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GRINGMUTH (Pseudonym: Ruljow) Wladimir Andrejewitsch (1851–1907). Publizist, Literaturkritiker, Politiker, Staatsrat (1890)

Rubrik: Biographische Beiträge (Personalien) / Vertreter des sozialen Bereichs (Bildung, Medizin)

GRINGMUTH, (Pseudonym Ruljow), Wladimir Andrejewitsch, * 3. März 1851 in Moskau, † 28. Oktober 1907 in Moskau. Publizist, Literaturkritiker, Politiker, Staatsrat (1890).

Gringmuth entstammte einer russifizierten deutschen Familie, sein Vater war Deutsch- und Lateinlehrer an privaten Moskauer Pensionaten. Nach Erhalt einer häuslichen Schulbildung besuchte er in den Jahren 1866-70 als Gasthörer die Klassische Abteilung der Historisch-Philologischen Fakultät der Moskauer Universität, wo Professor P.M. Leontjew sein Weltbild prägte, der ihn auch mit M.N. Katkow und der Redaktion der Zeitung „Moskauer Nachrichten“ bekannt machte. 1872 studierte er an den Universitäten in Berlin und Leipzig Ägyptologie. Von 1870 an unterrichtete er Deutsch, Altgriechisch und Ästhetik am Moskauer Zarewitsch-Nikolaj-Gedächtnis-Lyzeum (dem er in den Jahren 1894-96 auch als Direktor vorstand), am Gymnasium von S.N. Fischer und an der Musik- und Dramenschule der Philharmonischen Gesellschaft. Gringmuth verfasste zahlreiche der klassischen Philologie gewidmete Arbeiten sowie literaturdidaktische Werke für die Kinderlektüre, in denen er die herausragende Bedeutung des Studiums antiker Autoren für die geistige Entwicklung und sittliche Erziehung der Kinder herausstrich. 1876 nahm Gringmuth die russische Staatsangehörigkeit an. 1878 trat er zur Orthodoxie über (1897-1907 Präses der Sergius von Radonesch-Kirche). 1892 wurde er in den erblichen Adel erhoben. 1891 beteiligte er sich an der von Bildungsminister I.D. Deljanow eingeleiteten Reform der mittleren Bildungseinrichtungen.

Gringmuth schrieb unter anderem für die Zeitungen „Zeitgenössische Nachrichten“ (ab 1870) und „Moskauer Nachrichten“, für die Zeitschrift „Russischer Bote“ (ab 1871) und für das „Journal des Volksbildungsministeriums“ (ab 1873). In den Jahren 1890-95 führte er in der Zeitschrift „Russische Umschau“ unter dem Pseudonym „Spectator“ eine politische Chronik. In den 1890er Jahren war Gringmuth zunächst der engste Helfer und ab Dezember 1896 Nachfolger des Herausgebers und Chefredakteurs der „Moskauer Nachrichten“ S.A. Petrowski. Nikolai II. kommentierte diese Personalentscheidung in einem handschriftlichen Vermerk als „überaus glückliche Wahl“.

In seinen literaturkritischen Artikeln wandte sich Gringmuth gegen den „Nihilismus“ der Sechzigerjahre-Generation, der seines Erachtens in den Redaktionen der führenden Petersburger Journale den Ton angab. Die Tatsache, dass der „Bote Europas“ mit dem französischen Schriftsteller Émile Zola zusammenarbeitete, wertete er als Indikator einer russlandfeindlichen Haltung der Zeitschrift. Der aufrührerischen Intelligenzija, die seines Erachtens nur schädliche Ideen hervorbrachte, stellte Gringmuth die „gesunden konservativen Kräfte der Gesellschaft“ entgegen, die seines Erachtens vor allem vom Gutsadel getragen wurden. In seiner politischen Publizistik stand Gringmuth in der Nachfolge Katkows, setzte sich noch entschiedener für den Vorrang der russischen Staatsidee ein, trat als Apologet der uneingeschränkten Monarchie und Gegner jeglicher auf die Beschränkung der Autokratie zielender Reformen auf (Artikel in der „Russischen Umschau“) und polemisierte scharf (und zuweilen grob) gegen die „Russischen Nachrichten“, den „Boten Europas“ und andere liberale Publikationen. Er begrüßte den von Innenminister W.K. Plewe eingeschlagenen Kurs und insbesondere dessen auf eine Einschränkung der Semstwo-Bewegung gerichtete Maßnahmen und startete eine offene Kampagne gegen den von dessen Nachfolger P.D. Swjatopolk-Mirski verfolgten liberaleren Kurs. Nach Ansicht Gringmuths war die Revolution eine „auf die Missachtung der Gesetze gerichtete Eigenmächtigkeit des Bösen“. Als einen der Hauptgründe der Revolution von 1905-07 sah er den Umstand, dass sich die Petersburger Bürokratie zwischen Zar und Volk geschoben und dadurch die seit Urzeiten zwischen diesen bestehende Einheit zerstört habe. Er übte scharfe Kritik am Vorsitzenden des Ministerrats Sergej Witte, sprach sich entschieden gegen jegliche Zugeständnisse an die Forderungen der Gesellschaft aus und wandte sich offen gegen das Reskript des Zaren Nikolai II. vom 18. Februar 1905: Wenn alle „Prämissen des Staatsaufbaus von heute an von allen möglichen gesellschaftlichen und staatlichen Einrichtungen ausgearbeitet werden, dann gerät alles ins Wanken, wird kritisiert, verurteilt und zerstört. Dann bricht das Chaos aus“. Im Frühjahr 1905 rief Gringmuth alle Anhänger der Autokratie zum Zusammenschluss auf. Seines Erachtens reichte es nicht, eine Zeitung herauszugeben – man müsse sich vielmehr damit befassen, die „national-russischen Abwehrkräfte“ zu organisieren. Im April 1905 gründete er die Russische Monarchistische Partei (2.000 Mitglieder) und führte deren Zentralbüro. Die Sitzungen der Partei, die sich die „Stärkung der monarchistischen autokratischen Macht in der Rus“ zum Ziel setzte, fanden von Oktober 1905 an in seiner Wohnung statt. Er verurteilte das Manifest vom 17. Oktober (das er für dem Zaren mit Gewalt abgepresst hielt) und die Gründung der Staatsduma, gehörte einer Delegation konservativer Politiker an, die Zar Nikolaus II. am 1. Dezember 1905 zur Rücknahme des Manifests aufforderte, sprach sich für eine von General F.W. Dubassow geführte Militärdiktatur aus und bemühte sich um den Zusammenschluss aller monarchistischen Kräfte des Landes. Er war Vorsitzender der monarchistischen „Russischen Sammlungsbewegung“ und einer der Organisatoren und Vorsitzender der ersten vier Kongresse des „Bundes der Russischen Leute“ (1906-07). Mit Blick auf die Wahlen zur Zweiten Staatsduma sprach er sich im Gegensatz zu zahlreichen anderen Monarchisten (wie z.B. W.M. Purischkewitsch) für einen Boykott aus. In seinen publizistischen Beiträgen jener Jahre schob Gringmuth die Schuld an der Revolution den Fremdstämmigen und vor allem Juden zu, was ihn in die geistige Nähe der Schwarzhundertschafter brachte. Der Agrarreform P.A. Stolypins stand er ablehnend gegenüber. Im Juni 1907 begrüßte er die Auflösung der Zweiten Staatsduma und forderte eine Revision der Verfassung sowie die Abschaffung der Duma als Gesetze erörterndes Repräsentationsorgan.

Veröffentlichungen

Золаизм, М., 1881; Дочь и падчерица, М., 1890; Наш классицизм, М., 1890; История народовластия, М., 1908; Кризис в мировой истории, М., 1908; Блокнот профессора Баррикадова, М., 1910; Собрание статей, М., 1910.

Literatur

Соловьев Ю. Б., Самодержавие и дворянство в 1902–1907 гг., Л., 1981, с. 202; Непролетарские партии России: Урок истории, М., 1984, с. 105–113; Богданович А. В., Три последних самодержца. Дневник, М., 1990, с. 309, 423; Самарцев I. Г., Черносотенцi на Українi (1905–17 рр.), «Україньский iсторичний журнал», 1992, № 1. * Брокгауз и Ефрон; ОИ; Политические партии России. Конец XIX – 1-я треть XX вв. Энциклопедия, М., 1996; РП.

Autoren: Šlâhov A.

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