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Kappel Wladimir Oskarowitsch (1883–1920). Generalleutnant, Kommandierender einer Front und Armee der weißgardistischen Truppen

Rubrik: Biographische Beiträge (Personalien) / Vertreter des sozialen Bereichs (Bildung, Medizin)

KAPPEL, Wladimir Oskarowitsch, * 16. (29.) April 1883 in Zarskoje Selo (Gouvernement St. Petersburg), anderen Quellen zufolge in Beljow (Gouvernement Tula), † 26. Januar 1920 an der Ausweichstelle Utai bei Tulun (Bezirk Nischeudinsk, Gouvernement Irkutsk). Militärführer, Teilnehmer des Ersten Weltkriegs und des Bürgerkriegs und einer der Führer der Weißen Bewegung im Osten Russlands.

Entstammte dem Adel des Gouvernements Moskau. Orthodox.

Kappel war der Sohn des Rittmeisters des Sonder-Gendarmenkorps Oskar Pawlowitsch Kappel (1843-1889) und seiner Ehefrau Jelena Petrowna Postolskaja (1861-1949), Tochter von Generalleutnant P.I. Postolski, Teilnehmer am Krimkrieg, Held der Verteidigung von Sewastopol und Träger des Ordens des Heiligen Georgs 4. Stufe. Nach Abschluss des 2. Kadettenkorps in St. Petersburg (1901) und der Nikolai-Kavallerieschule (1903) wurde Kappel an das 54. Dragonerregiment Nowomirgorod ausgemustert, mit dem er im August 1906 in das Gouvernement Perm verlegt wurde, um die dort ausgebrochenen Unruhen niederzuschlagen und die von Alexander Lbow geführte Terrororganisation zu bekämpfen. 1907 wurde er zum Regimentsadjutanten des mittlerweile in 17. Ulanenregiment Nowomirgorod umbenannten Regiments ernannt.

1913 schloss Kappel die Akademie des Generalstabs mit Recht auf vorrangige Beförderung im Dienst ab und wurde auf Befehl des Generalstabs für ein Jahr an die Offiziersschule kommandiert, um sich mit der technischen Seite der Kavallerie vertraut zu machen. Am 2. Februar 1915 wurde er dem Generalstab zugeteilt.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Kappel an den Stab des 5. Armeekorps überstellt, wo er vom 23. Juli 1914 bis zum 3. Februar 1915 als Erster Stabsoffizier diente. Anschließend wurde er als Erster Adjutant des Stabs der 5. Donkosaken-Division unmittelbar an die Front kommandiert und zum Hauptmann befördert (9.02.1915). Im Oktober-November 1915 war er Erster Adjutant im Stab des innerhalb der 1. Armee der Westfront operierenden 1. Kavalleriekorps, vom 9. November 1915 bis zum 14. März 1916 Erster Adjutant im Stab und im November 1915 vorübergehend Stabschef der 14. Kavallerie-Division. Am 18. März 1916 wurde er auf den Posten des Stabs-Ordonnanzoffiziers an die Führung des Generalquartiermeisters des Stabs des Oberkommandierenden der Armeen der Westfront überstellt, wo er aktiv an der Planung der Brussilow-Offensive beteiligt war. Vom 12.-22. April und vom 10.-14. Mai 1916 befand er sich bei der 9. Armee, um die dortigen Stellungen zu erkunden.

Vom 16. Juni bis zum 12. August 1916 wurde er vorübergehend zur 3. Armee an den Stab des Vereinigten Korps von Generalleutnant N.I. Bulatow überstellt, wo er zunächst den Posten des Stabsoffiziers für den Generalstab und anschließend des Chefs der Operativen Abteilung ausübte. Am 15. August 1916 wurde er zum Oberstleutnant befördert und kehrte als Stellvertretender Chef der Operativen Abteilung des Hauptquartiers an den Stab der Südwestfront zurück.

Der Februarrevolution stand Kappel ablehnend gegenüber. Am 2. August 1917 trat er am Vorabend des Kornilow-Putsches seinen Dienst als Chef der Abteilung Aufklärung des Oberkommandierenden der Armeen der Südwestfront an, ließ sich allerdings am 2. Oktober 1917 „aus gesundheitlichen Gründen“ beurlauben. Im Dezember 1917 wurde er aus der Armee entlassen.

Bis Frühjahr 1918 lebte er mit seiner Familie in Perm. Im April 1918 erhielt er das Angebot, als „Militärspezialist“ in den Stab der „neuen Armeeformationen“ einzutreten, das er unter der Bedingung annahm, ausschließlich im Kampf gegen eine mögliche deutsche Invasion eingesetzt zu werden. Im Mai 1918 stand er als Militärspezialist für kurze Zeit im Dienst des Stabs des (den Bolschewiki unterstellten) Militärbezirks Wolga in Samara, beteiligte sich aber nicht am Aufbau der Roten Armee oder an Kampfhandlungen auf Seiten der Roten.

Anfang Juni 1918 kam er unmittelbar nach der Einnahme Samaras durch die Tschechoslowakische Legion, die sich angesichts ihrer bevorstehenden Entwaffnung und Internierung zum Aufstand erhoben hatte, zur im Aufbau befindlichen Volksarmee des Komitees der Konstituierenden Versammlung (Komutsch), der er als Stellvertretender Chef der Geheimdienstabteilung des Generalstabs diente. Auch wenn er die Ansichten des von den Sozial-Revolutionären dominierten Komitees als überzeugter Monarchist nicht teilte, hatte der Kampf gegen die Bolschewiki für ihn zu diesem Zeitpunkt absolute Priorität.

Am 10. Juni 1918 übernahm Kappel das Kommando eines ersten 350 Mann starken Freiwilligenkommandos (zwei Geschütze), aus dem am 25. Juli die Sonderbrigade der Infanterie hervorging, die eine der zuverlässigsten und kampfstärksten Einheiten der Volksarmee des Komitees der Konstituierenden Versammlung darstellte. Am 22. Juli 1918 wurde Kappel zum Kommandeur der aktiven Truppen der Komutsch-Armee ernannt. Später kommandierte er die innerhalb der 6. Division der Infanterie operierende Simbirsker Sondereinsatzbrigade. Im Kampf gegen die im Wolgagebiet operierenden Kräfte der Roten Armee konnte er zahlreiche Erfolge verzeichnen und war maßgeblich an der Einnahme von Sysran, Stawropol (heute Togliatti), Simbirsk und einigen weiteren an der Wolga gelegenen Städten beteiligt.

Am 7. August befreite Kappel an der Spitze der vereinten Kräfte der Volksarmee und der Tschechoslowakischen Legion Kasan von den Bolschewiki, wodurch die in der Stadt ansässige, von General A.I. Andogski geführte Akademie des Generalstabs in voller Stärke auf die Seite der Weißen überging. Durch die Einnahme Kasans konnte Kappel der Sowjetregierung nicht nur den Zugriff auf das Getreide der Kama-Region abschneiden, sondern brachte auch riesige Lagerhäuser mit Waffen, Munition, Medikamenten und Proviant sowie einen Teil russischen Goldreserven unter seine Kontrolle (650 Millionen Goldrubel in Münzen sowie 100 Millionen Rubel in Scheinen, Gold- und Platinbarren sowie weitere Sachwerte), die er schnellstmöglich wegschaffen ließ, um sie für die Weiße Bewegung zu sichern. Dank dem Erfolg von Kappels Truppen waren auch die in den Fabriken von Ischewsk und Wotkinsk ausbrechenden antibolschewistischen Arbeiteraufstände von Erfolg gekrönt.

Unmittelbar nach der Eroberung Kasans wollte Kappel über Nischni Nowgorod in Richtung Moskau vorstoßen, da er einen langandauernden Stellungskampf in der gegebenen Situation für wenig aussichtsreich hielt, konnte sich im Generalstab aber nicht durchsetzen, da sich sowohl die anderen Offiziere (insbesondere N.A. Galkin, W.I. Lebedew und W.K. Fortunatow) als auch die Führer der Tschechoslowakischen Legion unter Verweis auf fehlende Reserven für die Verteidigung von Samara, Simbirsk und Kasan kategorisch gegen diesen Plan aussprachen, was sich später als schwerer strategischer Fehler herausstellen sollte, der in der Niederlage der Komutsch-Truppen gipfelte. Am 14. August 1918 war Kappel gezwungen, in aller Eile nach Simbirsk zurückzukehren, wo die Truppen der Volksarmee in eine äußerst prekäre Lage geratenen waren. In erbitterten Kämpfen konnte er am 14.-17. August die von der Ersten Armee Tuchatschewskis für die Stadt ausgehende Gefahr abwenden. Am 20. August 1918 vereinigte Kappel die Simbirsker und die Kasaner Gruppe der Wolga-Front unter seinem Kommando und wurde zum Oberst befördert.

Im September 1918 war die Volksarmee des Komitees der Konstituierenden Versammlung angesichts des energischen Vordringens der Roten Truppen zum Rückzug gezwungen und musste nacheinander Kasan, Simbirsk, Wolsk und Chwalynsk räumen. In dieser Situation mussten die Truppen Kappels die Front in Richtung Ufa und Bugulma halten und zugleich den Rückzug der von Oberst A.P. Stepanow befehligten nördlichen Gruppe aus der Gegend von Kasan decken, was allen Schwierigkeiten zum Trotz auch gelang. Am 21. September führte Kappel eine Gegenattacke auf die auf das linke Ufer der Wolga übersetzenden Roten Truppen, in deren Folge sich seine Truppen am 27. September bei der Station Nurlat mit den Überresten der Kasaner Division vereinigen konnten. Am 3. Oktober traten die unter dem Kommando Kappels stehenden Einheiten unter hartnäckigen Kämpfen den Rückzug in Richtung Ufa an. Am 24. September 1918 wurde Kappel zum Chef des neu formierten Korps und am 12. Oktober zum Chef der Simbirsker Gruppe der Westfront der Armee des Ufa-Direktoriums ernannt. Am 17. November 1918 wurden die unter Kappels Kommando stehenden Truppen der Wolgafront in Brigaden organisiert (Samara-, Simbirsker und Kasaner Brigade).

Im November 1918 erkannte Kappel die Macht des „Obersten Regenten“ Admiral Koltschak an. Im Dezember 1918 wurde er zum Generalmajor befördert. Vom 3. Januar 1919 an war er Kommandeur des aus der Simbirsker Gruppe der Streitkräfte hervorgegangenen 1. Wolga-Armeekorps der Westarmee. Auf Befehl des Stabschefs des Oberbefehlshabers vom 27. Februar 1919 wurde das 1. Wolga-Armeekorps praktisch neu aufgestellt und bestand aus drei Divisionen der Infanterie (1. Samara-, 3. Simbirsker und 13. Kasaner Division) und der aus zwei Regimentern bestehenden Wolga-Brigade der Kavallerie. Vom 2. Mai 1919 an gehörte das Korps erneut zur Westarmee und bildete vom 14 Juli 1919 an die Wolga-Gruppe innerhalb der 3. Armee.

Nach der am 14. Juli 1919 erfolgten Neuordnung der Truppen der Ostfront kommandierte Kappel die Wolga-Gruppe der Streitkräfte der 3. Armee (frühere Westarmee), die im Mai-Juni 1919 bei Belebejew und am Fluss Belaja und im Juli-Oktober 1919 in der Gegend von Slatoust, Tscheljabinsk und am Fluss Tobol operierte. Im Sommer und Herbst 1919 konnte Kappel den Vormarsch der Roten Armee unter Aufopferung eines erheblichen Teils des noch nicht vollständig aufgestellten, aber vom Generalstab in den Kampf geworfenen 1. Wolga-Armeekorps zwischenzeitlich stoppen, musste dann aber doch den erneuten Rückzug antreten. Am 11. September 1919 (anderen Quellen zufolge im November 1919) wurde er zum Generalleutnant befördert. Vom 4. November 1919 an war er Kommandeur der Moskauer Gruppe der Armee und der 3. Armee der Ostfront und vom 14. November an bereits Stellvertretender Oberbefehlshaber der Ostfront.

Am 18. Dezember 1919 forderte Kappel den Kommandierenden der Tschechoslowakischen Truppen in Sibirien General Jan Syrový angesichts von Berichten über von den Tschechen entlang der Bahnlinien verübten Disziplinlosigkeiten und Grausamkeiten telegraphisch zum Duell, nachdem die Tschechen Verwundetenzüge gewaltsam beschlagnahmt, die Verwundeten und Kranken sowie evakuierte Frauen, Alte und Kinder aus den Zügen geworfen und neben ihren Soldaten auch große Mengen Raubgut weggeschafft hatten (insgesamt etwa 30.000 Waggons). Abgesehen davon hatten die Tschechen am Bahnhof Nischneudinsk den Verkehr der russischen Züge vollständig gestoppt, um ihren eigenen Zügen die Durchfahrt zu ermöglichen, und zwei Dampfloks aus der Staffel Admiral Koltschaks beschlagnahmt. Kopien seiner gegenüber General Syrový ausgesprochenen Forderung zum Duell schickte Kappel unter anderem an Admiral Koltschak, Ataman Semjonow, die Chefs Alliierten Missionen General Maurice Janin und Alfred Knox sowie den Oberkommandierenden der japanischen Truppen in Transbaikalien General Oi Shigemoto. Eine Antwort erhielt er nicht.

Im Dezember 1919 wurde Kappel nach dem Abzug der Weißgardisten aus Nowonikolajewsk (Nowosibirsk) an Stelle von General K.W. Sacharow zum Oberbefehlshaber der Ostfront ernannt. Während des Rückzugs wurde Kappels Armee Anfang Januar 1920 bei Krasnojarsk beim Aufstand der Sozial-Revolutionäre von General B.M Sinewitsch eingekesselt, der Kappel dazu aufforderte, sich in Gefangenschaft zu begeben. Nach erbitterten Kämpfen konnten die unter Kappels Kommando stehenden Einheiten sich allerdings aus der Umzingelung befreien und sich anschließend unter ständigen Kämpfen und extremen Bedingungen durch einen beispiellosen 2.000 Werst langen zum Teil über die zugefrorenen Flüsse Jenissei und Kan führenden Marsch nach Transbaikalien retten (sogenannte „Sibirische Eiskampagne“). Als beim Gang über den Fluss Kan das Eis brach, zog sich Kappel eine beidseitige Lungenentzündung zu und seine Füße mussten infolge von Erfrierungen und Wundbrand amputiert werden. Ungeachtet dessen setzte der General seinen Weg mit den Truppen fort. Am 22. Januar 1920 leitete er in Nischneudinsk eine letzte Konferenz als Oberbefehlshaber der Ostfront, in deren Verlauf man beschloss, in zwei Kolonnen in Richtung Irkutsk zu marschieren und die Stadt einzunehmen, um Admiral Koltschak und die russischen Goldreserven zu befreien. Anschließend sollte eine feste Verbindung zu Ataman G.M. Semjonow hergestellt und eine neue Front aufgebaut werden. Beide Kolonnen sollten sich im Bereich der Station Sima für den entscheidenden Marsch auf Irkutsk vereinen.

Am 25. Januar 1920 übergab Kappel einen Tag vor seinem Tod das Kommando an General S.N. Woizechowski. Sein Leichnam wurde von den abrückenden Truppen nach Tschita mitgeführt, wo er zunächst in der Alexander Newski-Kathedrale und wenig später auf dem Friedhof des Nonnenklosters beigesetzt wurde. Im Herbst 1920 wurde der Sarg mit dem Leichnam des Generals angesichts der vorrückenden Einheiten der Roten Armee aus Transbaikalien nach Harbin (Nordchina) gebracht, wo er beim Altar der orthodoxen Iwiron-Kirche beigesetzt wurde. Das Marmorkreuz auf Kappels Grab wurde 1955 zerstört. Am 14. Dezember 2006 wurden Kappels Überreste auf Initiative einer aus dem Vorsitzenden der Synodalabteilung des Moskauer Patriarchats Dimitri Smirnow, dem Sinologen Dmitri Napary, dem Forensiker S. Nikitin, dem Produzenten des Ersten Fernsehkanals V. Kirisenko und dem Leiter der Nachrichtenagentur "Weiße Helden" A. N. Alexajew bestehenden Gruppe exhumiert und am 13. Januar 2007 feierlich auf den Friedhof des Donskoi-Klosters in Moskau umgebettet.

Auszeichnungen: Orden des Heiligen Stanislaw 3. Stufe (1910); Orden der Heiligen Anna 3. Stufe (8. Mai 1913); Orden des Heiligen Stanislaw 2. Stufe mit Schwertern (7. Januar 1915); Orden der Heiligen Anna 2. Stufe mit Schwertern (7. Januar 1915); Orden des Heiligen Wladimer 4. Stufe mit Schwertern am Band (1. März 1915); Orden der Heiligen Anna 4. Stufe mit Aufschrift „Für Tapferkeit“ (9. Juli 1915); Schwerter und Band zum Orden der Heiligen Anna 3. Stufe (11. November 1915); Schwerter und Band zum Orden des Heiligen Stanislaw 3. Stufe (6. Februar 1917); Orden des Heiligen Georg 4. Stufe (22. Mai 1919) für die Einname der Städte Sysran, Simbisrk und Kasan im Jahr 1918; Orden des Heiligen Georg 3. Stufe (11. September 1919).

Kappel war mit Olga Sergejewna, geborene Strolman (*1888 oder 1890, † 1960) verheiratet, der Tochter des Wirklichen Staatsrats und Bergchefs der Permer Kanonenfabriken Sergei Alexejewitschs Strolman. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: Tatjana (1909-2000) und Kirill (1917-1995).

Literatur

Генерал-лейтенант Владимир Оскарович Каппель. Владивосток, 1922. 43 с.; Федорович А.А. Генерал В.О. Каппель. Мельбурн, 1967; Каппель и каппелевцы. 2-е изд., испр. и доп. М.: НП «Посев», 2007; Купцов И.В., Буяков А.М., Юшко В.Л. Белый генералитет на Востоке России в годы Гражданской войны: Биографический справочник. М., 2011. С. 236–238; Петров А.А. Генерал-лейтенант В.О. Каппель // Белое движение: Исторические портреты / Состепени А.С. Кручинин. М., 2011. С. 690–727.

Autoren: Bolotina D. I.

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