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Medizin und Gesundheitswesen

Rubrik: Kultur, Wissenschaft, Bildung, Medizin

Die ersten deutschen Ärzte kamen Ende des 15. Jahrhunderts unter Großfürst Iwan III. in das Großfürstentum Moskau. So wusste bereits die Nikonchronik zu berichten, dass im Jahr 1485 ein deutscher Arzt namens Anton nach Moskau gekommen sei, den der Großfürst sehr in Ehren gehalten habe. Allerdings wurde dieser bereits im folgenden Jahr unter einer Brücke der Moskwa „wie ein Schaf abgeschlachtet“, nachdem der im Gefolge des Zarewitsch Daniar stehende tatarische Fürst Karakutsch an den Folgen einer falschen Behandlung gestorben war.

Die für Wassili III. (Herrschaftszeit: 1505-33) tätigen deutschen Ärzte waren gelehrte Mediziner, die in Moskau unter den russischen Namen Nikolai Lujew (oder Bulew) und Feofil figurierten. Ersterer stammte aus Lübeck, zweiterer wurde von Herzog Albert von Preußen entsandt. Ihre Namen fanden im Jahr 1533 im Zusammenhang mit dem Tod des Großfürsten Eingang in die Chroniken, der die beiden Ärzte wegen eines Abszesses im Leistenbereich konsultierte, als die Krankheit bereits in einem fortgeschrittenen Stadium war und alle Versuche gescheitert waren, diese mit den Mitteln der traditionellen Medizin (Ausbrennung) zu heilen. Nach der Untersuchung erklärte Lujew mit Bedauern, dass er nicht Gott sei und keine Toten lebendig machen könne. Der Großfürst nahm das niederschmetternde Urteil demütig auf, so dass die Ärzte auch nach seinem Tod am Hof bleiben konnten. Im Jahr 1534 übersetzte Nikolai Lujew auf Betreiben des Metropoliten Daniil ein 1492 in Lübeck erschienenes Kräuterbuch aus dem Deutschen ins Russische, das zwanzig Gespräche über insgesamt 542 in alphabetischer Reihenfolge beschriebene Kräuter enthielt. Im Jahr 1537 untersuchte Feofil auf Geheiß der Regierung erstmals den Bruder des verstorbenen Fürsten Wassili III. Andrei Iwanowitsch.

Als Hans Stille im Jahr 1534 im Auftrag Iwans IV. nach Deutschland kam, um Ärzte, Handwerker und Künstler zu finden und nach Moskau zu bringen, waren unter den insgesamt 120 angeworbenen Personen auch vier Ärzte, vier Apotheker, zwei Operateure, acht Stübner und acht Hilfsärzte. Auch wenn Stille auf Betreiben des eine Stärkung Russlands fürchtenden Livländischen Ordens von den Lübecker Behörden verhaftet wurde und die folgenden zwei Jahre im Gefängnis verbringen musste, gelang es einigen der Eingeladenen das vom Römischen Kaiser und dem Livländer Magister ausgesprochene Verbot zu umgehen und nach Russland zu kommen.

Boris Godunow arbeitete eng mit der Hansestadt Lübeck zusammen. Im Jahr 1600 entsandte er seinen Bevollmächtigten Reinhold Beckman nach Lübeck und in andere Ostseestädte, um dort erfahrene Ärzte und andere in Moskau benötigte Spezialisten anzuwerben. In seinem Begleitschreiben schrieb der Zar, ihm sei zu Ohren gekommen, dass es in Lübeck in allen medizinischen Dingen bewanderte Ärzte gebe und bat Bürgermeister und Ratsherren der Stadt, ihm den Dienst zu erweisen, den besten Arzt an seinen Hof zu entsenden. Im Gefolge von Beckmanns Mission kamen in den Jahren 1600-02 die aus Lübeck und Riga stammenden Ärzte David Johann Vasmer, Heinrich Schröder, Kaspar Fiedler und Johann Hilchen nach Moskau, wo sie als Hofärzte tätig waren. Laut Vertrag sollten sie ausschließlich den Zaren behandeln und selbst Mitglieder des Hochadels kamen nur dann in den Genuss einer Behandlung, wenn sie vor dem Zaren auf die Knie gingen und gnädigst um Erlaubnis baten. Die angeworbenen Ärzte und insbesondere Fiedler und Vasmer genossen bei dem um sein Leben und seine Gesundheit besorgten Zaren ein solch hohes Ansehen, wie es sonst nur höchsten Fürsten und Bojaren entgegengebracht wurde. Nach Aussage eines Zeitgenossen „mangelte es den Herren Doktoren unter diesem Zaren an nichts“. Angesichts der Tatsache, dass sie auf einen deutlich höheren Status, bessere Lebensbedingungen und eine großzügigere Entlohnung als in der Heimat hoffen konnten, kamen zahlreiche qualifizierte Ärzte aus Deutschland in den Moskauer Staat.

Im Jahr 1634 trat der 1597 in Holstein geborene Vendelinus Sybelist, der seine medizinische Ausbildung in Halle erhalten hatte, auf Empfehlung des Herzogs von Holstein in den Dienst des Zaren Michail I. Er genoss das besondere Vertrauen des Zaren und erfüllte bei Auslandsreisen geheime politische Missionen. So teilte er unter anderem mit, dass die Jesuiten ihren Einfluss in Russland zu steigern gedachten, um die Stellung Polen zu stärken. Sybelists Berichte enthielten detaillierte Informationen über gegen Russland geplante feindliche Handlungen, so dass es nur folgerichtig war, dass sein Wirken in seinem nach zwölf Jahren Dienst ausgestellten Zeugnis als überaus nützlich bezeichnet wurde.

Von 1656 an diente der in einem von allen Doktoren seiner Heimatstadt Lübeck unterschriebenen Zeugnis als überaus „ruhmreicher, ehrlicher und bedeutender Arzt“ beschriebene Andrei Matwejewitsch Engelhardt, der das medizinische Handwerk zunächst von seinem als Stadtarzt tätigen Vater gelernt und anschließend „mit großem Erfolg“ in Leiden und Franeker sowie an der Universität Königsberg studiert hatte, unter den Zaren Alexei I. und Fjodor III. als erster Medikus. Im Dienste des Moskauer Zaren rechtfertigte Engelhardt den ihm vorauseilenden guten Ruf.

Von 1667 an war der 1614 in Lübeck geborene Arzt Johannes Küster von Rosenberg, der seinen Doktorgrad 1646 in Königsberg erworben und als Leibarzt des schwedischen Königs Karl Gustav gearbeitet hatte, Leibarzt des Zaren Alexei I. Küster war nicht nur ein erfahrener und kenntnisreicher Arzt, sondern auch Autor bekannter medizinischer Werke. Von seiner medizinischen Qualifikation zeugen die im Archiv erhaltenen zahlreichen Originalrezepte zur Heilung verschiedener Krankheiten.

Die gesamte in der vorpetrinischen Zeit geleistete medizinische Arbeit war eng mit der im Jahr 1581 erfolgten Gründung des dem Moskauer Kreml unterstellten Apothekenamtes verbunden. Dieses höchste mit medizinischen Fragen befasste Organ warb im Ausland Ärzte an, erteilte diesen nach Abnahme einer entsprechenden Prüfung das Recht auf Heiltätigkeit und war generell für alle die „eingeladenen Ärzte“ betreffenden Fragen zuständig. Mehr als dreißig Jahre war der im Jahr 1655 in das Apothekenamt aufgenommene und 1684 auf Erlass des Zaren zum Doktor der Medizin beförderte Arzt Sigismund (Simeon) Sommer in Russland tätig. Unter Zar Alexei I. wurden im Jahr 1667 der an der Universität Jena promovierte und später nach Belgorod entsandte Michail Graman, der aus Hamburg stammende Johann Markus sowie der „aus einem deutschen Land“ stammende Johann Kisterius in das Apothekenamt aufgenommen. Zar Fjodor III. entsandte den einer Moskauer Arztfamilie entstammenden Heinrich (Andrei) Kellermann zum Studium der Medizin nach Deutschland, Frankreich, England und Italien, wo er an der Universität Padua zum Doktor der Medizin promovierte, bevor er nach 16-jähriger Abwesenheit in den Dienst des Apothekenamts trat. Im Unterschied zu den meisten anderen in Russland tätigen ausländischen Ärzten sprach Kellermann sehr gut Russisch. Im Jahr 1715 starb er nach 37-jährigem Dienst in Moskau.

Unter Zar Michail I. wurden im Jahr 1615 festangestellte Militärärzte eingeführt, die ihren Lohn von der Regierung bezogen. Als im Jahr 1631 in Lübeck ein ganzes Regiment angeworben wurde, gehörte diesem auch ein Arzt an. Von dieser Zeit an gab es bei den Regimentern Feldapotheken und Feldärzte, unter denen auch zahlreiche Deutsche waren. Am 14. November 1679 ordnete Zar Fjodor III. die Anwerbung „guter und gelehrter Leute aus deutschen Landen“ an, die dem Moskauer Staat als Regiments- und Hunderschaftsärzte dienen sollten. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war es gängige Praxis, dass den Regimentern auch einige ausländische Ärzte angehörten. Im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert wurden an die Schauplätze von Kampfhandlungen bereits ganze Sänitätseinheiten abkommandiert, deren Angehörige unterschiedliche medizinische Grade aufwiesen. So nahmen im Jahr 1689 „Doktor Andrei von Kellerman, die ausländischen Ärzte Jagan Termont, Andrei Beker, Adolf Ewentschanin, Alexander Kwilow und Johann Focht sowie der Destillateur Roman Schlager“ am Krimfeldzug teil. In der zweiten Hälfte des 17. und ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts spielten Laurentius Blumentrost der Ältere und seine drei Söhne Laurentius, Christian und Johann Deodat innerhalb der Hofmedizin eine herausragende Rolle.

Als Peter I. das Fenster nach Europa aufstieß und Russland auf das europäische Entwicklungsniveau zu heben versuchte, lud er im Jahr 1697 gleich 57 ausländische Ärzte auf einmal nach Russland ein, bei denen es sich größtenteils um Deutsche und Franzosen (jeweils 14) sowie Holländer (12) handelte. In der gesamten Herrschaftszeit Peters wurden etwa 150 ausländische Ärzte in den Staatsdienst genommen, unter denen auch über 40 Doktoren waren. Aufgrund eines Erlasses vom 20. November 1701 wurden in Moskau freie „private“ Apotheken gegründet. So eröffnete Gottfried Gregorius, der 1693 auf Empfehlung Blumentrosts eine pharmazeutische Ausbildung im Ausland erhalten hatte, im Jahr 1702 in der Neuen Deutschen Vorstadt eine Apotheke. Seinem Beispiel folgte wenig später Daniil Gurtschin, dessen in der Nikolska-Straße gelegene Apotheke nach mehrfachem Wechsel des Besitzers im Jahr 1832 auf den Pharmazeuten Karl Iwanowitsch Ferrein überging und eine große Rolle für die Entwicklung der Pharmazie in Russland spielen sollte. Die Anfang des 20. Jahrhunderts gegründete Gesellschaft „W.K. Ferrein“ war eines der größten pharmazeutischen Unternehmen Russlands und Europas und hatte einen Warenumsatz in Höhe von etwa 6 Mio. Rubeln.

In St. Petersburg wurden die ersten freien Apotheken, deren Gründer in den Genuss zahlreicher Rechte und Privilegien kamen, erst 1721 eröffnet. Zu den bekanntesten in Russland tätigen Pharmazeuten gehörte der deutschstämmige Chemiker Johann Georg Model (*1711, †1775), der im Jahr 1737 als Apothekengehilfe nach Russland kam, wo er insgesamt 38 Jahre lebte und 20 Jahre lang die Petersburger Hauptapotheke leitete. Darüber hinaus lehrte er Chemie und Pharmazie an der Hospitalschule und promovierte im Jahr 1749 in Halle mit einer der Gewinnung und Aufbereitung von Borax gewidmeten Dissertation. Der gleichen Frage war auch eine 1751 Stuttgart veröffentlichte Arbeit gewidmet, deren Vorwort das Mitglied der Akademie der Wissenschaften Johann Georg Gmelin verfasste. Insgesamt veröffentlichte Model elf Arbeiten, die unter anderem Salmiak (1762), die Bestuschew-Tinktur (fünf Auflagen ab 1759), die Erforschung von Mineralwässern (1762), das Wasser der Newa (1763) und Marienglas (Selenit) in Rhabarber (1774) zum Thema hatten. Models Werke erschienen 1774 in Paris. Er genoss hohes Ansehen und war Mitglied des Medizinischen Kollegiums.

Im Rahmen der von ihm eingeleiteten Reformen des Gesundheitswesens widmete Peter I. der Gründung von Hospitälern große Aufmerksamkeit. Am 25. Mai 1706 gründete er das Moskauer Hospital und berief die aus Holland bzw. Deutschland stammenden Ärzte Nicolaas Bidloo und Andrei (Heinrich) Repken, um „Kranke zu heilen und Ärzte auszubilden“. Später waren die Ärzte Matwei Klanke, Wilhelm Klarner und Johann Pagenkampf als Bidloos Assistenten und Lehrkräfte an der von diesem gegründeten Hospitalschule tätig. Im Verlauf der Regierungszeit Peters I. wurden neun weitere Hospitäler (in St. Petersburg, Kronstadt, Reval, Kasan, Astrachan und anderen Städten) und 500 Lazarette gegründet.

In zahlreichen Fällen war Peter I. selbst an der Auswahl der Mediziner beteiligt, die ihm auf seinen Reisen durch Europa aufgefallen waren. So nahm er 1712 während eines Aufenthalts in Karlsbad den in Leipzig geborenen Arzt Gottlieb Schober (*1670, †1739) in russische Dienste, der nach seinem Studium an den Universitäten in Leipzig und Utrecht 1696 mit einer der Cholera gewidmeten Dissertation promovierte und von Peter I. zunächst zum Leibarzt seiner Schwester Fürstin Natalia Alexejewna und später zum Chef des beim Apothekenamt bestehenden Medizinischen Dienstes der Stadt Moskau ernannt wurde. Neben seiner medizinischen Tätigkeit widmete sich Schober unter anderem der Untersuchung der am Terek (1717) und in anderen Regionen Russlands vorzufindenden mineralischen Heilwasser. Im Jahr 1732 musste er seinen Posten als Chef des Medizinischen Dienstes infolge eines Konfliktes mit dem Hofarzt Johann Christoph Rieger aufgeben, woraufhin er in den Dienst des zu jener Zeit in Moskau lebenden Zaren von Georgien trat.

Peter I. lud nicht nur aus dem Ausland stammende Ärzte nach Russland ein, sondern schickte auch seine eigenen Landsleute und eingebürgerte Ausländer zum Studium dorthin. Unter diesen war auch der in Moskau geborene Johann Deodatus Blumentrost (*1676, †1756), der seine medizinische Ausbildung in Deutschland erhielt und auf Staatskosten zunächst zwei Jahre in Königsberg und anschließend anderthalb Jahre in Halle studierte. Im Jahr 1700 erschien in Königsberg seine im im Auftrag Peters I. verfasste und diesem gewidmete Abhandlung „Medico castrensi exercitui Moscovitarum praeficiendo“. Nach der Verteidigung seiner Dissertation kehrte Blumentrost im Jahr 1702 nach Moskau zurück, wo er zum Leibarzt Peters I. wurde, in dessen Gefolge er auch an der Belagerung von Dorpat und Narwa teilnahm. Wie Blumentrost nahm auch der 1689 mit einem Empfehlungsschreiben des deutschen Kaisers Leopold nach Moskau gekommene Doktor der Medizin Karbonari de Bizenek, der neben der lateinischen, italienischen und deutschen Sprache auch Russisch sprach und bis 1714 in russischen Diensten stand, an den Feldzügen Peters I. teil. Unter Mitwirkung Blumentrosts legte Peter I. in den militärischen Dienstvorschriften die Zahl der in der Armee einzusetzenden Doktoren, Chirurgen und Apotheker fest. So war für jede Division ein Doktor und ein Stabsarzt, für jedes Regiment ein Arzt und für jede Kompanie ein Hilfsarzt und ein Bader vorgesehen. Für die Reiterei und die Infanterie wurden Feldapotheken gegründet, die jeweils einen Apotheker, zwei Gehilfen und vier Schüler beschäftigten. Im Jahr 1720 wurde diese Regelung auch auf die Flotte ausgeweitet. Neben seinem Dienst als Militärarzt war Johann Deodatus Blumentrost auch als Leibarzt von Peter I. und Katharina II. sowie Kronprinz Alexei und den jüngeren Prinzen tätig.

Nach dem Tod des für das russische Gesundheitswesen zuständigen ersten Hofarztes Robert Erskine übernahm Johann Deodat Blumentrost in den Jahren 1719-21 dessen Pflichten. Seine Hauptaufmerksamkeit galt dabei der Ausbildung russischer Ärzte. So wurden bereits 1719 auf Veranlassung Blumentrosts etwa dreißig Russen zum Studium der Medizin ins Ausland geschickt. Noch vor seinem offiziellen Dienstantritt stellte Blumentrost Peter I. seine das russische Gesundheitswesens betreffenden Reformpläne vor, die vor allem die Einführung einer zentralen Behörde vorsahen, der alle Hospitäler, Apotheken und sonstigen medizinischen Einrichtungen unterstellt werden sollten. Im Einzelnen enthielt sein Entwurf die folgenden Forderungen: -) Apotheker sollten Medikamente zu festgelegten Preisen verkaufen; -) Die Medizinische Kanzlei sollte für die Überwachung der Apotheken verantwortliche Personen ernennen, um Beschwerden über die schlechte Zusammensetzung der Medikamente und willkürlich von den Apothekern festgelegte Preise zu vermeiden; -) Ärzte sollten nur zur freien Praxis zugelassen werden, wenn sie bei der Medizinischen Kanzlei eine Prüfung abgelegt und ein entsprechendes Zeugnis vorlegen konnten; -) Die Gouverneure und anderen Führungspersonen sollten verpflichtet werden, die Produktion einheimischer Medikamente zu fördern. Die von Blumentrost vertretenen Prinzipien der staatlichen Kontrolle über das Gesundheitswesen sind auch heute noch aktuell.

Blumentrosts Vorschläge fanden die Zustimmung des Senats, woraufhin am 7. September 1721 die Medizinische Kanzlei gegründet wurde, die die Aufsicht über das gesamte russische Medizinwesen führen sollte. Am 14. Februar 1722 wurde Blumentrost offiziell im Amt des Hofarztes und Chefs der Medizinischen Kanzlei bestätigt, wofür ihm ein Salär in Höhe von 3.000 Rubeln im Jahr gezahlt wurde. Im gleichen Erlass ordnete Peter I. an, alle in Russland bestehenden medizinischen Einrichtungen einschließlich der Hospitäler und Apotheken dem neuen zentralen Verwaltungsorgan zu unterstellen, dessen Chef wiederum unmittelbar dem Zaren selbst unterstellt sein sollte. Dem Chef der Medizinischen Kanzlei und Hofarzt war die Aufgabe zugedacht, die für den Staatsdienst bestimmten Ärzte auswählen, ihnen ein Jahressalär zuweisen, die zuverlässige Verrichtung aller Dienste zu kontrollieren, Bitten und Gesuche zu prüfen sowie die Verantwortung für die Umsetzung aller das Gesundheitswesen betreffenden Erlasse tragen. 1728 wurde auf Initiative Johann Deodatus Blumentrosts bei der Moskauer Hofapotheke ein Ambulanzkrankenhaus eingerichtet, das von vielen Kranken aufgesucht wurde.

Eine der schillerndsten mit der Umsetzung der Reformideen Peters I. befassten Personen war Laurentius Blumentrost der Jüngere (*1692, †1755), auf dessen Initiative die Gründung der Russischen Akademie der Wissenschaften zurückging, der er als erster Präsident auch vorstehen sollte. Schon in sehr jungen Jahren zeigte der in Moskau geborene Blumentrost seine herausragenden Fähigkeiten. Im Alter von fünfzehn Jahren besuchte er zunächst in Halle und später in Oxford Vorlesungen zur Medizin. Angezogen vom Ruhm des berühmten niederländischen Arztes und Begründers der Leidener Medizinischen Schule Herman Boerhaave (*1668, †1738) fuhr er nach Leiden, wo er im Jahr 1713 auch seine Dissertation verteidigte. Nach seiner Rückkehr nach Russland machte ihn Peter I. im Jahr 1714 zum Leibarzt seiner Schwester Natalia Alexejewna. Im Jahr 1715 erhielt Blumentrost den Auftrag, Peters Erkrankung zu beschreiben und die bekanntesten Ärzte Europas persönlich damit bekannt zu machen, um ihre Meinung und ihren Rat einzuholen. Nach Erfüllung dieses Auftrags setzte Blumentrost seine Auslandsstudien fort und lernte zunächst bei Duvernoy in Paris und anschließend in Amsterdam Anatomie. Fast ununterbrochen befand er sich in der Nähe des Zaren und begleitete diesen auf allen seinen Reisen. 1717 besuchten sie in Leiden die Vorlesungen von Herman Boerhaave und machten sich in Amsterdam mit dem Anatomischen Kabinett des in ganz Europa bekannten Frederik Ruysch bekannt. Als Peter I. für die Petersburger Kunstkammer eine Sammlung anatomischer Präparate erwarb, bestand Laurentius Blumentrost darauf, den Ankauf der Sammlung an die Bedingung zu binden, dass man ihn in das streng gewahrte Geheimnis der Bewahrung von Form und Farbe der Präparate einweihte. Schließlich wurden die von Ruysch zusammengetragenen Präparate unter seiner Aufsicht nach St. Petersburg gebracht. Nach dem Tod Robert Erskines wurde Blumentrost im Jahr 1719 zu dessen Nachfolger als Leibarzt ernannt und trat seine Pflichten im Gouvernement Olonez (Karelien) an, wo er im Jahr 1714 in dem Ort Marzialnye Wody das erste Heil- und Schlammbad in Russland gründen ließ. Peter I., der sich bei seinen Reisen nach Europa in zahlreichen Kurorten behandeln ließ und Erleichterung von seiner Erkrankung verspürte, träumte davon, auch in Russland Mineralquellen zu finden, um seinen Untertanen weite Auslandsreisen zu ersparen. Nach der Entdeckung der in Marzialnye Wody gelegenen Quellen ließ er Blumentrost 1717 deren chemische Zusammensetzung und therapeutische Wirkung untersuchen und suchte den Ort nach dessen positivem Gutachten im Jahr 1719 mit seinem ganzen Hof auf. Nach einem weiteren im März 1720 erfolgten Kuraufenthalt gelangte Peter zu der Überzeugung, dass die in Marzialnye Wody gelegenen Quellen den europäischen nicht nachstanden. In den letzten Herrschaftsjahren Peters I. war der Kurort überaus populär, auch wenn er nach seinem Tod allmählich in Vergessenheit geriet.

Anfang des 18. Jahrhunderts wurden in St. Petersburg mit der Kunstkammer und der Bibliothek zwei Bildungseinrichtungen gegründet, die später in der Akademie der Wissenschaften aufgehen sollten und zunächst von Robert Erskine und später von Laurentius Blumentrosts geleitet wurden. Auch wenn Peter I. die Kunstkammer bereits 1714 gegründet hatte, wurde sie erst nach ihrem im Jahr 1719 erfolgten Umzug aus dem Sommerpalast in den Palast des wegen seiner angeblichen Beihilfe zur Flucht des Kronprinzen Alexei in Ungnade gefallenen Alexander Kikin auch für Besucher geöffnet. In das Jahr 1714 fielen auch die mit dem Aufbau der Bibliothek verbundenen Arbeiten, in deren Verlauf zahlreiche Bücher aus dem Moskauer Zarenhof sowie aus den baltischen Provinzen in den Sommerpalast gebracht wurden. 1718 zog auch die Bibliothek in den Kikin-Palast um. In den Jahren 1721-22 unternahm Blumentrosts engster Gehilfe und Sekretär Johann Daniel Schumacher einen ersten, wenn auch erfolglosen Versuch, die Sammlung mit ausländischen Büchern zu komplettieren. Laut Schumacher lag der Gründung der Russischen Akademie der Wissenschaften der von Blumentrost gegenüber Peter I. geäußerte Gedanke zugrunde, dass Kunstkammer und Bibliothek nur dann Nutzen entfalten könnten, wenn sie fähige, ausschließlich mit den Wissenschaften befasste Leute anzögen, wobei man, wenn jede Wissenschaft durch einen besonderen Gelehrten vertreten sei, aus diesen eine ganze Akademie der Wissenschaften aufbauen könne. Beim Zaren fiel dieser Gedanke auf fruchtbaren Boden, so dass er die Berufung bekannter Gelehrter anordnete, auch wenn lange unklar blieb, ob die Akademie nur eine Ansammlung von Gelehrten oder aber in Anbetracht der in Russland bestehenden Rahmenbedingungen auch eine Einrichtung mit angeschlossener Universität und Gymnasium sein sollte. Schließlich wurde beschlossen, dass die Akademie der Entwicklung und Förderung von Wissenschaft und Kunst, der Schaffung eines Zentrums der Aufklärung in Russland sowie der Ausbildung erfahrener und kenntnisreicher Leute für alle Bereiche der Wirtschaft, des Militärwesens und der Kultur einschließlich der Medizin sein sollte.

Im Februar 1721 wurde Schumacher ins Ausland entsandt, um unter Berücksichtigung aller wertvollen, in den Statuten der Akademien von Paris, London, Berlin und anderen Städten enthaltenen Werte eine „Sozietät der Wissenschaften“ zu begründen. An der Pariser Akademie der Wissenschaften überbrachte er ein von Blumentrost verfasstes Schreiben und eine Urkunde des 1717 zum Mitglied der Pariser Akademie gewählten Peter I., in der dieser die Gründung der Petersburger Akademie ankündigte und einen regelmäßigen Austausch über die neuesten wissenschaftlichen Entdeckungen anregte. Nach eingehendem Studium des westeuropäischen Wissenschaftsbetriebs gelangte Peter I. zu der Erkenntnis, dass sich die von ihm in Petersburg geplante Akademie angesichts der Tatsache, dass es in Russland weder Universitäten noch eine ausreichende Zahl an Gelehrten gab, erheblich von den westeuropäischen Vorbildern unterscheiden müsse. So konnte die Petersburger Akademie im Unterschied zu den entsprechenden westlichen Einrichtungen nicht einfach ein Ort sein, an dem ausgewählte Gelehrte ihre in den Universitäten, Laboren und privaten Kabinetten geleistete Forschungsarbeit diskutierten, sondern musste selbst zur wichtigsten Stätte von Wissenschaft und Lehre, also nicht nur Forschungseinrichtung, sondern auch Ausbildungsstätte des wissenschaftlichen Nachwuchses werden. Als Laurentius Blumentrost Im Jahr 1723 den Auftrag erhielt, eine Liste der für die Akademie anzuwerbenden Wissenschaftler einzureichen, schlug er einen Astronomen, einen Geographen, einen Anatomen, einen Botaniker und einen Chemiker vor. Darüber hinaus sollten noch 4-5 weitere Wissenschaftler eingeladen werden, was sich allerdings als schwierig erwies, da die Bereitschaft das eigene Land, die eigene Universität oder das eigene Labor zu verlassen, um dem Ruf nach Russland zu folgen, bei den in Frage kommenden Gelehrten keineswegs vorausgesetzt werden konnte. Am 2. Januar 1724 prüfte Peter I. den von Blumentrost verfassten Entwurf des Gründungsdokuments der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften und Künste sowie der an diese angeschlossenen Universität. Am 22. Januar wurde die Gründung der Akademie unter Beteiligung des Fürsten Alexander Menschikow, des Kanzlers Gawril Golowkin, des Generalprokurors des Senats Pawel Jaguschinski, des Generaladmirals Fjodor Apraksin und anderer hochrangiger Persönlichkeiten im Senat diskutiert, was der Gründung der Akademie in den Rang eines Ereignisses von höchster staatlicher Wichtigkeit hob. Am 28. Januar ordnete der Senat die Gründung der St. Petersburger Akademie auf Grundlage eines von Peter I. geplanten Erlasses an, der allerdings infolge des Todes des Zaren unveröffentlicht blieb und deshalb (auch wenn er bis zur im Jahr 1747 erfolgten Verabschiedung des Statuts das einzige die Akademie betreffende Dokument war) nicht das offizielle Gründungsdokument der Akademie darstellte. Im August 1725 begannen die akademischen Konferenzen. Am 2. November fand die erste wissenschaftliche Versammlung der Akademiemitglieder statt. Am 21. Dezember 1725 wurde Blumentrost auf den Posten des ersten Präsidenten der Petersburger Akademie der Wissenschaften berufen, den er bis 1733 innehatte. Am 27. Dezember fand der feierliche Gründungsakt der Akademie statt.

Ursprünglich bestand die Petersburger Akademie aus vier Lehrstühlen (Theoretische und Experimentelle Physik, Anatomie, Chemie und Botanik). Angesichts der objektiven Bedürfnisse Russlands, der Zugehörigkeit Blumentrosts zum Ärztestand sowie des ausgeprägten Bewusstseins für den hohen Stellenwert der theoretischen Medizin unter den Naturwissenschaften war es nur folgerichtig, dass unter den ersten Mitgliedern der Akademie in Person von Johann Georg Duvernoy, Daniel Bernoulli und Josias Weitbrecht gleich mehrere im Bereich von Anatomie und Physiologie tätige Gelehrte waren.

Johann Georg Duvernoy (*1691, †1759), der seine medizinische Ausbildung und seinen Doktortitel an der Universität Tübingen erlangt hatte (1716), an der er vor seinem Umzug nach Petersburg auch als Professor tätig war, widmete sich in St. Petersburg dem Aufbau des von ihm geleiteten Anatomischen Theaters und befasste sich mit der Anfertigung der für den praktischen Unterricht der Studenten benötigten anatomischen Präparate sowie der für die zoologische Sammlung der Kunstkammer bestimmten Tierskelette. Im Jahr 1726 hielt er seine erste öffentliche Vorlesung im Anatomischen Theater sowie einen Vortrag auf der Konferenz der Akademie der Wissenschaften. In den Folgejahren hielt er bis 1741 vor der akademischen Versammlung Vorträge, die unter anderem der Sektion verschiedener Tiere, den lymphatischen Gefäßen der Bauchhöhle sowie der Zisterne der Brusthöhle gewidmet waren. 1728 veröffentlichte er seine „Anatomische Beschreibung der Milchsaftgefäße“, mit der er den Grundstein der vergleichenden Lymphologie legte. Später schrieb er 190 Artikel, die unter anderem dem Aufbau der Milz, der Nebennieren und des Magens gewidmet waren. Im Jahr 1841 verließ Johann Georg Dovernoy St. Petersburg und ließ sich in Stuttgart und Kirchheim nieder.

Josias Weitbrecht (*1702, † 1747) wurde in Schorndorf geboren und erlangte an der Universität Tübingen den Grad eines Magisters der Philosophie. Nach seiner im Dezember 1725 erfolgten Übersiedlung nach St. Petersburg war er zunächst als Adjunkt der Akademie der Wissenschaften tätig. 1727 wandte er sich unter der Leitung von Duvernoy der Anatomie zu und hielt von 1730 an Vorlesungen an der Akademischen Universität. 1731 wurde er Professor am Lehrstuhl für Physiologie. 1736 promovierte er an der Universität Königsberg mit einer der 1735 in St. Petersburg wütenden Fieberepidemie gewidmeten Dissertation zum Doktor der Medizin. 1742 veröffentlichte er in lateinischer Sprache eine den Bändern des menschlichen Körpers gewidmete Arbeit, die die weltweit erste Abhandlung zur Arthrologie [Gelenkkunde] darstellte und später ins Französische(1752) und Deutsche (1779) übersetzt wurde. In seinem Werk beschrieb Weitbrecht über 90 Bänder. Insgesamt veröffentlichte er 21 der Anatomie gewidmete wissenschaftliche Arbeiten. Josias Weitbrecht starb in St. Petersburg.

Nach dem Tod seiner Gönnerin Katharina I. und der anschließenden Thronbesteigung Anna Iwanownas fiel Johann Deodat Blumentrost in Ungnade und wurde durch einen Erlass vom 14. September 1730 von seinem Posten entfernt, weil er angeblich Unregelmäßigkeiten bei der Oberen Apotheke zu verantworten hatte. Darüber hinaus wurde ihm zum Verhängnis, dass Peter I., Katharina I., Peter II. und schließlich die Großfürstin Katharina Iwanowna, als deren Leibarzt er tätig war, allesamt innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums verstarben (1725-33), was die Öffentlichkeit als Beleg seines ärztlichen Versagens wertete. Nach dem Tod ihrer Schwester Katharina ließ Zarin Anna Blumentrost von General Andrei Uschakow verhören, um von ihm Rechenschaft über die Behandlung ihrer Schwester einzufordern. Auch wenn Blumentrosts Aussagen seine Unschuld belegten, wurde er 1733 zum Umzug nach Moskau gezwungen, wo er in den folgenden fünf Jahren keine offizielle Funktion ausübte und nur privat praktizierte. Schließlich half ihm der Umstand, dass zahlreiche in Petersburg und Moskau ansässige Ärzte infolge einer 1738 während des Russisch-Türkischen Kriegs in der kämpfenden Truppe ausgebrochenen Pestepidemie zur Armee überstellt wurden und er so auf den vakanten Posten des Chefarztes des Moskauer Generalhospitals und Direktors der Hospitalschule berufen wurde, wo er bis 1755 tätig war und viele Ärzte und Hilfsärzte ausbildete. Nach der Thronbesteigung Elisabeths I. konnte Blumentrost das Wohlwollen der Zarenfamilie zurückgewinnen.

1730 wurde der aus Preußen stammende Johann Christoph Rieger Leibarzt der Zarin Anna. Nach der von ihm durch Verleumdung erwirkten Entlassung Johann Deodat Blumentrosts folgte er diesem auf dem Posten des Hofarztes und war bis 1732 in dieser Funktion tätig. Auf Erlass der Zarin wurde er zum Chef der Medizinischen Kanzlei sowie des gesamten Gesundheitswesens im Russischen Reich berufen. 1733 ließ er die Medizinisch-Chirurgischen Schulen des Petersburger Militärhospitals sowie der Hospitäler der Kronstädter und Petersburger Admiralität einrichten, an denen jeweils zehn Hilfsärzte und zwanzig Schüler tätig waren.

Am 1. Februar 1735 wurde Johann Christoph Rieger auf allen seinen Posten durch den in Lübeck geborenen Johann von Fischer (*1685, † 1772) abgelöst, der seine höhere medizinische Ausbildung in Halle, Jena und Leiden erhalten hatte. Fischer genoss das Wohlwollen der Zarin Anna, die ihn noch als Regentin von Kurland bereits 1725 zu Konsultationen eingeladen und als qualifizierten und kenntnisreichen Arzt kennengelernt hatte. Beim Auf- und Ausbau des russischen Gesundheitswesens zeigte Johann von Fischer herausragende organisatorische Fähigkeiten. In einem im August 1735 verfassten Bericht an die Zarin widmete er sich Fragen der Verbesserung der an der Moskauer Hospitalschule geleisteten Arbeit, der Beschaffung fehlender Lehrmittel sowie der Möglichkeit, die Zahl der dort behandelten Patienten sowie den Einfluss der medizinischen Beamten zu steigern. Ähnliche Maßnahmen wurden auch mit Blick auf die in St. Petersburg und Kronstadt bestehenden Hospitalschulen ergriffen. Auf Veranlassung Fischers wurden in Form Anatomischer und Botanischer Atlanten die ersten für die Hospitalschulen bestimmten Lehrbücher in Russland erstellt. Auf Betreiben Fischers bestätigte die Zarin am 24. Dezember 1735 das bereits im Jahr 1730 von Johann Deodat Blumentrost ausgearbeitete Generalreglement der Hospitäler, in dem alle die russischen Hospitäler und Hospitalschulen betreffenden Fragen sowie die Rechte und Pflichten der an diesen tätigen Ärzte, sonstigen Angehörigen des medizinischen Personals sowie der Kommissare, Schreiber, Handwerker und Arbeiter gesetzlich geregelt wurden. Als Hauptziele der Hospitäler wurden die Heilung der Patienten sowie die Ausbildung und Förderung der Mediziner und Ärzte definiert. Dabei sollten die Lehrer der Anatomie über ein angemessenes Anatomisches Theater verfügten, das sich für alle Formen der Lehre eignen und allen Anwesenden eine gute Sicht bieten sollte.

Auf Betreiben des Hofarztes Johann von Fischer ordnete der Senat am 10. Mai 1737 per Erlass an, „in allen in der Nähe von St. Petersburg und Moskau gelegenen Städten und insbesondere in Pskow, Nowgorod, Twer, Jaroslawl und anderen altangesehenen Städten nach Ermessen der Medizinischen Kanzlei „zur Behandlung der Krankheiten der Bürger Ärzte zu unterhalten“. Insgesamt wurden aufgrund dieses Erlasses 56 städtische Ärzte legitimiert, bei denen es sich zu einem Großteil um Deutsche handelte.

Auf persönlichen Erlass der Zarin wurde am 28. März 1736 das „Reglement über die Feldapotheken“ veröffentlicht, das die Gründung von vier Feldapotheken vorsah, die in Friedenszeiten in St. Petersburg (bzw. Wyborg), Moskau (bzw. Riga oder Smolensk), Lubny und Astrachan und in Kriegszeiten bei der Armee bestehen sollten, um die Garnisonen mit Medikamenten aus der Medizinischen Kanzlei, d.h. aus den hauptstädtischen Apotheken zu versorgen. Am 26. März 1738 rügte Johann von Fischer die Feldapotheken für deren Praxis, teure ausländische Medikamente zu verschreiben, obwohl vergleichbare Präparate zu deutlich günstigeren Preisen auch im eigenen Land zu erwerben waren. 1738 wurde in St. Petersburg ein eigens für die Behandlung der Armen zuständiger Arzt berufen, der in der Hauptapotheke täglich Dienst tun und den „Bedürftigen und Hilflosen kostenlos Medikamente verschreiben und ausgeben“ sollte. 1742 war Johann von Fischer angesichts der aus der Thronbesteigung Elisabeths I. resultierenden neuen politischen Rahmenbedingungen gezwungen, sich auf sein bei Riga gelegenes Landgut Hinterberg zurückzuziehen, wo er eine medizinische Praxis betrieb und der klinischen Medizin gewidmete Werke verfasste.

Noch unter Fischer erging im Jahr 1739 der Erlass, in St. Petersburg und Moskau Medizinische Ämter (Physikate) aufzubauen, deren als Stadtphysikus bezeichnete Leiter die folgenden Aufgaben erfüllen sollten: 1.) Einreichung von die Gesundheit der Bevölkerung betreffenden Vorschlägen bei der Regierung; 2.) Umsetzung des Verbots medizinischer Praxis von Seiten von Personen, die dazu nach dem Gesetz nicht berechtigt waren; 3.) Prüfung und Examination neu angekommener Ärzte; 4.) Aufsicht über die Tätigkeit der frei praktizierenden Ärzte; 5.) Gewährleistung einer ausreichenden Versorgung der Apotheken mit hochwertigen Medikamente; 6.) Prüfung der von im Gesundheitswesen tätigen Beamten eingereichten Klagen; 7.) kostenlose Behandlung von Invaliden und anderen Kranken.

Erster Moskauer Stadtphysikus war der in Königsberg geborene Johann Friedrich Schreiber (*1705, †1760), dessen Vater Michael Schreiber in seiner Geburtsstadt als Konsistorialrat, Theologieprofessor und Domprediger tätig war. Bereits im Alter von 16 Jahren besuchte Johann Friedrich Schreiber Vorlesungen zur Philosophie, Mathematik und Medizin an der Königsberger Universität. Im Jahr 1726 setzte er sein Studium in Frankfurt an der Oder, Leipzig und Leiden fort, wo er bei den bekannten Professoren Herman Boerhaave und Bernhard Siegfried Albinus studierte, eine lebenslange Freundschaft mit dem herausragenden Physiologen Albrecht Viktor Haller schloss und im Jahr 1728 zum Doktor der Medizin promovierte. Anschließend besuchte er Marburg, um dort den Philosophen und Aufklärer Wolff persönlich kennenzulernen, mit dem er zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehreren Jahren in Korrespondenz stand. Das Zusammentreffen veranlasste Schreiber, eine der Anwendung mathematischer Methoden in der Medizin gewidmete Arbeit zu verfassen, die er 1730 in Leipzig veröffentlichte. Anschließend war er auf Vermittlung des an der Universität Halle lehrenden Professors Friedrich Hoffmann vorübergehend am dortigen Lehrstuhl für Medizin und Philosophie tätig, trat allerdings schon wenig später in russischen Dienst, nachdem sich die Petersburger Medizinische Kanzlei mit der Bitte an Hoffmann (wie auch Herman Boerhaave) gewandt hatte, bei der Anwerbung von sechs Militärärzten behilflich zu sein. Auf Empfehlung Hoffmanns nahm Johann Friedrich Schreiber die Einladung an und war bis 1733 als Feldarzt bei der Division des Gouverneurs von Livland Peter Graf von Lacy tätig. 1734 nahm er an der Belagerung von Danzig und später im Zuge des Russisch-Osmanischen Kriegs auch an der Belagerung der Festung Asow teil. Schreiber war zweimal auf der Krim, wo er 1738 die Pest bekämpfte. Zum Lohn für seinen im Kriegsdienst gezeigten Eifer wurde er zum General-Stabsarzt und 1739 zum Stadtphysikus von Moskau befördert. Auf diesem Posten tat er im Verlauf der folgenden drei Jahre viel für das Moskauer Gesundheitswesen, strebte aber zugleich eine Professorentätigkeit an, um seine medizinischen Kenntnisse besser zur Geltung zu bringen. 1742 wurde er als „Doktor und Professor“ der Anatomie und Chirurgie an die bei den Petersburger Hospitälern bestehenden Medizinisch-Chirurgischen Schulen berufen, wo er bis zu seinem Lebensende mit großem Erfolg tätig war. Dank seiner herausragenden persönlichen Fähigkeiten, seiner profunden Kenntnisse und seiner großen praktischen Erfahrung praktizierte Johann Friedrich Schreiber auf dem höchsten Niveau der europäischen Medizin der Mitte des 18. Jahrhunderts, wovon auch sein am 3. Oktober 1731 bei der Petersburger Akademie der Wissenschaften eingereichter Bericht „Die Erforschung von Körper und Bewegung“, seine 1732 in Form einer Broschüre in Riga veröffentlichten Ergänzungen zu diesem Bericht sowie die von ihm verfassten Schriften „Historia vitae et meritorum Frederici Ruysch“ (Amsterdam, 1732) und „Argumentation der vor kurzem bestrittenen, heute aber bekräftigten Hypothese der Körperwallungen“ (St. Petersburg, 1735) zeugen. Große Bekanntheit erlangten Schreibers dem Ausbruch der Pest in der Ukraine gewidmeten „Observationes et cogitata de pestilentia, quae annis 1738 et 1739 in Ucrainia grassata est“, die 1740 in St. Petersburg, 1744 in lateinischer Sprache in Berlin, 1750 in einer korrigierten und ausgeweiteten lateinischen Ausgabe in St. Petersburg und 1852 in der Übersetzung von Paul Friedrich Garmenea auf Deutsch erschienen. 1744 wurde in Göttingen der „Brief Johann Friedrich Schreibers an seinen alten Freund, ruhmreichen Hofarzt und berühmten Göttinger Professor Haller“ veröffentlicht, in der sich Schreiber der „von A. Johann Stevens gegen Nieren- und Blasensteine verabreichten, aber wirkungslosen und schädlichen Medizin“ widmete.

Seine am Hospital geleistete Lehrtätigkeit stützte Johann Friedrich Schreiber auf eigene Beobachtungen. Als Lehrmaterial diente ihm seine 1756 in Leipzig in deutscher Sprache veröffentlichte Schrift „Anweisung zur Erkenntnis und Kur der vornehmsten Krankheiten des menschlichen Leibes“, die sowohl in Russland als auch im Westen lange Zeit als eines der besten Lehrbücher zur Pathologie, Diagnostik und Therapie galt und 1768 von Pjotr Pogorezki aus dem Deutschen ins Lateinische übersetzt und mit einem Vorwort und Ergänzungen zu Frauen- und Kinderkrankheiten versehen in Moskau erschien. 1781 wurde das von Schreiber und Pogorezki verfasste Werk (ohne Angabe der Autoren) von Nestor Maximowitsch-Ambodik ins Russische übersetzt und unter dem Titel „Handreichung zur Erkennung und Behandlung von äußeren und inneren Erkrankungen des Menschen mit einem den Hauptleiden des weiblichen und kindlichen Körpers gewidmeten Zusatz“ in einer zweibändigen Ausgabe in St. Petersburg veröffentlicht. Im Jahr 1757 veröffentlichte Johann Friedrich Schreiber die Einleitung sowie den der medizinischen Physiologie gewidmeten ersten Teil einer von ihm geplanten medizinischen Enzyklopädie. Darüber hinaus schrieb Schreiber regelmäßig über seine im Bereich der Anatomie sowie in der Praxis gemachten Erfahrungen und veröffentlichte das entsprechende Material in den Publikationen der Petersburger Akademie der Wissenschaften.

1735 trat der in der Lausitz geborene und im Jahr 1735 an der Universität Leipzig zum Doktor der Medizin promovierte Arzt Traugott Gerber in den russischen Dienst und wurde zum Direktor des Apothekengartens (heute - Botanischer Garten der Universität Moskau) ernannt. Er unternahm zahlreiche der Erforschung der in Russland vorkommenden Heilkräuter dienende Reisen, die ihn unter anderem an die Wolga, den Don und die Schwarzmeerküste führten, und legte das von ihm zusammengetragene Material in zwei Aufsätzen ausführlich dar. Als während des Russisch-Türkischen Kriegs fast alle Moskauer Ärzte zur Feldarmee mobilisiert wurden, übertrug der Hofarzt Johann von Fischer Traugott Gerber die Leitung des Moskauer Hospitals und des an der Hospitalschule betriebenen anatomischen und chirurgischen Lehrbetriebs.

1758 kam der in Wyborg geborene und im Jahr 1755 an der Universität Jena zum Doktor der Medizin promovierte Arzt Johann Jaenisch nach Petersburg, wo er als Assistenzarzt am Admiralitätshospital tätig war, an beiden Petersburger Hospitälern Vorlesungen zur Anatomie hielt und den der Präparierung sowie dem Gebrauch von Bandagen gewidmeten Unterricht leitete (Prosektor war Christoph Jacob von Mellen, dessen Assistent A. Pfeffer). Von 1762 an lehrte er in deutscher Sprache theoretische Chirurgie und praktische Medizin. Sein bekanntestes Werk ist die „Kurze Geschichte und Beschreibung des besten Mittels der Pockenimpfung“, das 1768/69 in deutscher Sprache in St. Petersburg, 1794 in russischer Sprache und 1795 in französischer Sprache erschien.

In der Regierungszeit Elisabeths I. (1741-62), deren besondere Sorge dem Bevölkerungswachstum, dem Fortbestand der Zarendynastie und der Ausbildung medizinischer Fachkräfte galt, wurden 1757 in Moskau und St. Petersburg Geburtshilfeschulen eröffnet. Zur „Schulung der Entbindungsfrauen und Hebammenschülerinnen“ wurde der in Straßburg geborene Johann Erasmus nach Moskau eingeladen, der seine medizinische Ausbildung an den Universitäten in Straßburg und Jena erhalten hatte und 1747 seine Fragen schwerer Geburten gewidmete Dissertation verteidigt hatte. In den Jahren 1757-77 war er als Professor und „Doktor für Frauenangelegenheiten“ an der Moskauer Geburtshilfeschule tätig. 1762 veröffentlichte er eine „Belehrung, welche Diät jeder Mensch und insbesondere Frauen in der Schwangerschaft und nach der Geburt halten sollen“. 1765 führte Erasmus die erste Zangengeburt in Russland durch.

Ein weiterer in Russland tätiger Geburtsarzt war Erasmus' Assistent Johann Pagenkampf, dessen Vater im Russisch-Türkischen Krieg von 1738 als Feldarzt in russischen Diensten stand und dessen Mutter Hebamme war. Pagenkampf war ein erfahrener Arzt, der von 1721 an als Hofchirurg Katharinas II., von 1732 an als Militärarzt, von 1737 als Operateur am Moskauer Hospital und von 1738 an erneut als Hofchirurg tätig war und neben der deutschen und der lateinischen Sprache auch Russisch sprach, so dass er Erasmus bei dessen Unterricht und in der Kommunikation mit den Studenten wertvolle Hilfe leisten konnte. Mit der von I.Gor verfassten Abhandlung „Die Hebamme oder verlässliche Belehrung durch Fragen und Antworten, wie man einer mit einer Frucht gesegneten Frau Hilfe leistet“ (Moskau, 1764) übersetzte er erstmals ein der Geburtshilfe gewidmetes wissenschaftliches Werk aus dem Schwedischen ins Russische.

Nach Pagenkampfs plötzlichen Ableben wurde der zuvor im Asowschen Infanterieregiment dienende Militärarzt Karl Gustav Bergmann auf Empfehlung des Stabsarztes und Mitglieds des Medizinischen Kollegiums Johann Wulf im Jahr 1765 sein Nachfolger, der wiederum im Jahr 1791 von dem aus Brandenburg stammenden Stabsarzt Johann Kreusel abgelöst wurde, der seine medizinische Ausbildung in Berlin erhalten hatte und von 1789 an als Arzt bei der Moskauer Gouvernementsverwaltung tätig war. Bis zu deren im Jahr 1802 erfolgten Umwandlung zum Institut für Geburtshilfe blieb Kreusel als Geburtshelfer an der Hebammenschule tätig. 1792 veröffentlichte er eine „Belehrung für sich in der Kunst der Geburtshilfe übende Anfänger“.

Die Moskauer Hebammenschule hatte nur wenige Absolventinnen. So erhielten in den ersten zwanzig Jahren ihres Bestehens gerade einmal 35 Schülerinnen den Titel einer „vereidigten Hebamme“, unter denen wiederum nur fünf Russinnen waren.

In den Jahren 1757-81 war der aus Reval stammende Andrei Lindemann, der an der Universität Göttingen Medizin studiert hatte, 1755 mit einer Fragen der Geburtshilfe gewidmeten Dissertation promovierte und anschließend in Berlin und Straßburg tätig war, Professor an der Petersburger Geburtshilfeschule. Sein Assistent war der aus Holland stammende Christoph Jacob von Mellen, der im Unterschied zu Andrei Lindemann und Johann Erasmus des Russischen mächtig war.

Am 14. Februar 1763 ordnete die Medizinische Kanzlei an, dass jeweils sechs in den Moskauer und Petersburger Hospitälern tätige Ärzte bei auf „Frauenangelegenheiten“ spezialisierten Doktoren Vorlesungen besuchen sollten, um das Handwerk der Geburtshilfe zu erlernen. Johann Erasmus und Andrei Lindemann wurden verpflichtet, ihre für die Ausbildung von Hebammen bestimmten Vorlesungen in russischer Sprache zu halten, um die Zahl der Schülerinnen auf diese Weise zu steigern. Darüber hinaus sollten sie die Unterärzte nicht nur in Geburtshilfe, sondern auch in Frauen- und Kinderkrankheiten unterweisen. Dies sollte zudem nicht mehr bei ihnen zu Hause, sondern in den Hospitalschulen erfolgen. Im Zuge der Umsetzung dieser Anordnung wurden zahlreiche qualifizierte Geburtshelfer ausgebildet.

Katharina II., die am 22. September 1762 nicht zuletzt dank der Hilfe der Garderegimenter auf den russischen Thron gelangt war, sorgte sich vor allem um die Bedürfnisse des Militärs. Bereits am 9. November 1762 wies sie in einem an die Medizinische Kanzlei gerichteten Schreiben darauf hin, dass der in den Regimentern zu verzeichnende Mangel an Ärzten und Hilfsärzten in Kriegszeiten dazu führte, dass viele verwundete Soldaten unnötige Qualen und Verstümmelungen erlitten oder gar infolge ausbleibender Hilfe vor ihrer Zeit das Leben verlören, und ordnete an, für die im medizinischen Dienst der Armee einzuleitenden Reformen entsprechende Pläne auszuarbeiten.

Für die Umsetzung dieser Anweisung war Johann Jacob Lerche (*1703, †1780) verantwortlich, der dem zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbenen Hofarzt Pavlos Condoidis „bei der Leitung der Medizinischen Kanzlei“ assistiert hatte und diese vorübergehend leitete. Der in Potsdam geborene und 1730 in Halle zum Doktor der Medizin promovierte Johann Jacob Lerche war ein hochqualifizierter Arzt mit langer Arbeitserfahrung in der Truppe, der im Jahr 1731 in russischen Dienst getreten war, wo er zunächst im Astrachaner Korps tätig war und während des Russisch-Türkischen Kriegs als Stabsarzt zur in Asow stationierten Armee General Peter Graf von Lacys versetzt wurde. Nach dem Ende des Krieges wurde Lerche an den Donez und nach Charkow kommandiert, um die dort ausgebrochene „gefährliche Krankheit“ zu bekämpfen. 1741 kam er an das Petersburger Generalhospital des Heeres, wurde aber 1742 erneut zu Feldmarschall Lacy entsandt, in dessen Gefolge er am Krieg gegen Schweden teilnahm. In den Jahren 1745-50 gehörte er zum Gefolge der russischen Gesandtschaft in Persien. 1750 wurde er auf den Posten des Moskauer Stadtphysikus und des Vorsitzenden des Moskauer Medizinischen Kontors berufen und sollte die Aufsicht über die Moskauer Hauptapotheke und den Medizinischen Garten führen. 1751 wurde er nach St. Petersburg versetzt, wo er als Stadtphysikus und „medizinischer Konsultant des Direktors der Medizinischen Kanzlei Burgaw“ für alle medizinischen Angelegenheiten verantwortlich war. Bis zu seinem Lebensende blieb er Stadtphysikus und wurde in diesem Rang 1764 „für sein entschlossenes Vorgehen zur Beendigung der in der Provinz Kjumi ausgebrochenen gefährlichen Krankheit“ zum Kollegienrat befördert. Nach dem Tod des Direktors der Medizinischen Kanzlei Pavlos Condoidis ordnete der Regierende Senat am 15. September 1760 an, die laufenden Geschäfte der Medizinischen Kanzlei an Doktor Lerche zu übertragen, der seine Beobachtungen und Erfahrungen in den im Jahr 1771 in Moskau erschienenen „Anmerkungen und Belehrungen zum Schutz vor ansteckenden Krankheiten“ zusammenfasste und an der Herausgabe der 1772 in Riga erschienenen deutschsprachigen „Sammlung verschiedener Informationen über die Pest, deren Verhinderung und der ergangenen Erlasse und Anordnungen sowie der entsprechenden Schutzmaßnahmen“ beteiligt war. 1791 erschien in Halle posthum die deutschsprachige „Lebens- und Reisegeschichte von Johann Jacob Lerche, von diesem selbst beschrieben“, in der dieser auf 488 Seíten nicht nur seine vielseitigen Tätigkeiten, sondern auch die zur Bekämpfung der Epidemie und zur Lösung anderer medizinischer Probleme ergriffenen Maßnahmen beschrieb.

Lerches Sachverstand und große Erfahrung machten ihn zu einem unverzichtbaren Berater Katharinas II., die ihm Ende Januar 1763 den Auftrag erteilte, einen den „Einsatz von Doktoren, Ärzten und anderen medizinischen Rängen sowie die Einrichtung von mit entsprechenden Bediensteten ausgestatteten Feldapotheken bei der Armee Ihrer Kaiserlichen Hoheit in Friedens- und Kriegszeiten“ betreffenden Plan zu verfassen, der nicht nur eine bessere Ausstattung der Armee mit medizinischem Personal und Material, sondern auch eine bessere Ausbildung der an den Hospitalschulen einzusetzenden Lehrkräfte vorsah, wofür diese für bis zu sechs Jahre an ausländische Hospitäler „nach Straßburg, Wien oder andere in Deutschland gelegene Orte“ entsandt werden sollten. Der Plan wurde bestätigt und in den folgenden Jahren umgesetzt.

Zu den Personen, die den Plan umsetzen sollten, gehörte auch Lerches in St. Petersburg geborener Sohn Christoph Casimir Lerche (*1749, † 1825), der in Berlin, Straßburg und Göttingen Medizin studiert hatte, wo er 1777 auch zum Doktor der Medizin promovierte. Nachdem er 1778 in Petersburg die zur Zulassung für die ärztliche Praxis in Russland benötigte Prüfung abgelegt hatte, wurde Christoph Casimir Lerche Militärarzt der Petersburger Division, von wo er an die Zweite Einheit der Finnländischen Armee überstellt wurde. 1795 wurde Lerche als General-Stabsarzt der unter dem Kommando von Graf Nikolai Saltykow in Finnland und St. Petersburg stationierten Truppen bestätigt, nach deren Auflösung er als Militärarzt an die St. Petersburger Division überstellt und am 13. Februar 1797 dem Hofstaat des Erbprinzen Alexander Pawlowitsch zugeschrieben wurde.

Am 12. November 1763 gründete Katharina II. das Medizinische Kollegium, das die Medizinische Kanzlei als höchstes Verwaltungsorgan des Gesundheitswesens ersetzen und „alle ärztlichen Angelegenheiten im Russischen Reich führen sowie die Kenntnis der ärztlichen Wissenschaft, der Chirurgie und aller dazugehörigen Teile“ in Russland verbreiten sollte. Zu diesem Zweck sollten auch in Russland hochqualifizierte Ärzte ausgebildet werden. Am 9. Juni 1764 erhielt das Medizinische Kollegium das Promotionsrecht. 1786 wurden die bei den Hospitälern des Heeres und der Admiralität bestehenden Schulen zur ersten medizinischen Hochschule Russlands zusammengelegt (St. Petersburger Medizinische Haupt-Lehranstalt, ab 1808 Kaiserliche Medizinisch-Chirurgische Akademie, ab 1881 Militär-Medizinische Akademie). Die in Moskau und Kronstadt bestehenden Hospitalschulen wurden zu Medizinisch-Chirurgischen Lehranstalten, bei denen jeweils vier von ordinierten Professoren geleitete Lehrstühle eingerichtet wurden. Als Professoren wurden unter anderem Jakob Rinder (Anatomie, Chirurgie und Physiologie), Johann Hildebrandt und Friedrich Stefan (Botanik, Geschichte der Medizin und Chemie) in Moskau, Peter Hofman (Pathologie, Therapie und medizinische Praxis) in Petersburg sowie Johann Ringebreut (Anatomie, Physiologie und Chirurgie) und Karl Born (Botanik, Medizin und Chemie) in Kronstadt berufen. Als Ziele der neu gegründeten Lehranstalten wurden 1.) die Ausbildung und Bereitstellung des für Flotte und Heer, die Gouvernements und weitere Orte benötigten medizinischen Personals sowie 2.) die Einführung neuer Lehrmethoden an den chirurgischen Schulen sowie die „Promotion russischstämmiger Personen in den Doktorenstand zur Besetzung von ihren Kenntnissen entsprechenden Stellen“ ausgerufen.

Diese von Katharina II. verfolgte Politik sollte schon bald Früchte tragen. Hatte der Anteil der Russen unter den Ärzten und Hilfsärzten 1740 noch bei gerade einmal 3% bzw. 17% gelegen, stieg die Zahl der russischen Ärzte unter Katharina II.auf 15%. Ende des 18. Jahrhunderts stellten die russischen Militärärzte mit einem Anteil von bis zu 55 % (48,1% in der Flotte, 60% in der Armee) bereits eine recht große Gruppe. Im Jahr 1803 verfügte das Land bereits über 1.625 Ärzte, unter denen Ausländer noch immer eine große Rolle spielten. So waren unter den insgesamt 107 Ärzten, Hilfsärzten und Stabsärzten, die im Jahr 1799 an Suworows Alpenfeldzug teilnahmen über zwanzig Deutsche (unter anderem Karl Dawydowitsch Adari, Karl Andrejewitsch Andersen, Samuil Iwanowitsch Bak, Iwan Christianowitsch Bachman, Benninghausen, Iwan Iwanowitsch Witniben, Jakob Iwanowitsch Helschert, Iwan Iwanowitsch Gut, Philipp Iwanowitsch Daniel, Iwan Janowitsch Jerke, Karol Stepan Kraus, Karl Heinrich Kriten, Karl Dawydowitsch Lauk, Bernhard Michel, Grigori Iwanowitsch Stark, Heinrich Wilhelm Strede, Adam Franzewitsch Topolnizki, Iwan Iwanowitsch Schröder, Anton Franzewitsch Steikert, Andrei Pawlowitsch Strolman, Michail Martinowitsch Stobius, Iwan Schulz und Iwan Welzin).

Einer der aktivsten deutschen Ärzte war der aus Rostock stammende Martin Minderer († 1812), der in Lübeck eine Ausbildung zum Hilfsarzt erhalten hatte, 1766 an das St. Petersburger Haupthospital des Heeres kam und später zusammen mit den deutschen Kolonisten nach Saratow entsandt wurde. 1769 wurde er zum Militärarzt befördert und diente als Regimentsarzt sowie im Ismailower Feldhospital. 1775 war er in der Saporoger Sitsch, als dort eine Pestepidemie ausbrach. 1780 wurde er an das Hospital in Riga berufen. Während der im Jahr 1788 in der Türkei wütenden Pestepidemie verfasste er ein vor allem an junge Ärzte gerichtetes Buch über die Pest, für das ihm in Jena der Doktortitel verliehen wurde. 1789 wurde er an das Kiewer Feldhospital kommandiert, wo er als Stabsarzt tätig war. 1792 wurde er als Generalstabsarzt nach Polen kommandiert, wo er in Polozk und Wilna Hospitäler aufbaute. Später wurde er zum Ehrenmitglied des Medizinischen Kollegiums und Inspektor der Medizinischen Verwaltung der Sloboda-Ukraine gewählt. 1799 war Martin Minderer Chefarzt am Moskauer Generalhospital. Er verfasste einen für die Bezirksärzte bestimmten Aufsatz „Über die Sammlung und Bestimmung von Pflanzen“, der am 7. September 1798 vom Medizinischen Kollegium gebilligt wurde und in den Gouvernements zur Erstellung regionaler Kräuterbücher genutzt werden sollte. 1769 veröffentlichte Minderer in Jena eine der Bekämpfung der Pest gewidmete deutschsprachige Forschungsarbeit („Über die Pest und Mittel ihrer Bekämpfung, gegründet auf Theorie und Praxis“).

1774 erhielt der aus Reval stammende Heinrich Frese, der in Berlin, Paris, London und Leiden studiert hatte und 1772 mit einer der Fötus-Extraktion bei Fehlgeburten gewidmeten Dissertation promovierte, seine Approbation und trat seinen Dienst im Gouvernement Mogiljow an. 1775 wurde er an die Finnische Division überstellt und im gleichen Jahr als Lehrender Arzt an das Moskauer Generalhospital versetzt, wo er Physiologie, Pathologie, Allgemeinmedizin und Medikamentenkunde lehrte. 1783 reichte er beim Medizinischen Kollegium zwei Geschwüren und Brüchen gewidmete Darstellungen ein, für die ihm der Professorenrang verliehen wurde. 1797 schlug Heinrich Frese dem Chefdirektor des Medizinischen Kollegiums Baron Alexei Iwanowitsch Wassiljew die Gründung eines der exakten Erfassung der in Moskau zu verzeichnenden Geburten und Sterbefälle dienendes Statistischen Institut vor, für das er im Fall einer Billigung des Projekts unentgeltlich entsprechende Daten zusammenstellen wollte. Das Medizinische Kollegium stufte das Projekt als nutzbringend ein, woraufhin Frese zum Ehrenmitglied gewählt wurde.

Heinrich Freses ebenfalls in Reval geborener Bruder Jakob Frese promovierte in Leiden mit einer „Seelischen Störungen“ gewidmeten Dissertation und war als Stabsarzt bei der Flotte tätig. Nach der Gründung der bei den Gouvernementsverwaltungen angesiedelten Medizinischen Ämter wurde er auf höchste Weisung auf den Posten des Inspektors der Gesundheitsverwaltung des Gouvernements Wologda berufen. Darüber hinaus war er mit medizinischer Statistik befasst und wurde im Jahr 1797 für seine Aufsätze zum Ehrenmitglied des Medizinischen Kollegiums gewählt. 1799 reichte er beim Medizinischen Kollegium seine „Physikalisch-Medizinische Beobachtungen und Konsistorien“ und 1800 seine „Tabellen der Bevölkerungsentwicklung im Gouvernement Wologda im Jahr 1800“ ein, die Angaben zu den klimatischen Bedingungen, den Geburten- und Sterbezahlen sowie zur durchschnittliche Lebenserwartung enthielten. Das Medizinische Kollegium leitete seine Tabellen an alle medizinischen Ämter weiter, damit sich diese an seiner Arbeit orientieren konnten. Im Jahr 1800 sandte Frese zudem eine „Physikalisch-Medizinische Karte des Gouvernements Wologda“ an das Medizinische Kollegium, wofür er ein Dankesschreiben erhielt.

Im Jahr 1783 trat der aus Brandenburg stammende Karl Friedrich Born († 1798), der an den Universitäten Berlin und Göttingen studiert und 1784 mit einer dem „eitrigen Magenfieber“ gewidmeten Dissertation zum Doktor der Medizin promoviert hatte, in russische Dienste. In den Jahren 1783-85 war er als Arzt am St. Petersburger Obuchow-Krankenhaus und in den Jahren 1785-87 als Bezirksarzt in Roschdestwenskoje (Gouvernement Petersburg) tätig. Im Laufe seines Arbeitslebens sammelte er nicht nur große Erfahrung als Arzt, sondern erlernte auch die russische Sprache. 1785 legte er gegenüber dem Medizinischen Kollegium einen Nachweis seiner Qualifikation ab, woraufhin dieses seinen Doktortitel bestätigte. Im Jahr 1787 wurde Karl Friedrich Born als Professor für Anatomie, Physiologie und Chirurgie an die Kronstädter Medizinisch-Chirurgische Lehranstalt berufen und begann später auch Pathologie und Allgemeinmedizin in russischer Sprache zu lehren. 1793 kehrte er im Gouvernement Nowgorod zur praktischen ärztlichen Tätigkeit zurück. 1794 wurde er für die „anatomisch-physiologische Observation“ und die „exakte Beschreibung der in der Statthalterschaft Nowgorod wachsenden Pflanzen“ Ehrenmitglied des Medizinischen Kollegiums. 1795 zog Karl Friedrich Born nach Moskau, wo er als Professor für Geburtshilfe und Frauenheilkunde an der Moskauer Medizinisch-Chirurgischen Lehranstalt tätig war.

Borns wichtigstes Werk war eine den Wohnbedingungen in Steinhäusern gewidmete Arbeit, die er für einen 1787 von der Freien Ökonomischen Gesellschaft veranstalteten Wettbewerb einreichte, der der Frage gewidmet war, ob und aus welchen Gründen Steinhäuser gesundheitsschädlich seien. Auf Grundlage einer vergleichenden Analyse der in verschiedenen europäischen und russischen Städten errichteten Steinbauten, bewertete Born die in St. Petersburg gemachten Erfahrungen positiv und gab mit Blick auf die in den Wohnungen herrschenden sanitären Bedingungen wissenschaftlich fundierte Empfehlungen ab. Für seine Arbeit wurde Born der erste Preis und eine goldene Medaille verliehen.

Unter Katharina II. wurden in Russland die Grundlagen für die Gründung großer ziviler Krankenhäuser gelegt. Sechs Monate nach ihrer Thronbesteigung nahm sie im Senat an der Erörterung eines „der weiten Verbreitung der Syphilis“ gewidmeten Vortrags teil, woraufhin der Senat am 30. Dezember 1762 eine Anweisung folgenden Inhalts an die Medizinische Kanzlei sandte: „In Anwesenheit ihrer Majestät der Kaiserin wurde im Regierenden Senat der Umstand erörtert, dass in vielen russischen Städten zahlreiche Menschen an ansteckenden Krankheiten leiden, die sie sowohl infolge des an diesen Orten herrschenden Mangels an fähigen Medizinern und Ärzten als auch aus Scham verbergen, weswegen diese äußerst schädlichen Krankheiten auf ganze Familien übergreifen und zahlreiche unschuldige und vor allem auch sehr junge Leben vorzeitig beenden.“ Aus diesem Grund habe der Regierende Senat auf Weisung ihrer Majestät der Kaiserin befohlen, in den Städten eigene Häuser einzurichten und mit einer ausreichenden Zahl an Ärzten auszustatten, die den Patienten entsprechende Medikamente verabreichen. Um den Patienten zu ermöglichen, die entsprechenden Einrichtungen ohne Aufsehen aufzusuchen, sollten die Ärzte angewiesen werden, die Patienten anonym zu behandeln.

Am 23. Februar 1763 teilte Johann Jacob Lerche dem Senat die „Meinung der Medizinischen Kanzlei“ mit und ging dabei ausführlich auf alle Betrieb und Unterhalt der neu zu gründenden Häuser betreffenden Fragen ein. So sollten Mittellose unentgeltlich behandelt, „nach Gutdünken der Ärzte aufgenommen und während ihrer Behandlung kostenlos versorgt werden“. Mit diesen wohldurchdachten Dokumenten begann in Russland der Aufbau eines der Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten dienenden, die anonyme Behandlung entsprechender Patienten garantierenden Gesundheitssystems.

Am 2. Mai 1763 ordnete der Senat an, das als „Einrichtung für gefallene Mädchen“ genutzte Petersburger „Kalinkin-Haus“ zu einem venerologischen Krankenhaus umzubauen, das als Kalinkin-Krankenhaus in die Geschichte eingehen sollte. Die meisten der in dem zunächst von Stabsarzt Johann Schyttenius geleiteten Krankenhaus tätigen Ärzte waren Deutsche. Die Einrichtung wurde auch als „geheimes Krankenhaus“ bezeichnet, da die Behandlung anonym erfolgte, die Patienten nur als Nummer registriert wurden und zuweilen sogar eine Maske trugen. Von 1763 an wurden auch in der außerhalb der Hauptstädte gelegenen Provinz „Syphilis- und Pocken-Häuser“ errichtet, um die zu jener Zeit in den Städten grassierenden Geschlechtskrankheiten zu bekämpfen. Einer der herausragenden Chefärzte des Kalinkin-Krankenhauses war Eduard Leonard Sperk (*1837, †1894), der in der Einrichtung zahlreiche Reformen einleitete, Willkür und Strenge durch humane Prinzipien ersetzte, die Registrierung nach einem Kartensystem einführte und eine kostenlose Ambulanz zur Behandlung von Männern, Frauen und Kindern einrichtete. Im Jahr 1888 wurde eine ausschließlich für männliche Patienten bestimmte Abteilung eingerichtet. Sperk war in Wissenschaft und Lehre aktiv und richtete im Jahr 1874 einen für die Schülerinnen der Suworow-Geburtshilfeschule bestimmten Dermatologiekurs ein, den er selbst bis 1890 leitete.

Um Gott für die Heilung des schwer erkrankten Kronprinzen Pawel zu danken, wurde auf Erlass vom 6. Juni 1763 das in der Nähe des Moskauer Danilow-Klosters gelegene Pawel-Krankenhaus gegründet, in dem mittellose Patienten beiderlei Geschlechts während und nach ihrer Behandlung auf Kosten ihrer Majestät unentgeltlich mit Medikamenten, Fürsorge, Kost, Kleidung, Bettzeug und allem anderen versorgt werden sollten. Erster Chefarzt des Krankenhauses war in den Jahren 1763-65 der in Moskau bekannte französische Internist Leclerce, auf den die deutschen Ärzte Kuhlman (1765-66), Johann Friedrich Erasmus (1771-77), Ignaz Josef Wetsch (1777-79), Joachim Rauschert (1779-96), Friedrich Joseph Haass (1807-12), Dasch (1812-25), Fjodor Iwanowitsch Herzog (1825-32), Gustav Loewenthal (1832-64) und Alexander Loewenthal (1864-85) folgten.

Am 12. August 1775 wies Katharina II.den Moskauer Oberpolizeimeister Nikolai Archarow an, im Zuständigkeitsbereich der örtlichen Polizei ein Kranken- und Armenhaus einzurichten, da es unter den in der Stadt vagabundierenden Bettlern viele alte, versehrte und kranke Leute gebe, die nicht selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen könnten und niemandem gehörten, der sich um sie kümmere. Von der Barmherzigkeit sollten Arme und Obdachlose, über keinerlei Einkünfte verfügende frühere Soldaten, Staatsbedienstete und Geistliche und deren Ehefrauen sowie Versehrte und Alte beiderlei Geschlechts profitieren. Am 19. Juni 1776 wurde in Moskau feierlich das über 150 Betten verfügende Katharinenkrankenhaus eröffnet, das von Anfang an als Volksklinik konzipiert war und für die ärztliche Versorgung der ärmsten Bevölkerungsschichten zuständig sein sollte. Im Jahr 1777 wurde unter dem Dach des Krankenhaus ein Pockenkomitee gegründet, das Pockenimpfungen in ganz Russland organisieren sollte. Die ersten am Katharinenkrankenhaus tätigen Chefärzte waren Stabsarzt Jakob Sundblatt (1783-1810) und Fjodor Iwanowitsch Grawe (1811-20). Nach Grawes Tod trat der in St. Petersburg geborene Andrei Iwanowitsch Pohl (*1794, †1865) dessen Nachfolge an, der im Jahr 1815 die St. Petersburger Medizinisch-Chirurgische Akademie abgeschlossen hatte, wo er zu den Lieblingsschülern von Professor Johann-Peter Friedrich Busch gehörte. Anschließend war er zweieinhalb Jahre unter der Leitung von Christoph Casimir Lerche als außerplanmäßiger Assistenzarzt in der Chirurgie des Obuchow-Krankenhaus sowie als Hausarzt hoher St. Petersburger Würdenträger tätig. In den Jahren 1817-19 besuchte Pohl Universitäten, Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen in Wien, Berlin, Paris, London und Neapel. Nach seiner Rückkehr nach Russland war er als Hausarzt der Familie des Fürsten Dmitri Golitzyn tätig, der ihn nach seiner Ernennung zum Moskauer Generalgouverneur auf den vakanten Posten des Chefarztes des Katharinenkrankenhauses berief, das unter seiner Leitung zu einem der besten Krankenhäuser jener Zeit wurde. Pohl richtete eine chirurgische Abteilung ein und führte die meisten Operationen selbst durch. Für seine Operationsberichte und seine dem Thema „Commentatio de tumore lymphatico“ gewidmete Dissertation wurde er 1825 zum Doktor der Medizin und Chirurgie promoviert. Im Jahr 1829 führte Pohl an einem an einem neurysmatischem Geschwür leidenden Patienten erfolgreich eine zu diesem Zeitpunkt einzigartige „Abschnürung der äußeren Beckenarterie“ durch. Besonderen Ruhm erlangte Pohl für die operative Heilung von Harnsteinen durch Steinschnitt (Lythotomie) und Steinbruch (Lythotripsie).

Aus der Chirurgischen Abteilung des Katharinenkrankenhauses ging 1825 die Chirurgische Klinik der Moskauer Medizinisch-Chirurgischen Akademie hervor. Im Jahr 1833 wurde Pohl Professor am dortigen Lehrstuhl für Chirurgie, den er in den folgenden zwölf Jahren leitete. Auf Pohls Initiative wurde für die zuvor im alten Gebäude untergebrachten Patienten der Chirurgie mit Unterstützung des Generalgouverneurs das am Petrowski-Tor gelegene Haus des Fürsten Gagarin erworben, in das im Jahr 1835 das Neue Katharinenkrankenhaus einzog. Nach der im Jahr 1844 erfolgten Auflösung der Medizinisch-Chirurgischen Akademie wurde das Neue Katharinenkrankenhaus zum Universitätsklinikum, dessen stationäre Chirurgie Pohl bis 1859 leitete. Herausragende Erfolge erzielte die Klinik im Bereich der Erforschung der Wirkung von Schmerz- und Betäubungsmitteln (Äther und Chloroform) sowie bei der im Dezember 1847 von Pohl erstmals in Russland durchgeführten Operation eines Steinschnitts unter Chloroformnarkose. Andrei Pohl zeichnete sich als hervorragender Organisator, Chirurg und Pädagoge aus.

Die der Gründung des Alten Katharinenkrankenhauses zugrundeliegende humanitäre Tradition wurde von dem Arzt und Humanisten Friedrich Joseph Haass fortgesetzt, einem engen Freund und Mitstreiter Pohls, den dieser bereits 1825 eingeladen hatte, sich an der Bekämpfung der im Moskauer Butyrka-Gefängnis ausgebrochenen Typhusepidemie zu beteiligen. Nachdem sie in der Pokrowski-Kaserne ein für die Erkrankten bestimmtes Lazarett eingerichtet hatten, gelang es den beiden Ärzten, der Epidemie ein Ende zu setzen. Im Rahmen dieser Tätigkeit wurde Friedrich Joseph Haass erstmals auf die in den russischen Gefängnissen herrschenden Haftbedingungen aufmerksam, die sein Mitgefühl für die Häftlinge weckten. Im gleichen Jahr wurde er Stadtphysikus des Moskauer Medizinischen Kontors. Nachdem er 1829 zum Hauptarzt der Moskauer Gefängnisse berufen worden war, war ihm auch das beim Festungsgefängnis bestehende Krankenhaus unterstellt. 1832 richtete er beim auf den Sperlingsbergen gelegenen Überführungsgefängnis ein Krankenhaus ein.

Nach dem Umzug des Katharinenkrankenhauses in das am Petrowski-Tor gelegene neue Gebäude und seiner Überstellung in die Zuständigkeit des Moskauer Generalgouverneurs wurden dort Patienten aus dem Festungsgefängnis (Butyrka-Gefängnis) und im Arbeitshaus untergebrachte Obdachlose behandelt. Friedrich Haass zog in eines der zwölf Gebäude des Alten Katharinenkrankenhauses, dessen Chefarzt er 1835 wurde. Im Jahr 1841 erhöhte das Alte Katharinenkrankenhaus seine Kapazität im Zuge einer neuerlich ausgebrochenen Typhusepidemie auf 400 Betten und war nicht mehr nur für die Insassen der Gefängnisse und Armenhäuser, sondern ganz allgemein für die ärmsten Bevölkerungsschichten zuständig. Als es 1844 zum Krankenhaus für ungelernte Arbeiter wurde, mussten die Häftlinge aus den meisten Räumen weichen. Im Jahr 1845 baute Haass das Polizeikrankenhaus auf, in dem er anschließend auch als Chefarzt tätig war (im Volksmund hieß es Haass-Krankenhaus). Auf sein Betreiben hin wurden dort Patienten aufgenommen, „die in hilflosem Zustand von der Straße aufgelesen wurden... von Pferden überfahren und verletzt wurden, mit irgendeinem Gift vergiftet wurden, von irgendwelchen Tieren gebissen wurden, verbrüht, verbrannt wurden, Ertrunkene, Erfrorene, mit Schlagwunden, Brüchen und Verrenkungen“. Faktisch gründete Haass somit den Prototyp eines Erste Hilfe-Krankenhauses.

Bereits unter Peter III. wurden die ersten für psychisch Kranke bestimmten Fürsorgeeinrichtungen gegründet. Einen Bericht des Senats vom 20. April 1762 versah Peter III. mit einem handschriftlichen Vermerk, dem zufolge „Verrückte nicht ins Kloster gesteckt, sondern für diese eigene Häuser in der Art der im Ausland gegründeten Tollhäuser eingerichtet werden“ sollten (der Begriff „Tollhaus“ fand als Bezeichnung für psychiatrische Anstalten erstmals im Jahr 1649 in Frankfurt Verwendung). Nachdem sich der Senat bei der Akademie der Wissenschaften nach den „in den ausländischen Staaten gegründeten Tollhäusern erkundigt hatte, legte der der Akademie der Wissenschaften angehörige Historiker Gerhardt Friedrich Müller dem Senat einen ausführlichen Plan des Aufbaus und der Reglementierung der Tätigkeit der Tollhäuser vor, dessen Umsetzung allerdings bereits in die Herrschaftszeit Katharinas II. fiel, die im Jahr 1765 die Gründung zweier Tollhäuser in Nowgorod und Moskau anordnete. Die Akademie der Wissenschaften entsandte den Historiker August Ludwig von Schlözer nach Deutschland, um die dortigen Tollhäuser zu inspizieren. In seinem Bericht beschrieb dieser das in Lüneburg bestehende Tollhaus „Weite Wiese“ und verwies darauf, welche Verwunderung und Anerkennung Katharina II. durch ihren Wunsch zuteil werde, ähnliche Anstalten auch in Russland einzurichten. Im Zuge der 1775 von Katharina II. eingeleiteten Reform der Gouvernementsverwaltung wurde auch die Fürsorge für Kranke, Arbeitsunfähige und Alte neu geordnet. In allen Gouvernements wurden Fürsorgeämter und an diese angeschlossene Wohlfahrtseinrichtungen gegründet, die sich nicht nur um Kranke und Bedürftige, sondern auch um psychisch Kranke“ kümmern sollten. Das Moskauer Tollhaus wurde als eigenständige Abteilung an das 1776 gegründete Neue Katharinenkrankenhaus angeschlossen. Unter den ersten in dieser Abteilung tätigen Ärzten waren die Stabsärzte Fjodor Raschke (1792-94), Karl Pouljard (bis 1799) und Anton Blimmer (1799-1802).

Im Jahr 1808 ging aus dieser Abteilung eine eigenständige, ausschließlich für die Behandlung psychisch Kranker bestimmte Einrichtung hervor, die von 1838 an unter dem (auf ihren Standort zurückgehenden) Namen Preobraschenski-Krankenhaus für Psychisch Kranke figurierte. Einen erheblichen Beitrag zur erfolgreichen Entwicklung dieser Einrichtung leistete der 1824 an der Universität Dorpat promovierte Wassili Fjodorowitsch Sabler (*1797, †1877), der an der 1830 von Fjodor Iwanowitsch Herzog (*1785, †1853) gegründeten privaten Psychiatrischen Heilanstalt tätig war, die die erste Einrichtung dieser Art in Russland darstellte. Von 1828 an war Sabler als Assistenzarzt und von 1832 bis 1871 als Chefarzt am Moskauer Preobraschenski-Krankenhaus tätig, wo er für die psychisch Kranken Moskaus das gleiche leistete, was der herausragende französische Psychiater Philippe Pinel für die psychisch Kranken von Paris vollbrachte. Er änderte auf radikale Weise die Lebens- und Behandlungsbedingungen, ordnete den Alltag neu, führte die Arbeitstherapie ein und reglementierte die Rechte und Pflichten des Krankenhauspersonals, so dass das frühere „Irrenhaus“ zu einer echten Heilanstalt wurde. Zu Sablers Schülern gehörte auch Alexander Justus Frese (*1826, †1884), der später zum ersten Professor für Psychiatrie der Universität Kasan werden sollte und von 1856 an als Assistenzarzt am Preobraschenski-Krankenhaus tätig war.

In den Jahren 1872-77 war Samuil Iwanowitsch Steinberg Chefarzt des Preobraschenski-Krankenhauses, der die von Sabler begründete Tradition fortsetzte und dessen Ansatz in das Gouvernement Saratow brachte, wo er von 1883 an den Aufbau eines Psychiatrischen Betreuungswesens betrieb. Unter seiner Leitung wurde die zuvor an das Saratower Somatische Krankenhaus angeschlossene Psychiatrische Klinik zu einer eigenständigen der Gouvermentsverwaltung unterstellten Einrichtung, als deren Direktor ein Psychiater fungieren sollte, während Instruktionen, Kostenpläne, Projekte sowie wirtschaftliche und medizinische Fragen betreffende Berichte vom Ärzte-Rat verfasst werden sollten. 1887 erhielt die Anstalt für psychisch Kranke ein zweites Steingebäude, so dass Männer und Frauen voneinander getrennt untergebracht werden konnten. Darüber hinaus wurden Werkstätten eingerichtet und die Pflege verbessert. Neben dem Arzt und Direktor wurden zwei Assistenzärzte angestellt. Die im Saratower Krankenhaus anfallenden Unterhaltskosten waren deutlich niedriger als in anderen psychiatrischen Einrichtungen. Im Jahr 1905 trat Steinberg von seinem Posten als Chefarzt des Saratower Krankenhauses zurück.

Ein renommierter Moskauer Psychiater war Juli Wladimirowitsch Kannabich (*1872, †1939), der gleich in drei Bereichen tätig war: klinische Forschung und psychotherapeutische Behandlung von Patienten mit Borderline-Syndrom; Aufbau neuropsychiatrischer Heilstätten; Geschichte der Psychiatrie und populärwissenschaftliche Darstellung psychischer Krankheiten. Kannabich war der erste Psychiater überhaupt, der umfassende Daten zur Verbreitung und Bestimmung ambulant behandelter manisch-depressiver Psychosen zusammentrug. Kannabich war aktiv am Aufbau eines Netzes neuropsychiatrischer Heilstätten in der Umgebung von Moskau beteiligt und setzte sich für die flächendeckende Einführung psychotherapeutischer Behandlungsmethoden in diesen ein. Er war einer der Mitbegründer der in den Jahren 1910-14 erscheinenden Zeitschrift „Psychiatrie“ und war am Aufbau der Moskauer psychiatrischen Heilstätte „Streschnewo“ beteiligt, die das wissenschaftlich-methodische Zentrum der Moskauer Heilstätten darstellte.

Im Jahr 1779 wurde in St. Petersburg das Obuchow-Krankenhaus gegründet, dessen Name auf die in der Nähe gelegene gleichnamige Brücke bzw. den gleichnamigen Boulevard zurückging. Diese anfänglich in sechs Holzbaracken untergebrachte Einrichtung, die auch über ein „Tollhaus“ verfügte, in dem chronisch Kranke untergebracht waren, war das (nach dem Kalinkin-Krankenhaus) zweite Krankenhaus der Stadt. Im Jahr 1784 zog das Krankenhaus in ein von dem Architekten Luigi Rusca errichtetes Steingebäude um, das sich am Vorbild des Wiener Allgemeinen Krankenhauses orientierte und über eine Kapazität von 300 Betten verfügte. Einer der ersten an dem neugegründeten Krankenhaus tätigen Ärzte war Professor Kalfar, der die Kranken „mit elektrischen Stößen“ behandelte. Chefärzte waren unter anderem die Chirurgen Johann Heinrich von Kelchen, I.G. Jelisen, Meier, Bremmer, Folbort und Kron, von 1828 an Weler, Naiser, Nieber und Albrecht sowie viele weitere größtenteils deutsche Ärzte. In den Jahren 1833-90 war Dr. Friedrich (Fjodor Fjodorowitsch) Hermann als Chefarzt des Obuchow-Krankenhauses tätig, so dass Puschkin dem eben dort endenden Helden seiner 1834 veröffentlichten Erzählung „Pique Dame“ womöglich nicht zufällig den Namen Hermann gab. Hermann war Autor wichtiger, Fragen des Rückfallfiebers, der Zerebralen Meningitis und des Milzbrands gewidmeter Forschungsarbeiten (im Jahr 1879 beschrieb er erstmals die Symptomatik einer Milzbranderkrankung). Der ebenfalls am Obuchow-Krankenhaus tätige Arzt Wladimir Michailowitsch Kernig (*1840, †1917) fand bei Meningitispatienten eine Beugekontraktur der unteren Gliedmaßen (1882). Nachdem er auf einem internationalen Kongress in Kopenhagen über seine Entdeckung berichtet hatte, ging dieses besonders charakteristische Symptom einer Hirnhautentzündung unter dem Namen Kernig-Zeichen in die medizinische Literatur ein.

Der bedeutendste den Reihen der deutschen Ärzte entstammende Konsultant des Obuchow-Krankenhauses war seit 1828 der herausragende Chirurg Nikolaus Martin Arendt, der als Puschkins Arzt in die Geschichte eingehen sollte. Bis 1845 war er zudem Hauptkonsultant des Städtischen Maria-Magdalena-Krankenhauses. Im Jahr 1847 wurde Nikolaus Martin Arendt zum Inspektor der Wohltätigen Einrichtungen des Amtes der Zarin Maria Fjodorowna ernannt. Auch nach seiner im Jahr 1829 erfolgten Berufung zum Leibarzt Nikolais I. blieb Arendt der populärste und für seine Patienten zugänglichste Arzt in St. Petersburg.

Im Jahr 1832 wurde in St. Petersburg das psychiatrische Vorzeigekrankenhaus „Aller Leidenden“ eröffnet, das sich vor allem der Heilung und weniger der dauerhaften Pflege und Fürsorge psychisch Kranker widmete und zu jener Zeit zu den besten psychiatrischen Einrichtungen in Europa gehörte. Treibende Kraft der Gründung des Krankenhauses war der aus Livland stammende Johann Georg von Ruehl (*1759, †1846), der im Jahr 1792 in Erfurt promoviert hatte und als Arzt am St. Petersburger Tollhaus tätig war. Im Jahr 1832 verfasste Ruehl das Statut des Krankenhauses „Aller Leidenden“, das alle Aspekte der Tätigkeit der Einrichtung regelte: Aufnahme der Patienten, Verteilung der Patienten nach Krankheiten, Gestaltung des Alltags der Patienten, Aufsicht, Pflichten der Ärzte und Behandlungsmethoden. 1837 wurde eine Abteilung eröffnet, in der die Kranken unentgeltlich behandelt wurden. Auf Ruehls Initiative wurde die Zahl der psychisch Kranken im Russland im Jahr 1839 erstmals aufgrund von Polizeiberichten statistisch erfasst. Im gleichen Jahr erschien in St. Petersburg eine „Kurze Belehrung“, die dem Umgang mit psychisch Kranken vor der Einweisung sowie den Nutzen ihrer Behandlung in einer der von Ruehl gegründeten Einrichtungen gewidmet war und die Grundprinzipien der schonenden und rationalen Behandlung psychisch Kranker darlegte. Bei der Umsetzung dieser Prinzipien spielte der aus Moskau nach Petersburg gekommene talentierte Organisator und erfahrene Psychiater Fjodor Iwanowitsch Herzog eine wichtige Rolle, der im Jahr 1858 auch eine „Abhandlung zur Psychiatrie“ verfasste.

Im Jahr 1797 erwarb Zarin Maria Fjodorowna das an der über die Fontanka führenden Kalinkin-Brücke gelegene Haus der Gräfin Je.A. Subowa und stellte umfangreiche Mittel für die Errichtung einer Geburtsklinik mit angeschlossener Hebammenschule (Institut für Geburtskunst) bereit. Am 8. September 1797 wurde die Geburtsklinik eröffnet, deren Leitung die Zarengattin ihrem Leibarzt Freiherr Joseph von Mohrenheim anvertraute, der zu diesem Zeitpunkt die Geburtsabteilung der St. Petersburger Erziehungsanstalt für Sozialwaisen leitete, in der auch das übrige ärztliche Personal tätig war: Professor für „Geburtswissenschaft“ wurde der Hofrat und Chirurg Johann Heinrich Beck (*1735, †1811). Die Ärzte Grün und Heil waren als Repetitoren tätig. Wenige Monate nach Mohrenheims Tod (17. November 1797) übernahm der zu diesem Zeitpunkt als Geburtsarzt der Erziehungsanstalt tätige Absolvent der Göttinger Universität Nikolai Martynowitsch Suthof die Leitung der Klinik. 1825 kam der Doktor der Medizin und Chirurgie August Wilhelm Scholz als Professor für Geburtshilfe an das Institut. Nach dem Tod Maria Fjodorownas erklärte Zar Nikolai I. das Institut für Geburtskunst sowie die Klinik am 6. Dezember 1828 zu „staatlichen Einrichtungen“ und berief entsprechend dem letzten Willen der Verstorbenen die Großfürstin Jelena Pawlowna zu deren Schirmherrin. Im Jahr 1830 übernahm der Chirurg und Doktor der Medizin Peter von Ockel die Leitung des Instituts, auf dessen Initiative von 1831 an auch Frauen seine der Geburtshilfe gewidmeten Vorlesungen besuchen durften. Am 1. Februar 1835 wurde am Institut eine poliklinische Ambulanz eingerichtet, deren Leitung der Chirurg Alexei Alexeijewitsch Etter übernahm. Chefarzt wurde 1830 der Doktor der Philosophie Alexander Iwanowitsch Gruber, der im Jahr 1835 auch das Institutsstatut verfasste. Im Jahr 1838 wurde der Posten eines „konsultierenden Arztes“ eingeführt, den der Leibarzt des Zaren Martin Wilhelm von Mandt ausübte. Im gleichen Jahr wurde in der Klinik eine „anonyme Abteilung“ eingerichtet, in der unverheiratete schwangere Frauen Hilfe fanden. In den Jahren 1844-46 leitete Dr. med. Adolf Alexander Goedechen das Institut. Als Professor wurde der zuvor an der Universität Bonn tätige Friedrich Birnbaum eingeladen. Im Jahr 1848 übernahm Prof. Dr. Wassili Nikolajewitsch Ettlinger die Leitung des Instituts, der von den 1860er Jahren an verstärkt junge Ärzte anstellte und das Institut so zu einer wichtigen Ausbildungsstätte des gynäkologischen Nachwuchses werden ließ.

Eine grundsätzlich neue Entwicklungsstufe wurde durch die am 16. Oktober 1893 erfolgte Berufung von Dmitri Oskarowitsch Ott (*1835, †1929) zum Direktor eingeläutet, der zuvor als Privatdozent am Lehrstuhl für Geburtshilfe und Gynäkologie der Militärmedizinischen Akademie tätig gewesen war. Unter seiner Leitung wurde das Institut zu einem Zentrum von Wissenschaft und Lehre, das sehr viel mehr Wöchnerinnen und Patientinnen der Gynäkologie aufnahm und die klinische Basis des Lehrbetriebs erheblich ausweitete. Im Jahr 1894 wurde ein Externat für die praktische Ausbildung von Geburtshelfern und Hebammen gegründet. Im Jahr 1895 wurden am Institut Hebammen-Kurse sowie eine ambulante Geburtsklinik eingerichtet, in der zu Hause gebärende Wöchnerinnen kostenlose medizinische Hilfe erhielten. Im gleichen Jahr wurde Ott zum Leib-Geburtsarzt ernannt. 1897 wurde er in den Medizinischen Rat des Innenministeriums und im Jahr 1900 in den Militärmedizinischen Wissenschaftsrat berufen. Auf Betreiben Otts wurde ein auf den Plänen des Architekten Leon (Leonti) Benois basierendes neues Gebäude errichtet, das im Jahr 1904 eröffnet wurde und nach Gestaltung und Ausstattung seinesgleichen suchte. Die am Institut geleistete Arbeit entsprach den höchsten Anforderungen der Wissenschaft und gab der Geburtshilfe und Gynäkologie in Russland einen gewaltigen Entwicklungsschub. Ott begründete eine überaus starke Geburtshilfe- und Gynäkologenschule, hinterließ ein gewaltiges wissenschaftliches Erbe und bildete über zwanzig Geburtsärzte und Gynäkologen aus (Wassili Wassiljewitsch Stroganow, Lasar Iwanowitsch Bublitschenko, Rene Karl Viktor von Kiparsky und viele andere). Er war einer der Mitbegründer der Russischen Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologe sowie des „Journals für Geburtshilfe und Frauenheilkunde“ und Organisator der Allrussischen Kongresse der Geburtshelfer und Gynäkologen und des V. Internationalen Kongresses der Geburtshelfer und Gynäkologen in Russland (1910).

Am 8. November 1783 gründete Zarin Katharina II. auf Betreiben ihres deutschbaltischen Leibchirurgen Johann Heinrich von Kelchen (*1722, †1800) in St. Petersburg das Kaiserliche Medizinisch-Chirurgische Institut, an dem aus den baltischen Ländern stammende Studenten in der medizinischen Wissenschaft unterwiesen wurden. Das vierjährige Studium umfasste die Fächer Mathematik, Physik, Chemie, Botanik, Anatomie, Physiologie, Chirurgie, Geburtshilfe, Pharmazie, Pathologie, Allgemeinmedizin, Hygiene, Praktische Medizin, Geschichte der Medizin sowie Lateinische und Russische Sprache. Im vierten Studienjahr mussten die Zöglinge des Instituts als klinische Ärzte arbeiten und Operationen durchführen. Zehn Jahre nach Abschluss ihres Studiums konnten sie am gleichen Institut promovieren. Die Zarin beauftragte den am Hof von Hannover tätigen Leibarzt Johann Georg Zimmermann, mit dem sie im Schriftwechsel stand, auf Vertragsbasis Ärzte nach Russland einzuladen, woraufhin die Doktoren der Medizin und Chirurgie Friedrich Uhden, Konrad Brandau, Je. Jellisen, A. Markus und viele weitere nach Russland kamen. Da das Institut auf dem Areal des „geheimen“ Kalinkin-Krankenhauses untergebracht war, wurde es der Einfachheit halber oft als Kalinkin-Institut bzw. Kalinkin-Lehranstalt bezeichnet. Das durch die Schirmherrschaft Katharinas II.privilegierte Institut wurde aus der Kaiserlichen Kasse finanziert und war bis 1797 nicht dem Medizinischen Kollegium unterstellt. Erster Direktor des Instituts war Johann Heinrich von Kelchen. Die Lehrkräfte wurden zunächst unmittelbar von Katharina II. berufen. Am 1. September 1783 kam der aus Wien stammende Geburtshelfer, Operateur und Augenarzt Joseph von Mohrenheim (*1759, †1797) an das Institut, um in lateinischer und deutscher Sprache Vorlesungen zu Chirurgie und Geburtshilfe zu halten. Er verfasste ein reich illustriertes „Handbuch zur Geburtshilfe“, dessen deutschsprachige Ausgabe zunächst in St. Petersburg (1791) und später in Leipzig (1803) erschien, woraufhin Mohrenheim bereits 1791 zum Ehrenmitglied der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften gewählt wurde. Mohrenheim leistete als Geburts- und Augenarzt am Zarenhof intensive und fruchtbare Arbeit, konsultierte Patienten in beiden Hauptstädten und gründete in St. Petersburg eine nach ihm benannte Geburtsklinik für mittellose Frauen. Zeitgleich mit Mohrenheim lehrte in den Jahren 1783-85 auch der aus Österreich stammende Andrei Lobenwein (*1758, †1820) Anatomie und Chirurgie. Nach seinem Ausscheiden aus dem Institutsdienst reichte dieser beim Medizinischen Kollegium einen der Gebärmutter gewidmeten Bericht ein („Über die Gebärmutter. Physiologische und anatomische Erklärungen mitsamt den entsprechenden Operationen“), der zur Lehre an den chirurgischen Schulen anerkannt wurde und als Grundlage seiner im Jahr 1787 erlangten Promotion zum Doktor der Medizin diente. Von 1787 bis zu seinem Lebensende arbeitete Lobenwein als Professor für Physiologie und Geburtskunst an der Universität Wilna.

In den Jahren 1785-91 war der aus Jena stammende Johann Heinrich Rudolph (*1754, †1809), der 1781 an der Universität Jena zum Doktor der Medizin promovierte, Professor für Anatomie, Chirurgie, Klinische Medizin und Geburtshilfe. Neben der deutschen Sprache beherrschte er auch Französisch, Italienisch und Englisch und zeichnete sich vor allem bei der Erstellung anatomischer Tabellen aus. Im Jahr 1804 wurde Rudolph als Mitglied der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften bestätigt. Er hielt auch Vorlesungen zur Pathologie und Allgemeinmedizin und leitete den Petersburger Botanischen Garten.

Von Mai 1786 an war Konrad Brandau (*1752, †1791), der an der Universität Marburg studiert hatte, Professor für Geburtskunde und Physiologie. Im Jahr 1786 verfasste er einen der Verwendung von Medikamenten durch Ärzte und medizinisch nicht geschulte Personen gewidmeten Aufsatz. Am 2. August 1789 wurde er aus gesundheitlichen Gründen auf den Posten eines Assistenten des Chefarztes des Moskauer Generalkrankenhauses versetzt. Seine Vorlesungen wurden von dem aus Straßburg stammenden Iwan Conradi übernommen.

Von 1784 an war der aus Turku stammende Iwan Forstein, der zuvor als Regimentsarzt, Operateur am Kronstädter Admiralitätskrankenhaus gearbeitet und von 1762 an an den Hospitalschulen Anatomie und Chirurgie gelehrt hatte, Professor für Anatomie und Chirurgie und Leiter des Lehrbetriebs des Instituts, wo er in seinem Unterricht Leichen sezierte und präparierte und ärztliche Fertigkeiten schulte. Als Forstein als Direktor an das Kalinkin-Institut ging, folgte ihm 1787 Johann Schleussner auf dem Posten des Professors, der zunächst Mathematik und Physik und anschließend bis zu seiner auf eigenen Wunsch im Jahr 1797 erfolgten Entlassung Anatomie und Physiologie lehrte.

In den Jahren 1786-99 war der aus Braunschweig stammende Christoph Elias Heinrich Knackstedt (*1749, †1799) Professor für Anatomie und Chirurgie. 1790 verteidigte er am Medizinischen Kollegium seine der Osteologie gewidmete Dissertation, die er 1797 unter dem deutschsprachigen Titel „Anatomisch-medizinisch-chirurgische Beobachtungen, welche vorzüglich im öffentlichen medizinisch-chirurgischen Clinico daselbst gesammelt worden“ veröffentlichte. In den Jahren 1791-93 war er zudem als Dozent für Geburtshilfe und Leiter der Geburtsstation am Kalinkin-Institut tätig.

In den Jahren 1787-90 lehrte der in Danzig geborene Heinrich Nudow (*1751, †1798), der im Jahr 1776 die Universität Leipzig abgeschlossen hatte und 1779 пach Russland gekommen war, Physiologie, Pathologie und Allgemeinmedizin, nachdem er zuvor in den Gouvernements Orscha (1782) und Mogiljow (1785) als Gouvernementsarzt gearbeitet hatte. Im Jahr 1787 erschien sein deutschsprachiges „Programm: Medizinische Seelenlehre. Erste Erfahrung“ in St. Petersburg. In den Jahren 1791-92 wurde in Riga sein zweibändiges Werk „Aphorismen über die Erkenntnis der Menschennatur im lebenden gesunden Zustande... im kranken Zustande“ veröffentlicht, das vom hohen Niveau der von Heinrich Nudow gelehrten Physiologie, Pathologie und Allgemeinmedizin zeugt.

Nudows Nachfolger war der aus Riga stammende Johann Christian Weltzien (*1767, †1829), der nach einem Studium der Medizin in Jena, Berlin und Göttingen 1789 an der Universität Göttingen promovierte und anschließend zu Studienzwecken nach Frankreich und England ging. 1790 wurde er Assistenzarzt am St. Petersburger Generalhospital des Heeres und Professor für Allgemeinmedizin am Medizinisch-Chirurgischen Institut. 1795 erschien in St. Petersburg in russischer Sprache Weltziens Hauptwerk „Grundriss des Gesundheitswesens oder über die von der Regierung abhängenden Maßnahmen zur Bewahrung der Volksgesundheit“. Johann Christian Weltzien nahm an den Alpenfeldzügen Suworows teil.

In den Jahren 1799-1800 war der in St. Petersburg geborene Architektensohn Peter Hoffmann, der in Göttingen und Halle Medizin studiert hatte, Professor für Pathologie und Innere Medizin. Im Jahr 1777 promovierte er in Halle mit dem Thema „Über durch einen sitzenden Lebensstil hervorgerufene, mit der Menstruation zusammenhängende Gebärmuttererkrankungen“ zum Doktor der Medizin. In den Jahren 1778-86 war er als Militärarzt tätig. Im Jahr 1787 wurde er Professor für Pathologie und Praktische Medizin an der St. Petersburger Medizinisch-Chirurgischen Lehranstalt. In St. Petersburg veröffentlichte Peter Hoffmann die russischsprachigen Aufsätze „Über die wichtigsten zur Bewahrung von Gesundheit und Frische der seelischen Gaben nötigen Mittel, mit Blick auf das jugendliche Alter“ (1788) und „Kurze Geschichte der ärztlichen Kunst“ (1789). Für seine Lehre der Pathologie nutzte er das von Hieronymus David Gaubius verfasste Lehrbuch „Grundlagen der ärztlichen Pathologie“, das 1792 in einer von Hoffmann selbst aus dem Lateinischen ins Russische übersetzten Fassung in St. Petersburg erschienen war.

In den Jahren 1792-93 und 1800-02 war der in Preußen geborene Friedrich Uhden (*1754, †1823), der seine höhere medizinische Ausbildung an der Berliner Medizinisch-Chirurgischen Akademie und an der Universität Halle erhalten (1776) hatte, Professor für Pathologie und Allgemeinmedizin am Medizinisch-Chirurgischen Institut. Nach seiner im Jahr 1786 ergolgten Aufnahme in den russischen Dienst war zunächst in der Statthalterschaft Tschernigow tätig. Uhden war ein erfahrener Internist, wovon auch der Umstand zeugt, dass er im Jahr 1800 nach Tiflis entsandt wurde, um den erkrankten georgischen Zaren zu heilen, nachdem sich die georgische Seite am 29. November 1800 hilfesuchend an das Medizinische Kollegium gewandt hatte und Pawel I. daraufhin angeordnet hatte, ein medizinisches Konsilium zu halten und einen bewanderten Professor der Medizin nach Tiflis zu schicken. Uhden erfüllte den Auftrag glänzend, woraufhin er zunächst zum Ehrenmitglied und 1801 zum Wissenschaftssekretär des Medizinischen Kollegiums gewählt wurde. Als Zeichen des Dankes für seine Wahl überließ Uhden dem Medizinischen Kollegium neun seiner in den Jahren 1777-86 veröffentlichten wissenschaftlichen Werke sowie eine Handschrift. Friedrich Uhden war Mitbegründer, Redakteur und Autor der meisten Artikel der „St. Petersburger ärztlichen Nachrichten“, die in den Jahren 1792-94 als erstes wissenschaftliches medizinisches Journal in St. Petersburg erschienen.

Die Zahl der am Kalinkin-Institut studierenden Pensionsschüler war mit insgesamt dreißig Personen nicht sonderlich groß. Der berühmteste Absolvent war Johann-Peter Friedrich Busch (*1771, †1843), der von 1790 an als Prosektor und später Operateur am Kronstädter Admiralitätshospital tätig war und 1791 eine Lehrtätigkeit an der dem Hospital angeschlossenen Medizinisch-Chirurgischen Lehranstalt aufnahm. 1797 wurde Busch an das Medizinisch-Chirurgische Institut des Kalinkin-Krankenhauses versetzt, wo er die Nachfolge des Professors für Chirurgie Johann Schleussner antrat und sich als herausragender Pädagoge hervortat. Im Jahr 1800 trennte sich Busch nach den Erinnerungen eines Zeitgenossen „mit Bedauern und begleitet von ehrlicher Anteilnahme seiner Schüler von seiner geliebten Lehranstalt“, um den Lehrstuhl für Chirurgie der neu gegründeten St. Petersburger Medizinisch-Chirurgischen Akademie zu leiten, deren Gründung im Jahr 1798 der im Jahr 1802 folgenden Schließung des Medizinisch-Chirurgischen Instituts des Kalinkin-Krankenhauses vorausging.

Die deutschen Ärzte leisteten einen erheblichen Beitrag zu Aufbau und Entwicklung der höheren medizinischen Ausbildung in Russland. Am 13. August 1758 wurde die Medizinische Fakultät der Moskauer Universität mit der Antrittsvorlesung des Doktors der Philosophie und Medizin und ordentlichen Professors Johann Christian Kerstens (*1713, †1802) eröffnet. Kerstens, der zu den führenden Professoren der neuen Fakultät gehörte, beschränkte sich nicht darauf, Vorlesungen zu halten, sondern erteilte auch praktischen Unterricht, indem er z.B. im chemischen Labor Präparate anfertigen ließ.

Erster Professor für Anatomie und Chirurgie der Medizinischen Fakultät der Universität Moskau war in den Jahren 1764-68 Johann Friedrich Erasmus, der seine universitären Pflichten mit einer Lehrtätigkeit an der Moskauer Schule für Geburtshilfe verband. Bei der Ausbildung von Hebammen zeigte er sich allerdings nicht in der Lage, den ihm anvertrauten Kurs angemessen zu unterrichten.

Eine erhebliche Rolle spielte beim Aufbau der Medizinischen Fakultät der Universität Moskau der aus Oberösterreich stammende Professor für Theoretische Medizin Ignaz Josef Wetsch (*1737, †1779), der seine höhere medizinische Ausbildung an der Universität Wien erhielt, wo er unter dem Einfluss der Ersten Wiener Medizinischen Schule stand, für die Erfahrung und Beobachtung am Bett des Patienten sowie die Prinzipien der hippokratischen Lehre an erster Stelle standen. Innerhalb eines Jahres vollendete er seine Ausbildung in Paris unter der Leitung des berühmten, dem Kreis der französischen Enzyklopädisten zugehörigen Professors Theophile de Bordeu. Nach der Rückkehr nach Wien verteidigte Wetsch 1770 seine dem Thema „Medicina ex pulsu“ gewidmete Dissertation, in der er Bordeus Pulslehre weiterentwickelte. Im Jahr 1776 wurde Wetsch am Medizinischen Kollegium examiniert, erhielt das Recht, in Russland zu praktizieren, und war als Professor an der Medizinischen Fakultät der Moskauer Universität sowie als Arzt am Pawel-Krankenhaus tätig. Von 1777 bis zu seinem Lebensende hielt Wetsch Vorlesungen zur theoretischen Medizin an der Moskauer Universität. Am 30. Juni 1777 hielt er auf der Allgemeinen Versammlung der Moskauer Universität einen der Kunst der Beobachtung in der Medizin gewidmeten Vortrag („De arte observandi et experiundi in medicis“), mit dem er auf die 1775 erfolgte Veröffentlichung des Buches „L’Art d’observer“ („Die Kunst des Beobachtens“) des Genfer Bibliographen und Bibliothekars Jean Senebier reagierte, der anhand zahlreicher Beispiele die gewaltige Bedeutung des durch Experiment und Beobachtung generierten Wissens aufzeigte, durch die der wissenschaftliche Fortschritt des 17. und 18. Jahrhunderts überhaupt erst ermöglicht worden sei. Da Senebier mit naturwissenschaftlichen Daten operierte und kaum auf Fragen der Medizin einging, versuchte Wetsch, diese Lücke durch seinen Vortrag zu schließen, in dem er darlegte, dass die Anwendung der Methode der Beobachtung im medizinischen Kontext neben der Anschauung auch einer exakten Kenntnis der qualitativen Unterschiede, Ursachen und Folgen sowie der zwischen diesen bestehenden Unterschiede bedürfe und der Erfolg eines Experiments von der Fähigkeit abhänge, durch Kombination eine neue Ordnung von Beziehungen und Funktionen hervorzubringen. Während die Beobachtung die Eigenschaften der Dinge zeige, mache das Experiment den Beobachter zu jemandem, der diese verstehen und die Funktionen selbst einschätzen könne. Unabdingbare Voraussetzung einer richtigen Einschätzung neu entdeckter Phänomene sei der Verzicht auf voreingenommene Meinungen, die den Forscher versklaven und blind machen würden. Als Vertreter der „Alten Wiener Schule“ trat Wetsch an der Moskauer Universität bereits 35 Jahre vor Jean-Nicolas Corvisarts Reaktivierung der Perkussion als Methode der Diagnostik für diese ein. Sein Vortrag „Über die Kunst der Beobachtung und des Experimentierens bei Medizinern“ (1777) ist eines der leuchtendsten Zeugnisse dafür, dass solch wichtigen methodischen Fragen wie der Verbesserung der Beobachtung und des wissenschaftlichen Denkens am Krankenbett, der Klärung von Fragen durch Experimente und der Analyse der durch Beobachtung und Experimente erzielten Resultate mit Hilfe der „rationalen Philosophie“ an der Moskauer Universität im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts große Aufmerksamkeit gewidmet wurde.

Ein weiterer herausragender, an der medizinischen Fakultät lehrender Mediziner war Wilhelm Michael von Richter (*1767, †1822), dessen Lehre der Chirurgie, Geburtskunst und Forensik neben didaktischen auch zahlreiche praktische Merkmale aufwies. Im Bereich der Geburtskunst leistete Richter einen gewaltigen Beitrag zur Stärkung einer eher praktisch ausgerichteten Lehre. Nach der im Jahr 1804 erfolgten Verabschiedung des Statuts wurde an der Moskauer Universität im Jahr 1806 ein Institut für Geburtshilfe mit angeschlossener Geburtsklinik eingerichtet, das Richter bis zu seinem Lebensende leitete. Auf diese Weise wurde in Moskau die erste auf Geburten spezialisierte Einrichtung gegründet, die zur klinischen Basis des Lehrstuhls für Geburtskunst der Moskauer Universität wurde.

Richters Initiative fand ihre Fortsetzung in der von ihm begründeten wissenschaftlichen Schule, aus der unter anderem Iwan Fjodorowitsch Wensowitsch (Professor am Institut für Geburtshilfe), Dmitri Iwanowitsch Lewitski (Professor am Lehrstuhl für Geburtskunst der Moskauer Medizinisch-Chirurgischen Akademie), A.I. Danilewski (Professor für Geburtskunst; hielt an der Moskauer Universität Vorlesungen zu Chirurgie und Kinderkrankheiten), Wassili Pawlowitsch Risenko (Nachfolger Richters am Lehrstuhl für Geburtskunst), Michail Wilhelmowitsch Richter und W.I. Romadonowski hervorgingen.

Richters Sohn Michail Wilhelmowitsch Richter (*1799, †1851) war in den Jahren 1828-52 Professor am Lehrstuhl für Geburtskunst der Moskauer Universität und Direktor des Instituts für Geburtshilfe der Erziehungsanstalt. In die Zeit seiner Leitung des Lehrstuhls fiel im Jahr 1846 die Eröffnung der Geburtsklinik, durch die die klinische Lehre gestärkt werden konnte.

Michail Richters Nachfolger als Professor war bis 1874 Wladimir Iwanowitsch Koch (*1817, †1884), der parallel auch als Direktor der Geburtsklinik der Moskauer Erziehungsanstalt tätig war. Koch war der erste Professor, der seine Vorlesungen in russischer Sprache hielt und seine Studenten bei den Geburten einfache Hilfsarbeiten verrichten ließ. Unter seiner Leitung wurde der klinische Unterricht durch die Heranziehung exemplarischer Patienten stärker an der Praxis ausgerichtet. Zugleich begann man, elementare gynäkologische Operationen durchzuführen. Koch führte nicht nur eine Ambulanz für Patientinnen der Gynäkologie ein, sondern organisierte auch eine stationäre Abteilung, womit er die Basis für eine operative und konservative Gynäkologie legte.

Die deutschen Professoren spielten auch an den chirurgischen Lehrstühlen und Kliniken der Moskauer Universität eine herausragende Rolle. In den Jahren 1804-30 lehrte der als geschickter Chirurg bekannte Fjodor Andrejewitsch Hiltebrandt Chirurgie, der in Moskau die ersten Steinschnittoperation sowie über 3.000 Operationen zur Entfernung von Blasensteinen, Amputationen von Gliedmaßen und Resektionen von Kröpfen durchführte. Im Jahr 1819 hielt Hiltebrand an der Chirurgischen Klinik (Institut) den ersten eigenständigen Kurs für Chirurgie, für den er sich an seinem in lateinischer Sprache verfassten Aufsatz „Institutiones Chirurgiae“ orientierte, der 1829 in einer zweiten vervollständigten Auflage erschien und zu einem Klassiker wurde. Große Aufmerksamkeit widmete Hiltebrand der Augenheilkunde. So gründete er im Jahr 1805 an der Universität die weltweit erste spezialisierte Augenklinik, richtete im Marienhospital spezielle Krankenzimmer für Augenkranke ein und veröffentlichte die populärwissenschaftlichen Bücher „Über die Bewahrung des Sehvermögens“ (1804) und „Über Mittel, das Sehvermögen und die Augen bis ins hohe Alter zu bewahren“ (1819).

Sein Sohn Johann Konrad Hiltebrandt arbeitete in den Jahren 1833-46 als Adjunkt und stellte auf Grundlage der topographischen Anatomie das erste Lehrprogramm für Operationschirurgie zusammen. Ausgehend von seinen eigenen Beobachtungen und Erfahrungen veröffentlichte er 1842 sein Hauptwerk „Über die Erkennung und Heilung von Aneurysmen und die operative Abbindung von Arterien“.

Ein neues Kapitel der Geschichte der Chirurgie an der Moskauer Universität leitete in den Jahren 1846-59 Professor Andrei Iwanowitsch Pohl ein, der im Jahr 1846 am Neuen Katharinenkrankenhaus eine chirurgische Klinik einrichtete, in der er zahlreiche überaus komplizierter Operationen wie die Abbindung von Gefäßen bei Aneurysmus der Halsschlagader, die Entfernung von Echinokokken aus dem Retroperitonealraum oder Resektionen des Unterkiefers sowie 1.518 Steinschnitte und etwa 200 Steinzertrümmerungen durchführte. Im Dezember 1847 führte er die erste Chloroformnarkose in Moskau durch. Pohl unternahm täglich Visiten, sprach am Krankenbett in russischer und lateinischer Sprache mit den zuständigen Ärzten, ließ seine Studenten größere und kleinere Operationen trainieren und führte die wichtigsten von diesen selbst aus.

Von 1877 an arbeitete Pohl zunächst als Assistenzarzt und später als Oberarzt und Assistent des Chefarztes der Chirurgischen Klinik des Neuen Katharinenkrankenhauses Karl Fjodorowitsch Klein. 1895 promovierte er mit einer der „Äthiologie und Chirurgie der Pylorusstenose“ gewidmeten Dissertation zum Doktor der Medizin, in der er die Indikationen der Pyloroplastik aufgrund eigener Erfahrungen analysierte. Von 1896 bis 1904 hielt er Kurse an der Chirurgischen Klinik.

Eine weitere für die Geschichte der Medizinischen Fakultät prägende Persönlichkeit war Justus Christian Loder (*1753, † 1832), den Zar Alexander I. im Jahr 1807 als Hof- und Leibarzt einlud. Im Zuge von Napoleons Russlandfeldzug richtete er 1812 in den im Militärbezirk Moskau gelegenen Gouvernements Rjasan und Tambow zahlreiche Hospitäler ein (für 37.000 Verwundete), die er selbst bis 1817 leitete.

Peter Eduard Einbrodt (*1802, †1840) promovierte 1826 mit einer den Nerven des Unterleibs gewidmeten Dissertation („De nervis abdominis“) zum Doktor der Medizin. Von 1827 an führte er als Adjunkt am Lehrstuhl für Anatomie den der Sektion von Leichen gewidmeten praktischen Unterricht und hielt Vorlesungen in lateinischer Sprache. Von 1829 war er außerordentlicher Professor und in den Jahren 1832-40 Leiter des Lehrstuhls für Anatomie sowie Stabsarzt der Erziehungsanstalt.

In den Jahren 1869-1906 war Iwan Fjodorowitsch Klein (*1837, †1922) Professor am Lehrstuhl für Pathologische Anatomie, wo er eine grundlegende Neuausrichtung des Lehrbetriebs anstieß, eine pathohistologische Richtung einschlug und umfassend die Technik der mikroskopischen Forschung einsetzte. Klein begründete eine große Schule von Pathologen, die über 30 Dissertationen verteidigten.

Eine sichtbare Spur in der Geschichte der Medizinischen Fakultät der Moskauer Universität hinterließ der Professor für Pathologie Alexander Bogdanowitsch Focht, der eine eigene Schule russischer anatomischer Pathologen begründete.

Ein herausragender Neuropathologe war Wladimir Karlowitsch Roth (*1848, †1916), der durch seine auf dem Gebiet der progressiven Muskeldystrophie geleistete Forschungsarbeit, die Bestimmung besonderer Formen der Muskelauszehrung sowie die Ausarbeitung der klinischen Symptome von Hüftneuralgien, Syringomyelien und Pseudobulbärparalysen Berühmtheit erlangte.

In den Jahren 1902-11 und 1918-19 war Friedrich Karl Rein (*1866, †1925) Professor am Lehrstuhl für topographische Anatomie und operative Chirurgie, der wie vor ihm schon Friedrich Joseph Haass als „Symbol der lebendigen aufopferungsvollen Nächstenliebe“ und „russischer Deutscher mit einer allgemeinmenschlichen Seele“ Ruhm erlangte.

In den Jahren 1920-42 war Jegor Fromgold (*1881, † 1942, repressiert) als Professor und Direktor an der Klinik für ärztliche Diagnostik (von 1924 an der Klinik für internistische Propädeutik) tätig, der sich Fragen der klinischen Diagnostik mit dem weiten Horizont eines Naturwissenschaftlers näherte. Fromgold entwickelte eine klinisch-experimentelle Forschungsrichtung und leistete einen erheblichen Beitrag zur Erforschung des Stoffwechsels bei langem Nahrungsmangel und zur Ausarbeitung von Fragen der Pathogenese und Behandlung von Diabetes Mellitus und Morbus Besedow.

In den Jahren 1924-28 war Michail Josifowitsch Wiechert (1884, †1928), der 1908 die Moskauer Universität abgeschlossen hatte und anschließend zunächst als Assistenzarzt und später als Assistent für Klinische Diagnostik tätig war, Professor und Direktor der Internistischen Klinik. Innerhalb der kurzen Zeit seiner Leitung der Klinik veröffentlichten Wiechert und seine Mitarbeiter über 100 wissenschaftliche Arbeiten, die unter anderem der funktionalen Diagnostik sowie der Pathologie der Nieren und der Leber gewidmet waren.

Die im Jahr 1804 gegründete Universität Kasan verfügte im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens nicht über die Möglichkeiten, eine medizinische Fakultät zu unterhalten, deren Eröffnung erst im Jahr 1814 erfolgte. Auf Empfehlung des Leibarztes Zar Alexanders I. Johann Peter Frank, der der Universität seine reiche Bibliothek vermachte, wurde allerdings bereits im Jahr 1807 Johann Baptist Braun (*1777, †1819), der im Jahr 1892 in Wien zum Doktor der Medizin und Chirurgie promoviert hatte, als erster Professor für Anatomie, Physiologie und Gerichtsmedizin berufen. Nachdem seine Versuche, ein Anatomisches Theater einzurichten, nicht von Erfolg gekrönt waren, konzentrierte er sich auf Verwaltungsarbeiten und wurde in den Jahren 1813 sowie 1817-19 zum Rektor der Universität gewählt.

Der erste Professor für Pathologie, Therapie und Klinik war in den Jahren 1810-17 Johann Friedrich Erdmann (*1778, †1846), der im Jahr 1807 den Grad eines ordinierten Professors der Universität Wittenberg erhalten hatte. In den Jahren 1814-17 war Erdmann auch der erste Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität. Als er bei dem Versuch, eine an die Universität angeschlossene Klinik zu bauen, auf unüberwindliche finanzielle Hindernisse stieß, wechselte er im Jahr 1817 an die Universität Dorpat, wo er den gleichen Lehrstuhl bekleidete wie schon in Kasan. Aus Dorpat übersandte er 1822 eine „Medizinisch-Topographische Beschreibung des Gouvernements Kasan“, die auf seinen noch in Kasan zusammengetragenen Beobachtungen basierte.

Erdmans Nachfolger am Lehrstuhl für Pathologie und Therapie war in den Jahren 1818-32 Karl Fjodorowitsch Fuchs (*1776, †1846), der im Jahr 1798 an der Universität Marburg zum Doktor der Medizin promoviert hatte, in den Jahren 1805-18 an der Universität Kasan als Professor für Naturgeschichte, Botanik, Vergleichende Anatomie und Physiologie tätig war und mehrfach zum Dekan der Medizinischen Fakultät und Rektor der Universität gewählt wurde. Fuchs veröffentlichte 26 wissenschaftliche Arbeiten ethnographischen Inhalts sowie eine „Kurze Beschreibung der in Sergiewsk vorzufindenden Schwefelquellen“ (1810).

In den Jahren 1839-65 war der in Kurland geborene Georg Joachim Blosfeld (*1798, †1884), der seine höhere medizinische Ausbildung in Berlin erhalten hatte und 1820 an der St. Petersburger Medizinisch-Chirurgischen Akademie zum Doktor der Medizin promovierte, Professor für Gerichts- und Polizeimedizin sowie Geschichte der Medizin, Hygiene und Toxikologie. Blosfeld veröffentlichte 32 größtenteils deutschsprachige wissenschaftliche Arbeiten, darunter „Über die Trunksucht in gerichtsmedizinischer und medizinisch-polizeilicher Hinsicht“ (1846), „Grundriss der Gerichtsmedizin für Juristen“ (1847 und 1857) und „Forensische Toxikologie, unter besonderer Berücksichtigung technischer Aspekte“ (1856).

Einen herausragenden Beitrag zur Entwicklung der Psychiatrie leistete in Kasan der in Reval geborene Pastorensohn Alexander Justus Frese (*1826, †1884), der im Jahr 1851 die Medizinische Fakultät der Universität Moskau abschloss und im Jahr 1858 zum Doktor der Medizin promovierte. In den Jahren 1856-62 arbeitete er als Assistenzarzt am Moskauer Preobraschenski-Krankenhaus unter der Führung des berühmten Psychiaters Wilhelm Thomas Friedrich Sabler, dessen Behandlungsmethoden er übernahm,. Im Jahr 1862 wurde Frese an das Innenministerium überstellt und ins Ausland kommandiert, um sich mit den besten psychiatrischen Einrichtungen Westeuropas bekannt zu machen. 1864 wurde Frese nach Kasan kommandiert, um dort den Baus eines Psychiatrischen Bezirkskrankenhauses zu erörtern, dessen Leitung er anschließend übernahm. Im Jahr 1866 wurde Frese zum Dozenten und im Jahr 1872 zum ersten russischen Professor für Psychiatrie der Kasaner Universität gewählt, was er bis zu seinem Lebensende blieb. Frese widmete sich mit Hingabe sowohl seiner Lehrtätigkeit als auch seiner Arbeit in dem 1869 eröffneten Psychiatrischen Bezirkskrankenhaus, das unter seiner Führung zu einer Vorzeigeeinrichtung wurde. In Person Frese fand die Psychiatrie einen profilierten Organisator der psychiatrischen Hilfe sowie einen hervorragenden klinischen Arzt und Pädagogen. Frese war nicht nur unmittelbar am Aufbau des Kasaner Psychiatrischen Bezirkskrankenhauses beteiligt, sondern war auch bei der Gründung entsprechender Einrichtungen in Simferopel, Perm, Odessa und Kiew beratend tätig. In der von Frese geleiteten Kasaner Psychiatrischen Einrichtung wurden humane Methoden des Umgangs mit psychisch Kranken ausgearbeitet und traumatisierende Behandlungsmethoden wie die Verabreichung von Abführmitteln, blasenziehenden Salben oder das Übergießen mit kaltem Wasser sowie die Zwangsfixierung abgeschafft. Freses Forschungsinteresse galt dem klinischen Befund des Anfangsstadiums und der pathologischen Anatomie einer progressiven Paralyse, der gerichtspsychiatrischen Prognose der Entwicklung psychischer Krankheiten sowie den für deren Auftreten verantwortlichen Bedingungen (unter besonderer Berücksichtigung psychischer Traumata und generativer Faktoren). Neben einem Kurs für Allgemeine Psychiatrie hielt Frese von 1868 an auch einen der forensischen Psychiatrie gewidmeten Kurs an der Juristischen Fakultät. Seine Kurse waren didaktisch so aufgebaut, dass die Hörer die Fähigkeit erwarben, eine psychische Erkrankung zu erkennen und entsprechende Behandlungs- und Heilungsvorschläge zu machen, „ohne grobe Fehler zu begehen“. Ein wichtiges Element der ärztlichen Tätigkeit sah Frese in der Hygiene, weswegen er die zu seiner Zeit in Kasan entstehende Bewegung für eine vorbeugende Hygiene in der Medizin unterstützte. Unter Freses Schülern waren der Begründer und Vordenker der Semstwo-Medizin Jewgraf Aleksejewitsch Ossipow sowie der erste in Charkow tätige Professor für Psychiatrie Pawel Iwanowitsch Kowalewski. Frese veröffentlichte die folgenden Werke: „Die Einrichtung der Häuser für Geisteskranke“ (1860), „Grundriss der forensischen Psychologie“ (1874), „Über die Voraussagen in seelischen Krankheiten“ (1875), „Geistesstörungen und ihre Beziehung zu unserer Strafgesetzgebung“ (1879), „Das erste Jahrzehnt der Kasaner Bezirksheilanstalt der Heiligen Mutter aller Leidenden“ (1880), „Kurzer Kurs der Psychiatrie“ (1881).

Von 1869 an leitete Iwan Michailowitsch Dogel den Lehrstuhl für Pharmakologie der Universität Kasan. Nach Abschluss seines Studiums an der Petersburger Kaiserlichen Medizinisch-Chirurgischen Akademie im Jahr 1854 hatte der 1830 in Witebsk geborene Dogel zunächst als Armeearzt gedient, bevor er im Jahr 1863 mit dem Thema „Moderner Blick auf Aufbau und Funktion der Lymphdrüsen“ an der Universität Moskau promovierte. Anschließend war er zu Studienaufenthalten zunächst in Heidelberg, wo er bei Helmholtz Physiologie, bei Bunsen Chemie und bei Gustav Robert Kirchhoff Physik studierte, und dann an der Universität Leipzig, wo er bei Carl Ludwig Physiologie des Kreislaufs und bei Carl Hugo Huppert Physiologische Studie studierte. In den Jahren 1869-1903 war Dogel Professor am Lehrstuhl für Pharmakologie der Universität Kasan, wo er zusammen mit seinen Schülern im Pharmakologischen Labor eine Reihe von Forschungsexperimenten durchführte, aufgrund derer er als Mitbegründer der experimentellen Pharmakologie gelten kann. Dogel veröffentlichte 80 größtenteils deutschsprachige wissenschaftliche Arbeiten und verfasste die Handbücher „Grundlagen der Pharmakologie und Rezeptur“ (1900) sowie „Vergleichende Anatomie, Physiologie und Pharmakologie des Herzens“ (1903-04 in zwei Bänden erschienen).

Als bedeutender Histologe und Mitbegründer der Kasaner neurohistologischen Schule erlangte der in Moskau geborene Karl Augustowitsch Arnstein (*1840, † 1919) Bekanntheit, der nach Abschluss seines Studiums an der Universität Dorpat in den Jahren 1864-67 unter der Leitung von Rudolf Virchow, Rudolf Albert von Koelliker und Friedrich Daniel von Recklinghausen in München, Berlin und Würzburg arbeitete und im Jahr 1867 in Dorpat über die „wandernden und becherförmigen Zellen des Darmes“ promovierte. Von 1868 an war Arnstein als Prosektor am Lehrstuhl für Anatomische Pathologie und in den Jahren 1872-1903 als Professor am Lehrstuhl für Histologie der Universität Kasan tätig, wo er die der Erkennung und Identifizierung von Nervenelementen mit Hilfe von Methylenblau und Jod dienenden Methoden optimierte. Seine wichtigsten, den höchsten Ansprüchen der europäischen Wissenschaft des letzten Viertels des 19. Jahrhunderts entsprechenden wissenschaftlichen Arbeiten waren der Histologie des Nervensystems und insbesondere der Erforschung der peripheren Nervenendigungen gewidmet. Seiner Schule entstammten gleich drei an den Lehrstühlen für Histologie russischer Universitäten tätige Professoren, unter denen auch Alexander Stanislawitsch Dogel (*1852, †1922) war, der noch vor Abschluss seines Studiums (1878) unter der Leitung von Arnstein zur Nervenversorgung des Harnleiters arbeitete und 1881 als Stipendiat zur Vorbereitung auf die Professur ausgewählt wurde. 1883 promovierte Dogel mit einer dem Aufbau der Netzhaut gewidmeten Dissertation und wurde ins Ausland kommandiert. 1885 wurde er Prosektor für Histologie und 1886 Privatdozent für Embryologie. 1888 wurde er als außerordentlicher Professor an den Lehrstuhl für Histologie der Universität Tomsk und 1895 an die Universität St. Petersburg berufen. Von 1897 an war er parallel als Professor des Instituts für Frauenheilkunde in St. Petersburg tätig. Dogel war Mitglied des Medizinischen Rats des Innenministeriums und Mitglied des Gelehrten Komitees des Ministeriums für Volksbildung. Er entwickelte eine eigene Methode der Vitalfärbung von Nervenelementen, beschrieb erstmals die Nervenendigungen in fast allen Geweben und Organen von Mensch und Tieren (1903), legte die Grundlage für die Erforschung der Synapsen des autonomen Nervensystems, beschrieb den Aufbau von sensiblen und vegetativen Ganglien (Nervenknoten) und isolierte in letzteren drei Typen von Nervenzellen, die nach ihm benannt wurden. 1916 gründete Dogel die medizinische Zeitschrift „Russisches Archiv der Anatomie, Histologie und Embryologie“.

In den Jahren 1843-74 war der herausragende Anatom und Physiologe Alexander Petrowitsch Walter (*1817, †1889), dessen Vorfahren bereits im 17. Jahrhundert aus Deutschland nach Russland gekommen waren und die russische Staatsangehörigkeit angenommen hatten, an der medizinischen Fakultät der Kiewer Wladimir-Universität tätig. Der in Reval geborene Walter beherrschte von klein auf die russische Sprache, in der er auch den größten Teil seiner insgesamt vierzig Arbeiten verfasste. In den Jahren 1836-41 studierte er an der Medizinischen Fakultät der Universität Dorpat, wo er die Vorlesungen des Anatomen Friedrich Heinrich Bidder, des Physiologen Alfred Wilhelm Volkmann und des Chirurgen Nikolai Pirogow besuchte. Anschließend setzte er sein Studium an der Universität Berlin bei dem Physiologen und Anatomen Johannes Müller und in Wien bei bei Carl von Rokitansky fort. Im Jahr 1842 veröffentlichte Walter in dem von Johannes Müller herausgegebenen „Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medizin“ seine erste wissenschaftliche Arbeit („Über die Funktion der dem Ischiasnerv beigemengten Fäden des Sympathicus“), in der er erstmals den gefäßverengenden Einfluss des sympathischen Nervensystems nachwies. Im Jahr 1843 wurde Walter auf Empfehlung Pirogows Adjunkt am Lehrstuhl für physiologische Anatomie und Mikrographie der Wladimir-Universität, dessen Leitung er 1844 übernahm. Im Jahr 1845 promovierte Walter zum Doktor der Medizin und wurde zunächst als außerordentlicher und 1846 als ordentlicher Professor bestätigt. Auf seine Initiative wurde an der Kiewer Universität eines der besten Anatomischen Theater eingerichtet, dessen Leitung er in den Jahren 1843-67 ausübte. Walter lehrte auf Grundlage des von ihm selbst verfassten „Kurses der Anatomie des menschlichen Körpers“ (1852) und widmete nicht nur der Morphologie, sondern auch den physiologischen Funktionen große Aufmerksamkeit. In einem auf dem 2. Kongress der Naturforscher in Kiew gehaltenen, der Wirkung von Kälte auf den tierischen Organismus gewidmeten Vortrag vertrat Walter 1862 die These, dass sich Tiere durch Kühlung in einen für die Vivisektion geeigneten Zustand versetzen ließen, was ihn zu einem der Pioniere der Hypothermie in der Chirurgie werden ließ. In den Jahren 1860-81 gab Walter auf eigene Kosten die erste medizinische Zeitschrift der Ukraine „Moderne Medizin“ heraus, in der zahlreiche Fragen von großer gesellschaftlicher Wichtigkeit unter professionellen Gesichtspunkten diskutiert wurden.

Im Jahr 1847 wurde der in Livland geborene Anton Christian August von Hübbenet (*1822, †1873), der im Jahr 1844 die Medizinische Fakultät der Universität Dorpat abgeschlossen und anschließend als Arzt in der Verwaltung des 6. Bezirks der Verkehrswege in Kasan gedient hatte, als Adjunkt an den Lehrstuhl für staatliche Gesundheitskunde der Kiewer Wladimir-Universität berufen. Unter dem Einfluss des an der Universität Kasan lehrenden Professors Georg Joachim Blosfeld befasste er sich mit forensischer Medizin und erforschte die Wirkung von Arsen sowie dessen Nachweis in Leichen, wofür ihm 1847 in Dorpat der Grad eines Doktors der Medizin verliehen wurde. 1848 kam er als Assistenzarzt an das Kiewer Militärhospital, wo er ein Kabinett am Lehrstuhl für Gesundheitskunde leitete und praktische Medizin lehrte. 1850 veröffentlichte er in deutscher und russischer Sprache seinen „Bericht über die im Kiewer Militärhospital im Jahre 1848 beobachtete Choleraepidemie“. Von 1850 an war er außerordentlicher und von 1851 an ordentlicher Professor am Lehrstuhl für theoretische Chirurgie und an der neugegründeten Chirurgischen Klinik. Nach Übernahme der Leitung der Klinik des Militärhospitals galt sein wissenschaftliches Forschungsinteresse vor allem der Syphilis sowie diversen Augenkrankheiten. Die Resultate seiner Forschungstätigkeit fasste Hübbenet in seinem im Jahr 1859 in deutscher und russischer Sprache erschienen Artikel „Beobachtung und Experiment in der Syphilis“ zusammen. In den Jahren 1854-55 wurde Hübbenet auf die Krim kommandiert, um den im Krimkrieg verwundeten Soldaten Hilfe zu leisten, und stand bis zum 28. August 1855 bei der Sewastopoler Garnison. Die Frucht seiner Beobachtungen war sein der Belagerung von Sewastopel gewidmeter medizinisch-statistischer „Abriss über die Medizinischen Einheiten der auf der Krim in den Jahren 1854-56 eingesetzten Truppen“ (St. Petersburg, 1870). Im Jahr 1870 nahm er als Bevollmächtigter der Hauptverwaltung der Russischen Gesellschaft für die Versorgung von Verwundeten an dem in Basel gegründeten Internationalen Komitee für die Versorgung verwundeter und kranker Soldaten im Deutsch-Französischen Krieg teil und verfasste unter dem Titel „Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 und die russische internationale Hilfe für verwundete und kranke Soldaten“ einen ausführlichen Bericht (Kiew, 1871). Hübbenet engagierte sich für die Verbreitung hygienischer Kenntnisse in der russischen Gesellschaft und ging davon aus, das „Bildung, Wohlstand und Freiheit die einzigen Garanten für eine stabile Gesundheit des Volkes“ seien. Er war Mitglied zahlreicher russischer und ausländischer wissenschaftlicher Gesellschaften.

Ein weiterer herausragender an der Kiewer Wladimir-Universität tätiger Mediziner war der 1817 in Riga geborene, von Bürgern der Stadt Wenden abstammende Julius Ferdinand Mazonn, der nach Abschluss seines Studiums an der Universität Dorpat im Jahr 1843 zunächst als Bezirksarzt in Skwira tätig war und 1844 an die Kiewer Heilanstalt für psychisch Kranke versetzt wurde. Im Jahr 1850 promovierte Mazonn an der Universität Kiew zum Doktor der Medizin. 1852 wurde er als Adjunkt an den Lehrstuhl für Private Allgemeinmedizin der Wladimir-Universität berufen und 1854 im Rang eines außerordentlichen Professors am Lehrstuhl für allgemeine Pathologie und Anatomische Pathologie bestätigt. In den Jahren 1865-66 lehrte Mazonn zudem Pathologie und Allgemeinmedizin und leitete die Internistische Klinik. Von 1868 bis 1870 war er Dekan, von 1875 an Direktor des Städtischen Alexanderkrankenhauses in Kiew.

Ein herausragender Internist war Friedrich Georg Mering (*1822, †1887), der im Jahr 1857 zum außerordentlichen und im Jahr 1865 zum ordentlichen Professor am Lehrstuhl für Spezielle Pathologie und Allgemeinmedizin sowie zum Direktor der Klinik für Innere Medizin der Universität Kiew ernannt wurde. An der Medizinischen Fakultät der Kiewer Wladimir-Universität wurde ein zu Ehren Merings benanntes Stipendium eingerichtet. Zudem ist eine Straße in Kiew nach ihm benannt.

In den Jahren 1883-1900 war Georg Rein (*1854, †1942), der im Jahr 1874 die Militärmedizinische Akademie abgeschlossen hatte und dort 1876 mit dem Thema „Zur Frage der Entfernung von Fibromyomen der Gebärmutter durch Laparotomie“ promovierte, Professor am Lehrstuhl für Geburtshilfe der Wladimir-Universität. Rein arbeitete als Chirurg in der Feldarmee und nahm am Krieg zur Befreiung Bulgariens von der Türkenherrschaft teil. Auf Initiative Reins wurde in Kiew ein neues Gebäude der Geburtsklinik errichtet und ausgerüstet, in dem er die durch das Kindbettfieber verursachte Mortalitätsrate von 30% auf 0,2% senken konnte. Im Jahr 1886 gründete Rein die in den folgenden zwölf Jahren von ihm selbst geführte Kiewer Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie und gab zwölf Bände der Werke der Gesellschaft heraus.

In den Jahren 1885-87 war Fjodor Alexandrowitsch Lösch (*1840, †1903) Professor am Lehrstuhl für Ärztliche Diagnostik der Kiewer Universität und Vorsitzender der Kiewer Ärztegesellschaft, der zahlreiche der Koprologie gewidmete Arbeiten verfasste, in denen er den Erreger der Amöbenruhr erstmals beschrieb (1875). In seiner Kiewer Zeit zog er einige Schüler heran, von denen N.G. Masjutin durch seine Arbeiten zur Erforschung der Amöbenruhr in der Ukraine die größte Bekanntheit erlangte.

Für die Entwicklung der Pathologie an der Kiewer Wladimir-Universität spielte Wladimir Karłowitsch Lindeman (*1868, †1933), der in den Jahren 1901-20 als Professor am Lehrstuhl für Allgemeine Pathologie tätig war, eine herausragende Rolle. Lindemann war einer der Gründer der Höheren Medizinischen Frauenkurse, an denen er einen der Zoologie und der Allgemeinen Pathologie gewidmeten Kurs hielt, und Gründer des Zoologischen Museums. Darüber hinaus leitete er das Kiewer Bakteriologische Institut, an dem er eine Abteilung für Experimentelle Medizin aufbaute und die Massenproduktion von Heilseren und organisch-therapeutischen Präparaten einleitete.

Auch an anderen russischen Universitäten lehrten deutsche Professoren. So gründete Theodor Georg Hausmann (*1868, †1944), der nach Abschluss seines Studiums an der Universität Jurjewo (1894) zunächst als außerplanmäßiger Assistent an der Berliner Klinik von Professor Ewald (1902) und anschließend als planmäßiger Assistent an den Kliniken von Rostock und Berlin sowie Privatdozent der Medizinischen Fakultät der Moskauer Universität tätig war, im Jahr 1924 den Lehrstuhl für Klinische Therapie der Medizinischen Fakultät der Weißrussischen Staatsuniversität. 1910 veröffentlichte er eine der Palpation gewidmete deutschsprachige Monographie, die 1912 mit Ergänzungen versehen auch in Moskau erschien und 1918 in Deutschland neu aufgelegt wurde. In Minsk setzte er seine den physikalischen Forschungsmethoden gewidmete Tätigkeit fort und arbeitete die physiologischen Grundlagen der Palpation aus. 1939 fasste Hausmann mehrere der Tuberkulose gewidmete Arbeiten in der Monographie „Probleme der extrapulmenalen Tuberkulose und deren vorbeugende Behandlung mit Hilfe von Tuberkulin“ zusammen. 1931 wurde Hausman der Ehrentitel „Verdiente Wissenschaftler“ verliehen. Er war Mitglied der Akademie der Wissenschaften der Weißrussischen SSR.

Deutsche Professoren leisteten einen gewichtigen Beitrag zur Gründung und Entwicklung sowohl der Medizinisch-Chirurgischen Akademie als auch zahlreicher weiterer medizinischer Einrichtungen und Krankenhäuser. 1864 beauftragte Peter von Oldenburg, der die von der Zarin Maria Fjodorowna gegründete Hauptverwaltung aller Wohltätigkeits- und Erziehungseinrichtungen Russlands leitete, den in den Jahren 1858-68 als Chefarzt der Petersburger Erziehungsanstalt tätigen Karl Gottlieb Rauchfuß (*1835, †1915), einen Plan für die Errichtung eines Kinderkrankenhauses auszuarbeiten, das am 30. September 1869 eröffnet wurde und seinerzeit zu Ehren des Prinzen Oldenburg nach diesem benannt wurde (heute St. Petersburger Städtisches K.A. Rauchfuß-Kinderkrankenhaus). Bei dem Neubau handelte es sich um das erste eigens zu diesem Zweck errichtete Kinderkrankenhaus, dem eine Vorbildfunktion zukommen sollte. Nach seiner Ernennung zum ersten Direktor des neugegründeten Krankenhauses war Rauchfuß in den folgenden vierzig Jahren (bis 1908) höchst erfolgreich auf diesem Posten tätig. Rauchfuß, der zuvor in der Erziehungsanstalt im Verlauf eines Jahrzehnts mit einer gewaltigen Kindersterblichkeit und hohen innerhalb des Krankenhauses bestehenden Infektionszahlen konfrontiert war, arbeitete detaillierte Maßnahmen zur Verhinderung dieser alle Kindereinrichtungen heimsuchenden Geißel aus. Er führte ein von ihm selbst entwickeltes System von Isolationsboxen für Verdachtsfälle sowie weitere wirksame Maßnahmen zur Vermeidung der Verbreitung von Infektionen aus. Weitere der Bekämpfung infektiöser Kinderkrankheiten dienende Maßnahmen führte er auch in dem von ihm eingerichteten Kinderkrankenhaus in Moskau durch, das zu einem Vorbild für pädiatrische Krankenhäuser werden sollte.

Bei dem von ihm geleiteten Petersburger Krankenhaus richtete Rauchfuß Kurse ein, in denen die Ärzte Hilfsärztinnen schulten. Er führte das Institut der Assistenzärzte ein, das sich in der Praxis vollständig bewährte, wenn es darum ging, hochqualifizierte Spezialisten für Kinderheilkunde heranzuziehen, die in vielen Fällen später selbst entweder zu Leitenden Ärzten aufstiegen (A.A. Schmitz, Julius Christian Serck. Richard Alexander Peters, W.G. Spiegel, Nikolai Lunin, F.F. Weiert) oder ihre Arbeit an anderen Kinderkrankenhäusern fortsetzten. Rauchfuß richtete im Krankenhaus ein Labor ein und förderte die von seinen Mitarbeitern geleistete wissenschaftliche Arbeit in jeder erdenklichen Weise. Allein in den ersten 25 Jahren seines Bestehens (1869-94) entstanden in dem Krankenhaus 72 wissenschaftliche Arbeiten, von denen Rauchfuß siebzehn selbst verfasste: „Kurze Darstellung der Ordnung des Prinz von Oldenburg-Kinderkrankenhauses (1869), „Über den angeborenen Verschluss der Aortamündung“ (Doktordissertation. 1869), „Programm für den Bau des Moskauer Wladimir-Kinderkrankenhauses“ (1873) und andere.

Im Jahr 1868 gründete Großfürstin Jelena Pawlowna bei der Petersburger Maximilian-Klinik eine Ambulanz, die sich zu einem Zentrum entwickeln sollte, an dem junge Ärzte unter Anleitung erfahrener Spezialisten weitergebildet wurden und erste Hals-Nasen-Ohrenärzte und Elektrotherapeuten eine Ausbildung erhielten. Als Berater fungierte Eduard Eichwald, der in den Jahren 1865-73 als Leibarzt der Großfürstin tätig war. Die von der Arbeit des Zentrums begeisterte Jelena Pawlowna vermachte diesem das für die Gründung eines Weiterbildungsinstituts benötigte Kapital. Nach ihrem Tod wurde die Vollstreckung ihres Testaments einer Sonderkommission übertragen, der von 1875 an in seiner Eigenschaft als Mitglied des Verwaltungsrats der Einrichtungen der Großfürstin Jelena Pawlowna auch Eichwald angehörte, der einen Plan für das Institut (heute Petersburger Medizinische Akademie für Postgraduale Bildung) ausarbeitete und selbst eine Spende in Höhe von 75.000 Rubeln besteuerte. Unter seiner unmittelbaren Aufsicht und Leitung wurde das Institut aufgebaut und am 21. Mai 1885 für den Lehrbetrieb eröffnet. Von 1885 bis zu seinem Lebensende im Jahr 1889 war Eichwald als Direktor des Instituts und der Therapeutischen Klinik tätig und hielt Kurse zum „Klinischen Befund innerer Krankheiten“, zur „Differentialen Diagnostik“, zu „Empirischen Methoden des ärztlichen Vorgehens“, eine „Einführung in die Therapie des 19. Jahrhunderts“ sowie einen „Kritischen Überblick über medikamentöse Behandlungsmethoden“. Nach Aussagen seiner Zeitgenossen war Eichwald ein versierter Wissenschaftler und erfahrener Klinikarzt, der über fundamentale Kenntnisse in allen mit der Medizin verbundenen Naturwissenschaften verfügte, was zahlreiche junge Ärzte in seinen Hörsaal lockte.

In den Jahren 1889-1919 war Wladimir Adolfowitsch Stange, der die nach ihm benannte und von Allgemeinmedizinern und Chirurgen umfassend eingesetzte „Stange-Probe“ erarbeitete und in die Praxis einführte, am Institut als Ehrenprofessor für Physiotherapie und Körpergymnastik tätig.

Im Jahr 1903 wurde Leonid Wassilijewitsch Blumenau Professor am Lehrstuhl für Nervenkrankheiten, der in dieser Eigenschaft am Institut insgesamt 28 Jahre tätig war und dort ein erstklassiges neurologisches Zentrum gründete. Blumenau organisierte an der Klinik regelmäßig Versammlungen von Neuropathologen, aus denen später die Leningrader Gesellschaft der Neuropathologen hervorgehen sollte.

Der durch seine der operativen Chirurgie gewidmeten Arbeiten sowie zahlreiche Gelenkoperationen bekannte Professor Gustaw Ferdinandowitsch Tiling (*1850, †1912) hielt von 1885 an einen der „operativen Chirurgie an Leichen“ gewidmeten Kurs. Im gleichen Jahr startete der Assistenzarzt der Petersburger Augenklinik German Andrejewitsch Donberg, der später Ehrenprofessor und Direktor der von ihm am Institut aufgebauten Augenklinik werden sollte (1889-1900), einen Kurs zu Augenkrankheiten. Donberg war ein herausragender Augenarzt und Chirurg, der neben seiner ärztlichen Tätigkeit auch die Konstruktion eines Ophthalmoskops und anderer chirurgischer Instrumente vorantrieb. Er veröffentlichte die Arbeiten „Über die Resultate der Behandlung mit Eserine nach Materialien der Petersburger Augenklinik“ und „Über die Aseptik in der Augenchirurgie“ (1882).

Im Jahr 1886 wurde A.D. Poehl, der Basis der wissenschaftlichen Pharmazie in Russland legte, Professor für medizinische Chemie am Klinischen Institut. Seine neuen, den Anforderungen der wissenschaftlichen Medizin entsprechenden Methoden legte er in seinen Arbeiten „Rationale Mittel der Anfertigung galenischer Präparate“ und „Aseptik und Antiseptik bei der Anfertigung von ärztlichen Mitteln“ dar. Poehl war Herausgeber des von H. Hager verfassten fünfbändigen „Handbuchs der pharmazeutischen und medizinisch-chirurgischen Praxis“.

In den Jahren 1887-95 war Basilius von Anrep, der im Jahr 1887 Mitglied des Medizinischen Rats des Innenministeriums wurde, Professor für Physiologie am Klinischen Institut der Großfürstin Jelena Pawlowna. Anrep verfasste insgesamt vierzig wissenschaftliche Arbeiten, darunter das Grundlagenwerk „Handbuch der pharmazeutischen und medizinisch-chirurgischen Praxis“ (St. Petersburg, 1889-95).

in den Jahren 1885-90 hielt der Direktor der Petersburger Geburtshilfeeinrichtung E.F. Bidder, der auch Ehrenprofessor und Berater des Instituts war, Vorlesungen zur Geburtshilfe und Gynäkologie. Da er zu diesem Zeitpunkt bereits fortgeschrittenen Alters war, wurde ihm der junge Privatdozent der Militärmedizinischen Akademie Dmitri Oskarowitsch Ott (*1855, †1929) als Helfer zur Seite gestellt, der sich nicht darauf beschränkte, Vorlesungen zu halten und ambulanten Patienten zu untersuchen, sondern auch dafür sorgte, dass in den allgemeinmedizinischen und chirurgischen Kliniken des Instituts einige Betten für Patientinnen der Gynäkologie bereitgestellt wurden. Im Jahr 1890 erhielt er den Titel eines Ehrenprofessors und leitete den Lehrstuhl für Gynäkologie. Auf seine Initiative wurde 1892 eine gynäkologische Klinik mit zwanzig Betten und eigenem Operationssaal eröffnet. In den Jahren 1892-96 baute er eine auf Geburtshilfe spezialisierte Poliklinik auf. Ott war als glänzender Lektor und Operateur bekannt und hielt Kurse zur „Gynäkologischen Klinik“, zu „Ausgewählten Aspekten der Gynäkologie mit Demonstration an Patienten“, zu „Gynäkologischen Operationen“ sowie zur „Poliklinik der Frauenkrankheiten“. Die Zahl der für diese Kurse eingeschriebenen Hörer lag bei über 7.000 Personen. Die wichtigsten zu dieser Zeit von Ott verfassten Werke waren „Pathologie und Therapie falscher Lagen der Gebärmutter“ (1889) und „Materialien über die extrauterine Schwangerschaft“ (1890).

Im Jahr 1899 wurde Alexander Karlowitsch Limberg (*1856, †1906), der 1881 die Militär-Medizinische Akademie abgeschlossen hatte und anschließend zu Studienzwecken im Ausland war, der erste Professor für Zahnheilkunde des Klinischen Instituts. 1891 promovierte er mit dem Thema „Moderne Kariesvorsorge und -therapie“ zum Doktor der Medizin. Im Herbst 1892 wurde er eingeladen, am klinischen Institut Zahn- und Mundhöhlenkrankheiten gewidmete Vorlesungen zu halten. 1893 wurde er im Rang eines konsultierenden Arztes des Instituts bestätigt. Im Jahr 1897 wurde er zum Vorsitzenden der St. Petersburger Zahnärztlichen Vereinigung gewählt. Im Januar 1899 wurde er im Rang eines Ehrenprofessors des Klinischen Instituts bestätigt, was einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der Zahnheilkunde in Russland darstellte, da erstmals ein Lehrstuhl und Professorentitel an einen Spezialisten für Zahnkrankheiten vergeben wurde.

Limbergs Sohn Alexander Alexandrowitsch Limberg (*1894, †1974) kam 1920 nach Abschluss seines Studiums an der Militär-Medizinischen Akademie (1919) als Assistent an den Lehrstuhl für Zahnheilkunde des 1. Leningrader Medizinischen Instituts und wurde 1924 als Professor an das 2. Leningrader Medizinische Institut berufen. Im gleichen Jahr wurde ihm die Leitung der neugegründeten Abteilung für Kiefer- und Gesichtschirurgie des Leningrader Instituts für Traumatologie und Orthopädie übertragen. 1935 baute Limberg den Lehrstuhl für Kiefer- und Gesichtschirurgie des Leningrader Instituts für Ärztliche Weiterbildung auf, den er bis 1974 leitete. In den Jahren 1943-45 war er Professor am Lehrstuhl für Kiefer- und Gesichtschirurgie und Stomatologie des Leningrader Pädiatrischen Instituts und in den Jahren 1946-56 Leiter des Lehrstuhls für Chirurgische Stomatologie des Leningrader Stomatologischen Instituts. Limberg verfasste über 150 unterschiedlichen Fragen der Stomatologie sowie der Kiefer- und Gesichtschirurgie gewidmete wissenschaftliche Arbeiten, darunter zwei Lehrbücher der Chirurgischen Stomatologie, einzelne Kapitel in insgesamt zehn Handbüchern und drei Monographien. Für die Monographie „Mathematische Grundlagen der lokalen plastischen Chirurgie auf der Oberfläche des menschlichen Körpers“ (1946) wurde er 1948 mit dem Stalinpreis ausgezeichnet. Mit seinen Arbeiten legte Limberg die theoretischen Grundlagen für die im Bereich der plastischen Chirurgie und der Hauttransplantationen geleistete Forschung und Lehre. Unter seiner Leitung wurden neun Doktor- und 36 Kandidatendissertationen verfasst. Limberg war korrespondierendes Mitglied der Akademie der Medizinischen Wissenschaften der UdSSR (1945) und Verdienter Wissenschaftler der RSFSR (1963).

Von 1912 an leitete der Direktor des Orthopädischen Instituts Professor Edmund Robert Wreden am Klinischen Institut den mit exemplarischen Operationen einhergehenden Unterricht der Orthopädie. 1937 trat Professor R.Ju. von der Osten-Sacken die Leitung der ersten planmäßigen Dozentur für Prothetik an. In den Jahren 1920-22 leitete der herausragende klinische Arzt Georg Heinrich Robert Lang die Internistische Klinik. Nach der Revolution von 1917 wurde das St. Jelena-Institut reorganisiert und in Staatliches Institut für (Postgraduale) Ärztliche Weiterbildung umbenannt. Viele bereits vor der Revolution bestehende Ansätze wurden weiter entwickelt.

Initiator der Gründung des ersten Orthopädischen Instituts in Russland war der Petersburger Arzt und Doktor der Medizin (1884) Karl Christianowitsch Horn (*1851, †1905), der allerdings noch vor der Eröffnung des Instituts am 2. September 1905 verstarb, so dass der Chirurg und Orthopäde Edmund Robert (Roman Romanowitsch) Wreden die Leitung des neugegründeten Instituts übernahm, der zuvor im Russisch-Japanischen Krieg von 1904/05 als Chefchirurg der Mandschurischen Armee gedient hatte. Am 8. August 1906 fand die Eröffnung des Instituts statt, an dem Wreden in den folgenden dreißig Jahren bis zum letzten Tag seines Lebens arbeiten sollte. Unter seiner Leitung wurde das Institut zu einem der führenden Zentren der chirurgischen Orthopädie, die sich zu dieser Zeit zu einem eigenständigen Zweig der Medizin entwickelte. Im Jahr 1924 wurde das Orthopädische Institut mit dem Physikalisch-Chirurgischen Institut zusammengelegt und in „Staatliches R.R. Wreden-Institut für Traumatologie und Orthopädie“ umbenannt. Im Jahr 1911 wurde Wreden Professor am Lehrstuhl für Orthopädie des Psychoneurologischen Instituts und 1918 Professor am Ersten Petrograder Medizinischen Institut (früheres Medizinisches Fraueninstitut). Von diesem Zeitpunkt an waren Wredens Mitarbeiter bis 1934 auch für die Ausbildung von Unfallchirurgen am Staatlichen Institut für Ärztliche Weiterbildung zuständig. Gleichzeitig leitete Wreden die wissenschaftlich-praktische Arbeit der orthopädischen Abteilung des Karl Marx-Krankenhauses, des Instituts für Mutter- und Kindschutz (ab 1925), des im Kurort Sestrorezki gelegenen Knochentuberkulose-Sanatoriums (ab 1925) und der Orthopädischen Abteilung des Metschnikow-Krankenhauses (ab 1933). Er veröffentlichte insgesamt 80 wissenschaftliche Arbeiten, unter denen auch das erste in russischer Sprache verfasste Lehrbuch zur Orthopädie („Praktisches Handbuch der Orthopädie“) war, das von 1925 an in drei Auflagen erschien. Er schlug etwa zwei Dutzend Originaloperationen vor, die unter dem Namen „Operationen Wredens“ bekannt sind, und begründete eine eigene Schule von Chirurgen und Orthopäden.

Am 14. September 1897 fand in St. Petersburg die Eröffnung des Medizinischen Fraueninstituts statt. Der erste, an dessen Gründung beteiligte Direktor Professor Basilius von Anrep erklärte in seiner an die künftigen Studentinnen gerichteten Rede: „Denken Sie immer daran, dass Sie den Weg für Tausende russische Frauen legen, die in unterschiedlichen Wissensgebieten und Tätigkeitsbereichen nach höherer Bildung streben.“ Anrep konnte zahlreiche talentierteste Professoren der Militär-Medizinischen Akademie und anderer Universitäten an das neue Institut holen. Sein Nachfolger auf dem Posten des Institutsdirektors war in den Jahren 1899-1905 Dmitri Ott, der im Jahr 1900 die Genehmigung erhielt, das Peter- und Paul-Krankenhaus so umzubauen, dass insgesamt 130 Betten für die klinische Praxis des Instituts genutzt werden konnten. Unter den zahlreichen am Institut tätigen deutschen Professoren und Lehrkräften erlangten Alexander Dogel und Georgi Lang die größten Erfolge in Wissenschaft und Lehre. Dogel war ein glühender Verfechter der Idee, die medizinischen Hochschulen auch für Frauen zu öffnen, und richtete im Jahr 1897 am Medizinischen Fraueninstitut einen Lehrstuhl sowie ein Labor für Histologie ein. Er war ein hervorragender Pädagoge und glänzender Lektor, dessen Vorlesungen immer in überfüllten Hörsälen stattfanden. Sein praktischer Unterricht schloss die Herstellung von Präparaten und deren Untersuchung ein. Er lehrte bis zum letzten Tag seines Lebens.

Georgi Fjodorowitsch Lang (*1875, †1948), der zu den besten klinischen Ärzten gehörte, wurde 1922 als Professor an den Lehrstuhl für Innere Medizin des Petrograder Medizinischen Instituts berufen. Auf sein Betreiben wurde die dritte Etage des sogenannten „Neuen Gebäudes“ der Klinik überlassen, die parallel auch die Abteilung für Innere Medizin des Friedrich-Erisman-Krankenhauses wurde, als dessen Chefarzt er in den Jahren 1924-30 tätig war. Im Jahr 1928 wurde ein weiteres Gebäude errichtet, in dem alle für die Diagnostik und Behandlung benötigten Laboratorien und sonstigen Räumlichkeiten untergebracht waren (Apparative Diagnostik, Elektrographie, Röntgenzimmer usw.). Darüber hinaus gab es ein Biochemisches sowie ein für Gasanalysen bestimmtes Forschungslabor sowie einen eigenen Raum, in dem eine große Zahl an Versuchstieren gehalten wurde. So verfügte das Krankenhaus nicht nur über modernste für die Untersuchung und Behandlung der Patienten benötigte Apparaturen, sondern war auch für die wissenschaftliche Forschungsarbeit bestens ausgestattet. Im Jahr 1935 unternahm Lang den Versuch, die Zusammenarbeit zwischen stationärer und ambulanter Behandlung zu verzahnen, um die Patienten von der Aufnahme in der Ambulanz über die Behandlung am Krankenbett bis zur Weiterbehandlung in der Poliklinik ununterbrochen beobachten zu können. Faktisch wurde die Klinik unter Langs Leitung zu einem bestens ausgestatteten Behandlungs-, Forschungs- und Wissenschaftszentrum, in dem er sein Programm der poliklinischen Lehre und Arbeit mit den Studenten umsetzte.

Lang begründete eine starke Schule klinischer Ärzte, als deren wichtigste Errungenschaften die folgenden Punkte zu nennen sind: -) das von Lang vorgeschlagene System von Vorsorgeuntersuchungen hypertonischer Patienten im transitorischen und prähypertonischen Stadium; -) die Vorstellung, dass Erkrankungen des Herzmuskels (Kardiomyopathie) für Herzinsuffizienzen verantwortlich sind; -) die Einstufung der arteriellen Hypertonie als eigenständiges Krankheitsbild (1922), dessen primäre Pathogenese durch funktionale Störungen des zentralen Nervensystems und Stresszustände ausgelöst wird. Lang war Herausgeber eines vierbändigen „Handbuchs der Inneren Krankheiten“ (1926-30). Die Verdienste der von Lang begründeten Schule sind allseits anerkannt. Ungeachtet seiner zu diesem Zeitpunkt höchst problematischen nationalen Zugehörigkeit wurde Lang zum Mitglied der im Jahr 1945 gegründeten Akademie der Medizinischen Wissenschaften der UdSSR gewählt.

Ein gesondertes Kapitel der Geschichte der Rolle der deutschstämmigen Ärzte in der russischen Medizin bildet die Tätigkeit der im 19. und frühen 20. Jahrhundert bestehenden deutschen Ärztegesellschaften.

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