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Keller Boris Alexandrowitsch * 16. August 1874 in Sankt Petersburg, † 29. Oktober 1945 in Moskau

Rubrik: Biographische Beiträge (Personalien) / Vertreter des sozialen Bereichs (Bildung, Medizin)

KELLER, Boris Alexandrowitsch, * 16. August 1874 in Sankt Petersburg, † 29. Oktober 1945 in Moskau. Biologe, Geobotaniker, Bodenkundler, Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR (1931).

Keller wurde als Sohn einer vielseitig gebildeten Intelligenzlerfamilie in St. Petersburg geboren. Seine Kindheit verlebte der spätere Begründer der sowjetischen Schule der Pflanzenökologie in Wolsk und Baronsk (Katharinenstadt, Gouvernement Saratow), wo sein Vater als Arzt tätig war.

Im Alter von elf Jahren kam Keller in die 2. Klasse des Saratower Ersten Knabengymnasiums, das er im Jahr 1892 mit einer Goldenen Medaille abschloss. Im gleichen Jahr nahm er (offenbar auf Drängen seines Vaters) ein Studium an der Medizinischen Fakultät der Moskauer Universität auf. Diese Entscheidung sollte sich allerdings schon sehr bald als grundsätzlich falsch erweisen. Nachdem er bereits im ersten Studienjahr (1892/93) einen Teil seiner Prüfungen nicht bestand, musste er das Jahr wiederholen.

Danach nahm Kellers Leben eine radikal neue Wendung. Unter dem Einfluss der Ideen Professor I.N. Goroschankins (des Begründers der vergleichenden Pflanzen-Embryologie in der russischen Botanik und der Moskauer morphologisch-botanischen Schule) entschied er sich 1894 gegen eine medizinische Karriere und wechselte an die naturwissenschaftliche Abteilung der Physikalisch-Mathematischen Fakultät. Aber auch dort konnte er sich nicht in vollem Umfang seinem Studium widmen. Im Dezember 1894 wurde er exmatrikuliert und aus Moskau und allen anderen großen Universitätsstädten verbannt, weil er sich an Studentenunruhen beteiligt hatte. Im Jahr 1896 wurde er (im Zusammenhang mit dem Fall des Moskauer Arbeiterbundes) aufgrund des Verdachts der Zugehörigkeit zu einer regierungsfeindlichen Organisation erneut verhaftet und im Taganka-Gefängnis festgehalten, allerdings bereits nach kurzer Zeit aus Mangel an Beweisen wieder entlassen.

In den Jahren 1895-97 lebte Keller (mit einer kurzen Unterbrechung im Jahr 1896) zunächst im Bezirk Petrowsk (Gouvernement Saratow), wo er als Hauslehrer auf einem Landgut tätig war, und später in Atkarsk, wo er eine Anstellung als Schullehrer fand. In den Jahren 1897/98 arbeitete er nach seinem Umzug nach Saratow als Verkäufer in einem privaten Buchladen und als Korrektor.

Erst im Jahr 1898 erhielt Keller, der stillschweigend noch immer unter Polizeiaufsicht stand, die Erlaubnis zur Fortsetzung seines Studiums. Er ging an die Universität Kasan, die er 1902 mit einem Diplom der 1. Stufe an der Abteilung für Naturwissenschaften der Physikalisch-Mathematischen Fakultät mit der Fachrichtung „Botaniker“ abschloss. Im Oktober des gleichen Jahres wurde er Assistent am Lehrstuhl für Botanik der Universität Kasan, wo er unter der Leitung von Professor A.Ja. Gordjagin arbeitete.

Bereits als Student im ersten Studienjahr unternahm Keller im Jahr 1899 mit Unterstützung der Kasaner Gesellschaft der Naturforscher seine erste wissenschaftliche Expeditionsreise, deren Forschungsobjekt die Vegetation des Gouvernements Saratow war, die in den ersten Jahren im Mittelpunkt seiner geobotanischen und ökologischen Forschungstätigkeit stand. Anhand der Objekte dieser Forschungsarbeit entwickelte er auch seine eigene die Vegetation von Halbwüsten betreffende Lehre, die seine Haltung zur Bodenkunde entscheidend prägen sollte. In den Jahren 1900–07 erschienen auch Kellers erste Veröffentlichungen, in denen er die Resultate seiner im Gouvernement Saratow betriebenen botanisch-geographischen Arbeiten vorstellte.

Im Jahr 1909 legte Keller seine Magisterprüfungen ab und hielt vom Folgejahr an als Privatdozent eigene der allgemeinen Botanik, der Pflanzenanatomie und der Pflanzengeographie gewidmete Vorlesungsreihen an der Universität Kasan. Parallel war er als Laborant des Botanischen Kabinetts tätig.

Gestützt auf das 1908 im Zuge einer Expedition in die im Gebiet Semipalatinsk gelegenen Halbwüsten und Berge zusammengetragene reichhaltige Material verfasste Keller seine dem Thema „Botanisch-Geographische Forschungen im Bezirk Saissan (Gebiet Semipalatinsk)“ gewidmete Dissertation, die er 1913 an der Universität Jurjew (Dorpat, heute Tartu) bei Professor N.I. Kusnezow erfolgreich verteidigte. Im Herbst des gleichen Jahres wurde er zunächst als Adjunkt und von Januar 1914 an als außerordentlicher Professor für Botanik an das Landwirtschaftsinstitut Peter I. in Woronesch berufen, wo er den Lehrstuhl für Botanik und eine Botanische Versuchsstation aufbaute. Parallel zu seiner Haupttätigkeit am Landwirtschafts-Institut war Keller in den Jahren 1919–31 auch als Professor an der Universität Woronesch tätig. Anschließend lebte und arbeitete er fünf Jahre (1931–36) in Leningrad, wo er mit dem Botanischen Institut und dem W.W. Dokutschajew-Institut für Bodenkunde (ab 1935) gleich zwei herausragende akademische Einrichtungen leitete.

1936 zog Keller nach Moskau, wo er die von ihm selbst angeregte Anlage des Haupt-Botanischen Gartens der Akademie der Wissenschaften der UdSSR leitete, dessen Direktor und Hauptlaborleiter er bis zu seinem Tod bleiben sollte.

Das Mitglied der Akademie der Wissenschaften Keller war kein weltabgewandter Gelehrter, dem die Bedürfnisse und Notwendigkeiten des praktischen Lebens fremd gewesen wären. Die Botanik war für ihn nichts anderes als die theoretische Grundlage des Ackerbaus. Sowohl Kellers eigene botanische Forschungsarbeiten als auch die Arbeiten seiner Schüler und Adepten spielten bei der Erschließung der pflanzlichen Reichtümer des Landes eine nicht unwesentliche Rolle und trugen maßgeblich dazu bei, die unendlichen Weiten der Steppen-, Halbwüsten- und Wüstenzonen sowie der Gebirgsflächen der früheren Sowjetunion (Unteres Wolgagebiet, Südkasachstan, Kolchida, Altai usw.) landwirtschaftlich zu erschließen. So veröffentlichte Keller bereits im Jahr 1907 zusammen mit dem Bodenkundler A.M. Dimo eine der Halbwüste gewidmete Monographie („Im Gebiet der Halbwüste“), in der die Vegetation im Zusammenspiel mit den allgemeinen Rahmenbedingungen, mit der Bodenbeschaffenheit, dem Landschaftsrelief und dem Klima betrachtet wird. Später widmete sich Keller in seinen in den Jahren 1909-11 im Auftrag der Übersiedlungsbehörden im Altai betriebenen botanisch-geographischen Arbeiten der eingehenden Untersuchung der Boden-, Wasser- und Lufttemperaturen und deren Korrelation mit den jeweiligen Besonderheiten der Vegetation der beschriebenen Region.

Aufgrund der geographischen Verteilung von Steppengräsern und des ökologischen Charakters der in der Steppe anzutreffenden Pflanzengesellschaften (Phytozönon) erstellte Keller eine der besten Klassifikationen der russischen Steppen. Abgesehen davon führte er den Begriff der „Halbwüste“ in die Phytogeographie und Geobotanik ein, erarbeitete die sogenannte „Methode der Versuchsflächen“ als neue Methode der geobotanischen Forschung und Beschreibung von Vegetationsformationen und die „Methode der ökologischen Reihen“ zur Erforschung der zwischen Pflanzengesellschaften und Umweltbedingungen bestehenden Abhängigkeiten. Kellers Arbeiten gehören zu den klassischen Werken der Geobotanik und Pflanzenökologie und stellen Grundlagenwerke sowohl des russischen als auch des internationalen botanischen Denkens dar.

Zur Zeit des Deutsch-Sowjetischen Kriegs war Keller Vorsitzender des Präsidiums der Turkmenischen Außenstelle der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in Aschchabad. Auch unter den schwierigen Bedingungen der Evakuierung arbeitete er unermüdlich weiter und konnte in diesen für das Land so schweren Jahren mit seinen „Grundlagen der Pflanzenevolution“ ein neues Großwerk verfassen, in dem er erstmals den in der Pflanzenwelt abgelaufenen Evolutionsprozess beschrieb und konkrete Abläufe und Mittel der Pflanzenevolution als ökophysiologische Probleme darstellte.

Anerkennung fanden die herausragenden Verdienste Kellers um die Entwicklung der botanischen Wissenschaft in seiner Wahl zum ordentlichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR (1931) und der Sowjetischen W.I. Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (1935) sowie in der Verleihung der Ehrentitel des Verdienten Wissenschaftler der RSFSR (1929) und des Verdienten Wissenschaftlers der Turkmenischen SSR (1944). Keller war Träger der von der Russischen Geographischen Gesellschaft verliehenen Großen N.M. Pschewalski-Medaille in Silber, der Kleinen Medaille der Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft in Gold (1940) sowie von zwei Rotbannerorden der Arbeit (1944, 1945).

Keller war Vorsitzender der Sowjetischen Landwirtschaftlichen Wissenschaftlichen Ingenieurtechnischen Gesellschaft (1938) und der Moskauer Gesellschaft zur Förderung des Grünen Bauens (1930). Außerdem war er Ehrenmitglied der Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaft, Anthropologie und Ethnographie (1928), der Saratower Gesellschaft der Naturforscher und Freunde der Naturwissenschaft (1929), der Gesellschaft der Naturforscher an der Universität Kasan (1930), der Staatlichen Botanischen Gesellschaft (1935) und der Tomsker Abteilung der Russischen Botanischen Gesellschaft (1930).

Zu Ehren Kellers sind die von ihm aufgebaute Botanische Versuchsstation am Woronescher Landwirtschaftsinstitut (1928) und das Laboratorium für Evolutionsökologie des Instituts für Waldforschung der Russischen Akademie der Wissenschaften nach ihm benannt.

Schriften

Из области черноземно-ковыльных степей. Ботанико-географические исследования в Сердобском уезде Саратовской губернии // TOE. 1903. Т. 37, вып. 1; В области полупустыни. Почвенные и ботанические исследования на юге Царицынского уезда Саратовской губернии. Ч. 2. Очерки и заметки по флоре юга Царицынского уезда. Саратов, 1907; Ботанико-географические исследования в Зайсанском уезде Семипалатинской области // TOE. 1912. Т. 44, вып. 5; По долинам и горам Алтая: Ботанико-географические исследования. Казань, 1914. Т. 1; Экология растений в ее отношениях к генетике и селекции. Доклад, прочитанный на Третьем Всероссийском селекционном съезде в г. Саратове 4 июня 1920 г. // Тр. Третьего Всероссийского съезда по селекции и семеноводству в г. Саратове 4–13 июня 1920 г. Вып. 1. Саратов, 1920; Ботанико-географические наблюдения на Белом озере в Кузнецком уезде Саратовской губернии // Работы Волжской биологической станции. Саратов, 1921. Т. 5. № 4–5; Растительный мир русских степей, полупустынь и пустынь: [В 2 т.]. Воронеж, 1923, 1926; Ботаника с основами физиологии: [В З ч.]. М.; Л., 1932–1933; Студенческие годы. (Из воспоминаний) // Смена. 1939. № 5; Из моей жизни // Молодой колхозник. 1940. № 7; Основы эволюции растений. М.; Л., 1948; Избранные сочинения. М., 1951.

Literatur

Двадцать пять лет научно-педагогической и общественной деятельности Б. А. Келлера (1902–1927). Юбилейный сборник / Под ред. А. Я. Гордягина. Воронеж, 1931; Комаров В. Л. Записка об ученых трудах Б. А. Келлера // Записки об ученых трудах действительных членов Академии Наук СССР по Отделению математических и естественный наук, избранных в 1931 и 1932 годах. Л., 1933; Шахов А. А. Академик Б. А. Келлер как основатель эволюционной экологии: (К годовщине со дня смерти) // Вестн. АН СССР. 1946. № 11–12; Борис Александрович Келлер. М.; Л., 1946; Русские ботаники: Биографо-библиографический словарь / Сост. С. Ю. Липшиц. Т. 4. М., 1952; Выдающиеся советские ботаники. М., 1957; Кузнецов И. В. Люди русской науки. М., 1963; Малинин Г. А. Памятники и памятные места Саратовской области. [Изд. 3-е, испр. и доп.]. Саратов, 1979; Марков М. В. Ботаника в Казанском университете за 175 лет. Казань, 1980; Казанский университет (1804–2004): Биобиблиографический словарь. Т. 1: 1804–1904. Казань, 2002; Карпачев М. Д. Воронежский университет: Вехи истории. 1918–2003. Воронеж, 2003; Волков В. А., Куликова М. В. Российская профессура. XVIII – начало XX вв. Биологические и медико-биологические науки. Биографический словарь. СПб., 2003; Гохнадель В. Келлер (Keller) Борис Александрович // НРЭ. Т. 2. М., 2004; Ученые Московского университета – действительные члены и члены-корреспонденты Российской академии наук (1755–2004). Биографический словарь / Авт.-сост. Ю. М. Канцур. М., 2004.

Autoren: Solomonov V. A.

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