SEMKE, Walentin Jakowlewitsch (*8. September 1936 in Aleksandrowka, Rayon Jejsk, Region Krasnodar, † 15. März 2013 in Tomsk) – Psychiater, Professor der Sibirischen Staatlichen Medizinischen Universität (SibGMU), Direktor des Wissenschaftlichen Forschungsinstituts für Psychische Gesundheit.
Semkes Vater Jakow (Jakob) Michajlowitsch (1906–1979) arbeitete als Hauptbuchhalter einer Zuckerfabrik in Tscherjomnoje. Semkes Mutter Lidia (geb. Scharf, 1907–90) führte den Haushalt. In der Familie gab es drei Kinder (neben Walentin Semke dessen Schwestern Erna, verheiratete Gusewa, 1928–90 und Nina, verheiratete Serbina, *1942). Nach Besuch der Mittelschule im Dorf Bystryj Istok (Rayon Bystryj Istok, Region Altaj) (1954) studierte Semke an der Fakultät für Allgemeinmedizin des Medizinischen Instituts der Region Altaj, wo er 1960 seinen Abschluss machte (Fachrichtung „Allgemeinmedizin“, Qualifikation „Arzt“). Von Juni 1960 an arbeitete Semke als Psychiater am Psychiatrischen Krankenhaus in Barnaul, von September 1960 an als Assistenzarzt am Lehrstuhl für Psychiatrie des Medizinischen Instituts der Region Altaj. Von 1962 an studierte er in der Aspirantur am Lehrstuhl für Psychiatrie des 2. Moskauer Medizinischen Instituts. Von 1965 an war er Assistent, von 1970 an Dozent, von 1979 an Leiter des Lehrstuhls für Psychiatrie des Medizinischen Instituts der Region Altaj, von 1982 an Stellvertretender Direktor für Wissenschaft und Forschung der Sibirischen Außenstelle des Wissenschaftszentrums für Psychische Gesundheit der Akademie der Medizinischen Wissenschaften der UdSSR und Wissenschaftlicher Leiter der Ersten Klinischen Abteilung zur Erforschung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen, von 1986 an Direktor der Sibirischen Außenstelle des Wissenschaftszentrums für Psychische Gesundheit der Akademie der Medizinischen Wissenschaften der UdSSR (nach 1986 Wissenschaftliches Forschungsinstitut für Psychische Gesundheit des Tomsker Wissenschaftszentrums der Akademie der Medizinischen Wissenschaften der UdSSR). In den Jahren 1988–98 war Semke in Personalunion Leiter des Lehrstuhls für Klinische Psychologie und Psychologische Beratung der Sibirischen Staatlichen Medizinischen Universität, von 1999 an Professor, von 2001 an Leiter des Lehrstuhls für Psychotherapie und Psychologische Beratung der Fakultät für Psychologie der Staatlichen Universität Tomsk. Der akademische Titel des Dozenten wurde ihm 1972, der Titel des Professors der Psychiatrie 1989 verliehen. Semke war korrespondierendes Mitglied der Akademie der Medizinischen Wissenschaften der UdSSR (1986) und ordentliches Mitglied der Russischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (1994). An der Sibirischen Staatlichen Medizinischen Universität hielt er Kurse zur klinischen Psychologie und Psychotherapie.
Semkes wissenschaftliches Interesse galt Pathogenese, Verlauf und Therapie von Borderline-Störungen und Drogensucht unter besonderer Berücksichtigung der in Sibirien und im Russischen Fernen Osten herrschenden Bedingungen. Darüber hinaus befasste er sich mit regionalen Aspekten der psychischen Gesundheitsfürsorge unter der Bevölkerung der östlichen Landesteile Russlands, mit der Suche nach neuen Organisationsformen der psychiatrischen, psychologischen und narkologischen Hilfe, mit Problemen der Ethnopsychiatrie, Ethnonarkologie und ökologischen Psychiatrie sowie mit der Koordinierung der die Psychiatrie und Suchtmedizin in Sibirien und im Russischen Fernen Osten betreffenden Forschung. Unter Semkes Leitung wurden neue epidemiologische Daten zum Verbreitungsgrad von Borderline-Störungen unter der in Sibirien und im Fernen Osten ansässigen Bevölkerung zusammengetragen und die diese Indikatoren beeinflussenden ethnokulturellen Faktoren bestimmt. Semke und seine Schüler fanden Belege für einen Zusammenhang zwischen exoökologischen (einschließlich radioaktiver Strahlung) und endoökologischen (somatischen und psychischen) Faktoren bei der Entstehung von Borderline-Störungen auf Ebene des Individuums, einzelner Gruppen und der gesamten Bevölkerung. Semke beschrieb die sekundären Immunschwächen bei Liquidatoren des Reaktorunfalls von Tschernobyl, bei denen Borderline-Persönlichkeitsstörungen im späten Stadium diagnostiziert worden waren, und ermittelte am Modell asthenischer Persönlichkeitsstörungen voraussichtliche Abhängigkeiten zwischen typologischen Varianten des klinischen Polymorphismus. Zusammen mit Mitarbeitern der Abteilung für Epidemiologie und Sozialpsychiatrie untersuchte er den psychischen Gesundheitszustand von Arbeitslosen einer sibirischen Großstadt und bestimmte die deren psychische Gesundheit beeinflussenden Faktoren. In der Abteilung für Borderline-Störungen wurden differenzierte Vorbeugeprogramme ausgearbeitet. Mit den Mitarbeitern des Instituts baute Semke neue psychosoziale Dienste auf: eine städtische psychohygienische Beratungsstelle, ein in einem Industrieunternehmen angesiedeltes Gesundheitsschutzzentrum, ein fachübergreifendes Gesundheitszentrum mit Angeboten für Kinder und Jugendliche, Geriatrie, Sexualberatung und Psychosomatik. Insgesamt war Semke an der Gründung von 15 auf verschiedene Zielgruppen ausgerichteten psychologischen und psychosozialen Hilfsangeboten beteiligt und initiierte den Aufbau wissenschaftlich-praktischer Zentren in Sibirien und im Russischen Fernen Osten. Semke erforschte die epidemiologischen Charakteristika der unter der mongoliden Bevölkerung Sibiriens und des Fernen Ostens zu verzeichnenden psychischen Störungen bzw. deren Suchtverhalten. Gemeinsam mit O.K. Galaktionow untersuchte er die Veränderungen hormoneller, biochemischer und morphologischer Indikatoren, bestimmte die das Auftreten von psychischen Störungen und Suchtverhalten unter den nördlichen Mongoliden begünstigenden Risikofaktoren und stellte aufgrund des im Zuge von Expeditionen zusammengetragenen Materials Daten zur Kalziumhomöostase zusammen, die die ethnischen Besonderheiten der Bevölkerung berücksichtigten. Semke initiierte im pathomorphologischen Labor die Erforschung der ultrastrukturellen Mechanismen der toxigenen Effekte von Äthanol und untersuchte die Aktivität von Benzodiazepinrezeptoren bei pathologischer Alkoholsucht. Zusammen mit Professor N.A. Bochan und den Mitarbeitern der Abteilung für Suchtzustände des Instituts erarbeitete er die Grundlagen eines dreistufigen Rehabilitationsprogramms für jugendliche Drogenkonsumenten sowie eine neue Methode der Mikrowellentherapie zur Behandlung von Alkoholismus, die auf Effekten basierte, die aus der elektromagnetischen Bestrahlung aurikularer Punkte nichtthermischer Intensität resultierten.
1965 promovierte Semke mit dem Thema „Klinischer Verlauf von Psychopathien im fortgeschrittenen Alter“ zum Kandidaten der Medizinischen Wissenschaften (1966 von der Obersten Attestierungskommission bestätigt). 1981 habilitierte er sich mit dem Thema „Klinische und neurodynamische Aspekte der Hysterie“ zum Doktor der Medizinischen Wissenschaften (1982 von der Obersten Attestierungskommission bestätigt). Semke war an der Arbeit zahlreicher wissenschaftlicher Konferenzen, Seminare und Symposien beteiligt: Internationale Konferenz zu Drogenproblemen (Wien, 1990), Internationale Konferenz zu aktuellen Problemen der Suchtforschung (Mexiko, 1990), Internationale Konferenz zu aktuellen Problemen der Suchtforschung (Rom-Palermo, 1990), Internationaler Kongress für Sozialpsychiatrie (Mexiko, 1991), Internationale Kongresse der Weltföderation für Psychische Gesundheit (Blankenberg, Brüssel, 1992, 1993), Kongress für Sozialpsychiatrie (Hamburg, 1994), Internationale Konferenz für Suchtforschung (Zürich, 1994), XV. Weltkongress für Sozialpsychiatrie (Rom, 1995), X. Weltkongress für Psychiatrie (Madrid, 1996), Internationaler ECNP-Kongress (European College of Neuropsychopharmacolgy) (Athen, 1998), X. Weltkongress der Psychiatrie (Hamburg 1999), Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie (Aachen, 2000), Kongress zur Psychopharmakotherapie der Schizophrenie (Barcelona, 2001). Semke war Vorsitzender der Organisationskomitees des Symposiums „Transkulturelle Psychologie und Psychotherapie“ (Tomsk, 1999), der internationalen Konferenz „Psychische Gesundheit im 21. Jahrhunderts: Einschätzung und Prognosen“ (Tomsk, 2001) und der Internationalen Wissenschaftspraktischen Konferenz „Sozialpsychologische und psychotherapeutische Aspekte der Familie“ (Wladiwostok, 2001). Er verfasste etwa 1.300 Arbeiten (darunter 50 Monographien) und hatte fünf Erfinderzertifikate bzw. Patente. Er war Begründer und Leiter der wissenschaftlichen Schule der sibirischen Psychiater und klinischen Psychologen und betreute 80 Kandidaten und 43 Doktoren der Wissenschaften. Zur Schule Semkes gehören u.a. die Professoren M.M. Aksjonow, N.A. Bochan, P.P. Balaschow, M.I. Rybalko, W.L. Dreswjannikow und A.P. Agarkow (Westsibirien), die Doktoren der Medizinischen Wissenschaften O.K. Galaktionow, I.G. Uljanow und W.W. Schorin (Fernost), W. Sudakow-Mantler und K. Dauber (Deutschland), W.W. Makarow (Moskau) und L. Erdenebajar (Mongolei) sowie die Kandidaten der Medizinischen Wissenschaften D.W. Sawanin (USA) und I.P. Schwezow (Australien). Die der Pathogenese hysterischer Zustände gewidmete wissenschaftliche Forschung der Schule Semkes führte u.a. zur Etablierung der Begriffe „hysterische Krankheit“ und „präventive Psychiatrie“, zu einer präziseren Erhebung von den Verbreitungsgrad psychischer Krankheiten in den östlichen Landesteilen Russlands betreffenden epidemiologischen Daten, zur Klärung der klinischen und evolutiven Entwicklung von Borderline-Zuständen, zur Ausarbeitung der wissenschaftlichen und organisatorischen Grundlagen medizinisch-psychologischer, psychiatrischer und suchtmedizinischer Hilfsangebote sowie der regionalen und interkulturellen Aspekte der psychischen Gesundheit.
Von 1984 an war Semke Vorsitzender des Dissertationsrats (Psychiatrie, Suchtforschung) am Wissenschaftlichen Forschungsinstitut für Psychische Gesundheit des Tomsker Wissenschaftlichen Zentrums der Sibirischen Außenstelle der Russischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften, von 1997 an Mitglied des Dissertationsrats (medizinische Psychologie, Sozialpsychologie) der Staatlichen Universität Tomsk, von 1996 an Chefredakteur des wissenschaftlich-praktischen Journals „Sibirischer Bote für Psychiatrie und Narkologie“. Er war Mitglied der Redaktionskollegien der Journale „Sibirisches Medizinisches Journal“, „Fragen der Narkologie Kasachstans“ und „Fragen der Mentalmedizin und Ökologie“, Mitglied der Redaktionsräte des „Journals der Neurologie und Psychiatrie S.S. Korsakow“ (Moskau), des „Sibirischen Psychologischen Journals“ sowie des Journals „Soziale und klinische Psychiatrie“ (Moskau), Mitglied des Koordinationsrats der Russischen Psychiatrischen Assoziation, Mitglied der World Federation for Mental Health, der World Psychiatric Association, der russischen Sektion der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde und des International College of Psychosomatic Medicine, ordentliches Mitglied der Kirgisischen Akademie der Wissenschaften, der Internationalen Anthropologenakademie, der Internationalen Akademie für Informatik sowie der Pazifischen Internationalen Medizinischen Akademie. Er war Präsident der International Association of Ethnopsychologists and Ethnopsychotherapists (von 1998 an).
Semke wurde mit dem Abzeichen „Vorzeigekraft des Gesundheitswesens“ (1970), mit der Jubiläumsmedaille „400 Jahre Stadt Tomsk“ sowie mit der F. Haas-Gedächtnismedaille (2006) ausgezeichnet und ist „Verdienter Vertreter der Wissenschaft der Russischen Föderation“ (2002). 2001 wählte der Vorstand des International Biographical Centre Semke zum „Mann des Jahres“. Semke wurde mit den Medaillen „Für ruhmvolle Arbeit. Aus Anlass des 100. Geburtstags Wladimir Ilitsch Lenins“ (1970), „Für die Neulanderschließung“ (1958) und „Für Verdienste um das Vaterland“ der 2. Stufe (1996) ausgezeichnet. Zur Zeit seiner Arbeit am Medizinischen Institut der Region Altaj war er Wissenschaftssekretär des Dissertationsrats und Vorsitzender des Wissenschaftlich-Methodischen Rats der Regionsgesellschaft „Wissen“. Semke war mit Galina Wladimirowna (geb. Suworowa, *1947) verheiratet, Absolventin des Medizinischen Instituts der Region Altaj, Doktorin der Medizinischen Wissenschaften und leitende Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung für Arterielle Hypertonie des Wissenschaftlichen Forschungszentrums für Kardiologie des Tomsker Wissenschaftszentrums der Sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften. Ihre Tochter Julia (* 1984) absolvierte die Abteilung für Internationale Beziehungen der Historischen Fakultät der Staatlichen Universität Tomsk und ist Kandidatin der politischen Wissenschaften und Mitarbeiterin des Außenministeriums der Russischen Föderation. Semkes Sohn aus erster Ehe Arkadij (* 1959) absolvierte das Medizinische Institut der Region Altaj und ist Doktor der Medizinischen Wissenschaften, Professor, Leiter der Abteilung für endogene Psychosen des Wissenschaftlichen Forschungsinstituts für Psychische Gesundheit des Tomsker Wissenschaftszentrums der Sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften.
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