Sonderegger, Johann Heinrich (1810-1870), Redakteur und obščestvennyj dejatel´.
S. Ist der Sohn von Johannes S. und seiner Frau Anna Dorothea, geb. Heß. Er wurde am 2. Juni 1810 in Gais, Kanton Appenzell in der Schweiz geboren und kam 1817 mit seinen Eltern nach Rußland, die sich anfangs in Šabo [Chabag], einer von französischsprachigen Schweizern gegründeten Kolonie, niederließ, dann aber als Schulmeister in die Kolonie Freudental (Libental´skij okrug) zog. Johann Heinrich S., der gut Russisch gelernt hatte, wurde 1838 Gemeindeschreiber in der Kolonie Worms, war von 1842 bis 1849 Bezirksschreiber in Großliebental und von 1849 bis 1853 Verwalter eines Landgutes in der Nähe der Kolonie Mannheim. 1843 richtete Sonderegger zusammen mit einem weiteren Kolonisten und einem Windarzt in Großliebental eine Wasserheilanstalt ein, die 1847 schon 85 Kurgäste anzog. 1847 bis 1855 arbeitete S. als Redakteur des von 1846 bis 1863 monatlich erscheinenden Unterhaltungsblatts für die deutschen Ansiedler im südlichen Rußland, das vom Popečitel´nyj komitet inostrannych poselencev juga Rossii herausgegeben wurde. Nur die Zwangsabonnements der Schulzenämter sicherten dem Blatt eine Auflage von rund 200 Exemplaren. Als 1863 in der Druckerei der Brüder Nitzsche und K. Kiessig in Odessa die Odessaer Zeitung erschien, die sowohl die Deutschen Odessas als auch der Kolonien anzusprechen versuchte, wurde das Unterhaltungsblatt eingestellt. Zu dieser Zeit übernahm S. die Verwaltung der Waisenkasse des Liebentaler Bezirks in Großliebental. S. spielte eine wichtige Rolle bei der Umwandlung der Waisenkassen in eine Art von Spar- und Darlehenskassen. Denn er strebte für seine Kasse die Rechte einer Bauernbank (sel’skaja banka) an, die Geld für den Kauf von Land und die Ansiedlung von Kolonisten vorstrecken könnte. Dem Liebentaler Beispiel wollten auch andere Bezirke folgen, um Ordnung in die Verwaltung der Waisengelder zu bringen und Kapital für die Ansiedlung von Landlosen zu gewinnen. Außerdem unterbreiteten S. und vier weitere Kolonisten dem Revisor Vladimir Alekseevič Islavin während seiner Revision im Jahre 1865 den Plan, für den Liebentaler Bezirk eine Zentralschule zu gründen. Der Revisor hielt die Gelegenheit für günstig, da bei der beantragten Auflösung der Bezirksschäfereien Grundstücke und Kapital für Schulgründungen frei würden. Im folgenden Jahr berief der Minister für Reichsdomänen eine Versammlung von Bevollmächtigten aller deutschen Kolonien Südrußlands nach Odessa ein, die auch über die Verbesserung des Schulwesens beraten sollten. Diese beschlossen, die vier bestehenden Zentralschulen um fünf weitere zu ergänzen, darunter eine in Großliebental. Aus den aufgelaufenen Einkünften der Bezirksschäfereien in den Jahren 1809‑66 sollten Fonds zur Gründung bzw. besseren finanziellen Ausstattung der Zentralschulen gebildet werden, die vor allem zur Verbreitung der Russischkenntnisse unter der Masse der Kolonisten beizutragen hätten. Sie seien der Aufsicht von gewählten Schulräten zu unterstellen, die den Lehrplan festlegen sollten. Auf diesem Kongreß wurde auch eine Kommission unter dem Vorsitz des Chorticaer Oberschulzen eingesetzt, die auch auf Grund des Sonderegger-Projekts Regeln für solche Kassen ausarbeitete und am 18.8.1866 dem Fürsorgekomitee zur Genehmigung vorlegte. Damals beliefen sich die Waisenkapitalien in den vier neurussischen Gouvernements schon auf 1.416.735 R. 1869 wies das Fürsorgekomitee schließlich die Kolonien an, nach dem Liebentaler Vorbild „Waisen‑, Leih‑ und Sparkassen“ einzurichten, in die die Waisengelder und die überschüssigen Gemeindekapitalien zu überführen seien. In der zweiten Hälfte der 1860er Jahre vertrat S. die Kolonisten des Bezirks Liebental im zemstvo des uezd Odessa. Er starb am 3./15. Dezember 1870.