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BEHRENS Jewgeni Andrejewitsch (1876–1928), Offizier der russischen und sowjetischen Flotte, Chef des Marinegeneralstabs, Kommandierender der Roten Arbeiter- und Bauernflotte, Mitautor des Plans eines „Eismarsches“ der Baltischen Flotte aus Reval und Helsingfors nach Kronstadt

Rubrik: Biographische Beiträge (Personalien) / Vertreter des sozialen Bereichs (Bildung, Medizin)

BEHRENS, Jewgeni Andrejewitsch [30. Oktober (12. November) 1876, Tiflis – 7. April 1928, Moskau], Offizier der russischen und sowjetischen Flotte, Chef des Marinegeneralstabs (1917–1919), Kommandierender der Roten Arbeiter- und Bauernflotte, Mitautor des Plans eines „Eismarsches“ der Baltischen Flotte aus Reval und Helsingfors nach Kronstadt.

Entstammte einer Adelsfamilie aus dem Gouvernement Moskau. Orthodoxer Christ. Ältester Sohn des Staatsanwalts aus Tiflis Andrej Jewgenjewitsch Behrens und dessen Ehefrau Maria Michailowna (geb. Alichanowa). Bruder von Behrens, Michail Andrejewitsch.

Nach Abschluss des Marinekadetten-Korps (1895) diente er als Ausführender von hydrographischen Arbeiten bei gesonderter Vermessung des Weißen Meeres und wurde 1897 für die Winterzeit an die Hydrographische Hauptabteilung abkommandiert. Dieses Amt bekleidete er bis 1900.

Er diente bei der Baltischen Flotte, fuhr mehrmals zur See mit dem Übungsschiff „Werny“ (Der Treue) sowie mit dem Küstenschutz-Panzerschiff „Ne tronj menja!“ (Rühre mich nicht an!). Als Steuermann des Torpedobootes „Wlastny“ (Der Mächtige) machte er 1902 einen Marsch zum Pazifikgeschwader mit. In der Folgezeit war Obersteuermann des Kreuzers „Sabijaka“ (Angriffslustiger) in Port Arthur und dann des Kreuzers „Warjag“ (auf diesem Posten löste er seinen Bruder Michail Behrens ab, der zum Geschwader-Panzerschiff „Sewastopol“ versetzt wurde.

1904 absolvierte er eine Steuermann-Offiziersklasse.

1904–1905: Teilnehmer am Russisch-Japanischen Krieg. Am 27. Januar 1904 nahm er als oberster Steuermannsoffizier des Kreuzers „Warjag“ an der Seeschlacht bei Tschemulpo teil: Seine Aufgabe war es, den Kurs für die Schiffe festzulegen, damit sie im engen Fahrwasser manövrieren können. Er bekam eine Quetschung, blieb jedoch bei der Truppe. Ausgezeichnet mit dem Hl. Georg-Orden des 4. Grades.

Nach Kriegsende kehrte er zur Baltischen Flotte zurück, lehrte am Marinekorps und leistete einen großen Beitrag zur Heranziehung einer ganzen Generation von russischen Seeleuten. In den Jahren 1906–1909 diente er auf dem Geschwader-Panzerschiff „Zessarewitsch“ (Thronfolger), der zum Gesonderten Schiffsverband gehörte, und machte drei Mittelmeer-Kampagnen mit. Im Dezember 1908 zeigte er als Oberoffizier der „Zessarewitsch“ außergewöhnliche Selbstlosigkeit, als er zusammen mit Besatzungen anderer russischer Schiffe in Messina (Insel Sizilien in Italien) den einheimischen Erdbebenopfern half. Ausgezeichnet von Italiens Regierung mit einer besonderen Silbermedaille.

1910 hielt er Vorlesungen an der Nikolai-Akademie des Generalstabs für Marinekunst. Mitautor der russischen „Militärenzyklopädie“ (1911–1912).

Seit November 1910 stand er im militär-diplomatischen Dienst. 1910 bis 1914: Marineagent (Marineattache) in Deutschland und Holland. Gleichzeitig wurde er 1914 zum Kommandeur des in Deutschland im Bau befindlichen Leichtkreuzers „Admiral Newelskoi“ ernannt.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde er nach Russland zurückbeordert und war im Marine-Generalstab tätig. 1915 bis 1917: Marineagent in Italien, verantwortlich für enge Kontakte zur Führung der italienischen Marine, die mit der Entente verbündet war. 

1916 wurde er in den Rang des Kapitäns zur See befördert.

1917 wurde er nach der Februarrevolution von der Provisorischen Regierung nach Russland zurückbeordert (nach anderen Quellen kehrte er auf eigene Initiative nach Petrograd zurück) und wurde zum Leiter des Referats für Auslandsstatistiken des Marinegeneralstabs ernannt.

Nach der Oktoberrevolution ging er freiwillig auf die Seite der Sowjetmacht über. Auf einer internen Versammlung des Marinegeneralstabs im November 1917 redete er von der Notwendigkeit, „zum Wohle Russlands zu arbeiten“ und widersprach jenen Offizieren, die dazu aufriefen, die neue Macht zu sabotieren. Er wurde mit Stimmenmehrheit zum Chef des Marinegeneralstabs gewählt und bekleidete dieses Amt bis April 1919, gleichzeitig gehörte er im April–August 1918 zum Obersten Militärrat. Trotz der Zerrüttung und der revolutionären Erschütterungen sorgte er dafür, Marineverwaltungsbehörde und Marineführung zu bewahren sowie die Schiffe zu retten.

Am 18. Februar 1918 schickte er ein Telegramm nach Noworossijsk an den Kommandeur des Küstenschutzes B. Scherwa mit dem Befehl, Widerstand gegen die vorrückenden deutschen Verbände zu organisieren und zu verhindern, dass die russischen Schiffe vom Feind erbeutet werden. Zugleich appellierte er, „die Schiffe möglichst bis zuletzt zu schonen“. Als Ergebnis begründete Je. A. Behrens einen Bericht an die Sowjetregierung über die Notwendigkeit, die Schiffe der Schwarzmeerflotte in Noworossijsk zu vernichten, damit sie deutschen Truppen nicht in die Hände geraten, und leitete alle Maßnahmen ein, um Lenins Weisung über Versenkung der Schiffe zu erfüllen.

Behrens nahm teil an der Ausarbeitung des Plans für den „Eismarsch“ der Baltischen Flotte aus Reval und Helsingfors nach Kronstadt. Dadurch war es gelungen, 211 Schiffe vor der Gefangennahme zu retten.

Vom April 1919 bis Februar 1920 war Je. A. Behrens Kommandierender der Marinekräfte der Sowjetrepublik (Rote Arbeiter- und Bauernflotte) und leitete unmittelbar die Kampfhandlungen auf See und in den Binnengewässern. Als während des Bürgerkrieges die meisten Meerhäfen von Anti-Bolschewiken-Kräften erobert wurden, verlagerte Je. A. Behrens die Flottenoperationen ins Landesinnere. Er gliederte aus den Fronten einige Flottillen heraus und gründete gleichzeitig mehrere neue Fluss- und Seeflottillen, die er dem Kommandierenden der Marinekräfte direkt unterstellte. Diese Flottillen, deren Gesamtzahl bis zu 20 erreichte, unterstützten mit Erfolg die Einheiten der Roten Armee bei Tschistopol und Jelabuga, an der Wolga, Ladoga, Onega sowie am Kaspischen Meer. Im August 1919 leistete Je. A. Behrens zusammen mit  Stabsmitarbeitern an der Wolga praktische Hilfe der Führung der Wolga-Flottille, die an den Kämpfen um die Stadt Zarizyn (heute: Wolgograd) teilnahm.

Im Frühjahr 1920 verfasste er ein Appell an die russischen Marinesoldaten (insbesondere an Offiziere), die gegen die Bolschewiken kämpften: „Wir wenden uns an alle Marineangehörigen, unabhängig vom Dienstgrad, Rang und Stellung – egal, wo sie sich außerhalb Sowjetrusslands befinden –, aber ganz besonders an die Marineangehörigen der Schwarzmeerflotte, mit einem aufrichtigen und heißen Gruß. Sie sollten die Entzweiung vergessen, zu der es in den letzten Jahren gekommen ist, und sich mit uns zusammentun, um das russisch Volk und deren Erde zu retten“.

1920 bis 1924 war er Sonderbeauftragter beim Militärischen Revolutionsrat der Sowjetrepublik.

1920: Mitglied der sowjetischen Delegation bei der Unterzeichnung des Tartu-Friedensvertrags mit Finnland. Als Marinesachverständiger nahm er teil an der Arbeit der sowjetischen Delegation auf den Friedenskonferenzen in Riga (1921), Genua (1922) und Lausanne (1922–1923) sowie auf der Konferenz über die Kürzung der maritimen Rüstungen in Rom (1924): Dort verlangte er die Rückkehr des russischen Geschwaders, das 1920 nach Bizerta (Tunesien) entführt worden war.

Seit 1924 Marineattache der UdSSR in Großbritannien mit Flaggmann-Dienstgrad (entspricht dem Konteradmiral), seit 1925 nebenbei Marineattache in Frankreich. Ende 1924 kam er zum französischen Marinestützpunkt Bizerta (Tunesien) als Mitglied einer sowjetischen technischen Kommission, die über das Schicksal der Schiffe des russischen Geschwaders verhandeln sollte, dessen Kommandeur sein Bruder M. A. Behrens war. Es wurde beschlossen, das Geschwader nach Sewastopol zurückzuführen. Es erwies sich jedoch technisch nicht machbar – wegen akuter Reparaturbedürftigkeit der Schiffe. Wo und auf wessen Kosten die Schiffe zu reparieren sind, bevor sie zum Marsch nach Russland ansetzen – das zu klären gelang es nicht. Die voraussichtliche Übergabe der Schiffe an die russische Seite fand nie statt. Das Geschwader verblieb in Bizerta. Laut offizieller Version wurden die Schiffe zersägt und verschrottet.

1927 nahm Je. A. Behrens teil an der 4.Tagung der Völkerbund-Kommission zur Vorbereitung auf die Abrüstungskonferenz in Genf.

Seit Mai 1927 bis April 1928: Sonderbeauftragter des Volkskommissars für Militär- und Marineangelegenheiten. Seine Abberufung aus dem diplomatischen Dienst erfolgte wegen kritischer Einstellung zum Ausbau militärischer Kontakte zwischen der UdSSR und Deutschland.

Danach befasste er sich mit Forschungs- und Lehrtätigkeit, übersetzte u. a. Editionen des Deutschen Marinearchivs „Der Krieg auf der Nordsee“ sowie die Erinnerungen von Winston Churchill.

Je. A. Behrens verstarb nach schwerer Krankheit in einem Militärspital in Moskau und wurde auf dem prominenten Jungfernfriedhof in Moskau bestattet.

In den 1930er Jahren wurde die Grabstätte vernichtet, jedoch 1989 auf Initiative seiner Patentochter T. A. Gromowa wiederhergestellt. Die neue Grabstätte wurde 2002 in feierlicher Atmosphäre eingeweiht.

Je. A. Behrens war verheiratet mit Vera Leontjewna (geb. Iwanowa) – Tochter eines wirklichen Staatsrates. Die Ehe blieb kinderlos.

INHALT

Arbeiten

Записки по военно-морскому делу: Курс старших классов Императорской николаевской военной академии. СПб.: Типография-литография И. Трофимова, 1910. – 148 с.; Тирпиц А. Воспоминания / Пер. с нем. Е.А. Беренса // «Морской сборник». 1920. № 6– 9. Программа судостроения в Англии // «Морской сборник». 1925. № 11.; Высшее английское морское командование в мировой войне в оценке Черчилля // «Морской сборник». 1928. № 4 и № 5; Гроос. Война на море. 1914–1918 / Пер. с нем. Е.А. Беренса. Т. I. Петроград, 1921.

У. Черчилль. Мировой кризис / Пер. с англ. Е.А. Беренса. Т. 3. – М.; Л.: Государственное военное издательство, 1932.

Literatur

Егорьев В. Е. [Е.А. Беренс. Некролог] / Морской сборник. 1928. № 4. С. 3– 7; Петраш B. Е.А. Беренс (К 90-летию со дня рождения) // Военно-исторический журнал. 1995. №11; Алексеев М.А., Колпакиди А.И., Кочик В.Я. Энциклопедия военной разведки. 1918–1945 гг. М., 2012. С. 111–112.

Autoren: Bolotina D. I.

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