RU

neue
illustrierte elektronische

JOKISCH , Wilhelm August (Wassili Iwanowitsch), * 15. Oktober 1810 in Meseritz, † 25. März 1887 in Moskau

Rubrik: Biographische Beiträge (Personalien) / Vertreter des sozialen Bereichs (Bildung, Medizin)

JOKISCH, Wilhelm August (Wassili Iwanowitsch), * 15. Oktober 1810 in Meseritz, † 25. März 1887 in Moskau. Unternehmer, Gründer der „Tuchwarenmanufaktur Jokisch“, Kaufmann der 1. Gilde, gewähltes Mitglied der Moskauer Börsengesellschaft, Philanthrop. Erbehrenbürger.

Jokisch entstammte einer lutherischen Kaufmannsfamilie. Seine Geburtsstadt Meseritz gehörte bis 1945 zu Preußen und war Verwaltungszentrum des gleichnamigen Landkreises. Seit dem Zweiten Weltkrieg gehört die Stadt zu Polen und wurde in Międzyrzecz (Woiwodschaft Lebus) umbenannt. Jokisch war der Sohn des Unternehmers und Tuchfabrikanten Johann Gottfried Jokisch und seiner Ehefrau Luise, geborene Schultz.

Anfang der 1820er Jahre zog die Familie nach Zgierz (Woiwodschaft Lodz, Polen), wo die Behörden zur Förderung der örtlichen Textilindustrie gezielt Tuchfabrikanten aus Preußen und Sachsen anwarben, denen sie 1821 mit dem „Zgierzer Vertrag“ erhebliche Vergünstigungen in Aussicht stellten. Der Polnische Aufstand von 1830-31 und die auf diesen folgende Erhöhung der Zollgebühren an der polnischen Grenze veranlassten Jokisch wie zahlreiche andere deutschstämmige Tuchmacher, Kongresspolen den Rücken zu kehren und ins Reichsinnere umzusiedeln. So kam er 1832 nach Moskau, wo er im nahegelegenen Dorf Michalkowo (heute: Nördlicher Verwaltungsbezirk der Stadt Moskau) in der Kattunfabrik der Kaufleute Gratschow als Färber und später als Produktionsleiter zu arbeiten begann und das Unternehmen in Richtung Tuchproduktion ausrichtete.

1838 gründete Jokisch in Michalkowo eine eigene Färberei, aus der später eine der ersten Tuchfabriken des Bezirks Moskau hervorgehen sollte. 1839 nahm er die russische Staatsangehörigkeit an. Im Archiv ist das Verzeichnis der Ausländer erhalten, die in der Moskauer Gouvernementsverwaltung den Eid zum Erhalt der russischen Staatsangehörigkeit leisteten. Für den 17. August 1839 ist dort „Wilhelm Jakisch, ledig, Tuchmacher, preußischer Staatsbürger“ aufgelistet, der „nach Ableistung des Eides“ den Wunsch äußerte, sich dem Kaufmannsstand zuschreiben zu lassen. Am 6. September 1839 heiratete Jokisch in der Kirche der Auferstehung des Wortes die deutschstämmige orthodoxe Stadtbürgerin Anna Iwanowna Harmuth. Am 6. Februar 1840 wurde er mit seiner Ehefrau in die 3. Gilde der Moskauer Kaufmannschaft aufgenommen.

1843 stellte Jokisch auf der 3. Russischen Manufakturwarenmesse in Moskau erstmals Muster seiner Produktion vor („vier Stück Tuch zum Preis von zwei bis drei Silberrubeln“) und wurde mit einer großen Silbermedaille ausgezeichnet. 1845 war seine Fabrik sowohl mit Blick auf die Zahl der dort tätigen Arbeiter (74), als auch mit Blick auf die Maschinen (32) und Pferdeantriebe (3) sowie den Jahresumsatz (160.000 Silberrubel) die größte Tuchfabrik der Stadt und des Bezirks Moskau. Am 23. Juli 1851 erteilten die Moskauer Behörden Jokisch die Genehmigung, seine Fabrik zu einem Spinn-, Web- und Walkbetrieb umzurüsten, der zu den führenden Tuchproduzenten des Gouvernements Moskau gehörte. Es wurden Tuche höchster und mittlerer Güte produziert. In den Dokumenten der Kanzlei des Moskauer Zivilgouverneurs hieß es, dass in der Fabrik alles ohne Einmischung von außen vom Besitzer selbst geführt werde. Für die hohe Qualität seiner Produkte wurde Jokisch auf zahlreichen Messen ausgezeichnet. So erhielt er 1953 eine Große Silbermedaille der Moskauer Ausstellung, 1861 eine Kleine Goldmedaille auf der Russischen Industrieausstellung in St. Petersburg sowie 1865 die höchste auf der 5. Moskauer Manufakturwarenmesse vergebene Auszeichnung - das Recht, auf seinen Schildern und Waren das Staatswappen des Russischen Reichs zu nutzen. Im Gutachten der Experten hieß es, dass der Fabrikant stets befleißigt sei, die Qualität seiner Produkte und die Lebensumstände seiner Arbeiter zu verbessern, und er bei der Fertigung mittlerer Tuch-Sorten ein sehr hohes Niveau erreicht habe.

Auszeichnungen: Ehrenbewertung der Pariser Weltausstellung von 1867; „am St. Annen-Ordensband zu tragende“ Goldmedaille mit der Aufschrift „Für Nützliches“ der Allgemeinen Russischen Manufaktur-Ausstellung von 1870 in St. Petersburg; Ehrenbewertung und große Goldmedaille „Für Nützliches“ der Polytechnischen Ausstellung von 1872 in Moskau; Ehrenbewertung und Goldene Medaille „Für besonderes Engagement“ der Wiener Weltausstellung von 1873; höchste Auszeichnung der Allgemeinen Russischen Industrie- und Kunstausstellung von 1882 in Moskau.

1860 kaufte Jokisch der Familie Gratschow am Standort seiner Fabrik für 35.000 Silberrubel auch den „zweiten Teil“ des Landguts Michalkowo (insgesamt 40 Desjatinen und 413 Quadratsaschen Acker- und sonstiges Land) ab, auf dem sich auch ein Teil der Bauten des im 18. Jahrhundert nach Plänen von Wassili Baschanow für den Grafen P.I. Panin errichteten Herrenhauses befanden. Die erworbenen Bauten ließ Jokisch auf eigene Kosten unter anderem in ein Krankenhaus und eine Schule für die Kinder der Arbeiter umbauen. An den Ufern des Teichs ließ er Wohnhäuser für die Arbeiter errichten.

1863 wurde Jokisch mitsamt seiner Familie in den Stand eines Erbehrenbürgers erhoben. Von 1865 an war er Moskauer Kaufmann der 1. Gilde. Anfang 1867 gründete er mit seinen beiden ältesten Söhnen Wassili und Alexander das Handelshaus „Wassili Jokisch & Söhne“, das über ein Stammkapital von 40.000 Silberrubeln verfügte. 1878 gründete er mit seinen Söhnen die über ein Stammkapital von 800.000 Rubeln verfügende Tuchmanufaktur „Jokisch“, deren Direktor er bis zu seinem Lebensende blieb. Nach der am 20. März 1870 erfolgten Bestätigung des Statuts der Moskauer Börse wurde er regelmäßig zum Mitglied der Moskauer Börsengesellschaft gewählt.

Im Unterschied zu zahlreichen anderen Unternehmern der Vorreformzeit nutzte Jokisch nie unfreie Arbeitskräfte. Von Anfang an waren in seinem Unternehmen nur freie Arbeitskräfte beschäftigt, für die er angemessene Arbeits- und Lebensbedingungen zu schaffen bestrebt war. Nach den 1937 veröffentlichten Erinnerungen seiner Arbeiter führte er sein Unternehmen nicht „nach Gutsherrenart“ und erwarb sich den Ruf eines „wohlwollenden Großvaters“ seiner Arbeiter. „Zu ihm kamen die Weber aus dem Dorf Bryn (Gouvernement Kaluga), wo die Gräfin Tolstaja bankrott war, von der Schorygin-Fabrik aus Michnew bei Moskau, aus der Fabrik der altgläubigen Nosows und aus vielen anderen Fabriken [...] es sah so aus, als ob der Besitzer 'gutmütig“ und die Arbeiter 'brav' seien. Deshalb wurde unsere Fabrik auch 'Gottesfabrik' genannt.“

Jokisch leistete unter anderem der evangelisch-lutherischen Peter- und Paulkirche in Moskau und der an diese angeschlossenen Knabenschule sowie der im Dorf Wsechswjatskoje gelegenen Allerheiligenkirche wohltätige Hilfe. Zusammen mit anderen Unternehmern finanzierte er 1872 den Atlas der Manufakturwarenindustrie des Gouvernements Moskau.

Jokisch starb am 25. März 1887 an einer Lungenentzündung und ist auf dem Moskauer Wwedenski-Friedhof begraben.

Er war mit Anna Iwanowna Harmuth (*1821, † 1893) verheiratet, mit der er acht Kinder hatte: Alexander (*1840, † 1841), Wassili (*1841, † 1897), Alexander (*1843, † 1914), Julia (*1845), Fjodor (*1846), Jelisaweta (*1849, † 1912), Maria (*1854, † 1912) und Iwan (*1855, † 1895).

INHALT

ЦГА Москвы.

Literatur

Петрова Е.Г. История и география семьи и мануфактуры Йокиш: Германия – Москва – Михалково. М., 2012. – 192 с.; Век нынешний и век минувший. Рассказы рабочих суконной фабрики им. Петра Алексеева. Запись Ю.П. Злыгостева. М., 1937.

Autoren: Petrowa Je. G.

ЗEINE FRAGE STELLEN