HARDER, Johannes (Hans), * 28. Januar 1903 in der Kolonie Neuhoffung (Bezirk Melekess, Gouvernement Samara), † 7. März 1987 in Schlüchtern (Deutschland). Religiöser Aktivist, Schriftsteller und Soziologe mennonitischer Konfession.
Harder war der Sohn eines Schmieds, der 1909 in das Dorf Koschki (Gouvernement Samara) übersiedelte, wo er die Firma „Harder & Co.“ gründete, die Landwirtschaftstechnik aus den USA und Europa importierte. Während des Ersten Weltkriegs wurde Harder zusammen mit seiner Familie nach Orenburg ausgesiedelt. 1917 kehrte er an die Wolga zurück, wo sein Vater einen Genossenschaftsladen aufbaute. 1918 emigrierte die Familie nach Deutschland und ließ sich in Westpreußen nieder. Harder schloss das Gymnasium in Elbing und anschließend die Wirtschaftsfakultät der Universität Königsberg ab. Nach Abschluss der Universität machte er Bekanntschaft mit den von dem Schweizer Professor Christoph Blumenhardt formulierten Ideen des „religiösen Sozialismus“. Anschließend begab er sich auf Wanderschaft und war als Prediger tätig. 1928 kehrte er zu seinen Eltern in den Harz zurück, wo er einen Verlag gründete, der pazifistische Bücher und Aufsätze zur Geschichte des russischen religiösen Denkens (N.A. Berdjajew, S.N. Bulgakow u.a.) herausgab. Nachdem sein Vater Oberhaupt der mennonitischen Mission in Hamburg-Altona geworden war, begann Harder 1932 seine Missionstätigkeit. Von 1933 an beteiligte er sich am Widerstand gegen die „deutsche“ Kirche des Dritten Reichs („Deutsche Christen“) und betätigte sich als Prediger und Kurier der „Bekennenden Kirche“. Bis 1937 hielt er öffentliche Predigten in der mennonitischen Kirche in Hamburg und war anschließend als Wanderprediger aktiv (bis 1941). Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er an der Ostfront. Nach dem Krieg arbeitete er als Übersetzer und Verleger in Deutschland. 1946 wurde er als Dozent an die neueröffnete Pädagogische Akademie Wuppertal eingeladen. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in der hessischen Kleinstadt Schlüchtern. Er beteiligte sich an Demonstrationen gegen die Remilitarisierung Deutschlands und für das Verbot von Atomwaffen.
Harder ist Autor von dem Leben und Alltag der Russlanddeutschen gewidmeten Romanen. Harders Stil zeichnet sich durch Schlichtheit der Darstellung, Humor sowie Genauigkeit in den Details der Schilderung des Alltagslebens und der Sitten der Kolonisten und ihrer Nachbarn aus.
Das Dorf an der Wolga. Ein deutsches Leben in Rußland, Stuttgart, 1937; In Wologdas weißen Wäldern. Ein Buch aus dem bolschewistischen Bann, Stuttgart, 1939; Das sibirische Tor. Vier Jahre Orenburger Zivilgefangenschaft 1914–18, Stuttgart, 1939; Klim. Ein russisches Bauernleben, Berlin, 1940; Der deutsche Doktor von Moskau. Der Lebensroman des Dr. Friedrich Joseph Haas, Stuttgart, 1940; Die vier Leiden des Adam Kling, Berlin, 1942; No Strangers in Exile. A novel translated from the German, ed. and expanded by Al. Reimer, Winnipeg, MA, 1979; Aufbruch ohne Ende. Geschichten meines Lebens Mit einem Vorwort von J. Rau, Wuppertal, 1992.
Wozniak J.: Das wolgadeutsche Geschichtserlebnis der ‚guten alten Zeit‘ (1763–1914) in der deutschen Prosa der Zwischenkriegszeit, in: Zwischen Reform u. Revolution. Die Deutschen an der Wolga 1860–1917, hrsg. v. D. Dahlmann u. R. Tuchtenhagen, Essen, 1994, 356–71;