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KRIMKRIEG (Orientkrieg) , von 1853 bis 1856 dauernder militärischer Konflikt zwischen Russland und dem Osmanischen Reich sowie einer Koalition westeuropäischer Staaten (Großbritannien, Frankreich, Königreich Sardinien-Piemont)

Rubrik: Politische Geschichte

KRIMKRIEG (Orientkrieg), von 1853 bis 1856 dauernder militärischer Konflikt zwischen Russland und dem Osmanischen Reich sowie einer Koalition westeuropäischer Staaten (Großbritannien, Frankreich, Königreich Sardinien-Piemont).

Von September 1854 an fanden die Hauptkampfhandlungen auf der Halbinsel Krim statt, wo die russischen Truppen in den Schlachten an der Alma (8. September) und bei Inkerman (24. Oktober 1854) schwere Verluste erlitten. Die Niederlage ließ die sozioökonomische Rückständigkeit und militärtechnische Unterlegenheit Russlands gegenüber den Alliierten für alle sichtbar zu Tage treten. Nichtsdestotrotz war es dem heldenhaften Widerstand der russischen Truppen zu verdanken, dass der Feind keine weitergehenden Erfolge erzielen konnte. So band die insgesamt 349-tägige Verteidigung Sewastopols die Hauptkräfte der alliierten Truppen. Eine große Rolle spielte dabei der deutschbaltische Ingenieuroffizier und spätere General Eduard von Totleben, unter dessen Leitung die Befestigungsanlagen entscheidend verstärkt wurden, was die fast einjährige Verteidigung der Festung überhaupt erst ermöglichte.

Der Schauplatz der Kriegshandlungen befand sich in unmittelbarer Nähe der auf der Krim gelegenen deutschen Kolonien. Zu Beginn des Krieges stellten die Deutschen etwa 7% der Bevölkerung des Gouvernements Taurien und waren somit nach Tataren und Russen die drittgrößte ethnische Gruppe in der Region. Die Schiffe der Alliierten nahmen auch die Ufer des Asowschen Meeres unter Beschuss, die sich in unmittelbarer Nähe der deutschen Festlandskolonien befanden.

Nach der im Mai 1855 erfolgten Landung eines französischen Korps und weiterer alliierter Truppen in Kertsch sowie bei Arabat, Genitschesk und Taganrog bestand für die deutschen Kolonisten die reale Gefahr, sich im Epizentrum der Kampfhandlungen wiederzufinden. Während des Beschusses von Berdjansk verließ ein Teil der Bewohner die Stadt und fand in den deutschen Kolonien Neuhoffnung, Neustuttgart, Neuhoffnungstal und Rosental Unterschlupf. Die erfolgreiche Abwehr des Angriffs durch russische Truppen bewahrte die deutschen Kolonistensiedlungen vor einer drohenden Besetzung.

Die in Russland ansässigen Deutschen leisteten der russischen Armee in vielerlei Hinsicht Hilfe. So stellten die Bewohner der Kolonien Pferde und Fuhrwerke für den Transport von Munition, Lebensmitteln, Fourage und Ausrüstung sowie für Verwundetentransporte bereit und beteiligten sich an der Versorgung der Truppen. Neben der Bereitstellung von Lebensmitteln und sonstigen Naturalien gab es auch Geldspenden. Über den Umfang der Hilfe lässt sich angesichts fehlender auch nur ansatzweise valider Statistiken nur anhand fragmentarischer Daten urteilen. So schickten die an der Molotschna gelegenen Kolonien 1854 auf insgesamt 2.000 Fuhrwerken 330 Tschetwerten Hafer, 124 Tschetwerten Kartoffeln, 837 Pud Sauerkraut, 650 Tschetwerten Gemüse sowie erhebliche Mengen Schinken, Butter und Käse, fünf Pud Scharpie [aus Baumwoll- oder Leinenstoffen gewonnenes Verbandsmaterial, das anstelle von Watte genutzt wurde], etwa 17 Pud Mull, 36 Pud Leinen, 885 Hemden und 295 Laken nach Sewastopol. Die im Bezirk Neusatz ansässigen Kolonisten spendeten 250 Pud Getreide, die im Bezirk Berdjansk ansässigen Kolonisten achtzig Wedro [1 Wedro (Eimer) = 12,7 Liter] Sauerkraut, fünfzehn Tschetwerten Bohnen und zwei Pud Scharpie. Aus dem vom Staat ausgegebenen Mehl buken die Kolonisten Zwieback für den Bedarf der Armee. Die Kolonie Zürichtal stellte kostenlos 2.393 und gegen Zahlung weitere 27 Fuhrwerke bereit, spendete 1.011 Säcke und Leinentücher sowie zwei Pud Scharpie und quartierte über 40.400 Soldaten ein. Die Kolonie Heilbrunn stellte kostenlos 1.264 und gegen Bezahlung weitere 65 Fuhrwerke bereit, spendete 755 Säcke sowie 1,5 Pud Scharpie und quartierte 19.810 Soldaten ein. Im Herbst 1855 stellten die Kolonien eine große Menge Fuhrwerke bereit (die an der Molotschna gelegenen Kolonien 1.159 und die Berdjansker Kolonien 621 Stück), die im Zeitraum vom 5. Oktober bis zur Mitte November einsetzenden Schlammzeit insgesamt 60.000 Tschetwerten Fracht auf die Krim brachten, was etwa 10% der gesamten für den Bedarf der Armee transportierten Frachtmenge ausmachte.

Insgesamt transportierten die deutschen Kolonisten im Verlauf der Kriegshandlungen auf privaten Fuhrwerken 121.653 Tschetwerten Getreide und 740 Tschetwerten sonstiger Lebensmittel nach Simferopol und Sewastopol.

Darüber hinaus wurden für den Bedarf der Armee und wohltätige Zwecke auch beträchtliche Geldspenden gesammelt. Allein in den Kolonien des Mennonitenbezirks Chortiza kamen auf diese Weise insgesamt 60.000 Rubel zusammen.

Erhebliche Ausmaße nahm auch die Hilfe für Verwundete an. Bereits nach den ersten Schlachten an der Alma und bei Balaklawa (1854) wurden Verwundete und Kranke in die im Norden des Gouvernements Taurien gelegenen Bezirke gebracht. Bereits bis November 1854 wurden in die deutschen Kolonien, die sich aufgrund eines Schlüssels von einem Verwundeten auf 100 männliche Einwohner zunächst zur Aufnahme von 132 Personen bereit erklärt hatten, 1.500 Verwundete und Kranke gebracht. Sie alle wurden in häuslicher Umgebung untergebracht, wofür die Kolonisten vor allem in den Siedlungen Prischib und Halbstadt Wohnungen anmieteten, wo genug Ärzte zur Verfügung standen. Allein in Prischib wurden drei Lazarette eingerichtet. Alle Kranken und Verwundeten erhielten Bettzeug und eine „verbesserte Kost“. In der Kolonie Kaisertal, die dem Schauplatz der Kampfhandlungen am nächsten lag, wurde ein Feldlazarett eingerichtet, in das vom 24. März bis zum 15. November 1855 insgesamt 10.711 Soldaten (54 Transporte) kamen, bevor sie nach Leistung erster medizinischer Hilfe ins Landesinnere gebracht wurden. Im März 1855 erklärten sich die an der Molotschna gelegenen Kolonien bereit, anstelle der bereits Genesenen weitere 1.000 Verwundete und Kranke aufzunehmen. Im gesamten Verlauf der Kriegshandlungen waren in den Häusern der an der Molotschna ansässigen Mennoniten etwa 5.000 Soldaten untergebracht. Speziell ausgerüstete Hospitäler wurden auch in der Kolonie Gnadenfeld und in anderen Kolonien eingerichtet. Darüber hinaus sammelten die auf der Krim und im Bezirk Chortiza gelegenen Kolonien auch Geldspenden für die Krankenhäuser der Region (Taurisches Bezirkshospital und Jekaterinoslawer Hospital).

Für die Verwundetentransporte wurden vor allem jene Fuhrwerke eingesetzt, die auf dem Hinweg Proviant und Fourage zur Armee brachten. Die Verpflichtung der deutschen Kolonisten zu Kranken- und Verwundetentransporten war in einem Sondererlass des Vorsitzenden des Komitees für Sozialfürsorge Baron Westmacher vom 2. März 1855 festgelegt, auf dessen Grundlage der Chef des Fürsorgekontors den deutschen Kolonisten Ende März die konkrete Anweisung erteilte, einen Fuhrpark aus allen zur Verfügung stehenden Transportmitteln zusammenzustellen, um die verwundeten Soldaten aus Sewastopol und anderen schwer umkämpften Orten wegzubringen.

Nach dem Ende des Krimkriegs entschied die russische Regierung im Juni 1856, einen Teil der Pferde und Fuhrwerke der aufgelösten Armeeeinheiten den Bewohnern jener Territorien zu überlassen, die besonders unter den Kampfhandlungen gelitten hatten. Vor der Verteilung wurden die Pferde und Fuhrwerke den deutschen Kolonisten des Kolonistenbezirks Melitopol und den Bewohnern der Kolonien Kronental und Rosental (Bezirk Simferopol) anvertraut, da sich diese „durch Ordnungsliebe und Gewissenhaftigkeit“ ausgezeichnet hatten. Auf Anweisung des Generalgouverneurs von Neurussland Graf Stroganow wurden allein den im Gouvernement Taurien ansässigen deutschen Kolonisten 1.200 Pferde und 300 Fuhrwerke übergeben.

Die Rolle der deutschen Kolonisten im Krimkrieg war so erheblich, dass sie auch den Kriegsgegnern Russlands nicht verborgen blieb, die die Ansicht äußerten, dass sich die russische Armee in vielerlei Hinsicht nur „dank der deutschen Eisenbahn“ so gut hatte halten können - so nannten die französischen und englischen Soldaten die von den deutschen Kolonisten organisierten Waffen-, Lebensmittel- und Verwundetentransporte.

Am 25. Oktober 1854 richtete der Gouverneur von Taurien auf einer durch die deutschen Kolonien führenden Reise den Kolonisten und Mennoniten die Dankbarkeit des Oberbefehlshabers der russischen Truppen auf der Krim Fürst Alexander Menschikow „für die beim schnellen Vormarsch der 10. und 11. Infanteriedivision auf die Krim geleistete Hilfe und die für die Truppen gespendeten Lebensmittel“ aus. Am 31. Dezember 1854 dankte Zar Nikolai I. den deutschen Kolonisten für die Unterstützung der nationalen Sache. Auf Initiative des Kommandeurs des Tarutino-Schützenregiments Generalmajor Wolkow wurde im Dorf Neuhalbstadt ein Obelisk aufgestellt, mit dessen Aufschrift „Für den bei der Querung am 30. und 31 März 1854 geleisteten Einsatz und die hervorragende Gastfreundschaft“ die örtlichen Mennoniten geehrt wurden. Für die der Armee geleistete Hilfe erhielten die deutschen Kolonisten ein Dankesschreiben von Generalintendant Fjodor Satler. Der Gouverneur von Taurien Grigori Schukowski merkte an, dass die deutschen Kolonisten angesichts der von ihnen auf der Krim unter Kriegsbedingungen gezeigten Loyalität und Hilfe in ihm immer den „eifrigsten Fürsprecher vor der höchsten Führung“ fänden. Graf Pawel Kissiljow brachte gegenüber den bei der Krönung Zar Alexanders II. anwesenden Mitgliedern einer mennonitischen Delegation seine besondere Dankbarkeit für die der russischen Armee und insbesondere bei der Pflege der Verwundeten geleistete Hilfe zum Ausdruck. Die Verdienste der deutschen Kolonisten während des Krimkriegs wurden auch mit Regierungsauszeichnungen (Goldenen und Silbernen Medaillen „Für besonderen Eifer“, Urkunden und persönlichen Geschenken) gewürdigt.

Literatur

Клаус А., Наши колонии, СПБ, 1869; Записки очевидца о войне России против Турции и Западных держав 1853–1856 гг., в кн.: XIX век, кн. 2, М., 1872; Ливром В., Статистическое обозрение Российского империи, СПБ, 1874; Каменский П.В., Вопрос или недоразумение, М., 1895; Дружинина Е.И., Южная Украина в период кризиса феодализма. 1825–1860 гг., М., 1981; Prinz J., Die Kolonien der Brüdergemeinde, Moskau, 1898.

Autoren: Botscharowa N. (Dnepropetrowsk)

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