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SCHULZ (Schulz, Lugowaja Grjasnucha), heute Dorf Lugowskoje, Rayon Engels, Gebiet Saratow; deutsche Kolonie im linksufrigen Wolgagebiet

Rubrik: Geschichte und Geographie der Ansiedlung der Deutschen im Russischen Reich, in der UdSSR und GUS / Geschichte der Ansiedlung
Verlassenes Haus mit Walmdach in Lugowoje.
Verlassenes Haus mit Walmdach in Lugowoje.

SCHULZ (Schulz, Lugowaja Grjasnucha), heute Dorf Lugowskoje, Rayon Engels, Gebiet Saratow; im linksufrigen Wolgagebiet am rechten Ufer des Flusses Bolschoj Karaman, 408 Werst von Samara, 42 Werst von Saratow, 172 Werst von der Bezirksstadt Nowousensk und zehn Werst vom Zentrum des Amtsbezirks Krasny Jar gelegene deutsche Kolonie. Von 1871 bis Oktober 1918 gehörte das Dorf zum Amtsbezirk [Wolost] Karaman (Tonkoschurowka) (Bezirk [Ujesd] Nowousensk, Gouvernement Samara).

Nach der Gründung der Arbeitskommune der Wolgadeutschen war das Dorf Schulz bis zur Auflösung der ASSR der Wolgadeutschen im Jahr 1941 Verwaltungszentrum des im Kanton Tonkoschurowka gelegenen gleichnamigen Dorfsowjets, zu dem 1926 das Dorf Schulz und das Vorwerk Metschetka gehörten. Von 1922 an gehörte Lugowaja Grjasnucha (Schulz) zum Kanton Krasny Jar (Republik der Wolgadeutschen). Im Zuge der Ende 1927 in der ASSR der Wolgadeutschen vollzogenen Gebiets- und Verwaltungsreform wurde der Kanton Krasny Jar durch die Beschlussfassung des Zentralexekutivkomitees der RSFSR „Über Änderungen der administrativen Aufteilung der ASSR der Wolgadeutschen und die Wiedereinführung der vor 1914 bestehenden Ortsnamen in den deutschen Siedlungen“ aufgelöst und das Dorf Lugowaja Grjasnucha (Schulz) an den Kanton Tonkoschurowka (Mariental) angeschlossen. 1935 wurde der Kanton Krasny Jar wiedererrichtet.

Die deutsche Kolonie Schulz wurde am 8. September 1766 als Kronkolonie gegründet. Ihren Namen erhielt sie zu Ehren des ersten Vorstehers Johann Jakob Schulz, eines 42-jährigen Zunfthandwerkers aus Lübeck, der mit seiner 41-jährigen Frau Sofia Frederike nach Russland gekommen war. Der zweite offizielle russische Name Lugowaja Grjasnucha, den die Kolonie aufgrund des die Benennung der Kolonien regelnden Erlasses vom 26. Februar 1768 erhielt, geht auf den gleichnamigen Fluss zurück.

Die Gründer der Kolonie waren 35 aus Sachsen, der Kurpfalz, Preußen und anderen deutschen Ländern stammende Familien. In der Liste der ersten Kolonisten sind außerdem Abkömmlinge des preußischen Pommern und der aus St. Petersburg stammende Zunfthandwerker Peter Matern aufgeführt. Die Kolonisten waren größtenteils Lutheraner, vier Personen (die Familie von Johann Georg Gabel und der Junggeselle Franz Bartazeie) gehörten zum reformierten Zweig des Protestantismus, drei Personen (die Familie von Albert Kostjaniza) waren katholisch.

Unter den ersten 28 Kolonisten waren zwölf Zunfthandwerker (unter dieser Bezeichnung wurden bei der Zusammenstellung der Listen der ersten Siedler die Angehörigen nicht landwirtschaftlicher Berufe geführt), ein Kaufmann, ein Hilfsarzt und zwei Soldaten. Alle anderen waren Ackerbauern.

In den Jahren nach ihrer Ansiedlung hatten die in Schulz ansässigen Kolonisten wie viele andere Kolonien auch mit zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen. 1766 wurde die Kolonie bei einem Überfall der Kirgis-Kaisaken nahezu vollständig zerstört. Später wurde die grundsätzlich erfolgreiche Entwicklung der Kolonie durch das Problem des Landmangels erschwert. Die jenseits der Wolga im sogenannten Sawolschje-Gebiet gelegenen Siedlungen waren in geringerem Maße mit Land ausgestattet als andere Regionen des Gouvernements Saratow. In der Zeit zwischen der 5. (1788) und der 8. (1834) Revision wuchs die Bevölkerung um mehr als das Fünffache. Nach den Daten der Revision von 1834 waren den Kolonisten Landstücke in der Größe von 15 Desjatinen pro Kopf zugeteilt. Nach den Daten der im Jahr 1857 durchgeführten 10. Revision besaßen die zu diesem Zeitpunkt in der Kolonie ansässigen männlichen Kolonisten Landstücke in der Größe von etwa 5,5 Desjatinen pro Kopf, was sich negativ auf die Stabilität ihrer Wirtschaften auswirkte. Angesichts des Landmangels waren einige Kolonisten bestrebt, sich jenseits der Grenzen von Schulz niederzulassen und Tochterkolonien zu gründen. Der Mangel an Acker-, Wald- und Wiesenland führte zu häufigen Rechtsstreitigkeiten unter den deutschen Kolonisten. So wandten sich der Vorsteher und die Kolonistengemeinschaft von Schulz 1809 mit einer gegen die in Tonkoschurowka und Otrogowka ansässigen Siedler gerichteten Klage an das Fürsorgekontor, die auf den der Kolonie Schulz zugeteilten Wiesen Heu gemäht hatten. Die Namen der Vorsteher der Kolonie sind größtenteils nicht überliefert. Bekannt ist lediglich, dass bis 1830 der Kolonist Gross Vorsteher war. In der Kolonie war ein kontinuierliches Bevölkerungswachstum zu verzeichnen. Nach den Daten des Gouvernements-Statistik-Komitees Samara gab es 1910 in Schulz 179 Höfe und vier Windmühlen.

Nach der Machtübernahme der Bolschewiki erhoben sich viele deutschen Siedlungen gegen die Sowjetmacht. Im März-April 1921 befanden sich Schulz, Schäfer, Seelmann, Balzer, Mariental, Stariza und zahlreiche andere Ortschaften in den Händen der Aufständischen. Der „Stab der aufständischen hungernden Bauern“ (wie er sich selbst nannte) gab den Befehl aus, alle in den deutschen Siedlungen Ossinowka, Lipowka, Lipow Kut und Lugowaja Grjasnucha (Schulz) lebenden Männer zu mobilisieren und forderte diese unter Androhung von Erschießungen auf, sich im Dorf Swonarjow Kut einzufinden, um den bewaffneten Widerstand gegen die Truppen der Roten Armee zu organisieren. Am 28. März begann von Lugowaja Grjasnucha (Schulz) aus die Offensive der Aufständischen gegen die Roten Verbände. Obwohl die Truppenstärke der Aufständischen mit 300 Infanteristen und 150 Reitern fast doppelt so groß war wie die der Roten, konnten Letztere Lugowaja Grjasnucha (Schulz) dank besserer Bewaffnung kampflos einnehmen. Nach der Niederschlagung des Aufstands verurteilte das vor Ort tagende Revolutionstribunal Hunderte an der Erhebung Beteiligte zum Tod durch Erschießen und ließ ihren Besitz konfiszieren.

In den Jahren der Sowjetmacht gab es im Dorf eine mobile Bibliothek, einen Klub, eine landwirtschaftliche Kreditgenossenschaft und die „W.M. Molotow“-Kolchose. Im September 1941 wurden die Deutschen aus dem Dorf deportiert, das seit 1942 den Namen Lugowskoje trägt.

Schule und Erziehungswesen

Neben der kirchlichen Gemeindeschule, die in Schulz wie in vielen anderen deutschen Kolonien praktisch seit Gründung der Kolonie selbst bestand, gab es seit den 1870er Jahren auch eine Semstwo-Schule, in der den Kindern auch Russisch beigebracht wurde. Nach den von Pastor J. Erbes, dem Probst des linksufrigen Wolgagebiets, zum Stand des deutschen Schulwesen zusammengetragenen Daten waren im Jahr 1906 264 der insgesamt 2.151 Einwohner Kinder im Alter von 7-15 Jahren, die zum Besuch einer Elementarschule verpflichtet waren. Anders als in vielen anderen deutschen Siedlungen besuchten in Schulz alle Kinder die Schule, was keine Selbstverständlichkeit war, da viele Eltern arm und auf die tägliche Mithilfe ihrer Kinder in Handwerk oder Gewerbe angewiesen waren. 1906 besuchten 64 Jungen die Semstwo-Schule, in der zwei Lehrer tätig waren. Mädchen lernten in dieser Schule nicht, da die Eltern das in der kirchlichen Gemeindeschule vermittelte Bildungsniveau für völlig ausreichend hielten. In der Kirchenschule lernten 77 Jungen und 123 Mädchen bei einem einzigen Lehrer. Beide Schulen wurden aus Mitteln der Kirchengemeinde unterhalten. In sowjetischer Zeit wurden beide Schulen geschlossen und durch eine Grundschule ersetzt.

Religionszugehörigkeit der Bevölkerung und Kirche

Die Kolonisten waren evangelisch-lutherischer Konfession. Bis 1820 gehörte die Kolonie Schulz zum Pfarrsprengel Rosenheim (Podstepnoje), nach 1820 zum Pfarrsprengel Reingardt (Ossinowka), zu dem auch die Kirchengemeinden der deutschen Kolonien Reingardt (Ossinowka), Reinwald (Stariza), Urbach (Lipow Kut) und Schäfer (Lipowka) gehörten. Im Jahr 1905 lebten im Pfarrsprengel Reingardt 14.527 Gemeindemitglieder.

Im Jahr 1805 wurde in der Kolonie eine erste Holzkirche errichtet, die die Gemeinde in den folgenden 60 Jahren nutzen sollte. Bis dahin hatten die Gottesdienste im Schul- und Bethaus stattgefunden. Im Jahr 1864 wurde die erste Kirche abgerissen und in den Jahren 1864–70 durch einen Neubau ersetzt, dessen klassizistische Architektur sich zu jener Zeit großer Beliebtheit erfreute. In den deutschen Kolonien war dieser auch beim Bau orthodoxer Kirchen populäre Baustil sogar derart verbreitet, dass sich die ironische Bezeichnung „Kontorstil“ einbürgerte, was auf den Umstand anspielte, dass das Fürsorgekontor entsprechende Bauprojekte mit aller Kraft förderte.

Das im Vergleich zum Vorgängerbau recht geräumige neue Kirchengebäude bot 1.200 Gläubigen Platz. In den Jahren 1864–68 wurde unter der Leitung eines vom Fürsorgekontor abgestellten Architekten um die Kirche herum eine massive Einfriedung mit bogenförmigen Toren errichtet. Im Jahr 1911 wurden in der Kirche umfassende Reparaturarbeiten durchgeführt. Neben dem Kirchengebäude stand ein freistehender hölzerner Glockenstuhl.

Anfang des 19. Jahrhunderts sowie in den Jahren 1826–30 (nach dem Tod von Pastor Hasthoffer) wurden die beiden 1820 gegründeten Pfarrgemeinden Reingardt und Näb (Rjasanowka) angesichts des in den deutschen Wolgakolonien herrschenden Mangels an Geistlichen unter der Leitung eines einzigen Pastors (David Flittner) zusammengelegt. Ungeachtet der von dem Superintendenten des Saratower Konsistoriums Ignatius Aurelius Fessler vollzogenen Beschränkung der Zahl der von den Pfarrgemeinden mitzubetreuenden Filialgemeinden blieb die Situation in den lutherischen Gemeinden auch weiterhin alles andere als ideal. Um in allen Gemeinden seines Pfarrsprengels zu predigen, war der Pastor gezwungen, etwa 6-7 Mal pro Jahr jeweils 225 Werst zurückzulegen.

Der letzte Pastor der Pfarrgemeinde Wilhelm Miller emigrierte 1921 aus Russland. Im Jahr 1925 geriet die verwaiste Gemeinde unter den Einfluss des Küsters Jakob Fritzler, der sich selbst zum Bischof erklärte und zum Gründer der sogenannten Freien Lutherischen Kirche im Wolgagebiet wurde. Die einfachen Gemeindemitglieder machten keinen großen Unterschied zwischen lebendiger und offizieller Kirche, maßen dem innerkirchlichen Machtkampf keine große Bedeutung bei und interessierten sich lediglich für die Möglichkeit, den Gottesdienst besuchen zu können. 1931 informierte die regionale Kommission für die Prüfung religiöser Angelegenheiten das Präsidium des Zentralexekutivkomitees der ASSR der Wolgadeutschen in einem geheimen Bericht, dass es in Schulz noch 448 Gläubige gebe, von denen 45 den Status von „Lischenzy“ hätten, ihnen also das Wahlrecht und andere bürgerliche Rechte aberkannt waren. Mitte der 1930er Jahre hatten alle lutherischen Gemeinden unabhängig von der Frage, ob sie der offiziellen oder der neuen Kirche angehörten, zu bestehen aufgehört. Zu dieser Zeit wurden in der Sowjetunion massenhaft Gotteshäuser aller Konfessionen und Religionsgemeinschaften geschlossen. Vor Ort waren die lokalen Stellen bestrebt, die Bethäuser so schnell wie möglich zu schließen, um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, der Religion gegenüber zu loyal eingestellt zu sein. Am 11. März 1934 beschloss die Kommission für Kultfragen beim Zentralexekutivkomitee der ASSR der Wolgadeutschen, die Kirche in Schulz mit der Begründung zu schließen, dass sich 245 der insgesamt 262 Gemeindemitglieder für eine Schließung der Kirche ausgesprochen hätten.

Liste der Pastoren

Pastoren der Pfarrgemeinde Rosenheim (Podstepnoje), die in Schulz Gottesdienst hielten: Ludwig Helm (1767–85). Laurentius Ahlbaum (1786–88), Klaus Peter Lundberg (1788–92), Christian Friedrich Jäger (1792–1815), Franz Hölz (1816–20). Pastoren der Pfarrgemeinde Reingardt, die in Schulz Gottesdienst hielten: Johann Hasthoffer (1821–26).Pastoren der Pfarrgemeinde Näb, die in Schulz Gottesdienst hielten: David Flit(t)ner (1826–30). Pastoren der Pfarrgemeinde Reinhardt, die in Schulz Gottesdienst hielten: Johann Christian Lindbla(d)tt) (1830–41), Ferdinand Magnus Masing (1842–51), Johannes Huppenbauer (1853–80), Karl Theodor Hölz (1883–96), Johannes Salomo Kufeld (1897–1908), Wilhelm Miller (1912–21).

Entwicklung der Einwohnerzahlen

1767 lebten in Schulz 74 ausländische Kolonisten, 1773 waren es 143, 1788 - 91, 1798 - 142, 1816 - 245, 1834 - 501 Personen. 1850 hatte Schulz 731 Einwohner, 1859 - 987, 1889 – 1.105. In den Jahren 1876-78 wanderten 93 Dorfbewohner nach Amerika aus. Nach den Daten der Volkszählung von 1897 hatte Schulz 1.453 Einwohner, von denen 1.451 Deutsche waren. 1905 lag die Gesamteinwohnerzahl bei 2.092, im Jahr 1910 bei 2.226 Personen. Nach den Daten der Allrussischen Volkszählung von 1920 hatte das Dorf 1.511 Einwohner, von denen ausnahmslos alle Deutsche waren. 1921 gab es im Dorf 51 Geburten und 239 Sterbefälle. Nach den Daten des Gebietsamts für Statistik des Autonomen Gebiets der Wolgadeutschen lebten in Schulz nach Stand zum 1. Januar 1922 1.092 und 1923 954 Personen. Nach den Daten der Volkszählung von 1926 gab es im Dorf 180 Haushalte mit einer Gesamteinwohnerzahl von 957 Personen (446 Männer und 511 Frauen), von denen ausnahmslos alle Deutsche waren. 1931 hatte das Dorf 933 Einwohner, von denen ausnahmslos alle Deutsche waren.

Das Dorf heute

Heute Dorf Lugowskoje, Rayon Engels, Gebiet Saratow. Auch wenn die frühere deutsche Kolonie Schulz auch auf neueren Karten noch als Dorf Lugowskoje verzeichnet ist, ist das Dorf heute praktisch nicht mehr existent: An seinem Standort stehen lediglich noch ein paar Wohnhäuser. In dem früheren Dorf sind einige verlassene Häuser erhalten, deren großzügige Proportionen, hohe Walm- oder Satteldächer und geräumige Anbauten diese als typische Beispiele der bäuerlichen deutschen Architektur ausweisen. Das Dorf ist von landwirtschaftlichen Nutzflächen und Jagdrevieren umgeben.

Literatur

Герман А.А. Немецкая автономия на Волге. 1918–1941. Часть II. Автономная республика. 1924–1941. – Саратов, 1992–1994; Князева Е.Е., Соловьева Ф. Лютеранские церкви и приходы ХVIII – ХХ вв. Исторический справочник. – СПб., 2001. Часть I; Плеве И.Р. Немецкие колонии на Волге во второй половине ХVIII века. – М., 1998. ; Amburger E. Die Pastoren der evangelischen Kirchen Russlands vom Ende des 16. Jahrhunderts bis 1937. Ein biographisches Lexikon. – Martin-Luther-Verlag, 1988; Einwanderung in das Wolgagebiet: 1764–1767 / Hrsg.: Alfred Eisfeld. Bearb.: Igor Pleve. Bd. 4. Kolonien Reinhardt – Warenburg. – Göttingen: Göttingenger Arbeitskreis, 2008.

Archive

Archive: ГАСО. Ф. 180. Оп. 1. Д. 14470; Оп. 5. Д. 1; Ф. 637. Оп. 2. Д. 3039; Оп. 3. Д. 44; ГИАНП. Ф. 280. Оп. 1. Д. 1–2. Ф. 849. Оп. 1. Д. 834. Л. 57–66; Д. 890. Л. 13; Ф. 1831. Оп. 1. Д. 299. Л. 21.

Autoren: Lizenberger O.A.

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