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Richter Andrej Alexandrowitsch (1871–1947). Pflanzenphysiologe und -biochemiker, Mitglied der AdW der UdSSR und der Allunions-Lenin-Akademie für Agrarwissenschaften

Rubrik: Biographische Beiträge (Personalien) / Vertreter des sozialen Bereichs (Bildung, Medizin)

RICHTER, Andrej Alexandrowitsch, * 3. August 1871 im Dorf Kurowskoje (Bezirk Peremyschl, Gouvernement Kaluga), † 2. April 1947 in Moskau. Botaniker, Pflanzenphysiologe, Mikrobiologe, Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR (1932).

Richter kam auf dem Landgut seines Vaters zur Welt, eines hochrangigen Beamten, der als Abteilungsleiter im Finanzministerium einer der engsten Mitarbeiter Sergej Wittes war. Er besuchte das Erste Petersburger Knabengymnasium, das er im Jahr 1889 mit einer Goldenen Medaille abschloss.

Schon in jungen Jahren zeigte Richter ein ausgeprägtes Interesse für die Naturwissenschaften, weswegen er ein Studium an der Physikalisch-Mathematischen Fakultät der Universität St. Petersburg aufnahm. Noch während seines Studiums zeigte sich seine große Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit, so dass er 1893 am Lehrstuhl für Botanik blieb, um sich auf die Professorenlaufbahn vorzubereiten. Seine wissenschaftlichen Mentoren waren die bekannten Botaniker I.P. Borodin und A.S. Famizyn.

Im Jahr 1895 wurde Richter zum Kustos des Botanischen Kabinetts der Petersburger Universität ernannt. Nach Ablegung seines Magisterexamens wurde er Anfang 1903 ebendort Privatdozent und begann, Vorlesungsreihen zur Physiologie der Photosynthese, zur Enzymologie und zur Mikrobiologie zu halten. Parallel unterrichtete er in den Kursen Lesgafts und Roschdestwenskis sowie am Psychoneurologischen Institut. Er gehörte zu den Gründern der Petersburger Landwirtschaftlichen Kurse auf den Kamennyje Ostrowa (aus denen später das Leningrader Landwirtschaftliche Institut hervorging) sowie der Woronescher Biologischen Station. A.A. Richter galt als glänzender Pädagoge und herausragender Redner.

In den Jahren 1910–13 verbrachte Richter die Sommermonate auf Auslandsreisen, in deren Verlauf er in verschiedenen Laboratorien mit den führenden Wissenschaftlern seiner Zeit zusammenarbeitete: am Institut Pasteur in Paris, in Zürich und Kopenhagen sowie an Biologischen Stationen in Neapel und in der Normandie. Er stand in Kontakt mit vielen herausragenden europäischen Wissenschaftlern, mit denen er regelmäßig Forschungsergebnisse und Veröffentlichungen austauschte.

Im Jahr 1917 wurde Richter nach Perm entsandt, wo ein Jahr zuvor eine Außenstelle der Universität St. Petersburg eröffnet worden war, die später zur ersten eigenständigen Universität im Ural werden sollte. Dort baute er den von ihm selbst geleiteten Lehrstuhl für Phytotomie und Pflanzenphysiologie auf und wurde 1918 zum Dekan des Physikalisch-Mathematischen Fakultät gewählt. Im Sommer 1919 ging er mit einem Teil des Lehrkörpers der Universität Perm nach Tomsk, wo er als Privatdozent der Universität Tomsk tätig war und an den Sibirischen Höheren Frauenkursen unterrichtete. Nach seiner Rückkehr nach Perm wurde Richter bald Rektor der Universität, wo er die Gründung der Agrarwissenschaftlichen Fakultät anstieß, aus der später das Landwirtschaftliche Institut hervorging. Im Februar 1923 war er gezwungen, von seinem Posten als Rektor zurückzutreten und die Universität zu verlassen, weil er aufgrund falscher Anschuldigungen bezichtigt wurde, die Arbeitskraft der Lehrkräfte zum eigenen Nutzen ausgebeutet zu haben (eine nicht unübliche Vorgehensweise, sich der alten Professorenschaft zu entledigen).

1924 ging Richter an die Universität Saratow, wo er mit offenen Armen empfangen wurde, da man seinem wissenschaftlichen und pädagogischen Potential den gebotenen Respekt zollte. Er wurde zum Leiter des Labors für Phytotomie und Pflanzenphysiologie der Staatlichen Universität Saratow gewählt, das er zum gleichnamigen Lehrstuhl umbaute und bis zu seinem im Jahr 1931 erfolgten Wegzug aus Saratow leitete. Der Lehrstuhl wurde zur Keimzelle einer eigenen wissenschaftlichen Schule, die sich Fragen der Trockenheits-, Salz- und Schädlingsresistenz von Pflanzen widmete und so herausragende Wissenschaftler wie A.A. Nitschiporowitsch (späteres korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR), K.T. Suchorukow, A.R. Werner und A.A. Obraszowa hervorbrachte. Parallel leitete Richter den Lehrstuhl für Pflanzenphysiologe und Mikrobiologe des Saratower Landwirtschaftlichen Instituts und wurde Leiter der Abteilung für Angewandte Botanik der Saratower Landwirtschaftlichen Versuchsstation, aus der später das Allunions-Institut für Getreidewirtschaft hervorging.

Seine intensive Lehr- und Verwaltungstätigkeit hinderte Professor Richter nicht, sich der wissenschaftlichen Forschung zu widmen, die vor allem der Suche nach Wegen galt, unter den Bedingungen des im Wolgagebiet herrschenden trockenen Klimas effektiv Landwirtschaft zu betreiben. Zu seiner Zeit in Saratow veröffentlichte Richter über 30 wissenschaftliche Arbeiten, die den wichtigsten Problemen der Physiologie von Kultur- und insbesondere Getreidepflanzen unter den in der Wolga- und Transwolgaregion herrschenden klimatischen Bedingungen gewidmet waren. Nicht zuletzt aufgrund dieser Arbeiten wurde er 1929 zum korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR gewählt.

Richters pädagogische Tätigkeit an der Staatlichen Universität Saratow und dem Landwirtschaftlichen Institut umfasste von zahlreichen Hörern besuchte Vorlesungsreihen, die Durchführung umfangreicher Praktika sowie die Betreuung von Diplomarbeiten und Dissertationen. Richter war bemüht, möglichst ohne die Hilfe technischen Personals auszukommen und baute zahlreiche in seinem Labor benötigte Geräte und Apparate mit eigenen Händen.

1931 wurde Richter die Leitung des Lehrstuhls für Phytotomie und Pflanzenphysiologie an der Moskauer Staatlichen Universität (MGU) angetragen. Nach seiner Wahl zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR zog er nach Leningrad, wo er nach dem Tod des Akademiemitglieds S.P. Kostytschew die Leitung des Labors für Biochemie und Pflanzenphysiologie der Akademie der Wissenschaften übernahm. Als die Akademie der Wissenschaften der UdSSR 1935 nach Moskau zog, baute Richter das von ihm geleitete K.A. Timirjasew-Institut für Pflanzenphysiologie auf. 1935 wurde er zum Mitglied der Sowjetischen W.I. Lenin-Akademie für Landwirtschaftswissenschaften gewählt.

In all diesen Jahren ließ Richter seine Kontakte nach Saratow nie abreißen und holte einige seiner früheren Saratower Schüler an das Institut für Pflanzenphysiologie. 1937 nahm er an einer großen an der Staatlichen Universität Saratow durchgeführten Wissenschaftskonferenz teil, die Fragen der Bodenkunde und Physiologie von Kulturpflanzen gewidmet war.

In der um die Arbeiten und Experimente Trofim Lyssenkos entbrannten Polemik belegte Richter als Mann unabhängiger Ansichten und der wissenschaftlichen Wahrheit verpflichteter Mensch durch seine Experimente, dass einige der von dem vermeintlichen „Volksakademiker“ aufgestellten Thesen wissenschaftlich nicht haltbar waren, woraufhin er zur Zielscheibe einer gegen ihn gerichteten Pressekampagne wurde. Am Institut für Pflanzenphysiologie formierten sich gegen ihn gerichtete Kräfte, die ihn 1938 zwangen, das von ihm selbst gegründete Institut zu verlassen. Anschließend baute Richter das Labor für Photosynthese der Akademie der Wissenschaften der UdSSR auf, an dem er seine wissenschaftliche Forschungstätigkeit bis zu seinem Tod fortsetzte.

Große Arbeit leistete Richter als Redakteur der Botanischen Abteilung der Biologischen Serie der „Berichte der Akademie der Wissenschaften“. Auch wenn die Anhänger Lyssenkos ihn selbst in Ruhe ließen, trafen die Repressionen der 1930er Jahre fast alle seine Kinder und deren Familien.

In den Jahren des Deutsch-Sowjetischen Kriegs war das von Richter geführte Labor an der Ausführung kriegswichtiger Aufgaben beteiligt. Kurz nach Kriegsende verstarb Richter. In seiner Grabrede verlieh der Präsident der Akademie der Wissenschaften S.I. Wawilow seiner hohen Wertschätzung für die wissenschaftlichen Verdienste A.A. Richters Ausdruck und nannte ihn einen Ritter der Wissenschaft. Zu seinen Ehren wurden das Laboratorium für Photosynthese der Akademie der Wissenschaften der UdSSR sowie der Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie und Mikrobiologe der Staatlichen Universität Saratow nach ihm benannt. An den Universitäten Saratow und Molotow (Perm) wurden nach ihm benannte Stipendien für die besten Studenten der Biologischen Fakultät eingerichtet. In seinen letzten Lebensjahren wurde Richter mit dem Leninorden (1946), dem Rotbannerorden der Arbeit (1945) und mit der Medaille „Für Heldenmütige Arbeit im Großen Vaterländischen Krieg 1941–1945“ ausgezeichnet. In der Zeit vor der Revolution hatte er den Rang eines Volksrats (1905) und wurde mit dem Orden des Heiligen Stanislaw 3. Ranges (1904) sowie mit der Gedächtnismedaille „300 Jahre Herrschaft des Hauses Romanow“ (1913) ausgezeichnet.

Schriften

Физиологические основы устойчивости растений Юго-Востока // ЖОАЮВ. 1927. Т. 3, вып. 2; О факторах устойчивости культурных растений // Там же. 1929. Т. 7, вып. 2; К вопросу об устойчивости растений Юго-Востока // Там же. 1930. Т. 8, вып. 1; Практикум по физиологии растений. Изд. 8-е. Саратов, 1934; Практический курс по общей и сельскохозяйственной микробиологии. Изд. 2-е. Томск, 1947 (в соавт.).

Literatur

Сухоруков К. Т. Академик Андрей Александрович Рихтер // Тр. ИФР АН СССР. 1949. Т. VI, вып. 2; Чайлахян М. Х. Академик А. А. Рихтер как один из основоположников отечественной физиологии растений и основатель института физиологии растений // Изв. АН СССР. 1972. Сер. биол. № 6; Биологи. Биографический справочник. Киев, 1984; Профессора Томского университета. Биографический словарь. Вып. 1. 1888–1917 / Отв. ред. С. Ф. Фоминых. Томск, 1996; Профессора Пермского государственного университета. Пермь, 2001; Энциклопедия Саратовского края (в очерках, фактах, событиях, лицах). Саратов, 2002; Волков В. А., Куликова М. В. Российская профессура. XVIII – начало XX вв. Биологические и медико-биологические науки. Биографический словарь. СПб., 2003.

Hinweise

Autoren: Solomonov V. A.

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