MILLER, Eugen Ludwig (Jewgeni Karlowitsch), * 25. September 1867 in Dünaburg (Gouvernement Witebsk), † 11. Mai 1938 in Moskau. Militärführer, Generalleutnant (1914).
Nach Abschluss der Nikolai-Kavallerieschule in St. Petersburg wurde Miller 1886 an das Husarenregiment der Kaiserlichen Leibgarde überstellt. Nach Abschluss der Militärakademie [Nikolai-Akademie des Generalstabs] diente er 1893 als Abteilungschef im Stab der Festung Kars und wurde im März des gleichen Jahres in die Reserve überstellt. Von 1896 an stand er zur Verfügung des Generalstabs. Von Dezember 1897 an diente er als Offizier beim Generalstab.
Zwischen 1898 und 1907 wurde Miller als russischer Militärattaché in diverse europäische Hauptstädte entsandt und war in dieser Funktion zunächst in Brüssel und Den Haag (ab Februar 1898) und später in Rom tätig (ab August 1901). Von Dezember 1907 an kommandierte er das 7. Weißrussische Husarenregiment. Von August 1909 an war er 2. Oberquartiermeister der Hauptverwaltung des Generalstabs. Im Dezember des gleichen Jahres wurde er zum Generalmajor befördert. Im Mai 1910 wurde er Chef der Nikolai-Kavallerieschule und im Oktober 1912 Stabschef des Moskauer Militärbezirks.
Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs (1914-18) war Miller Stabschef der 5. Armee der Südwestfront, mit der er im August-September 1914 an der Schlacht in Galizien teilnahm. Im Januar 1915 kam er vorübergehend zur 12. Armee, kehrte aber schon bald zur 5. Armee zurück. Von September 1916 an kommandierte er innerhalb der Armee der Südwest-Front de facto das 26. Armeekorps, zu dessen Kommandeur er im Dezember des gleichen Jahres auch offiziell ernannt wurde.
Nach der Februarrevolution von 1917 versuchte Miller, die Disziplin in der Truppe aufrechtzuerhalten und der Antikriegsagitation der Bolschewiki entgegenzutreten. Als er den ihm unterstellten Soldaten im April 1917 das Tragen roter Armbinden verbieten wollte, wurde von den eigenen Männern verhaftet. Nach zwischenzeitlichem Ausschied in die Reserve stand er von August des gleichen Jahres an zur Verfügung des Generalstabs und wurde als Repräsentant des Stabs des Oberbefehlshabers der Russischen Armee an das Hauptquartier der italienischen Armee entsandt. Nach der Oktoberrevolution von 1917 suchte Miller in der Italienischen Botschaft in Petrograd Zuflucht. 1918 floh er zusammen mit dem Botschaftspersonal nach Nordrussland und führte wenig später die Weiße Bewegung in der Region. Im Januar 1919 kam er nach Archangelsk, wo er sich zum Generalgouverneur von Nordrussland ausrief und von Admiral Koltschak im Mai des gleichen Jahres zum Oberkommandierenden der Truppen Nordrusslands und im September zum Chef der Region ernannt wurde. Im Februar 1920 war er Kriegsminister und Verantwortlicher für Äußere Angelegenheiten der Provisorischen Regierung Nordrusslands. Nach der Evakuierung der britischen Truppen aus der Region setzte sich Miller mit seinem Stab am 19. Februar 1920 zunächst mit dem Eisbrecher „Kosma Minin“ nach Norwegen und von dort aus nach Frankreich ab. Im Mai 1920 ernannte ihn General Wrangel zum Hauptbevollmächtigten für Heeres- und Flottenangelegenheiten in Paris, woraufhin er mit der französischen Regierung über Militärhilfen an die Regierung Wrangels und die auf dem Gebiet Polens geplante Aufstellung der sogenannten 3. Russischen Armee verhandelte. Im April 1922 wurde Miller Stabschef General Wrangels. Im August des gleichen Jahres verhandelte er mit der bulgarischen Regierung über die „offizielle Anerkennung der russischen Armee und die Bereitschaft Bulgariens, Ausgangspunkt einer militärischen Intervention in Sowjetrussland zu werden“. Von Juli 1923 an stand Miller zur Verfügung des Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch und nahm aktiven Anteil an der Arbeit der Russischen All-Militärischen Union [ROWS]. 1925 wurde er Stellvertretender Vorsitzender der Organisation, deren Führung er nach der Entführung General Alexander Kutepows durch den sowjetischen Geheimdienst im Januar 1930 übernahm. Im gleichen Jahr reiste er nach Jugoslawien und in die Tschechoslowakei, um bei den dortigen Regierungen um Unterstützung anzusuchen, woraufhin die Russische All-Militärische Union eine Vertretung in der Tschechoslowakei eröffnen durfte. Auf Millers Initiative wurden in Paris und Belgrad militärische (Unteroffiziers-) Kurse eingerichtet, deren Ziel darin bestehen sollte, die Emigrantenjugend im Geiste der „Weißen Bewegung“ zu erziehen. 1936 sprach er sich dafür aus, auf Seiten General Francos in den Spanischen Bürgerkrieg einzutreten, um auf diese Weise den „Weißen Kampf“ fortzusetzen, woraufhin General Pawel Schatilow in seinem Auftrag in Salamanca mit Vertretern Francos über die Entsendung eines den Reihen der Angehörigen der Russischen All-Militärischen Union entstammenden Freiwilligenkorps verhandelte.
Millers Aktivitäten als Chef der Russischen All-Militärischen Union sorgten in höchsten Kreisen der Sowjetführung für Beunruhigung, woraufhin das sowjetische NKWD eine Operation zu seiner „Neutralisierung“ einleitete und ihn am 23. September 1937 von Agenten der Auslandsabteilung nach Moskau verschleppen ließ. Unter den Personen, die Millers Entführung vor Ort planten und ausführten, war mit General Skoblin auch einer seiner engsten Mitarbeiter und Vertrauten innerhalb der Russischen All-Militärischen Union, der sich anschließend über Le Havre auf dem Dampfer „Maria Uljanowa“ in die Sowjetunion absetzte. In Moskau wurde Miller unter dem Namen Iwanow verurteilt und im NKWD-Gebäude an der Lubjanka erschossen.