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MINCH, Alexander Nikolajewitsch * 4. April 1833 im Bezirk Lipezk (Gouvernement Tambow), † 21. Juli 1912 in Atkarsk (Gouvernement Saratow). Historiker, Heimatkundler, Ethnograph, Archäologe

Rubrik: Biographische Beiträge (Personalien) / Vertreter des sozialen Bereichs (Bildung, Medizin)

MINCH, Alexander Nikolajewitsch, * 4. April 1833 im Bezirk Lipezk (Gouvernement Tambow), † 21. Juli 1912 in Atkarsk (Gouvernement Saratow). Historiker, Heimatkundler, Ethnograph, Archäologe. Gründungsmitglied der Saratower Wissenschaftlichen Archivkommission (1896). Staatsrat (1896).

Minch entstammte einer adligen Offiziersfamilie. Nach Abschluss des Moskauer Gymnasiums (1853) trat er als Junker in den Dienst des Finnischen Leib-Dragoner-Regiments in Sankt Petersburg. Er nahm als Freiwilliger am Krimkrieg teil (1854–56) und wurde für seine Tapferkeit mit dem Georgskreuz ausgezeichnet und in den Rang eines Fähnrichs erhoben. Nach Ende des Kriegs gehörte er bis 1858 zur Hofgarnison. Nach Abschluss der Offiziers-Infanterie-Schule in Zarskoje Selo (1858–61) diente er im Rang eines Unterleutnants аls Inspekteur des Leib-Dragoner-Regiments im Baltikum. Nachdem sein Bruder Pjotr in den Kaukasus verbannt worden war, weil er sich an Unruhen an der Artillerie-Offiziersschule beteiligt hatte, schied Minch im Rang eines Stabskapitäns aus dem Militärdienst und trat im Jahr 1861 als Beamter für besondere Aufgaben in den Dienst der Kanzlei des Gouverneurs von Saratow, wo er als Schiedsmann für den Bezirk Atkarsk nach der Abschaffung der Leibeigenschaft u.a. für die Abgrenzung von Bauern- und Gutsbesitzerland zuständig war. In seiner Dienstzeit (1862–68) wurden im Bezirk Atkarsk insgesamt dreizehn Dorf- und Wolost-Schulen gegründet. Von Frühjahr 1869 an war er bis zu seinem Abschied in den Ruhestand (1896) zunächst im Bezirk Atkarsk und später im Bezirk Saratow als Friedensrichter tätig. Parallel war er (seit den 1860er Jahren) Mitglied des Gouvernements-Statistik-Komitees, dessen Sekretär D.L. Mordozew sein Interesse für die heimatkundliche Arbeit weckte.

Minchs wissenschaftliche Forschungsinteressen waren breit gestreut. Von den 1860er bis in die frühen 1880er Jahre veröffentlichte er in der periodischen Presse zahlreiche Artikel, die von Fragen der Jurisprudenz und Ökonomie bis zur Geschichte der Arithmetik oder des Wolga-Don-Kanals, von der Frage der Grenzziehung zwischen den Bezirken Petrowsk und Saratow bis zur Geschichte der Saratower Kirchen und des Saratower Bistums ein überaus breites Themenfeld abdeckten. Zugleich entwickelte er ein ausgeprägtes Interesse für die Erforschung der Geschichte Saratows und der an die Stadt angrenzenden Amtsbezirke und Bezirke und beschäftigte sich eingehend mit der Archäologie und Ethnographie der Region sowie mit der Geschichte der Kolonisierung und der sozialen Bewegungen in der Region der Unteren Wolga. Als Initiator der Erfassung aller archäologischen Denkmäler des Gouvernements wurde er als einer der ersten Bewohner Saratows zum Mitglied der Moskauer Archäologischen Gesellschaft gewählt (1869). Von Ende der 1870er Jahre an war Minch aktiv an archäologischen Ausgrabungen von Grabhügeln beteiligt und beschäftigte sich mit der Erforschung der mittelalterlichen Siedlungen Ukek und Kjawen-Gardas. Sein volkskundliches Interesse galt in jenen Jahren den Siedlungen der in der Region ansässigen Volksgruppen (Tscherkessen, Kosaken, Deutsche).

Im Bewusstsein, eine so komplexe und arbeitsintensive Aufgabe wie die Erforschung der örtlichen Geschichte und Folklore allein nicht bewältigen zu können, unternahm Minch mit A.I. Sokolow, A.A. Schachmatow, F.F. Tschekalin und anderen in den Jahren 1879-82 den Versuch, auf Grundlage des Statistik-Komitees eine heimatkundliche Organisation zu gründen, der in den Jahren 1883–85 zwei weitere Organisationen folgten: die Historisch-Archäologische Gesellschaft und die Gesellschaft für Geschichte, Archäologie und Ethnologie. Krönung all dieser Anstrengungen war die im Dezember 1886 erfolgte Gründung der Saratower Wissenschaftlichen Archivkommission, deren Ehrenvorsitzender Minch bis zu seinem Lebensende blieb.

Von diesem Zeitpunkt an widmete sich Minch neben den bereits genannten Tätigkeiten zielstrebig der Sichtung der örtlichen Archive, der Ausstattung des historischen Museums und der Bibliothek der Archivkommission, dem Denkmalschutz sowie der Verbreitung historischen Wissens unter der Bevölkerung. Zusammen mit S.A. Scheglow baute er innerhalb des Historischen Archivs und der Bibliothek der Archivkommission ein Geheimarchiv auf, in dem Dokumente zur Ersten Russischen Revolution von 1905–07 zusammengetragen wurden.

Dank seiner Gewissenhaftigkeit, seinem bemerkenswerten Fleiß, seiner Aufrichtigkeit und seiner Hilfsbereitschaft genoss Minch weit über Saratow hinaus auch unter den Historikern anderer heimatkundlicher Zentren große Autorität und war Mitglied von insgesamt elf wissenschaftlichen Gesellschaften in ganz Russland. Seiner Feder entstammen etwa 100 Veröffentlichungen, als deren wichtigste das von ihm verfasste „Historisch-Geographische Lexikon des Gouvernements Saratow“ gilt. Von 1894 an trug er auf Grundlage eines mit A.A. Schachmatow gemeinsam verfassten Programms umfangreiches Material zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Saratower Wolgagebiets in der Zeit nach den Reformen, zur Geschichte der Kolonisierung und zur Geschichte der Bauernbewegung in der Region zusammen, das er in dem 1898 erschienenen, den Bezirken Zaryzyn und Kamyschin gewidmeten Ersten Band veröffentlichte, der seinen wissenschaftlichen Wert bis heute nicht eingebüßt hat. Neben seinen veröffentlichten Arbeiten werden in den Beständen des Staatsarchivs des Gebiets Saratow und des Historischen Museums auch über 60 von Minch verfasste Manuskripte von Artikeln und Monographien verwahrt, die noch auf eine Veröffentlichung warten. Zu diesen noch unveröffentlichten Texten gehört auch das Buch „Raub und Schätze des Unteren Wolgagebiets“, das ein zeitlich und geographisch breit gefächertes Bild der gegen die Regierung gerichteten Bauernaufstände zeichnet. Auch wenn er in den letzten zehn Jahren seines Lebens erblindet und nach einer missglückten Beinoperation nicht mehr selbständig gehfähig war, verblüffte Minch seine Zeitgenossen auch zu dieser Zeit noch mit ungebrochener Lebensfreude und Schaffenskraft und veröffentlichte über zehn Arbeiten – die letzte schickte er drei Monate vor seinem Tod (21. Juli 1912) an die Gesellschaft für Geschichte, Archäologie und Ethnographie an der Universität Kasan.

Schriften

Историко-географический словарь Саратовской губернии. Т. 1: Уезды Царицынский и Камышинский. Саратов – Аткарск, 1898–1902; Из записок мирового посредника. 1861–1866 гг. //Материалы по крепостному праву: Саратовская губерния. Саратов, 1911; Народные обычаи, суеверия, предрассудки и обряды крестьян Саратовской губернии. Собраны в 1861–1888 годах /Вступ. статья и прим. проф. В.К. Архангельской. Саратов, 1994.

Literatur

Хованский Н.Ф. Очерки истории г. Саратова и Саратовской губернии. Вып. 1. Саратов,1884. С. 145–148; его же. Краткие биографии членов СУАК за 25 лет ее существования // XXV-летие СУАК. Саратов, 1911. С. 21–22; Норцов А.Н. Александр Николаевич Минх // Изв. Тамбовской ГУАК. 1904. Вып. 50, ч. II. С. 21–22; Коновалов Ф.П. Александр Николаевич Минх // Живая Старина. 1913. Вып. 1–2. С. 201–212; Соколов С.Д. Саратовцы писатели и ученые // Тр. СУАК. 1916. Вып. 33. С. 164–168; Лукин С.Э. Чтобы не прервалась связь времен // Годы и люди. Вып. 4. Саратов, 1989. С. 74–83; Миронов В.Г. А.Н. Минх – саратовский краевед // Их имена в истории края. Саратов, 1990; Он же. А.Н. Минх – историк крестьянского движения в Саратовском Поволжье // Историографический сборник. Вып. 18. Саратов, 1999. С. 94–102; Миловидова И.Б. Полчаниновская усадьба А.Н. Минха // Тр. СОМК. 1996. Вып. 4. С. 167–195; Демченко А.А. Из неизданных записок А.Н. Минха // Поволжский край. Вып. 11: Проблемы истории и археологии Саратовского Поволжья. Саратов, 2000. С. 204–215.

Autoren: Solomonov V. A.

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