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REINWALD (Reingold, Starizkoje, Stariza), heute Dorf Starizkoje, Rayon Engels, Gebiet Saratow, deutsche Kolonie im linksufrigen Wolgagebiet

Rubrik: Geschichte und Geographie der Ansiedlung der Deutschen im Russischen Reich, in der UdSSR und GUS / Geschichte der Ansiedlung
Starizkoje. Freizeithaus (frühere Kirche) und heutige Schule. Foto vom Autor, 2009.
Starizkoje. Gebäude der früheren Kirche (1913). Heute Freizeithaus. Foto vom Autor, 2009.
Starizkoje. Schulgebäude. Foto vom Autor, 2009.
Starizkoje. Schulgebäude. Foto vom Autor, 2009.

REINWALD (Reingold, Starizkoje, Stariza), heute Dorf Starizkoje, Rayon Engels, Gebiet Saratow, im linksufrigen Wolgagebiet am linken Ufer des Flusses Bolschoj Karaman, 410 Werst von Samara, 38 Werst von Saratow und 8 Werst vom Zentrum des Amtsbezirks Krasny Jar gelegene deutsche Kolonie. Von 1871 bis Oktober 1918 gehörte das Dorf zum Amtsbezirk [Wolost] Krasny Jar (Bezirk [Ujesd] Nowousensk, Gouvernement Samara).

Nach Gründung der Arbeitskommune der Wolgadeutschen war das Dorf Reinwald bis 1941 Verwaltungszentrum des im Kanton Tonkoschurowka gelegenen gleichnamigen Dorfsowjets, zu dem 1926 das Dorf Reinwald, das Vorwerk Metschetka sowie das Gehöft Grjasnucha und Lesnaja Storoschka gehörten. In den Jahren 1922-27 gehörte Reinwald zum Kanton Krasny Jar (Republik der Wolgadeutschen). Im Zuge der Ende 1927 in der ASSR der Wolgadeutschen vollzogenen Gebiets- und Verwaltungsreform wurde der Kanton Krasny Jar durch die Beschlussfassung des Zentralexekutivkomitees der RSFSR „Über Änderungen der administrativen Aufteilung der ASSR der Wolgadeutschen und die Wiedereinführung der vor 1914 bestehenden Ortsnamen in den deutschen Siedlungen“ aufgelöst und das Dorf Stariza (Reinwald) an den Kanton Tonkoschurowka (Mariental) angeschlossen. 1935 wurde der Kanton Krasny Jar wiedererrichtet.

Die deutsche Kolonie Reinwald wurde am 14. Juli 1766 als Kronkolonie gegründet. Ihren offiziellen  russischen Namen Stariza erhielt die Kolonie aufgrund des die Benennung der Kolonien regelnden Erlasses vom 26. Februar 1768. Ihr deutscher Name geht auf den Kolonisten Johann Christoph Reinwald zurück, einen aus der Kurpfalz stammenden 33-jährigen Zunfthandwerker, der mit seiner 22-jährigen Frau Maria Dorothea in die Kolonie gekommen und nach der Ansiedlung zum Vorsteher der Kolonie gewählt worden war. In den Listen der ersten Kolonisten wird der aus Durlach stammende 46-jährige Zunfthandwerker Johann Gornus als Vorsteher genannt, der noch vor der Einreise nach Russland bereits bei der Überfahrt zum Ältesten ernannt worden war und nach der Ankunft am Siedlungsort durch Wahl bestätigt wurde. Der Posten des Vorstehers wurde in den deutschen Kolonien aufgrund der Bestimmungen der den ausländischen Siedlungen gewährten Selbstverwaltung eingeführt, die den Kolonisten das Recht gab, einen der Vollversammlung der Kolonie gegenüber rechenschaftspflichtigen Vorsteher zu wählen. Die Namen der Vorsteher sind größtenteils nicht überliefert. Bekannt ist, dass in den 1830er-1840er Jahren der Kolonist Friedrich Diemer Vorsteher war.

Die ersten in Reinwald angesiedelten Kolonisten waren 57 aus Württemberg, der Kurpfalz, Sachsen und anderen deutschen Ländern stammende Familien, bei denen es sich mehrheitlich um Lutheraner handelte. Eine Familie (der aus der Kurpfalz stammende Martin Dagen mit Frau und Tochter) war reformiert.

Unter den ersten 62 Familienoberhäuptern waren zwölf Zunfthandwerker (unter dieser Bezeichnung wurden bei der Zusammenstellung der Listen der ersten Siedler die Angehörigen nicht landwirtschaftlicher Berufe geführt). Die übrigen Übersiedler waren mehrheitlich Ackerbauern und entsprachen somit hinsichtlich ihrer in der der alten Heimat ausgeübten Beschäftigung in vollem Maße dem Hauptziel der Anwerbung der Kolonisten, die in den Grenzregionen Russlands gelegenen Steppengebiete landwirtschaftlich zu erschließen, zu denen auch die jenseits der Wolga im sogenannten Sawolschje-Gebiet gelegenen Siedlungen gehörten, die in der Regel über weniger Land verfügten als andere Regionen des Gouvernements Saratow.

Angesichts ihrer Lage im linksufrigen Steppengebiet sahen sich die Kolonisten mit zahlreichen Schwierigkeiten konfrontiert und mussten immer wieder durch äußere Faktoren bedingte Rückschläge verkraften, die die ökonomische Entwicklung der Kolonie hemmten. 1776 sah sich die Kolonie Angriffen von Seiten der Kirgis-Kaisaken ausgesetzt, turksprachigen Nomadenstämmen, die ihre angestammte Ordnung bewahrt hatten und aus der Steppe heraus immer wieder Überfälle auf die linksufrigen Wolgasiedlungen unternahmen, bei denen sie plünderten und brandschatzten, Siedler gefangen nahmen und alle töteten, die Widerstand zu leisten wagten. Die Kolonisten stellten Selbstschutzeinheiten auf, wandten sich hilfesuchend an die Zarin Katharina II. und organisierten den Loskauf von Gefangenen, deren Zahl nach Berechnungen von J. Dietz bei etwa 2.500 Personen lag. Die russische Regierung, die sich der verheerenden Folgen der Überfälle bewusst war, zog im Jahr 1766 Gräben, Wälle und Befestigungsanlagen um die Kolonien und stellte reguläre Truppeneinheiten ab, um die Steppengrenzen zu sichern.

Die Kolonisten betrieben Ackerbau und waren auf den Anbau von Weizen und Roggen spezialisiert. Nach den Daten der Revision von 1834 waren den Kolonisten Landstücke in der Größe von 15 Desjatinen pro Kopf zugeteilt. Nach den Daten der im Jahr 1857 durchgeführten 10. Revision besaßen die zu diesem Zeitpunkt in der Kolonie ansässigen männlichen Kolonisten Landstücke in der Größe von etwa 5,2 Desjatinen pro Kopf. Nach Auskunft des Zentralen Statistik-Komitees gab es 1859 in Reinwald eine Ziegelei (die die Dorfgemeinschaft Anfang des 20. Jahrhunderts an Privatpersonen verkaufte), eine Dampf- und fünf Windmühlen. Nach Angaben des Gouvernements-Statistik-Komitees Samara verfügte die Kolonie 1910 über 7.753 Desjatinen Nutz- und 2.099 Desjatinen sonstiges Land.

Nach der Revolution von 1917 war das Leben der deutschen Siedlungen radikalen Veränderungen ausgesetzt. Als sich im Frühjahr 1921 zahlreiche deutsche Dörfer gegen die Sowjetmacht erhoben, befanden sich Seelmann, Balzer, Mariental, Reinwald und viele andere Ortschaften in den Händen der Aufständischen. Die der Sowjetmacht gegenüber unversöhnlichen bewaffneten Bauern brachten einen erheblichen Teil des Autonomen Gebiets der Wolgadeutschen unter ihre Kontrolle, stürzten die Sowjets, gründeten in Form sogenannter revolutionärer Troikas neue Machtorgane und verteilten das Getreide unter den Bauern. Am 29. März 1921 nahm ein Sonderkommando des Gebietsparteikomitees der RKP(b) Reinwald ein. Nach der Niederschlagung des Aufstands verurteilte das vor Ort tagende Revolutionstribunal Hunderte an der Erhebung Beteiligte zum Tod durch Erschießen und ließ ihren Besitz konfiszieren.

Zur Zeit der Kollektivierung, in deren Verlauf in Reinwald die Kolchosen „Kulturrevolution“ und „Rotfront“ gegründet wurden, kam es im Dorf ebenfalls zu antisowjetischen Aktionen. So wurde 1934 während der Vorbereitung der Sowjetwahlen eine Vollversammlung der Dorfbewohner gesprengt, weil die Wähler mit dem Vorsitzenden des Dorfsowjets an der Spitze durchgängig betrunken waren, nachdem die Kulaken sie „abgefüllt“ hatten. Dutzende Dorfbewohner wurden repressiert, weil sie angeblich eine gegen die Sowjetmacht gerichtete konterrevolutionäre Organisation gegründet hatten. Im September 1941 wurden die Deutschen aus dem Dorf deportiert, das seit 1942 den Namen Starizkoje trägt.

Schule und Erziehungswesen

In der Kirchenschule, die in Reinwald praktisch seit Gründung der Kolonie selbst bestand, lernten Kinder im Alter von 7-15 Jahren, die alle in einem Klassenraum saßen und die vom Lehrer bzw. Schulmeister gestellten Aufgaben lösten. Die Schulmeister hatten das Recht, die Schüler zu züchtigen, Proteste der Eltern blieben ohne Beachtung. 1822 wandte sich die Reinwalder Gemeinde mit einer gegen den Schulmeister Becker gerichteten Beschwerde an das Konsistorium und forderte unter Verweis auf „ungerechtfertigte Getreideforderungen von dessen Seite“ eine Kürzung seiner Bezüge. Am 19 Juli 1822 wies das Konsistorium Pastor Otto an, den Gemeindevorsteher, der die Beschwerde initiiert hatte, zu entlassen und Becker für einen „zuverlässigen und gewissenhaften“ Schulmeister zu erklären. Den Kirchengemeinden wurde fortan verboten, die Entlassung von Schulmeistern zu fordern, die nur der Kirchenführung gegenüber rechenschaftspflichtig sein sollten. Der entsprechende Erlass sollte auf Anordnung des Konsistoriums in allen Kirchen der Kolonien bekannt gemacht werden.

Der in den Kirchenschulen praktizierte Unterricht war größtenteils religiös ausgerichtet. Russischunterricht war nicht verpflichtend. Im Jahr 1900 dankte der Volksschulinspektor dem Probst der Wiesenseite Pastor J. Erbes für dessen Bereitschaft, zusätzliche Mittel für den Unterhalt eines Russischlehrers in Reinwald zu bewilligen, und wies zugleich darauf hin, dass in vielen anderen deutschen Schulen nur ein einziger Russischlehrer auf bis zu 500 Kinder komme. Neben der kirchlichen Gemeindeschule gab es in Reinwald in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch eine Semstwo-Schule, in der Russisch ein ganz gewöhnliches Schulfach darstellte.

Nach den von Pastor Erbes zum Stand des deutschen Schulwesen zusammengetragenen Daten waren im Jahr 1906 605 der insgesamt 5.131 Einwohner Kinder im Alter von 7-15 Jahren, die zum Besuch einer Elementarschule verpflichtet waren. Allerdings besuchten in Reinwald nicht alle Kinder im entsprechenden Alter auch wirklich eine Schule. Nach Angaben Erbes blieben 135 Kinder dem Unterricht fern, weil ihre Eltern arm und auf die tägliche Mithilfe ihrer Kinder in Handwerk oder Gewerbe angewiesen waren. Im Jahr 1906 besuchten 211 Jungen und 73 Mädchen die Semstwo-Schule, an der vier Lehrer tätig waren. In der Kirchenschule lernten 62 Jungen und 124 Mädchen bei zwei Lehrern. Beide Schulen wurden aus Mitteln der Kirchengemeinde unterhalten.

Das bis heute erhaltene Backsteingebäude des Schul- und Bethauses, in dem die Kirchenschule untergebracht war, wurde 1887 in unmittelbarer Nähe der Kirche errichtet und am 27. September 1887 eingeweiht. Die Bewohner von Reinwald waren sehr stolz auf dieses Gebäude, das zu den größten Gebäude der unmittelbaren Umgebung gehörte. In den Jahren der Sowjetmacht wurden sowohl die Kirchen- als auch die Semstwo-Schule geschlossen und durch eine Grundschule ersetzt.

Religionszugehörigkeit der Bevölkerung und Kirche

Die Kolonisten waren evangelisch-lutherischer Konfession. Bis 1820 gehörte die Kolonie Reinwald zum Pfarrsprengel Rosenheim (Podstepnoje), nach 1820 zum Pfarrsprengel Reingardt (Ossinowka), zu dem neben Reinwald auch die Kirchengemeinden der deutschen Kolonien Reingardt (Ossinowka), Schulz (Lugowaja Kut), Urbach (Lipow Kut) und Schäfer (Lipowka) gehörten.

Im Jahr 1791 wurde in Reinwald eine Holzkirche gebaut, die zu den ersten lutherischen Gotteshäusern im Wolgagebiet gehörte, die nicht auf Staatskosten, sondern auf eigene Initiative der Kolonisten errichtet wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Staat lediglich in den Zentren der Pfarrsprengel insgesamt 24 Holzkirchen gebaut, während die Filialgemeinden zunächst ohne Kirchengebäude blieben und diese später auf eigene Kosten errichteten. Die Reinwalder Kirche wurde von örtlichen Handwerkern ohne offiziell eingereichten Bauplan errichtet und wies wie auch alle anderen zu dieser Zeit entstandenen Kirchenbauten keinerlei bemerkenswerte architektonische Besonderheiten auf. In den ersten Jahren nach der Gründung der Kolonie ging es den Kolonisten ausschließlich darum, mitten in der russischen Steppe überhaupt ein protestantisches Gotteshaus errichten zu können, das nicht nur zur Feier der Gottesdienste genutzt wurde, sondern auch Zentrum des Gemeindelebens war.

Für den Bau einer zweiten Kirche holte die Gemeinde 1831 bereits eine Genehmigung der Abteilung für Staatswirtschaft und Öffentliche Bauten des Innenministeriums ein. Bis 1835 wurde die alte Kirche von Grund auf umgebaut und vergrößert, so dass sie insgesamt 500 Gläubigen Platz bot. Aber schon 30 Jahre später genügte auch diese Kirche den gewachsenen Ansprüchen der Kirchengemeinde nicht mehr und war zu klein. So wurde im Jahr 1865 erneut eine neue Holzkirche gebaut, die sich wie Dutzende andere nach den Plänen des Architekten F.G. Lagus errichtete Kirchengebäude dem sogenannten „Kontorstil“ zurechnen lässt. Während die in den 1860er Jahren errichteten Kirchengebäude in vielen Kirchengemeinden bis in die 1930er Jahre hinein in Gebrauch blieben, wurden in Reinwald bereits Anfang des 20. Jahrhunderts Spendengelder für den Bau einer Backsteinkirche gesammelt, deren Errichtung durch den Umstand ermöglicht wurde, dass die Kirchengemeinde über eine eigene Ziegelei verfügte, die nach der Fertigstellung der Kirche an Privatleute verkauft wurde.

Im Jahr 1913 wurde die bis zum heutigen Tag erhaltene neue Kirche gebaut, die stilistisch ebenfalls dem am Spätklassizismus orientierten „Kontorstil“ zuzurechnen ist. Dem Haupteingang war ein imposanter von einem Dreiecksgiebel gekrönter Säulenvorbau vorgelagert, über dem Eingang schmückte ein großes Rundfenster die Fassade. Auch den Seiteneingängen waren jeweils vier von massiven Dreiecksgiebeln gekrönte Säulen vorgelagert, die keinen besonderen Schmuck aufwiesen und von schnörkellosen Kapitellen gekrönt wurden. In dem dreistufigen von einem Kreuz gekrönten Glockenturm gab es drei Glocken.

Im Innenraum war das Kirchengestühl in vier durch Längs- und Quergänge geteilten Quadraten aufgestellt, die Balkone wurden durch massive Säulen gestützt. Neben der Kirche, die den Status einer Filialkirche hatte, wurden ein Bethaus, die Kirchenschule sowie das Haus des Schulmeisters und Küsters gebaut, die ebenfalls bis heute erhalten sind.

Angesichts seiner vergleichsweise geringen Einwohnerzahl und wenig repräsentativen Holzkirche stand Reingardt hinsichtlich der Frage, wer als Zentrum des Pfarrsprengels den Pastor dauerhaft bei sich beherbergen sollte, in ständiger Konkurrenz mit Reinwald und anderen Nachbargemeinden.

1921 emigrierte der letzte im Pfarrsprengel Reingardt tätige Pastor Wilhelm Miller aus Russland. Ohne eigenen Pastor geriet die verwaiste Gemeinde unter den Einfluss des aus dem deutschen Dorf Fischer (Teljausa, Krasnaja Poljana) stammenden Küsters Jakob Fritzler, der sich selbst zum Bischof erklärte und zum Gründer der sogenannten Freien Lutherischen Kirche im Wolgagebiet wurde.

1931 informierte die regionale Kommission für die Prüfung religiöser Angelegenheiten das Präsidium des Zentralexekutivkomitees der ASSR der Wolgadeutschen in einem geheimen Bericht, dass es in Reinwald noch 307 Gläubige gebe, von denen 27 den Status von „Lischenzy“ hätten, ihnen also das Wahlrecht und andere bürgerliche Rechte aberkannt waren. In jenen Jahren wurden in der Sowjetunion massenhaft Gotteshäuser aller Konfessionen und Religionsgemeinschaften geschlossen. Vor Ort waren die lokalen Stellen bestrebt, die Bethäuser so schnell wie möglich zu schließen, um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, der Religion gegenüber zu loyal eingestellt zu sein. Eine solche Haltung führte zu zahlreichen Exzessen, die wiederum zahlreiche an die Kommission für Kultfragen beim Zentralexekutivkomitee der ASSR der Wolgadeutschen gerichtete Protestschreiben der Gläubigen nach sich zogen. Am 14. November 1933 lehnte die Kommission das Gesuch auf Schließung der Kirche unter Verweis auf widersprüchliche Angaben zur Einwohnerzahlen zunächst ab und forderte, innerhalb einer Frist von fünf Tagen genauere Daten einzureichen. Darüber hinaus bemängelte die Kommission, dass in den Listen das Alter der Gläubigen nicht angegeben sei, in einigen Fällen offensichtlich ein und die selbe Person gleich für mehrere Personen unterschrieben habe und auch die Einwohnerzahl offenkundig zu niedrig angesetzt sei. Letztlich fanden die Machthaber aber dennoch genug Vorwände, um die gegen die illegale Schließung des Gotteshauses gerichteten Beschwerden abzuweisen, so dass das Gotteshaus bereits am 22. November 1933 geschlossen werden konnte, nachdem sich 806 der insgesamt 871 Gemeindemitglieder angeblich für eine Schließung der Kirche ausgesprochen hatten. Die lokalen Organe empfahlen, das Gebäude als Schule zu nutzen.

Liste der Pastoren

Pastoren der Pfarrgemeinde Rosenheim (Podstepnoje), die in Reinwald Gottesdienst hielten: Ludwig Helm (1767–85). Laurentius Ahlbaum (1786–88), Klaus Peter Lundberg (1788–92), Christian Friedrich Jäger (1792–1815), Franz Hölz (1816–20). Pastoren der Pfarrgemeinde Reingardt, die in Reinwald Gottesdienst hielten: Johann Hasthoffer (1821–26). Pastoren der Pfarrgemeinde Näb, die in Reinwald Gottesdienst hielten: David Flit(t)ner (1826–30). Pastoren der Pfarrgemeinde Reingardt, die in Reinwald Gottesdienst hielten: Johann Christian Lindbla(d)tt) (1830–41), Ferdinand Magnus Masing (1842–51), Johannes Huppenbauer (1853–80), Karl Theodor Hölz (1883–96), Johannes Salomo Kufeld (1897–1908), Wilhelm Miller (1912–21).

Entwicklung der Einwohnerzahlen

1767 lebten in Reinwald 231 ausländische Kolonisten, 1773 waren es 263, 1788 - 306, 1798 - 390, 1816 - 614, 1834 – 1.104, 1850 – 1.670, 1859 – 2.211, 1889 – 3.021. 1878 wanderten 320 Dorfbewohner nach Amerika aus. Nach den Daten der Volkszählung von 1897 lebten in Reinwald 2.948 Einwohner, von denen 2.942 Deutschen waren. Im Jahr 1905 hatte das Dorf 5.007, im Jahr 1910 5.033 Einwohner. Nach den Daten der Allrussischen Volkszählung von 1920 lebten in Reinwald 3.134 Einwohner, bei denen es sich ausnahmslos um Deutsche handelte. 1921 gab es im Dorf 117 Geburten und 329 Sterbefälle. Nach Daten des Gebietsamts für Statistik des Autonomen Gebiets der Wolgadeutschen hatte Reinwald nach Stand zum 1. Januar 1922 2.191 Einwohner. Nach den Daten der Allrussischen Volkszählung von 1926 lebten im Dorf 2.316 Personen (1.117 Männer und 1.199 Frauen), von denen 2.307 Deutsche waren. Es gab 439 Haushalte, davon 433 deutsche. 1931 hatte das Dorf 2.931 Einwohner, von denen 2.923 Deutsche waren.

Das Dorf heute

Heute Dorf Starizkoje, Rayon Engels, Gebiet Saratow. In heutiger Zeit ist im Gebäude der früheren Kirche das örtliche Freizeithaus, eine Außenstelle des Kulturhauses untergebracht. Wer nicht gerade Spezialist für Kirchenarchitektur ist, wird sich heute nur mit Mühe vorstellen können, wie die Kirche und ihre unmittelbare Umgebung vor dem in sowjetischer Zeit erfolgten radikalen Umbau des gesamten Kirchenkomplexes und dem Abbruch des Glockenturms aussah. Die dem Hauptportal und den beiden Seiteneingängen vorgelagerten jeweils vier Säulen passen nicht recht in die dörfliche Umgebung. Der ursprünglich rote Backsteinbau ist hinter weißer Farbe verschwunden. Das Gebäude ist restaurierungsbedürftig. Nichtsdestotrotz beeindruckt der Bau auch ohne Turm und ungeachtet der abgebröckelten Stuckatur allein schon durch seine schiere Größe. Heute handelt es sich um das größte Gebäude sowohl in Starizkoje als auch in den angrenzenden Dörfern, das bei der Fahrt ins Dorf schon von Weitem zu sehen ist.

Unweit des Kirchengebäudes steht auf dem an den Klub angrenzenden Areal ein Denkmal für den 1928 von Kulaken erschlagenen Komsomolzen Jakob Weber. Die um die frühere Kirche herum gelegenen deutschen Steinbauten der früheren Schule, des früheren Küsterhauses und des früheren Bethauses bilden ein eindrucksvolles Ensemble. In dem 1887 errichteten Schulgebäude ist auch heute noch eine Schule untergebracht – die „Allgemeinbildende Elementarschule des Dorfes Starizkoje“. Die genannten Bauten sowie die Kirche haben die wechselvollen Zeiten deutlich besser überstanden als viele andere im Wolgagebiet gelegene deutsche Architekturdenkmäler.

Literatur

Герман А.А. Немецкая автономия на Волге. 1918–1941. Часть II. Автономная республика. 1924–1941. – Саратов, 1992–1994; Герман А.А., Иларионова Т.С., Плеве И.Р. История немцев России. Учебное пособие. – М., 2005; Дитц Я. История поволжских немцев-колонистов. – М., 1997; Князева Е.Е., Соловьева Ф. Лютеранские церкви и приходы ХVIII – ХХ вв. Исторический справочник. – СПб., 2001. – Часть I; Немецкие населенные пункты в Российской Империи: География и население. Справочник / Сост.: В.Ф. Дизендорф. – М., 2002; Einwanderung in das Wolgagebiet: 1764–1767 / Hrsg.: Alfred Eisfeld. Bearb.: Igor Pleve. Bd. 4. Kolonien Reinhardt – Warenburg. – Göttingen: Göttingenger Arbeitskreis, 2008.

Archive

Archive: ГАСО. Ф. 180. Оп. 1. Д. 25, 4097, 10219, 25218; Ф. 637. Оп. 2. Д. 3039; ГИАНП. Ф. 258. Оп. 1. Д. 1–3; Ф. 849. Оп. 1. Д. 834. Л. 57–66; Д. 890. Л. 6; Д. 934. Л. 223; Ф. 1831. Оп. 1. Д. 289. Л. 38; Д. 299. Л. 21; Оп. 2. Д. 4; ПФГАСО. Ф. 26. Оп. 1.

Autoren: Lizenberger O.A.

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