR verkündet wurde.

In den kompakten Siedlungsgebieten der deutschen Bevölkerung folgte die Umsetzung der Kollektivierung von einigen nationalen und regionalen Besonderheiten abgesehen im Wesentlichen dem oben geschilderten Schema.

In der Republik der Wolgadeutschen waren im Sommer 1929 7.510 Höfe in Kolchosen zusammengeschlossen (7%). Der Kurs auf die durchgängige Kollektivierung wurde im September 1929 im Zuge des Abschlusses der Erntekampagne und des Beginns der neuen Getreideablieferungen eingeleitet. Im Zuge der mit massenhafter Gewaltanwendung einhergehenden Kollektivierung sahen sich die lokalen Organe einem starken Druck von oben ausgesetzt. Der Viehbestand sank um 47%, was die Versorgungslage erheblich verschärfte. In den Städten bekam die Bevölkerung ihre kargen Normen selbst bei Rationierung des Verbrauchs oft über mehrere Tage nicht.

Das am 3.–6. Dezember 1929 in Pokrowsk stattfindende Gemeinsame Plenum des Gebietsparteikomitees und der Gebietskontrollkommission der WKP(b) billigte die Beschlüsse des Novemberplenums des ZK der WKP(b), erklärte die ASSR der Wolgadeutschen zur Region durchgängiger Kollektivierung, bestimmte die landwirtschaftliche Artel-Kooperative und die Kommune als Hauptformen des Zusammenschlusses der Bauern und forderte eine weitgehende Vergemeinschaftung des Besitzes. In einem eigens an das ZK der WKP(b) und den Rat der Volkskommissare der RSFSR adressierten Schreiben berichtete der Verantwortliche Sekretär des Gebietsparteikomitees der WKP(b) W.G. Wegner von den Erfolgen der Kollektivierung (über 50%) und bat darum, die ASSR der Wolgadeutschen zu einer „Vorzeigeregion der durchgängigen Kollektivierung“ zu erklären. Das Gesuch wurde abgewiesen und die Führung der ASSR der Wolgadeutschen beschuldigt, von der Parteilinie abgewichen zu sein und nicht rechtzeitig auf das neue Arbeitstempo umgeschaltet zu haben. Wegner wurde abgesetzt und auf dem Posten des Verantwortlichen Sekretärs durch Ch. Horst ersetzt. Ungeachtet des Wechsels in der Parteiführung wurde die Kollektivierung unvermindert in forciertem Tempo fortgesetzt. Bis Januar 1930 hatten sich 73.600 Bauernwirtschaften (über 68%) den Kolchosen angeschlossen. Die am 8.-11. Dezember 1929 stattfindende Erste Konferenz der Kolchosbauern der Republik der Wolgadeutschen fasste den Beschluss, den gesamten Besitz der Bauern einschließlich des Kleinviehs, des Geflügels und sogar der Haushaltgerätschaften zu kollektivieren. Wenig später war das Gebietsparteikomitee gezwungen, sich von den Beschlüssen des Kongresses zu distanzieren und diese zu „linken Überspitzungen“ zu erklären.

Ende Dezember 1929 kam es in mehr als 30 Dörfern zu gegen die Kollektivierung und die Schließung der Kirchen gerichteten Massenprotesten, die in der Regel von den Frauen initiiert wurden. Die Bauern befreiten verhaftete Dorfnachbarn, lösten die Kolchosen auf, nahmen sich ihren Besitz zurück und gaben den Entkulakisierten ihren Besitz zurück. Besonders heftig waren die „Antikolchosaktionen“ in den katholischen Dörfern der Kantone Kamenka und Frank. So jagten die Bauern im Dorf Marienfeld (Kanton Kamenka) den Dorfsowjet und die Parteizelle auseinander und wehrten mehrere Versuche der Miliz ab, das Dorf einzunehmen und die „Anstifter“ zu verhaften. Erst in der zweiten Januarhälfte 1930 wurde der Aufstand von einer bewaffneten Einheit der OGPU niedergeschlagen. Über 60 Bauern wurden repressiert.

Infolge der Kollektivierung wurde die Emigrationsbewegung in der ASSR der Wolgadeutschen gestärkt, die aber nicht über einige allgemeine Versammlungen und Agitation hinausging, da die Staatsmacht sofort harte Gegenmaßnahmen einleitete.

Am 11. Januar 1930 kam der Vorsitzende des Zentralexekutivkomitees der ASSR der Wolgadeutschen I. Schwab in den „Unruhe“-Rayon, um im Dorf Keller mit Vertretern der Dörfer zusammenzukommen. Im Zuge des Treffens berichteten die Bauernvertreter, dass die örtlichen Partei- und Sowjetvertreter massenhaft Gewalt gegen die Bauern ausgeübt hätten. So hatte z.B. der Vorsitzende nach Aussage des aus dem Dorf Semjonowka stammenden Bauern A. Dil zur „Zeit der Durchführung der durchgängigen Kollektivierung“ gesagt: „Heute haben wir eine Festnacht. Die Sache geht entweder zum Leben oder zum Tod. Wer bis zum Morgen nicht in die Kolchose eintritt, geht über die Berge ins Eismeer“. Als die Bauern verstanden hätten, dass man sie nicht leben lässt, seien sie der Kolchose beigetreten und würden jetzt stark bedrückt.

Ungeachtet der Tatsache, dass die Bauern von zahlreichen Willkürakten berichteten, hielt die Führung der ASSR der Wolgadeutschen an ihrer Überzeugung fest, dass die Bauernunruhen von „kulakischen Elementen“ inspiriert worden seien. Nach Untersuchung der Ursachen der bäuerlichen Massenproteste in der ASSR der Wolgadeutschen kam eine vom Zweiten Sekretär des Regionsparteikomitees F. Gusti geführte Kommission des Regionsparteikomitees der WKP(b) Untere Wolga zu dem Schluss, dass es in der Republik eine starke „kulakisch-konterrevolutionäre Gruppierung“ gebe, die unter Ausnutzung „der Hilflosigkeit und der Fehler der Parteiorganisation“ massenhafte „antisowjetische Aktionen“ organisiert habe. Auf seiner Sitzung vom 24. Januar 1930 forderte das Büro des Regionsparteikomitees der WKP(b) Untere Wolga das Gebietskomitee der ASSR der Wolgadeutschen auf, die Kolchosen und Sowjets von Kulaken zu „säubern“ und Kommunisten, die in den Tagen der „Unruhen“ Kleinmut und Feigheit gezeigt hätten, streng zu bestrafen.

Eine Vorstellung von der in der ASSR der Wolgadeutschen entstandenen Lage vermittelt ein Schreiben des Republiksstaatsanwalts M. Kelbler an seine in den Kantonen tätigen Untergebenen, in dem er diese dafür rügte, gesetzwidrige Massenverhaftungen durch Personen zuzulassen, die dazu nicht befugt seien. Nach den Worten des Staatsanwalts nahm „jeder, dem gerade danach ist“, Verhaftungen vor: Bevollmächtigte des Zentralexekutivkomitees und der Kantonsexekutivkomitees, Vertreter der Dorfsowjets und der Kolchosen, Kommunisten und Komsomolzen. „Diese Verhafteten sitzen mitunter lange [in Haft], wobei keinerlei Akten über sie geführt werden und die Strafverfolgungsorgane von ihnen nichts wissen. Manchmal werden sie sogar selbst von den Leuten vergessen, die sie verhaftet haben“. Der Staatsanwalt empfahl, alle gesetzwidrig Verhafteten freizulassen. Aber in der von der Parteiführung der Republik angeheizten Atmosphäre des gegen „Kulakenelemente“ gerichteten Klassenhasses konnte das Schreiben des Staatsanwalts kaum etwas bewirken. So berichtete die OGPU der ASSR der Wolgadeutschen am 1. Februar 1930 dem Gebietsparteikomitee der WKP(b), dass im Januar auf dem Territorium der Republik neun „kulakisch-aufständische konterrevolutionäre Gruppierungen“ aufgedeckt und zerschlagen und in diesem Zusammenhang 476 Personen verhaftet worden seien. Fast alle Verhafteten stammten aus den „Rebellendörfern“.

Am 2. Februar 1930 gab das Präsidium des Regionsexekutivkomitees Untere Wolga auf Weisung des ZK der WKP(b) die Beschlussfassung „Über Maßnahmung zur Liquidierung des Kulakentums als Klasse“ heraus, der zufolge die Kulakenschaft in der Region bis zum Beginn der frühjährlichen Saatkampagne liquidiert werden sollte. Jeder Bezirk der Region erhielt eine Norm für die Entkulakisierung, die für die Republik der Wolgadeutschen bei 7.000 Wirtschaften lag, was etwa 1.000-1.500 mehr waren als in jeder anderen Gebietskörperschaft der Region.

Die am 10. Februar einsetzende massenhafte Entkulakisierung löste erneut Bauernunruhen aus. In vielen Fällen leisteten die Bauern den zur Umsetzung der Entkulakisierung in die Dörfer kommenden Kommandos offenen Widerstand. So konnten in den Dörfern Beideck und Obermonjou die Familien von Entkulakisierten erst abtransportiert werden, nachdem Militäreinheiten geschickt worden waren. Insgesamt wurden 1930/31 4.288 Familien (24.202 Personen) aus der ASSR der Wolgadeutschen ausgesiedelt, was 3,7% aller Bauernhaushalte der Republik entsprach.

Im März 1930 begann die Kampagne „zur Korrektur der Verzerrungen der Parteilinie in der Kolchosbewegung“, die allerdings nur langsam und inkonsequent umgesetzt wurde. Im Zeitraum März - Juli sank der Anteil der Kollektivwirtschaften von 70% auf 30%. Parallel zum Austritt aus den Kolchosen entwickelte sich im bäuerlichen Milieu eine Bewegung, die für die Rückkehr der aus der ASSR der Wolgadeutschen ausgesiedelten „Kulaken“ sowie für die Rückgabe des Besitzes an die Entkulakisierten und der Kirchen und Glocken an die Gläubigen eintrat.

Die im Juli 1930 beginnende nächste Kampagne der Getreidebeschaffung ging erneut mit „Druck“ und Massenrepressionen einher, die sich sowohl gegen die Bauern als auch gegen jene Partei- und Sowjetvertreter richteten, die die Planerfüllung nicht sicherstellten.

Am 2. November 1930 fasste das Regionsparteikomitee der WKP(b) Untere Wolga den Beschluss, einen „sozialistischen Regionssturm der zurückstehenden Rayone“ zu organisieren, um die bei den Getreideablieferungen zurückbleibenden Rayone auf das allgemeine Niveau zu heben. Zur Durchführung des „Sturms“ wurden in der ASSR der Wolgadeutschen über 150 aus jeweils 15-20 Personen (Partei- und Komsomolaktiv, „beste Kolchosbauern“) bestehende „Sturmbrigaden“ aufgestellt, die de facto die Requirierungskommandos der Jahre 1919/20 wiederaufleben ließen. Die Hauptstoßrichtung der Sturmbrigaden war gegen die Einzelbauern gerichtet. Bis Ende 1930 traten über 30.000 Einzelbauern den Kolchosen bei.

Parallel zur Kollektivierung wurde in der ASSR der Wolgadeutschen in der gesamten ersten Hälfte des Jahres 1931 die Getreidebeschaffungskampagne fortgesetzt. Bis Mai wurde der Getreidebeschaffungsplan erfüllt. Aus der ASSR der Wolgadeutschen wurden etwa 200.000 Tonnen Getreide ausgeführt (50% der Ernte des Jahres 1930). Darüber hinaus wurden im Februar 1931 im Eilverfahren 400 Waggons hochwertigen Weizens für den Export abtransportiert.

Infolge der völligen „Abschöpfung“ der Lebensmittel wurden in den Kantonen Marxstadt, Fjodorowka und anderen Kantonen erste Fälle von Hunger dokumentiert, von denen vor allem die Familien von Einzelbauern und Entkulakisierten betroffen waren. In allen Städten und Dörfern der ASSR der Wolgadeutschen wurde Unterernährung zu einem alltäglichen Problem. Bis Mitte April 1931 stieg der Anteil der kollektivierten Bauernwirtschaften auf 85,5%. Die Republiksführung meldete in einem an das ZK der WKP(b) und Stalin persönlich gerichteten Rapport, dass die durchgängige Kollektivierung in der Deutschen Republik „weitgehend abgeschlossen“ sei. Aber der Rapport wurde nicht angenommen, so dass der Kampf für die Kollektivierung fortgesetzt wurde. Zwei Monate später erreichte der Anteil der Kollektivwirtschaften mit 95% das höchste Niveau in der gesamte UdSSR, woraufhin das ZK der WKP(b) der ASSR der Wolgadeutschen den ersten Platz bei der Umsetzung der Kollektivierung zuerteilte. Zum 1. August 1931 waren 98,7% der Wirtschaften kollektiviert, zum Herbst des gleichen Jahres in den meisten Kantonen 100%.

 

Ukraine. Am 20. März 1929 nahm das ZK der KP(b)U die Beschlussfassung „Über die ökonomische, kulturelle und Sowjetarbeit in den deutschen Dörfern“ an, die den Partei- und Staatsapparat anhielt, in den deutschen Dörfern eine „entschiedene Offensive“ gegen „feindliche Elemente“ einzuleiten. Gemäß der Beschlussfassung des ZK der KP(b)U „Über die Aussiedlung der Deutschen aus dem Bezirk Nikolajew“ vom 27. März des gleichen Jahres waren nur jene Deutschen von der Deportation ausgenommen, die sich „freiwillig“ von ihrer Wirtschaft trennten und in die Kolchosen eintraten.

Die die Umsetzung der Kollektivierung unter den deutschen Kolonisten beobachtenden Mitarbeiter der OGPU berichteten an die Parteiführung: “Die deutschen Bauern lachen über die Begriffe Kulak, Armbauer und Mittelbauer. Einen solchen Unterschied gibt es ihrer Meinung nach in den deutschen Kolonien gar nicht.“ Der Leiter der GPU der Ukraine W. Balizkij kam nach einem Besuch der im Bezirk Odessa gelegenen deutschen Dörfer im Februar 1930 zu dem Schluss: „Der Mittelbauer des deutschen Dorfes ist seiner Stärke nach der Kulak des ukrainischen Dorfes.“ Vor dem Hintergrund solcher Einschätzungen lag der Prozentsatz der von der Entkulakisierung betroffenen deutschen Wirtschaften deutlich über dem ukrainischen Durchschnitt.

Die erste Welle der Kollektivierung der in der Ukraine gelegenen deutschen Wirtschaften begann im Sommer 1929. Die Zahl der kollektivierten Wirtschaften verdoppelte sich bis zum Jahresende auf etwa 25% aller deutschen Bauernwirtschaften. Als Reaktion auf die Politik der durchgängigen Kollektivierung entstand die Emigrationsbewegung. Viele ausreisewillige Bauern bestellten ihre Felder nicht mehr, verkauften ihren Besitz und schickten die Kinder nicht mehr zum Schulunterricht. Um die Emigrationsbewegung zu unterbinden, verboten die Behörden den eigenmächtigen Umzug der „Kulaken“ und den Verkauf ihres Besitzes (die Familienoberhäupter der Flüchtlingsfamilen wurden verhaftet, der Besitz beschlagnahmt).

Im Februar 1930 verpflichtete das ZK der KP(b)U, nachdem es sich mit der Emigrationsbewegung in den Bezirken Odessa, Nikolajew, Saporosh'e, Wolhynien, Korosten, Artjomowsk, Lugansk, Dnepropetrowsk und Stalino beschäftigt hatte, die Parteikomitees, die Versuche des „antisowjetischen Elements“, aus der UdSSR auszureisen, zu neutralisieren.

Die im Sommer 1930 einsetzende zweite Welle der Kollektivierung ging mit Massenrepressionen einher. So lag die Kollektivierungsquote im deutschen Rayon Luxemburg Ende 1929 bei 24%, im Oktober 1930 bei 54%, im Dezember 1930 bei 76% und Ende 1931 bei 95,5%. Insgesamt waren bis Anfang 1932 80% aller in der Ukraine gelegenen deutschen Bauernwirtschaften kollektiviert (für die gesamte Ukraine lag der Anteil der Kollektivwirtschaften zu diesem Zeitpunkt bei etwa 70%). Die großen Privatwirtschaften wurden vollständig liquidiert. Im Rayon Luxemburg wurden 166 Wirtschaften entkulakisiert, im Rayon Wysokopol'e 69 (44 Familien wurden ausgesiedelt). Unangetastet blieben lediglich die großen Wirtschaften jener Kolonisten, die reichsdeutsche Staatsbürger waren.

Parallel zur Kollektivierung lief die Kampagne zur Beschaffung von Getreide und anderen Lebensmitteln. In den Jahren 1930-32 waren in den deutschen Dörfern der Ukraine „Aktivistenbrigaden“ aktiv, die bei den Bauern sämtliche Lebensmittel einschließlich des Saatgetreides einzogen, was in den Jahren 1932/33 zur Hungersnot führte.

Ausmaß und Charakter der zur Zeit der Kollektivierung gegen die deutschen Bauern gerichteten Repressionen lassen sich am Beispiel des deutschen Rayons Wysokopolje ablesen, in dem die Organe der GPU in den Jahren 1930/31 dreizehn „konterrevolutionäre Gruppierungen“ zerschlugen, denen insgesamt 67 Personen angehörten.

In den deutschen Dörfern Sibiriens wies die Kollektivierung erhebliche Besonderheiten auf. (siehe auch den Artikel: Westsibirien). Stalins im Januar 1928 unternommene Reise nach Sibirien, in deren Verlauf er die örtliche Führung persönlich instruierte, bei der Beschlagnahmung von Getreide keinerlei Milde gegenüber den Bauern walten zu lassen, provozierte in der Region eine umfassende und grausame Kampagne des Kampfes gegen das „Kulakentum“, die sich später auf das ganze Land ausweitete. In den deutschen Dörfern Sibiriens fiel fast jeder dritte Landwirt unter die Kategorie „Kulak“. Unvollständigen Angaben zufolge war in 13 Bezirken der Region Sibirien der Besitz von etwa 8.000 wohlhabenden Wirtschaften beschlagnahmt. Allein im Bezirk Slawgorod wurden (nach Stand zum 1. Dezember 1929) gegen 1.299 Wirtschaften Strafen verhängt, 1.206 Wirtschaften verkauft und 525 Personen nach Artikel 61 des Strafgesetzbuchs der RSFSR verurteilt. Praktisch alle Schichten der deutschen Bauern waren unabhängig von ihrem Wohlstand von Emigrationsneigungen erfasst. Zwischen Ende 1928 und Sommer 1929 nahm die Zahl der Emigrationswilligen explosionsartig zu. Die allermeisten Ausreisewilligen machten sich auf den Weg nach Moskau und versuchten, auf legalem Weg eine Ausreiseerlaubnis zu bekommen. Einigen Dutzend Familien gelang es, sich in den Fernen Osten durchzuschlagen und dort illegal die Grenze zu überschreiten. Allein im Rayon Slawgorod lösten bis zum Herbst 63,6% der deutschen Bauern selbst ihre Wirtschaften auf. Im Mai 1930 waren im Bezirk Omsk erst 7% der deutschen Wirtschaften kollektiviert. Im Deutschen Rayon Halbstadt hatten sich nach Stand zum 1. Juli 1930 19,4% der Wirtschaften in Kolchosen zusammengeschlossen. Ein besonders deutlicher Ausdruck des von der deutschen Bevölkerung Westsibiriens gegen die Politik der Kollektivierung geleisteten Widerstands war der Halbstädter Aufstand.

Der überwiegenden Mehrheit der deutschen Familien gelang es nicht zu emigrieren. Tausende Menschen wurden bis Sommer 1930 gewaltsam an ihre früheren Wohnorte zurückgeführt. Für die Bauern, die jegliche Existenzgrundlage verloren hatten, war der Eintritt in die Kolchosen der einzige Ausweg, um zu überleben. Im Sommer begann in den deutschen Dörfern eine neue Kollektivierungswelle, in deren Verlauf Zwangsmaßnahmen mit materiellen Anreizen für die mittellosen Bauern einhergingen. Infolge dieser Maßnahmen waren die deutschen Dörfer hinsichtlich des Anteils der kollektivierten Wirtschaften im September 1930 in ganz Sibirien führend. Nach Stand zum 1. September 1930 lag die Kollektivierungsquote in den deutschen Dörfern bei 24% (im sibirischen Durchschnitt 20,5%). Zum Jahresende waren im Deutschen Rayon Halbstadt 34,7% und in einer Reihe deutscher Dörfer des Bezirks Omsk zwischen 92% und 98% der Wirtschaften kollektiviert.

Die entscheidenden Anstrengungen zur durchgängigen Kollektivierung der deutschen Dörfer  Sibiriens wurden 1931 unternommen. Die Kollektivierung ging mit Massenentkulakisierung und der Aussiedlung wohlhabender Bauern in „dünnbesiedelte und unerschlossene nördliche Regionen“ einher. Allein aus dem Deutschen Rayon Halbstadt wurden auf einen Schlag 800 Familien (20% der Gesamtbevölkerung) nach Narym ausgesiedelt. Nach Stand zum Dezember 1931 wurde die Kollektivierungsquote im Rayon auf 95,1% gesteigert. Die Kollektivierung in den deutschen Dörfern Sibiriens wurde Ende 1931 abgeschlossen (in Sibirien insgesamt im Jahr 1937).

Die in Kasachstan ansässigen Deutschen waren traditionell eng mit den Sibiriendeutschen verbunden. Infolgedessen wies auch der Verlauf der Kollektivierung in Kasachsten viele Paralleln zur sibirischen Variante auf: Auf den Fehlschlag der ersten Etappe der Kollektivierung (Sommer 1929 – Sommer 1930) infolge von Massenemigration, folgten im Zeitraum Sommer 1930 – Ende 1931 „Druck“ und Massenrepressionen. In vielen Dörfern kam es zu Antikolchosaufständen. Im Rayon Borowskoj (Bezirk Kustanaj) wurde der Versuch eines Вauernaufstands von den Organen der GPU unterbunden.

Die Kollektivierung der im Nordkaukasus gelegenen deutschen Bauernwirtschaften erfolgte in den Jahren 1929–34 und erreichte am Ende des genannten Zeitraums eine Kollektivierungsquote von 92,5%. Im Verlauf der Kollektivierung kam es zur Entkulakisierung wohlhabender Bauern. Die Emigrationsbewegung nahm kein großes Ausmaß an.

Die Kollektivierung der in Kirgisien gelegenen deutschen Wirtschaften erfolgte vor allem in den Jahren 1930–32. Dabei kam es zu einzelnen „Exzessen“, aber nicht zu Massenrepressionen. Die Liquidierung der „Kulakenwirtschaften“ erfolgte durch die bewusste Festsetzung nicht zu erfüllender Normen. In der ersten Etappe der Kollektivierung (1930) war die Hauptform des kollektiven Zusammenschlusses der Bauern die „Genossenschaft zur gemeinschaftlichen Landbearbeitung“ (TOS). Nach 1931 wurden diese allmächlich in landwirtschaftliche Artel-Kooperativen umgewandelt.

Infolge der Kollektivierung wurde das administrative Kommandosystem auf das Dorf ausgeweitet: unmittelbare Einmischung des Partei- und Staatsapparats in den Prozess der landwirtschaftlichen Produktion, verpflichtende Ablieferung an den Staat und Aufkauf der landwirtschaftlicher Produktion zu festen Preisen, umfangreiche und willkürliche Steuern; organisierte Anwerbung von Arbeitskräften im Dorf für den Bau von Industrieunternehmen, Eisenbahnstrecken, Kanälen usw. Es entstand ein System, das finanzielle und materielle Ressourcen und Arbeitskräfte aus dem Agrarsektor in den industriellen Sektor leitete.

Literatur

Малиновский Л.В., Первые шаги коллективизации в немецкой деревне Западной Сибири, в кн.: Вопросы истории Сибири, Томск, 1972; Белковец Л.П., «Большой террор» и судьбы немецкой деревни в Сибири (конец 1920-х – 1930-е гг.), М., 1995; Бруль В.И., Немцы в Западной Сибири, ч. 1, Топчиха, 1995; Волкова Т.П., Взаимоотношения немецкого населения Казахстана и органов власти в конце 20-х – начале 30-х гг., в кн.: История немцев Центральной Азии, Алматы, 1998; Герман А.А., Немецкая автономия на Волге. 1918–1941. Ч. 2. Автономная республика. 1924–1941, Саратов, 1994; Ивницкий H.A., Коллективизация и раскулачивание (начало 30-х гг.), М., 1994; Кронгардт Г.К., Немцы в Кыргызстане: 1880–1990 гг., Бишкек, 1997; Ченцов В.В., Трагические судьбы, М., 1998.

Autoren: German A.

ЗEINE FRAGE STELLEN