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ALEXANDERHÖH (Alexanderhöh, Аlexander-Höh, Alexandrowka, Uralsk), heute Dorf ALEXANDROWKA im Kreis Sowetskij, Region Saratow – eine deutsche Kolonie im linksufrigen Wolgagebiet auf dem rechten Ufer des Flusses Nachoj

Rubrik: Geschichte und Geographie der Ansiedlung der Deutschen im Russischen Reich, in der UdSSR und GUS / Geschichte der Ansiedlung
Современное состояние с. Александровка (ранее Александерге). Фото Е. Мошкова. 2010 г.
Современное состояние с. Александровка (ранее Александерге). Фото Е. Мошкова. 2010 г.
Современное состояние с. Александровка (ранее Александерге). Фото Е. Мошкова. 2010 г.
Современное состояние с. Александровка (ранее Александерге). Фото Е. Мошкова. 2010 г.

ALEXANDERHÖH (Alexanderhöh, Аlexander-Höh, Alexandrowka, Uralsk), heute Dorf ALEXANDROWKA im Kreis Sowetskij, Region Saratow – eine deutsche Kolonie im linksufrigen Wolgagebiet auf dem rechten Ufer des Flusses Nachoj. Befand sich 450 Werst entfernt von Samara und 130 Werst entfernt von der Ujezd-Stadt Nowousensk. Von 1871 bis Oktober 1918 gehörte das Dorf zur Nizhnekaramanskaja-Wolost des Ujezds Nowousensk im Gouvernement Samara. Nach der Entstehung der Arbeitskommune der Wolgadeutschen und bis 1814 war das Dorf Verwaltungszentrum der Landratsgemeinde Alexanderhöh des Kantons Mariental (Tonkoschurowsk). Im Jahr 1926 bestand die Landratsgemeinde Alexanderhöh einzig aus dem Dorf Alexanderhöh.

Die Kolonie wurde 1860 gegründet. In die Siedlung zogen Kolonisten, die zuvor in den Mutterkolonien im Rechten Ufergebiet lebten. Die Hauptursache für die Gründung von Tochtersiedlungen war der Landmangel in den Mutterkolonien.  Die Besiedlung der Kolonie fing ab 1859 an. 1861 und 1864 erörterte das Fürsorgekontor die Frage „über die Ortsnamensgebung der Kolonie Alexanderhöh“. Benannt wurde die Siedlung zu Ehren des Zaren Alexander II., übersetzt aus dem Deutschen hieß der Name „Alexandrowskaja woswyschennost‘“ (Александровская возвышенность) und leitete sich vom Namen Alexander und dem deutschen Wort – „Höhe“ ab. Vom ersten Teil des Ortsnamens stammt die russische Bezeichnung der Siedlung ab – Alexandrowka. Diese erhielt die Kolonie im Jahr 1916, als im Land die antideutsche Kampagne vorangetrieben wurde. Nach der Gründung der Arbeitskommune der Wolgadeutschen im Jahr 1918 erhielten die Dörfer ihre deutschen Namen zurück.

Die Kolonisten betrieben vorwiegend Kornbau. In den 1860-er Jahren wurden in Alexanderhöh die Bewohner der aufgelösten Kolonie Alexanderdorf  angesiedelt, die 1849 gegründet wurde und sich am Fluss Nachoj, 5 Werst von Alexanderhöh, befand. Die Häuser von mehr als 200 Einwohnern vom Alexanderdorf, die ursprünglich aus den Mutterkolonien Alt Urbach, Schwed, Schäfer und Stahl kamen, wurden auseinandergebaut und in die nahliegenden Dörfer Alexanderhöh, Rosendamm und Marienburg transportiert. Der Grund für die Auflösung der Kolonie waren salzhaltige  und klüftige Böden, die sich nicht für Ackerbau eigneten.

Nach den Angaben des Statistischen Komitees vom Gouvernement Samara gab es 1910 in Alexanderhöh 229 Höfe, es wurden zwei Wind- und eine Dampfmühlen gebaut. Das Dorf besaß eine Bezirkshauptmannschaft, eine Gerichtsuntersuchungseinrichtung, eine örtliche Pferdewechselstation mit Unterkunft, ein Krankenhaus.

In den Jahren der Sowjetherrschaft wurde im Dorf eine landwirtschaftliche Nutzungsgenossenschaft errichtet, es gab einen Kooperativladen. 1930 wurden Dutzende von Dorfbewohnern Repressivmaßnahmen unterworfen wegen Gründung der Zelle konterrevolutionärer Organisation „Sojuz oswobozhdenija krestjanskich narodow“ (Befreiungs-Union der Bauernvölker), die gegen Kolchosen und Getreideerfassung auftrat. Im September 1941 wurden Deutsche aus dem Dorf deportiert, seit 1942 trägt das Dorf den Namen Alexandrowka.

Schule und Ausbildung der Kinder. Die Kirchenschule wurde im Dorf im Jahr seiner Gründung, 1860, eröffnet. Gottesdienste und Schulunterricht wurden im Schul- und Bethaus abgehalten.  In der Schule gab es Unterricht in Religion, kirchlichem Gesang, im Lesen von kirchlicher und bürgerlicher Druckschrift, Schreiben, in der Rechenkunst, es wurde geschichtliches Wissen vermittelt. Das Lesematerial war vom religiösen Inhalt. Erteilt wurde den Unterricht von Küsterlehrern oder Schulmeistern.

Anfang des XX. Jahrhunderts beschloss die Kirchengemeinde aus eigenen Mitteln ein neues Gebäude für das Schul- und Bethaus zu errichten. Den Dorfbewohnern gelang es dank raffinierter Bauarchitektur die Atmosphäre einer deutschen Siedlung Ende des XIX. Jahrhunderts wiederzugeben.  Die neue Schule stellt ein elegantes Ziegelgebäude dar, dessen Vorderfassade mit üppigen Bauskulpturen verziert ist und von drei eleganten Ziegelgiebeln gekrönt wird. In der Winterzeit fanden im Schulgebäude Betversammlungen der Gemeindemitglieder statt.         

Laut statistischen Angaben über den Zustand der Schulen in deutschen Kolonien, erhoben vom Propst vom linksufrigen Ufergebiet, J. Erbes,  im Jahr 1906, waren von den 1768 Dorfeinwohnern 240 grundschulpflichtige Kinder im Alter von 7 bis 15 Jahren. Im Unterschied zu anderen deutschen Siedlungen war die Schule in Alexanderhöh von allen Schulkindern besucht worden, während es in vielen anderen Dörfern Kinder gab, die aufgrund der Armut ihrer Eltern oder Eingebundenheit im Handwerk und Gewerbe nicht zur Schule gehen konnten. 1906 lernten an der Kirchenschule 105 Jungen, 84 Mädchen, es gab zwei Lehrer. Die Schule wurde aus den Mitteln der Gemeinde finanziert. In der Sowjetzeit wurde die Kirchenschule geschlossen und an ihrer statt eine Grundschule gegründet.

Konfession der Einwohner und Kirche. Die Kolonisten gehörten dem evangelisch-lutherischen Glauben an. Die Gemeinde Alexanderhöh gehörte zur evangelisch-lutherischen Pfarrgemeinde Weizenfeld (heute Teil des Dorfes Rosowoje, Kreis Sowetskij, Gebiet Saratow), zu dem außer Alexanderhöh die Gemeinden Gnadendorf, Neu-Tarlyk, Rosenfeld gehörten. Die Gründung der Pfarrgemeinde wurde am 27. Januar 1862 bekräftigt.    

Der Bau der Holzkirche begann 1886.  Am 24. Juni 1888 wurde die Kirche dem Heiligen Johannes geweiht. Sie wurde im Stil des späten Klassizismus errichtet, war zweistöckig und hatte 800 Gebetsbänke. Das festliche Aussehen verdankte die Kirche der Vorhalle in Form eines Portikus mit dreieckigem Giebel in der Mitte der Hauptfassade. Die vier schweren Kolonnen der Vorhalle  waren symmetrisch angeordnet und von vergleichsweise bescheidenen dorischen Kapitellen gekrönt. Hinter den Kolonnen im Zentrum befanden sich der Eingang und das Fenster über ihn.  An den Seitenfasseden des Baus befanden sich ebenfalls Kolonnen, gekrönt von massiven dreieckigen Giebeln, hinter den Kolonnen lagen die Seiteneingänge der Kirche. Der rechteckige massive dreistufige Kirchenturm hatte drei Glocken. Die Kirche besaß den Status einer Filialkirche. Neben der Kirche wurde ein Holzglockenturm errichtet. In der Kolonie gab es ein Schul- und Bethaus, wo in der Winterzeit Gottesdienste abgehalten wurden. Nah der Kirche befanden sich die Häuser des Küsters und Schulmeisters.   

Der erste Pastor der Pfarrgemeinde Weizenfeld, zu dem die Gemeinde Alexanderhöh gehörte, war Theodor Hölz, der 20 lange Jahre in Weizenfeld diente. Nachdem er 1883 eine Einladung für eine Stelle als Priester im Dorf Reinhart (Osinowka) bekommen hatte, blieben alle Gemeinden der Pfarrgemeinde Weizenfeld ohne einen Pastor und einige Jahre lang wurden dort die Gottesdienste nur von Küstern gehalten. Erst 1887 bekam die Pfarrgemeinde einen neuen Pastor für das Priesteramt, Gottlieb Koch, der bis 1923 in den Gemeinden diente. Im Jahr 1923 wurde er in den Ural ausgesiedelt, 1929 wieder verhaftet, blieb bis 1938 in einem Lager.     

Die unmenschlichen Methoden der Antikirchenpolitik der Bolschewiken wurden  von Repressivmaßnahmen gegen die Pastoren begleitet. Gemäß dem Dekret des Rats der Volkskommissare (SNK) über die Trennung von Kirche und Staat und von Kirche und Schule vom 23. Januar 1918 gehörten alle Kirchen und der Gesamtbesitz der Gemeinden dem Staat. In der Durchführungsbestimmung vom 30. August 1918 für das Dekret über die Trennung von Kirche und Staat wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die lutherische Kirche mit ihren Glaubensrichtungen in den Geltungsbereich des Dekrets fällt. Im Land führte man Massenschließungen der Kirchen aller Konfessionen durch. Die lutherische Kirche in Alexanderhöh hörte auf zu existieren nach der offiziellen Beschlussfassung des Zentralen Exekutivkomitees und  des Obersten Sowjets der ASSR der Wolgadeutschen vom 18. Juli 1935, weil 238 Personen von den 339 gebliebenen Mitgliedern der Kirchengemeinde für ihre Liquidierung gestimmt haben.      

Liste der Pastoren des Kirchspiels Weizenfeld, die in Alexanderhöh dienten.   1862–1883  – Karl Theodor Hölz. 1883–1887  – die Pfarrgemeinde hatte keinen Pastor. 1887–1923  – Gottlieb Koch.

Einwohnerzahlen. 1860 lebten in Alexanderhöh 240 ausländische Siedler, 1883 betrug ihre Zahl 1124, 1889 – 1130. In den Jahren 1877–1878 wanderten 10 Dorfbewohner nach Amerika aus.  Laut Angaben der Allgemeinen Volkszählung im Russischen Zarenreich zählte das Dorf im Jahr 1897 1140 Menschen, 1137 davon Deutsche. 1905 lebten in Alexanderhöh  1742, 1910 – 2141 Menschen. Nach Angaben der Gesamtrussischen Volkszählung aus dem Jahr 1920 zählte das Dorf 1750 Menschen.  1921 wurden 120 Menschen im Dorf geboren und 146 Menschen starben. Nach Angaben der Statistischen Gebietsverwaltung des Autonomen Gebietes der Wolgadeutschen betrug die Bevölkerungszahl nach dem Stand vom 1. Januar 1922 in Alexanderhöh 1240, im Jahr 1923 – 1418 Menschen. Die Angaben der Gesamtrussischen Volkszählung 1926 zählen im Dorf 282 Haushalte (278 davon deutsche) mit der Einwohnerzahl von 1408 Menschen (681 von ihnen Männer, 727 Frauen), darunter 1393 Deutsche (675 Männer und 718 Frauen). Im Jahr 1931 zählte das Dorf 1824 Menschen, 1805 von ihnen waren Deutsche.

Die Ortschaft heute. Heute Dorf Alexandrowka im Kreis Sowetskij, Gebiet Saratow. Es sind so gut wie keine typisch deutschen Häuser erhalten geblieben, der Großteil davon wurde in der Nachkriegszeit, während der Gründungszeit der Sowchose „Zolotaja Step‘“, zerstört. Der Beweis dafür, dass hier auch professionelle deutsche Baumeister am Werk waren, ist das Gebäude des Schul- und Bethauses, in dem sich heute ein Geschäft befindet. Das elegante Ziegelgebäude des Anfangs des XX. Jahrhunderts ist eines der raffiniertesten nicht nur in Alexandrowka, sondern auch in anderen Dörfern. Die Vorderfassade des Gebäudes ist  heute mit massiven Ziegeldekor und drei dreieckigen Giebeln verziert. 

Was das Schicksal der Dorfschule angeht, so wurde diese nach dem Zwangsauszug aus dem Ziegelgebäude in Wohnhäusern untergebracht und die 7-jährige Schule, die erst 1956 ein neues Gebäude bekam, wurde zur Grundschule reorganisiert. Das neue Schulgebäude wurde im Dorf 1981 errichtet. Nach dem Stand aus dem Jahr 2010 arbeiteten in der Schule 23 Lehrer und es wurden 141 Schüler ausgebildet.

 

 

 

INHALT

ГАСО. Ф. 180. Оп. 1. Д. 376. Л. 5; Д. 450. Л. 111; Ф. 637. Оп. 35. Д. 54–61, 69–73; ГИАНП. Ф. 849. Оп. 1. Д. 1139; Ф. 1831. Оп. 1. Д. 299. Л. 7.

Literatur

Герман А.А. Немецкая автономия на Волге. 1918–1941. Часть II. Автономная республика. 1924–1941. – Саратов, 1992–1994; Князева Е.Е., Соловьева Ф. Лютеранские церкви и приходы ХVIII – ХХ вв. Исторический справочник. – СПб., 2001. Часть I; Список населенных мест Самарской губернии. – Самара, 1910; Amburger E. Die Pastoren der evangelischen Kirchen Russlands vom Ende des 16. Jahrhunderts bis 1937. Ein biographisches Lexikon. – Martin-Luther-Verlag, 1988.

 

Autoren: Lizenberger O.A.

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