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BEAUREGARD (Boregard, Boregardt, Borgard, Bujerak), heute Dorf Priwolschskoje (Rayon Marx, Gebiet Saratow); im linksufrigen Wolgagebiet am Fluss Karaman, 316 Werst von Samara

Rubrik: Geschichte und Geographie der Ansiedlung der Deutschen im Russischen Reich, in der UdSSR und GUS / Geschichte der Ansiedlung
Auf einem der Wohnhäuser in Priwolschkoje angebrachte Tafel mit Hinweis, welches Instrument der Hausherr im Brandfall mit sich führen soll. Foto Je. Moschkow, 2013
Deutsches Holzhaus. Foto Je. Moschkow, 2013
Straße im Dorf Priwolschskoje. Foto Je. Moschkow, 2013
Holzhaus im Dorf Priwolschskoje. Foto Je. Moschkow, 2013
Holzhaus im Dorf Priwolschskoje. Foto Je. Moschkow, 2013
Holzhaus im Dorf Priwolschskoje. Foto Je. Moschkow, 2013

BEAUREGARD (Boregard, Boregardt, Borgard, Bujerak), heute Dorf Priwolschskoje (Rayon Marx, Gebiet Saratow); im linksufrigen Wolgagebiet am Fluss Karaman, 316 Werst von Samara, 161 Werst von der Bezirksstadt Nowousensk und einen Werst vom Hauptort des Amtsbezirks Katharinenstadt, an der Handelsstraße von Nikolajew nach Saratow gelegene deutsche Kolonie. Von 1871 bis Oktober 1918 gehörte das Dorf zum Amtsbezirk Katharinenstadt (Bezirk Nikolajew, Gouvernement Samara).

Nach der Gründung der Arbeitskommune der Wolgadeutschen war Beauregard bis 1941 Verwaltungszentrum des im Kanton Marxstadt gelegenen gleichnamigen Dorfsowjets, zu dem im Jahr 1926 neben dem Dorf selbst die Gehöftsiedlungen Susly, Metscheterfeld, Roorgraben, Alte-Tenne, Lesnaja Storoschka und das Vorwerk Metschetka gehörten.

Die Kolonie wurde am 27. August 1766 von dem Anwerber Baron Caneau de Beauregard gegründet, nach dem sie auch benannt ist. Beauregard verewigte bei der Benennung der Kolonien nicht nur seinen eigenen Namen und Vornamen (Caneau, heute Dorf Andrejewka), sondern auch die Namen seiner Kinder Philipp (Philippsfeld, heute Dorf Filippowka) und Ernestine (Ernestinendorf, heute Dorf Beresowka) sowie seiner Ehefrau Susanne (Susannental, heute Dorf Sosnowka). Aufgrund des die Benennung der deutschen Kolonien regelnden Erlasses vom 26. Februar 1768 behielt die Kolonie Beauregard ihren Namen.

Den Namen Bujerak erhielt die Kolonie 1915 im Zuge der durch den Ersten Weltkrieg entfesselten antideutschen Propagandakampagne, in deren Verlauf zahlreiche gegen die in Russland ansässige deutsche Bevölkerung gerichtete diskriminierende Gesetze verabschiedet wurden. So wurden bereits 1914 alle deutschsprachigen Publikationen und Vereine geschlossen. In vielen Regionen des Landes wurde der Gebrauch der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit und im Alltag verboten. Per Erlass vom 18. August 1916 wurde in allen Lehranstalten des Russischen Reiches jeglicher Deutschunterricht untersagt. Im Kontext dieser antideutschen Maßnahmen wurden wie im Fall Beauregard/Bujerak auch zahlreiche deutsche Siedlungen umbenannt. Nach der 1918 erfolgten Gründung der Arbeitskommune der Wolgadeutschen erhielten die Dörfer ihre deutschen Namen zurück.

Die Gründer der Kolonie waren 67 aus Anhalt-Zerbst, Sachsen, Preußen und anderen deutschen Ländern stammende Familien (279 Kolonisten). Weitere etwa 85 Familien wurden bis zur 1768 erfolgten Gründung neuer Kolonien vorübergehend in Beauregard untergebracht. Jedem Familienoberhaupt händigte das in Saratow ansässige Fürsorgekontor 75 bis 225 Rubel aus. Familien, die vorübergehend in bereits gegründeten Siedlungen gelebt hatten, erhielten zudem Vieh. In vielen der von Beauregard gegründeten Kolonien spielte die Frage, ob sich die neuen Besitzer auch wirklich um die Tiere kümmern konnten, allerdings kaum eine Rolle, was zur Folge hatte, dass viele Kühe und Pferde verendeten oder zum Verzehr geschlachtet wurden. So waren von den 55 Pferden und 54 Kühen, die die in Beauregard angesiedelten Kolonisten im Jahr 1767 erhielten, bereits Ende des gleichen Jahres nur noch 50 Pferde und 16 Kühe am Leben.

Unter den ersten Kolonisten waren drei Maurer, zwei Schneider, zwei Schuhmacher, ein Schmied, ein Kaufmann, ein Müller, ein Brotbäcker, ein Strumpfweber, ein Kärrner, ein Hirte, ein Wollschläger, ein Gärtner, ein Bierbrauer, ein Zimmermann, ein Erzhauer, ein Lehrer, zwei Husaren und ein Soldat. Alle übrigen ersten Übersiedler waren Ackerbauern und entsprachen somit hinsichtlich ihrer in der der alten Heimat ausgeübten Beschäftigung in vollem Maße dem Hauptziel der Anwerbung der Kolonisten, die in den Grenzregionen Russlands gelegenen Steppengebiete landwirtschaftlich zu erschließen.

Die Rahmenbedingungen der Besiedlung der Kolonien und eine wenig durchdachte Konfessionspolitik hatten zur Folge, dass die religiöse Zugehörigkeit der ersten Siedler bei deren Verteilung auf die einzelnen Kolonien kaum eine Rolle spielte. Während die meisten Kolonien in konfessioneller Hinsicht nichtsdestotrotz mehr oder weniger homogen waren, waren Lutheraner (28 Familien) und Katholiken (29 Familien) in Beauregard nahezu gleich stark vertreten, auch wenn die Protestanten angesichts weiterer zehn reformierter Familien insgesamt in der Mehrheit waren. Unter den „vorübergehend“ in Beauregard untergebrachten Kolonisten waren 25 katholische und etwa 60 protestantische Familien.

1774 wurde Beauregard wie auch viele andere Kolonien von den Truppen Jemeljan Pugatschows überfallen, der in den Jahren 1773-75 einen Bauernkrieg gegen die Leibeigenschaft führte. Dabei war Beauregard die einzige in der Nähe von Katharinenstadt gelegene deutsche Kolonie, in der die Aufständischen Halt machten, plünderten, zwei Pferde requirierten und den Kolonisten alle Feuerwaffen abnahmen. Durch diesen Überfall wurde die ohnehin angespannte ökonomische Lage der Kolonie um Jahre zurückgeworfen. So zeugen die der ökonomischen Lage der Kolonien gewidmeten Jahresberichte des Saratower Fürsorgekontors davon, dass die Kolonisten noch lange Jahre unter äußerst schwierigen Umständen zu leben hatten. 1814 verendete das gesamte Vieh. Nicht alle Siedler konnten sich den Bau eines soliden Holzhauses leisten. So kam z.B. der in Beauregard ansässige Kolonist Friedrich Kronfeld 1815 beim Einsturz seiner Erdhütte ums Leben.

Die in Beauregard ansässigen Kolonisten bauten Weizen, Roggen, Kartoffeln und Hafer sowie mit geringeren Erträgen Gerste und Erbsen an. Nach den Daten der Revision von 1834 waren den Kolonisten Landstücke in der Größe von 15 Desjatinen pro Kopf zugeteilt. Nach den Daten der 1857 durchgeführten 10. Revision besaßen die 485 männlichen Kolonisten Land in der Größe von etwa sieben Desjatinen pro Kopf, so dass sie sich mehrfach gezwungen sahen, das Fürsorgekontor um die Zuteilung weiteren Landes zu bitten. Angesichts des Mangels an Acker-, Wald- und Wiesenland kam es häufig zu Rechtsstreitigkeiten zwischen einzelnen deutschen Kolonien. So prüfte das Fürsorgekontor 1815 den „Fall der Rückgabe eines bei dem Kolonisten der Kolonie Beauregard Riel gepachteten Heuschlags durch den Kolonisten der Kolonie Katharinenstadt Faidel“. Auch die mit der russischen Bevölkerung bestehenden Handels- und sonstigen Wirtschaftskontakte führten häufig zu Rechtsstreitigkeiten. So übergab das Fürsorgekontor in den Jahren 1836-41 gegen die „Staatsbauern und Salzfahrer“sowie das Saratower Erlöser-Verklärungs-Kloster gerichtete Klagen der Bewohner Beauregards zur Prüfung an den Senat, in denen es um Fragen des Fischfangs auf dem Land der Kolonie ging.

In den Anfangszeiten der Kolonisierung stellte der von der Fürsorgekanzlei für Ausländer aktiv geförderte Tabakanbau eine wichtige Einnahmequelle dar, der in allen 26 von Beauregard gegründeten Kolonien Verbreitung fand, die zusammen etwa 75% des gesamten im Wolgagebiet angebauten Tabaks produzierten. Mitte des 19. Jahrhundert war auch das Flechthandwerk in Beauregard verbreitet, das sich mit der Zeit zu einem lukrativen Erwerbszweig entwickelte. Ende des 19. Jahrhunderts waren Dutzende Frauen und Kinder in Heimarbeit mit der Herstellung von Körben und anderen aus Stroh gefertigten Erzeugnissen beschäftigt, die in großen Mengen von geschäftstüchtigen Zwischenhändlern aufgekauft und in den großen Städten verkauft wurden.

Nach Angaben des Zentralen Statistik-Komitees gab es 1859 im Dorf 116 Höfe und eine Mühle. Nach den Daten des Gouvernements-Statistik-Komitees Samara gab es 1910 350 Höfe. Bis zur Stolypinschen Landreform befand sich das Land in Gemeinschaftsbesitz und wurde regelmäßig unter den im Dorf ansässigen Männern verteilt. Am 17. Januar 1909 fasste die Dorfversammlung den Beschluss, die gemeinschaftliche Wirtschaftsführung aufzugeben und zu Privatbesitz und Gehöftwirtschaft überzugehen. Das gesamte Land wurde in sieben Kategorien unterteilt und unter den neuen Besitzern aufgeteilt. Die „Deutsche Volkszeitung“ schrieb mit Blick auf die Prozedur der Landaufteilung, dass das Land entsprechend der Zahl der einzelnen Landwirte in 337 Landstücke aufgeteilt wurde. Jeder Landwirt erhielt im Losverfahren zunächst eine Ordnungsnummer. Anschließend wurden die Landstücke in Gegenwart des Vorstehers, des Bezirksschreibers und eines Landvermessers entsprechend der gezogenen Losnummern den neuen Besitzern zugeschrieben. Am 25. Juli 1909 war jeder Landwirt verpflichtet, in Anwesenheit eines Landvermessers zwei Eichenpflöcke in die Erde zu rammen, um auf diese Weise die Grenzen seines Landstücks zu markieren.

In den Jahren der Sowjetmacht gab es im Dorf eine landwirtschaftliche Kooperationsgenossenschaft sowie die Kolchosen „M.I. Kalinin“ und „E. Thälmann“, „Neuling“ und „Junger Stürmer“. Im September 1941 wurden die Deutschen aus dem Dorf deportiert.

Schule und Erziehungswesen. Zusammen mit den ersten Kolonisten kam auch der Lehrer Johann Wurst nach Beauregard, ein 32-jähriger aus Wietenrot stammender Lutheraner, der zusammen mit seiner Ehefrau Anna und seinem neunjährigen Sohn Georg nach Russland gekommen war. Nachdem er die Kinder anfänglich noch bei sich zu Hause unterrichtet hatte, wurde schon bald nach der Umsiedlung der im Winter 1767/68 vorübergehend in Beauregard untergebrachten Kolonisten ein eigenes Schul- und Bethaus errichtet. Für die Kinder im Alter von 7-15 Jahren war der Schulbesuch verpflichtend. Angesichts der zahlenmäßigen Überlegenheit der in Beauregard angesiedelten Protestanten konnten die Katholiken in den ersten Siedlungsjahren keine eigene Kirchenschule gründen, so dass ihre Kinder zunächst mit den Lutheranern und Reformierten gemeinsam die Schule besuchten.

Bis zur im Jahr 1828 erfolgten Errichtung der ersten Kirche wurde das Schulgebäude nicht nur für den Unterricht, sondern auch für die Gottesdienste genutzt. In den 1820er und 1830er Jahren war ein Kolonist namens Barheim Schulmeister. Nach dem Bau der neuen Kirche begannen die Gemeindemitglieder, Geld für ein neues Schulgebäude zu sammeln, dessen Errichtung das Fürsorgekontor 1844 genehmigte. Angesichts der wachsenden Zahl ihrer Gemeindemitglieder bauten die Katholiken Mitte des 19. Jahrhunderts zwar ein eigenes Bethaus, schickten ihre Kinder aber auch weiterhin in die lutherische Kirchenschule. 1902 prüfte die Semstwo-Verwaltung des Bezirks Nikolajewsk (Gouvernement Samara) auf Bitte des Dechants der katholischen Pfarrgemeinde Katharinenstadt die Frage, in der Schule von Beauregard nicht nur lutherischen, sondern auch katholischen Religionsunterricht zu erteilen.

1903 wurde in Beauregard neben den beiden kirchlichen Gemeindeschulen (lutherisch und katholisch) auch eine dem Semstwo unterstellte Elementarschule gegründet, in der maximal 50 Kinder in einem einzigen Klassenzug drei Jahre lernten. Die von den Semstwos betriebenen Schulen waren im Vergleich zu den kirchlichen Gemeindeschulen besser mit Lehrmaterial ausgestattet und boten einen umfassenderen Lehrplan. So vermittelten die dort tätigen Lehrer den Schülern neben Religion, Lesen und Schreiben, Rechnen und Gesang auch Elementarkenntnisse in Naturkunde, Geographie und Geschichte und verwendeten bessere Lehrmittel.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die katholische Kirchenschule von 40-45 Schülern besucht. Die lutherische Schule hatte 1906 91 männliche und 101 weibliche Schüler und 1910 insgesamt 220 Schüler. Die Semstwo-Schule wurde 1906 von 33 Jungen und nur einem einzigen Mädchen besucht und hatte im Schuljahr 1905/06 40-50 Schüler. An allen drei Schulen war nur jeweils ein Lehrer tätig. In den Jahren der Sowjetmacht wurden die Schulen dem Volkskommissariat für Bildungswesen unterstellt und zu einer vierklassigen Grundschule zusammengelegt.

Religionszugehörigkeit der Bevölkerung und Kirche. Die Bewohner von Beauregard waren lutherischer, reformierter oder katholischer Konfession. Nach Stand zum Jahr 1897 waren unter den insgesamt 1.608 Dorfbewohnern 1.269 Protestanten und 339 Katholiken. 1907 waren 254 der insgesamt 2.071 Bewohner von Beauregard katholisch.

Bis 1905 gehörte die evangelisch-lutherische Gemeinde Beauregard zum 1768 gegründeten Pfarrsprengel Süd-Katharinenstadt, später zum am 19. September 1905 bestätigten Pfarrsprengel Paulskoje, zu dem neben Beauregard auch die Kolonien Niedermonjou, Paulskoje und Telause gehörten. Die römisch-katholische Gemeinde Beauregard gehörte zum römisch-katholischen Pfarrsprengel Katharinenstadt, zu dem 1870 auch die Filialgemeinde Obermonjou gehörte. Die Gottesdienste sollte der katholische Geistliche sowohl an gewöhnlichen als auch an Sonn- und Feiertagen abwechselnd in allen Gemeinden des Sprengels halten. 1870 lebten in den Gemeinden des Pfarrsprengels Katharinenstadt (Katharinenstadt, Beauregard und Obermonjou) 2.167 Gemeindemitglieder. 1874 wurde die Gründung einer eigenen katholischen Pfarrgemeinde in Obermonjou genehmigt.

Wann genau in Beauregard das erste Schul- und Bethaus gebaut wurde, ist nicht bekannt, aber es entstand in den ersten Jahren des Bestehens der Siedlung. Die für den Bau zur Verfügung gestellten Mittel mussten die Kolonisten dem Staat innerhalb der folgenden zehn Jahre zurückerstatten. Den Holzbau der ersten lutherischen Kirche errichteten die Kolonisten in den Jahren 1823-28 bereits auf eigene Kosten. Das eher kleine Gebäude, das den Status einer Filialkirche hatte, hatte zwei Geschosse. Das Dach war mit Holzbohlen gedeckt und wurde von einem kleinen Glockenturm mit einem massiven Kreuz gekrönt. Im Innenraum war in vier durch Längs- und Quergänge geteilten Quadraten das Kirchengestühl aufgestellt, das Platz für 400 Gläubige bot. Die Balkone wurden durch massive Holzpfeiler gestützt. Neben der Kirche standen das Küsterhaus und ein hölzerner Glockenstuhl.

Die Katholiken bauten Mitte des 19. Jahrhunderts ein hölzernes Bethaus, das der Gemeinde viele Jahrzehnte diente, und besuchten an Sonn- und Feiertagen die Gottesdienste in der Kirche von Katharinenstadt.

Beauregard war eine konfessionell gemischte Siedlung. Angesichts der mit der Erschließung der Steppengebiete verbundenen, ohne Kooperation und gegenseitige Hilfe kaum zu bewältigenden Schwierigkeiten traten die konfessionellen Gegensätze meist in den Hintergrund und es herrschte ein hohes Maß an Toleranz zwischen Protestanten und Katholiken. In der Kolonie waren praktisch keine ernsthaften national oder religiös motivierten Konflikte zu verzeichnen, so dass das katholische Gotteshaus und die lutherische Kirche vollkommen friedlich koexistierten. Ungeachtet zahlreicher Beispiele der Kooperation zwischen den religiösen Gemeinden kam es allerdings auch in Beauregard gelegentlich zu Konflikten zwischen den beiden Kirchen, die sich in der Regel aus nichtigen persönlichen Anlässen ergaben und über das Dorf hinaus bedeutungslos blieben.

So verbot z.B. das römisch-katholische Geistliche Kollegium im Jahr 1844, jenseits der Grenzen der katholischen Pfarrgemeinden feierliche Prozessionen durchzuführen oder Kreuze und Ikonen zu tragen, da durch lutherische Kolonien führende feierliche Umzüge religiöse Konflikte und Beschwerden provozieren und den schädlichen Geist von Hass und Feindschaft säen könnten.

Mit der Etablierung der Sowjetmacht wurden im Land zahlreiche Maßnahmen eingeleitet, die den Einfluss der Kirche auf Staat und Gesellschaft beseitigen und in letzter Konsequenz der Tätigkeit aller Konfessionen ein Ende setzen sollten. Im Zuge der forcierten antireligiösen Offensive wurde in den 1930er Jahren jegliche religiöse Unterweisung der Kinder verboten, die sogar dann unmöglich war, wenn sie unmittelbar mit den kirchlichen Zeremonien in Zusammenhang stand. Hatte man Ende der 1920er Jahre noch Sondergenehmigungen des Zentralexekutivkomitees der UdSSR und des NKWD für die Erteilung von Konfirmandenunterricht bekommen können, war dies Anfang der 1930er Jahre völlig unmöglich. Als sich die Kirchengemeinde Beauregard im August 1934 mit der Bitte an das Sekretariat des Zentralexekutivkomitees der ASSR der Wolgadeutschen wandte, den Kindern Konfirmandenunterricht erteilen zu dürfen, wurde der Antrag unter Verweis auf die bevorstehenden Ernteanstrengungen abgelehnt.

1931 informierte die regionale Kommission für die Prüfung religiöser Angelegenheiten das Präsidium des Zentralexekutivkomitees der ASSR der Wolgadeutschen in einem geheimen Bericht, dass die lutherische Kirche in Beauregard im Unterschied zum katholischen Bethaus noch nicht geschlossen sei und es in der Kirchengemeinde noch 1.539 Gläubige gebe, von denen 33 den Status von „Lischenzy“ hätten, ihnen also das Wahlrecht und andere bürgerliche Rechte aberkannt waren. Das Präsidium des Zentralexekutivkomitees ordnete an, die Frage einer schnellen Schließung der Kirche zu prüfen. Die Zahl der Gläubigen ging mit jedem Tag unaufhaltsam zurück, die Tätigkeit der Gemeinde stand unter ständiger Kontrolle von Seiten der Machtorgane.

Das genaue Datum der Schließung der Beauregarder Kirche ist nicht bekannt. Im September 1934 informierte die Kommission für Kultangelegenheiten das Präsidium des Zentralexekutivkomitees der ASSR der Wolgadeutschen, dass die Kirche im Dorf noch nicht geschlossen sei. Mitte der 1930er Jahre wurden in der Sowjetunion massenhaft Gotteshäuser aller Konfessionen und Religionsgemeinschaften geschlossen. 1938 gab es im Wolgagebiet keine einzige lutherische Kirche mehr. An vielen Orten wurden die Kirchen zu Lagerhäusern oder Garagen umfunktioniert oder als nicht den Ansprüchen des Sozialismus genügende Architektur zum Abriss freigegeben, was auch im Fall der Beauregarder Kirche geschah.

Liste der Pastoren. Pastoren der Pfarrgemeinde Süd-Katharinenstadt, die in der Gemeinde Beauregard Gottesdienst hielten: Ludwig Baltasar Wern(m)borner (1768–76). Gottlieb May (1778-98). Johann Heinrich Buck (1798-1820). Karl Friedrich Wahlberg (1821-77). Hilfspastor Karl Erik Wahlberg (1861-62). Gotthilf Heinrich Keller (1878-1903). Liste der Pastoren der Pfarrgemeinde Paulskoje, die in der Gemeinde Beauregard Gottesdienst hielten: Karl Gramer (. 1907-09). Karl Zimmer (1911-20). Johann Seydlitz (1918-27). Ernst Albert Böse (1928-35).

Liste der katholischen Geistlichen der Pfarrgemeinde Katharinenstadt, die in der Gemeinde Beauregard Gottesdienst hielten: Johann Baptist Richard (1803-12). Johannes Guillemaint (1812-20). Pupschewitsch (1820er Jahre). Michael Gaspar Levizky (1836-44). Johannes Silvestrowitsch (1850-55). Dekan Raimund von Andreschejkowitsch (1856-76). Dechant Nikolaus Mitzig (1876-81). Dechant Anton Johannes Zerr (1877-78). Franz Scherer (1879-84). Dechant Georg Rießling (1882-1904). Dechant Philipp Becker (1904-06). Dechant Johannes Beilmann jun. (1909). Martin Fix (1909-10). Dechant Raphael Loran (1910-11). Franz Rauh (1913-14). Dechant Georg Baier (1911-30).

Entwicklung der Bevölkerungszahlen. 1767 lebten in Beauregard 174 ausländische Kolonisten, 1769 waren es 196, 1773 - 204, 1788 - 168, 1798 - 241, 1816 - 365, 1834 - 610, 1850 - 869, 1859 - 848, 1889 – 1.369 Personen. 1878 emigrierten 36 Personen aus Beauregard nach Amerika. Nach den Daten der Allgemeinen Volkszählung des Russischen Reichs von 1897 lebten in Beauregard 1.608 Personen, die allesamt Deutsche waren. Nach Stand zum Jahr 1904 hatte das Dorf 1.707 Einwohner, 1907 - 2.071 und 1910 - 2.366 Einwohner. Nach den Daten der Allrussischen Volkszählung des Russischen Reichs von 1920 lebten in Beauregard 2.217 Personen. 1921 gab es 111 Geburten und 317 Sterbefälle. Nach Angaben der Gebiets-Statistikbehörde des Autonomen Gebiets der Wolgadeutschen lebten zum 1. Januar 1922 insgesamt 1.306 Personen in Beauregard. Nach den Daten der Allrussischen Volkszählung von 1926 gab es im Dorf 261 Haushalte (davon 260 deutsche) mit einer Bevölkerungszahl von 1.363 Personen (673 Männer und 690 Frauen), von denen 1.359 Deutsche waren (670 Männer und 689 Frauen). 1931 lebten in Beauregard 2.087 Personen, die allesamt Deutsche waren.

Das Dorf heute. Im heutigen Dorf Priwolschkoje (Rayon Marx, Gebiet Saratow) ist es nicht leicht, aus der Zeit des Bestehens der Kolonie Beauregard stammende typische deutsche Bauten zu finden. Im Ortskern prägen dreistöckige Häuser aus neuerer Zeit das Bild. Wo die alten einstöckigen Häuser erhalten sind, wurden sie umgebaut, verklinkert und bis zur Unkenntlichkeit umgestaltet.

Die lutherische Kirche ist im heutigen Priwolschskoje nicht erhalten. Das in den 1820er Jahren errichtete Gebäude war zu alt, um die Sowjetzeit zu überstehen. Auf dem früheren zentralen Dorfplatz von Beauregard, an dem einst die lutherische Holzkirche stand, steht heute eine Lenin-Büste in der Nähe des örtlichen Kulturhauses. Auch das frühere Schulgebäude und das katholische Bethaus sind nicht mehr erhalten. An die Existenz einer katholischen Gemeinde erinnert im heutigen Priwolschskoje nichts mehr. Nur wenn man von der Sowjet-Straße aus in Richtung Marx schaut, sieht man das hohe Kreuz des dortigen neuen römisch-katholischen Gotteshauses der wiedererstandenen Gemeinde Christi des Herrn. Eine eigene christliche Kirche gibt es in Priwolschskoje nicht mehr.

Literatur

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Archive

РГИА. Ф. 383. Оп. 29. Д. 830, 1105; Ф. 821. Оп. 125. Д. 14. Л. 252; Оп. 6. Д. 68; ГАСО. Ф. 180. Оп. 1. Д. 1118; Оп. 2. Д. 1542; Ф. 637. Оп. 22. Д. 7981, 142–145; ГАСО. Ф. 1166. Оп. 1. Д. 372; ГИАНП. Ф. 262. Оп. 1. Д. 13. Л. 82 об.; Ф. 849. Оп. 1. Д. 834. Л. 81; Д. 890. Л. 36; Д. 1002. Л. 26, 36; Ф. 1831. Оп. 1. Д. 299. Л. 119; ПФ ГАСО. Ф. 2. Д. 78. Оп. 1. Л. 89.

Autoren: Lizenberger O.A.

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