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ROSENTAL (Rosowka), heute Dorf Rosowka, Rayon Krasny Kut, Gebiet Saratow; deutsche Kolonie in der Steppenregion des linksufrigen Wolgagebiets

Rubrik: Geschichte und Geographie der Ansiedlung der Deutschen im Russischen Reich, in der UdSSR und GUS / Geschichte der Ansiedlung
Blick auf das Dorf.
Friedhof
Friedhof

ROSENTAL (Rosowka), heute Dorf Rosowka, Rayon Krasny Kut, Gebiet Saratow, in der Steppenregion des linksufrigen Wolgagebiets am rechten Ufer des Flusses Jeruslan, 24 Werst östlich von Krasny Kut in der Nähe der von Saratow nach Nowousensk führenden Poststraße gelegene deutsche Kolonie. Von 1871 bis Oktober 1918 gehörte das Dorf zum Amtsbezirk [Wolost] Werchni Jeruslan (Bezirk [Ujesd] Nowousensk, Gouvernement Samara).

Nach der Gründung der Arbeitskommune der Wolgadeutschen war das Dorf Rosental bis zur Auflösung der ASSR der Wolgadeutschen im Jahr 1941 Verwaltungszentrum des im Kanton Krasny Kut gelegenen gleichnamigen Dorfsowjets.

Die deutsche Kolonie Rosental wurde 1849 von Kolonisten gegründet, die zuvor in den linksufrigen Mutterkolonien Boisroux (heute Dorf Borodajewka, Rayon Marx, Gebiet Saratow), Beauregard (heute Dorf Priwolschskoje, Rayon Marx, Gebiet Saratow), Katharinenstadt (heute Stadt Marx, Gebiet Saratow), Caneau (heute Dorf Andrejewka, Rayon, Marx, Gebiet Saratow), Orlowskoje (heute Dorf Orlowskoje, Rayon Marx, Gebiet Saratow), Paulskoje (heute Dorf Pawlowka, Rayon Marx, Gebiet Saratow), Philippsfeld (heute Dorf Filippowka, Rayon Marx, Gebiet Saratow) gelebt hatten und vor allem wegen des in den Mutterkolonien herrschenden Landmangels in die Tochterkolonien übergesiedelt waren. 1848 prüfte das Fürsorgekontor die Frage „Über die Gründung der neuen Kolonie Rosental“ und die Zuteilung des für diese bestimmten Landes.

Der Name der Kolonie geht wörtlich auf die Wortteile „Rose“ und „Tal“ zurück und hat keinen Bezug zu den vor Ort bestehenden landschaftlichen Gegebenheiten, da der Standort der Kolonie von endlosen Steppen umgeben war und der zerklüftete und salzige Boden für die Züchtung von Rosen höchst ungeeignet war. In ihrem Bemühen, den Siedlungen möglichst wohlklingende Namen zu geben, vergab die Verwaltung der Kolonien den Namen Rosental gleich zweimal – die zweite Kolonie dieses Namens lag im Amtsbezirk Malyschewka (Bezirk Nowousensk) und wurde von Mennoniten gegründet (zweiter Name Walujewka, heute aufgegeben).

Von der Übersetzung des ersten Teils des deutschen Namens leitet sich auch der russische Name der Kolonie „Rosowka“ ab, den die Kolonie im Jahr 1916 im Zuge der im Land entfesselten antideutschen Propagandakampagne erhielt. Nach der Gründung der Arbeitskommune der Wolgadeutschen erhielten die Dörfer 1918 ihre deutschen Namen zurück.

Nach Stand zum Jahr 1857 lebten im Dorf 113 Familien, die über insgesamt 4.470 Desjatinen Land verfügten. Die Kolonisten waren größtenteils in der Landwirtschaft tätig und auf den Anbau von Weizen spezialisiert (die Saatflächen für Weizen waren etwa dreimal so groß wie die Saatflächen für Roggen). Als die Wolgakolonien in den Jahren 1891/92 von einer Hungersnot heimgesucht wurden, geriet Rosental wie viele andere Städte und Dörfer der Region in eine Notlage. So wandte sich der Amtsbezirksälteste von Werchni Jeruslan (Bezirk Nowousensk) im Januar 1892 mit der Bitte an die Semstwo-Führung, in Rosental und anderen nahegelegenen Dörfern des Bezirks kostenlose Hungerküchen einzurichten, und stellte Listen der Bedürftigen zusammen. 1892 waren in Rosental 165 Familien vom Hunger betroffen (insgesamt 907 Personen im Alter von über einem Jahr). Im Durchschnitt kamen in einer Familie fünf Personen auf einen Ernährer, so dass unter den Hungernden zwar nur 188 arbeitsfähige Männer, aber 719 Alte, Frauen und Kinder waren. Die betroffenen Familien hatten insgesamt 192 Pferde und 75 Kühe. Schafe und Kleinvieh waren bereits geschlachtet.

In der Hoffnung, dort irgendwie über die Runden zu kommen, verließen die hungernden Bauern ihre Siedlungen in Richtung Stadt. Die unter den Hungerflüchtlingen verteilten Fragebögen enthielten neben den üblichen Fragen (Name, Stand, Konfession) auch einige Punkte, die eine klare Vorstellung von der Lage der Bevölkerung vermitteln. So wurde unter anderem gefragt, welche Familienmitglieder welche Kleidung und Schuhe besaßen bzw. nicht besaßen, wo sie schliefen; was sie in der Vorwoche gegessen hatten, ob sie schon lange bettelten und welcher Bedarf in der betreffenden Familie bestand. Auf die Frage nach den Gründen für das Verlassen des Dorfes war die folgende Antwort besonders charakteristisch: „Ich habe das Dorf in der Hoffnung verlassen, eine Arbeit zu finden, habe aber keine gefunden und schlage mich irgendwie durch“.

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es im Dorf 399 Höfe. Nach der Machtübernahme der Bolschewiki hatten die Dorfbewohner Anfang der 1920er und Anfang der 1930er Jahre erneut unter Hungersnöten sowie unter Entkulakisierung und Kollektivierung zu leiden. 1931 kam es im Dorf zu durch die Lebensmittelknappheit provozierten Protestaktionen. Während des Dreschens des Kolchosgetreides waren massenhaft Getreidediebstähle durch hungernde Bauern zu verzeichnen. In den Jahren der Sowjetmacht gab es im Dorf eine landwirtschaftliche Kreditgenossenschaft, einen Genossenschaftsladen und eine Lesehütte. Im September 1941 wurden die Deutschen aus dem Dorf deportiert, das seit 1942 den Namen Rosowka trägt.

Schule und Erziehungswesen

Die Kirchenschule entstand im Dorf praktisch zeitgleich mit der Gründung der Kolonie selbst. Bis zum Bau der ersten Kirche im Jahr 1860 fanden Gottesdienste und Schulunterricht im gleichen Gebäude des Schul- und Bethauses statt. Das Schuljahr begann am 15. Oktober und endete am 15. April. Der Unterricht fand von 8.00 Uhr morgens bis 16.00 Uhr statt, die Mittagspause dauerte von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr. Die Schüler lernten die biblische Geschichte und den Katechismus sowie Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Kinder besuchten die Schule von ihrem 7. Lebensjahr bis zur Konfirmation im Alter von 15 Jahren. Alle Schüler lernten unabhängig von ihrem Alter in einer einzigen Klasse. Die jüngeren Schüler saßen an den vorderen Bänken, die älteren Schüler, die bereits lesen konnten, saßen hinten und konnten dem Lehrer helfen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde im Dorf auch eine Semstwo-Schule gegründet.

Nach den von Pastor J. Erbes, dem Probst des linksufrigen Wolgagebiets, zum Stand des deutschen Schulwesen zusammengetragenen Daten waren im Jahr 1906 376 der insgesamt 2.500 Einwohner Kinder im Alter von 7-15 Jahren, die zum Besuch einer Elementarschule verpflichtet waren. Im Unterschied zu vielen anderen deutschen Siedlungen besuchten in Rosental alle Kinder die Schule. 1906 besuchten 38 Jungen und 12 Mädchen die Semstwo-Schule, an der ein einziger Lehrer tätig war. In der Kirchenschule lernten 135 Jungen und 138 Mädchen bei ebenfalls nur einem Lehrer. In den Jahren der Sowjetmacht wurden sowohl die kirchliche Gemeindeschule als auch die Semstwo-Schule geschlossen und durch eine Grundschule ersetzt.

Religionszugehörigkeit der Bevölkerung und Kirche

Die Kolonisten waren evangelisch-lutherischer Konfession. Die evangelisch-lutherische Gemeinde der Kolonie Rosental gehörte zunächst zum seit dem 22. Juli 1864 bestehenden Pfarrsprengel Schöndorf (heute Dorf Repnoje, Rayon Krasny Kut, Gebiet Saratow). Als dieser im Jahr 1905 in die beiden Pfarrsprengel Schöntal (heute Dorf Dolina, Rayon Fjodorowka, Gebiet Saratow) und Hoffental (heute Dorf Schdanowka, Rayon Krasny Kut, Gebiet Saratow) geteilt wurde, wurde die Gemeinde Rosental dem am 13. Mai 1905 bestätigten, deutsch-estnisch gemischten Pfarrsprengel Hoffental angeschlossen, zu dem auch die deutschen Gemeinden Hoffental, Konstantinowka, Katharinental, Straßendorf sowie die estnischen Dörfer Lifljandka, Baltijka Estonka und Gorezkaja gehörten. Nach Stand zum Jahr 1905 lebten im Pfarrsprengel Hoffental 8.000 Gemeindemitglieder, von denen wiederum 588 Reformierte waren.

Eine erste Kirche wurde in Rosental erst elf Jahre nach der Gründung der Kolonie gebaut. Bis dahin hatten die Gemeindemitglieder ihre Gottesdienste im Schul- und Bethaus abgehalten. Ende der 1850er Jahre fassten die Dorfbewohner den Beschluss, eine eigene Kirche zu bauen und begannen, freiwillige Spenden zu sammeln. Da die auf diesem Weg zusammengekommenen Gelder für einen Neubau nicht reichten, wandten sich die Dorfbewohner hilfesuchend an ihre Mutterkolonie Paulskoje, in der sie und ihre Vorfahren redlich alle Abgaben geleistet hatten, und beschlossen das dortige, im Jahr 1801 errichtete  Kirchengebäude zu erwerben. 1860 wurde die Kirche sorgfältig abgebaut, nach Rosental gebracht und dort auf einem neuen Steinfundament wiedererrichtet. Beim Wiederaufbau wurden an dem Gebäude einige Veränderungen vorgenommen. Unweit dieser Kirche gab es in Rosental ein geräumiges Schul- und Bethaus.

Mit der Etablierung der Sowjetmacht wurden im Land zahlreiche Maßnahmen eingeleitet, die den Einfluss der Kirche auf Staat und Gesellschaft beseitigen und in letzter Konsequenz zur Schließung der Gotteshäuser und Repressierung der Geistlichen führen sollten. Der letzte Pastor der Gemeinde Hoffental Hans Büttner emigrierte angesichts seiner drohenden Verhaftung zunächst nach Lettland und später nach Deutschland. Die vielen Tausend Gemeindemitglieder blieben ohne Geistlichen.

Ohne eigenen Pastor geriet die verwaiste Gemeinde unter den Einfluss des aus dem deutschen Dorf Fischer stammenden Küsters Jakob Fritzler, der sich selbst zum Bischof erklärte und zum Gründer der sogenannten Freien Lutherischen Kirche im Wolgagebiet wurde. In der sowjetischen Geschichtsschreibung der 1920er Jahre wurde die in den deutschen Kolonien entstandene Lage folgendermaßen beschrieben: „Die offizielle Lutherische Kirche ist angesichts des Anwachsens dieser Bewegung höchst besorgt und unternimmt alles in ihrer Macht stehende, um diese zu lähmen. Was das Verhältnis der Sekten zur Sowjetmacht betrifft, hat die Lebendige Deutsche Kirche eine Erklärung veröffentlicht, der zufolge sie die Beschlüsse des XIII. Parteitags anerkennt, die Trennung von Kirche und Staat begrüßt, ihrer besonderen Befriedigung bezüglich der zur Bekämpfung des Analphabetentums ergriffenen Maßnahmen Ausdruck verleiht […] und ihre Bereitschaft erklärt, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten an den kulturellen Initiativen der Sowjetmacht zu beteiligen.”

Offenbar mit dem Ziel, die Gläubigen in den Schoß der Kirche zurückzuführen und die Abhaltung der Gottesdienste wiederaufzunehmen, begann der aus dem benachbarten Pfarrsprengel Schöntal kommende Pastor Georg Schwarz in der Gemeinde zu predigen, der den Archivdokumenten zufolge unter ständiger Beobachtung der sowjetischen Sicherheitsorgane stand und in einem Bericht der regionalen Kommission zur Prüfung religiöser Angelegenheiten als „Lischenez“ [„entrechtete Person“, der das Wahlrecht entzogen wurde] und „arglistiger Kirchensteuerverweigerer“ ausgewiesen war. Die Zahl der Gläubigen ging praktisch mit jedem Tag unbarmherzig zurück, alle Aktivitäten nicht nur der Geistlichen, sondern auch der einfachen Gläubigen standen unter ständiger Kontrolle von Seiten der Organe der Staatsmacht. Im Januar 1931 informierte die regionale Kommission für die Prüfung religiöser Angelegenheiten das Präsidium des Zentralexekutivkomitees der ASSR der Wolgadeutschen in einem geheimen Bericht, dass die Kirche in Rosental noch nicht geschlossen sei und es im Dorf noch 966 Gläubige gebe, von denen 92 den Status von „Lischenzy“ hätten, ihnen also das Wahlrecht und andere bürgerliche Rechte aberkannt waren. Das Präsidium des Zentralexekutivkomitees ordnete an, die Frage einer schnellstmöglichen Schließung der Kirche zu prüfen.

Das genaue Datum der Schließung der Rosentaler Kirche ist nicht bekannt. Mitte der 1930er Jahre wurden in der Sowjetunion massenhaft Gotteshäuser aller Konfessionen und Religionsgemeinschaften geschlossen. 1938 gab es im Wolgagebiet keine einzige lutherische Kirche mehr. An vielen Orten wurden die Kirchen zu Lagerhäusern oder Garagen umfunktioniert oder als nicht nicht den Ansprüchen des Sozialismus genügende Architektur zum Abriss freigegeben, was auch im Fall der Rosentaler Kirche geschah.

Liste der Pastoren

Pastoren der Pfarrgemeinde Schöndorf, die in Rosental Gottesdienst hielten: Nikolai Reinhold Sprekelsen (1865–1904 ). Pastoren der Pfarrgemeinde Hoffental, die in Rosental Gottesdienst hielten: Johannes Stenzel (1905), Johann Georg Schwartz (1906–12), Hans Büttner (1913–18). Pastoren der Pfarrgemeinde Schöntal, die in Rosental Gottesdienst hielten: Johann Georg Schwartz (bis 1932).

Entwicklung der Einwohnerzahlen

1850 hatte Rosental 179 Einwohner, 1859 waren es 409, 1889 – 1.279. Nach den Daten der Allgemeinen Volkszählung des Russischen Reichs von 1897 lebten in Rosental 1.612 Personen, von denen 1.605 Deutsche waren. Im Jahr 1905 lebten im Dorf 2.422, 1910 – 2.723 Personen. Nach den Daten der Allrussischen Volkszählung von 1920 hatte Rosental 2.323 Einwohner, die allesamt Deutsche waren. 1921 gab es im Dorf 117 Geburten und 161 Sterbefälle. Nach den Daten des Gebietsamts für Statistik des Gebiets der Wolgadeutschen hatte das Dorf nach Stand zum 1. Januar 1922 1.579 und 1923 1.612 Einwohner. Nach den Daten der Volkszählung von 1926 lag die Gesamteinwohnerzahl im Dorf bei 1.791 Personen, von denen 1.786 Deutsche waren. 1931 hatte das Dorf 2.434 Einwohner, von denen 2.430 Deutsche waren.

Das Dorf heute

Heute Dorf Rosowka, Rayon Krasnyj Kut, Gebiet Saratow. Heute erinnert kaum noch etwas in diesem kleinen Dorf an dessen Vergangenheit als deutsche Kolonie. Im heutigen Rosowka steht an der praktisch einzigen Dorfstraße schon kein einziges Haus mehr, das erkennbare Merkmale deutscher Architektur aufweist. Lediglich am Dorfrand sind die Ruinen einiger alter Bauten erhalten.

Im Gegensatz dazu sind in Rosowka im Vergleich zu vielen anderen deutschen Dörfern erstaunlich viele deutsche Grabstätten erhalten. Neben dem heutigen Friedhof befindet sich ein recht großer deutscher Friedhof, auf dessen nicht eingezäuntem Gelände sich gut die kleinen Grabhügel erkennen lassen. Auf dem Gelände liegen Reste von Kreuzen, Grabsteinen und Grabplatten verstreut. Es gibt allerdings auch einige Dutzend gut erhaltene Metallkreuze aus den 1920er und 1930er Jahre, die zum Teil auch in jenem Teil des Friedhofs liegen, in dem Kinder bestattet wurden. Auf vielen Kreuzen sind noch die Schilder mit den Namen der Verstorbenen erhalten.

Literatur

Герман А.А. Немецкая автономия на Волге. 1918–1941. Часть II. Автономная республика. 1924–1941. – Саратов, 1992–1994; Гросс Э. Автономная Социалистическая Советская Республика немцев Поволжья. – Покровск, 1926; Князева Е.Е., Соловьева Ф. Лютеранские церкви и приходы ХVIII – ХХ вв. Исторический справочник. – СПб., 2001. – Часть I; Немецкие населенные пункты в Российской Империи: География и население. Справочник / Сост.: В.Ф. Дизендорф. – М., 2002; Савченко И.А., Дубинин С.И. Российские немцы в Самарском крае. Историко-краеведческие очерки. – Самара, 1994.

Archive

Archive: ГАСО. Ф. 180. Оп. 7. Д. 36; Ф. 637. Оп. 19. Д. 133–134; Ф. 852. Оп. 1. Д. 137. Л. 10; Д. 148. Л. 45; ГИАНП. Ф. 849. Оп. 1. Д. 834. Л. 71, 81; Ф. 1831. Оп. 1. Д. 299. Л. 59.

Autoren: Lizenberger O.A.

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