RU

neue
illustrierte elektronische

Groß Jewgenij Fjodorowitsch * 8. Oktober 1897 im Dorf Kolpino, Bezirk Zarskoje Selo, Gouvernement Petersburg, † 4. April 1972 in Leningrad. Physiker, korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR (1946)

Rubrik: Biographische Beiträge (Personalien) / Vertreter des sozialen Bereichs (Bildung, Medizin)

GROSS, Jewgeni Fjodorowitsch, * 8. Oktober 1897 im Dorf Kolpino, Bezirk Zarskoje Selo, Gouvernement Petersburg, † 4. April 1972 in Leningrad. Physiker, korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR (1946).

Gross wurde als Sohn einer Ingenieursfamilie geboren und besuchte das Petrograder Realgymnasium. Als Jugendlicher träumte er davon, Dirigent zu werden (sein Großvater war Kapellmeister). Er war der Musik und Malerei zugeneigt, entdeckte in den höheren Klassen des Gymnasiums allerdings sein Interesse für die Physik. 1918 nahm er ein Studium an der Physikalisch-Mathematischen Fakultät der Universität Petrograd auf. 1919 kam er als Student im zweiten Studienjahr als Laborant an das Staatliche Institut für Optik. Seine Arbeit verband er mit seinem Studium an der Universität, das er allerdings im Juli 1919 infolge seiner Einberufung zur Roten Armee unterbrechen musste, wo er drei Jahre lang das Meteorologische bzw. das Aerologische Labor der Höheren Militärischen Luftfahrtschule in Petrograd leitete.

Nach seiner Demobilisierung setzte Gross sein Universitätsstudium fort, das er 1924 abschloss. Anschließend arbeitete er am Institut für Optik und unterrichtete parallel an der Leningrader Universität. Seine wissenschaftliche Tätigkeit stand unter der Leitung des Mitglieds der Akademie der Wissenschaften D.S. Roschdestwenski, der seinen weiteren Weg maßgeblich prägen sollte.

Die von Jewgeni Gross in Leningrad in Forschung und Lehre geleistete erfolgreiche Arbeit wurde im März 1935 jäh unterbrochen, als er als „sozial gefährliches Element“ verhaftet und mit seiner Familie nach Saratow verbannt wurde (offensichtlich erfolgte seine Verhaftung im Zusammenhang mit der auf die Ermordung Kirows folgenden Säuberung Leningrads). In seinen ersten Monaten in Saratow verdiente Gross seinen Lebensunterhalt mit der Reparatur von Uhren und Projektionsgeräten (Laterna magica), später bekam er eine Arbeit als Dozent der Universität Saratow, wo er in den Jahren 1935–37 Vorlesungen zu Optik und Spektroskopie hielt und die Grundlage für die weitere diesen Fächern geltende wissenschaftliche Forschungstätigkeit der Saratower Physiker legte. Zur Zeit seiner Arbeit in Saratow wurde ihm im März 1936 für seine wissenschaftlichen Verdienste im Bereich der Physik der Grad des Doktors der Physikalisch-Mathematischen Wissenschaften verliehen, ohne dass er eine Dissertation verteidigen musste.

Auf Fürsprache des Mitglieds der Akademie der Wissenschaften Roschdestwenski und zahlreicher anderer Wissenschaftler wurde seine Verbannung im August 1936 per Sonderverordnung des NKWD aufgehoben. Nach seiner vollständigen Rehabilitierung kehrte Gross nach Leningrad zurück, wo er Professor der Leningrader Universität und Leiter des Lehrstuhls für Molekularphysik wurde. Im Jahr 1938 wurde er im wissenschaftlichen Grad des Professors bestätigt und im Juni 1941 zum Direktor des Physikalischen Instituts (Wissenschaftliches Forschungsinstitut für Physik) der Staatlichen Universität Leningrad ernannt.

Zur Zeit des Deutsch-Sowjetischen Kriegs wurde Gross zusammen mit der ersten Gruppe wissenschaftlicher Mitarbeiter der Staatlichen Universität Leningrad in die Stadt Jelabuga evakuiert, wo er eine Gruppe von Physikern zusammenstellte, die der Landesverteidigung dienende Forschungsarbeit betrieb. 1943 kam Gross erneut nach Saratow, wo zu diesem Zeitpunkt die evakuierte Leningrader Universität untergebracht war. Als Professor der Staatlichen Universität Saratow arbeitete er dort über ein Jahr lang mit eben jenen Saratower Physikern zusammen, deren Beschäftigung mit Fragen der Optik er selbst fast zehn Jahre zuvor in die Wege geleitet hatte. Zusammen mit diesen Wissenschaftlern betrieb Gross verteidigungsrelevante Forschungsarbeit und war als Berater für die in Saratow ansässige Waffenindustrie tätig. Auf diese Weise wurden seine Verbindungen zu den in Saratow ansässigen Physikern während des Kriegs noch einmal intensiviert.

Im Juli 1944 kehrte Gross im Zuge der Rückführung der evakuierten Leningrader Universität nach Leningrad zurück. Von Dezember dieses Jahres an leitete er neben seiner Tätigkeit an der Universität auch das Optische Laboratorium des Physikalisch-Technischen Instituts der Akademie der Wissenschaften der UdSSR (Joffe-institut) und arbeitete von 1964 an mit dem Halbleiter-Institut der Akademie der Wissenschaften der UdSSR zusammen.

Gross widmete der Ausbildung und Heranziehung des wissenschaftlichen Nachwuchses immer große Aufmerksamkeit und war stets von wissbegierigen jungen Leuten umgeben. Dutzende seiner Schüler verteidigten bei ihm ihre Doktor- und Kandidatendissertationen und wurden später selbst große Wissenschaftler. Auf diese Weise wurde er zum Begründer einer eigenen Wissenschaftsschule, die seine Forschungsarbeit fortführt.

Seine wissenschaftlichen Forschungsinteressen galten vielen Bereichen der Physik und leisteten einen erheblichen Beitrag zur Entwicklung der internationalen Wissenschaft. Bekannt ist Gross vor allem für seine Arbeiten zur Feinstruktur von Spektrallinien, zur Raman-Streuung amorpher Körper, zum Streuungsspektrum kleiner Frequenzen in Flüssigkeiten und Kristallen, zum Nachweis der Existenz von Mott-Wannier-Exzitonen in Halbleiterkristallen und zur Beobachtung exzitonischer Energiezonen. Er entdeckte Spektren intermolekularer Schwingungen, die ihm zu Ehren als „Gross-Frequenzen“ bezeichnet werden. Gross verdiente sich in der gesamten wissenschaftlichen Fachwelt den Ruf eines ungewöhnlich präzisen Experimentators mit gewaltiger Intuition. Mit der Spektroskopie von Exzitonen in Kristallen legte er die Grundlagen für eine neue wissenschaftliche Disziplin.

Für seine Verdienste in Forschung und Lehre erhielt Gross hohe Anerkennung. Er wurde zum korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften gewählt und ist Träger des Staatspreises der UdSSR (Stalinpreis), des Lenin-Preises und des Lenin-Ordens.

Schriften

О спетроскопическом исследовании изумрудов // ДАН СССР. 1927. № 7; Спектр возбуждения экситонов в кристаллической решетке // УФН. 1957. Т. 63, вып. 3; Экситон и его движение в кристаллической решетке // Там же. 1962. Т. 76, вып. 3. 

Literatur

Захарченя Б. П., Каплянский А. А. Евгений Федорович Гросс // УФН. 1968. Т. 94, вып. 2; Храмов Ю. А. Физики: Биографический справочник. Изд. 2-е, испр. и доп. / Под ред. А. И. Ахиезера. М., 1983; Гросс Евгений Федорович // Физики о себе / Сост. Н. Я. Московченко, Г. А. Савина; Отв. ред. В. Я. Френкель. Л., 1990.

Autoren: Solomonov V. A.

ЗEINE FRAGE STELLEN