LUTZ, Ludwig Gottlibowitsch, * 1879 oder 1880, † unbekannt. Landbesitzer im Gouvernement Cherson, Politiker, Mitglied der Finanzrevision der Chersoner Semstwo-Bank, Stellvertretender Staatsanwalt beim Bezirksgericht Simferopol.
Lutz war Mitglied des „Bundes des 17. Oktober“ (Partei der Oktobristen), dessen linkem Parteiflügel er angehörte. Als Abgeordneter des Gouvernements Cherson wurde er in die 2., 3. und 4. Staatsduma gewählt, wo er sich als konsequenter Verteidiger der bürgerlichen Rechte und Freiheiten zeigte, der immer wieder gegen die Willkür der Provinzbehörden und für die Verteidigung der Prinzipien des Rechtsstaats und der Rechtsordnung eintrat. Im März 1908 stellte er in der Duma zusammen mit anderen Oktobristen (Alexander Gutschkow, Alexander von Meyendorff) eine das illegale Vorgehen des Odessaer Stadtchefs Iwan Dumbadse betreffende Anfrage. Im November 1912 wurde er zum Sekretär der Fraktion der Oktobristen und zum Stellvertretenden Vorsitzenden der Kommission für parlamentarische Anfragen gewählt. Im Dezember des gleichen Jahres unterstützte er das Programm des Vorsitzenden des Ministerrats Wladimir Kokowzew und wies auf den Umstand hin, dass die Regierung nicht vergessen habe, „sich um die Umsetzung des Manifests vom 17. Oktober zu kümmern“. Am 20. März 1913 unterstützte er den Abgeordneten Fjodor Roditschew, als dieser den Innenminister Nikolai Maklakow dafür kritisierte, sich die Rechte der legislativen Macht angeeignet zu haben. Auf der Sitzung vom 2. April des gleichen Jahres stellte er sich der Forderung der sozialdemokratischen Abgeordneten entgegen, eine Anfrage über das Lena-Massaker von 1912 [Erschießungen streikender Arbeiter am Fluss Lena] zu diskutieren, da er davon ausging, dass eine solche Diskussion zu Unruhe unter den Arbeitern und einer Zuspitzung der politischen Lage im Land führen werde. Zugleich vertrat er den Standpunkt, dass die Inhalte der vom Senat in diesem Fall eingeleiteten Untersuchung öffentlich gemacht werden müssten.
Eine Beschränkung der Autonomie Finnlands lehnte Lutz entschieden ab. Im Mai 1913 sprach er sich gegen das Gesetzesprojekt „Über die Unterstellung der im Großfürstentum Finnland verübten Staatsverbrechen und politisch motivierten Verbrechen unter die allgemeinen Gesetze des Reiches“ aus.
Im November 1913 wurde Lutz zum Vorsitzenden des Duma-Ausschusses für die Ausarbeitung eines neuen Versammlungsgesetzes gewählt. Nach der Spaltung der Parlamentsfraktion des „Bundes des 17. Oktober“ schloss er sich der Gruppe des Zentrums an und gehörte von Februar 1914 an dem ständigen Büro der Fraktion der Semstwo-Oktobristen an. Im April des gleichen Jahres stellte er sich entschieden gegen die Versuche der Zarenregierung, die Meinungsfreiheit im russischen Parlament einzuschränken, da er davon ausging, dass die Freiheit des Wortes der Abgeordneten die Grundlage einer jeden repräsentativen Ordnung darstelle. Er war ein Gegner der die deutschen Kolonisten diskriminierenden Liquidationsgesetze vom 2. Februar und 13. Dezember 1915.
1917 war Lutz einer der Führer der Nationalbewegung der Russlanddeutschen: Er nahm an der Konferenz der Russlanddeutschen in Moskau teil (April) und wurde in das Allrussische Zentralkomitee der Bürger deutscher Abstammung gewählt. Im September 1917 wurde er vom Südrussischen Zentralkomitee als Vertreter der im Gouvernement Jekaterinoslaw ansässigen Deutschen auf die Liste der Kandidaten für die Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung gesetzt, aber nicht gewählt.
Айсфельд А., Немецкие колонисты Юга России в 1917–1918 гг., в сб.: Вопросы германской истории. Немцы в Украине, Днепропетровск, 1996, с. 127; Донесения Л.К. Куманина из Министерского павильона Государственной думы, декабрь 1911 – февраль 1917 года, «Вопросы истории», 1999, № 1; с. 21; № 2, с. 15; № 3, с. 15; № 4–5, с. 22; № 6, с. 21; № 7, с. 4; № 9, с. 20; № 10, с. 21; № 11, с. 27; 2000, № 2, с. 16; Ленин В.И., Образованные депутаты, Полное собрание Veröffentlichungen, т. 23, с. 60, 546; Плесская-Зебольд Э.Г., Одесские немцы, 1803–1920, Одесса, 1999, с. 352; Центральный Комитет «Союза 17 октября» в 1905–1907 годах. Документы и материалы, «Отечественная история», № 3, с. 152. * Брокгауз и Ефрон.