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SCHÖNFELD (Schönfeld, Poljanka, Mokrous), heute nicht mehr bewohnte Ortschaft; deutsche Kolonie in der Steppenregion des linksufrigen Wolgagebiets

Rubrik: Geschichte und Geographie der Ansiedlung der Deutschen im Russischen Reich, in der UdSSR und GUS / Geschichte der Ansiedlung
Eine der früheren Straßen des Dorfes Schönfeld. Foto vom Autor, 2010.
Bodenvertiefung am Standort früherer Häuser des Dorfes Schönfeld. Foto vom Autor, 2010.
Die Familie Herdt bringt mit einem Kamelwagen Waren in die eigene Metzgerei (im Bildhintergrund). Aufnahme aus dem Jahr 1908. Foto aus dem Archiv von L. Wilhelm (USA).
Hochzeit der Familie Herdt. Im Bildhintergrund Kirche des Dorfes Schönfeld. Aufnahme aus dem Jahr 1912 oder 1913. Foto aus dem Archiv von L. Wilhelm (USA).
Dem in Schönfeld geborenen F.Ja. Lizenberger ausgestellte Bescheinigung über das vorübergehende Verlassen des Dorfes Wasilkowka (Kasachstan). Aus dem Archiv von O.A. Lizenberger.

SCHÖNFELD (Schönfeld, Poljanka, Mokrous), heute nicht mehr bewohnte Ortschaft; in der Steppenregion des linksufrigen Wolgagebiets am linken Ufer des Flusses Jeruslan, 34 Werst südöstlich von Krasny Kut gelegene deutsche Kolonie. Von 1871 bis Oktober 1918 gehörte das Dorf zum Kreis [Okrug] Jeruslan (Bezirk [Ujesd] Nowousensk, Gouvernement Samara].

Nach der Gründung der Arbeitskommune der Wolgadeutschen war das Dorf Schönfeld bis zur Auflösung der ASSR der Wolgadeutschen im Jahr 1941 Verwaltungszentrum des im Kanton Krasny Kut gelegenen gleichnamigen Dorfsowjets.

Die deutsche Kolonie Schönfeld wurde 1858 von Kolonisten gegründet, die zuvor im rechtsufrigen Kreis Jagodnaja Poljana und dort vor allem in der Mutterkolonie Pobotschnoje (heute nicht mehr bewohnte Ortschaft, Rayon Tatischewo, Gebiet Saratow) gelebt hatten und vor allem wegen des dort herrschenden Landmangels in die Tochterkolonien übergesiedelt waren. Zusammen mit Schönfeld wurden in jenen Jahren im linksufrigen Wolgagebiet noch einige weitere Kolonien gegründet. 1858 prüfte das Fürsorgekontor die Frage „Über die Benennung der neuen Kolonien Brunnental, Gnadenfeld, Schönfeld, Schöndorf, Jagodnaja u.a.“.

Der Name der Kolonie geht wörtlich auf die Wortteile „schön“ und „Feld“ zurück. An die Übersetzung des zweiten Teils des deutschen Dorfnamens ist auch der russische Name der Kolonie Poljanka (abgeleitet vom russischen Wort „polje“ – Feld) angelehnt, den die Kolonie 1915 im Zuge der im Land entfesselten antideutschen Propagandakampagne erhielt. Nach der Gründung der Arbeitskommune der Wolgadeutschen erhielten die Dörfer ihre alten deutschen Namen zurück.

1857 lebten 85 Familien im Dorf, die über insgesamt 3.255 Desjatinen Land verfügten. Als die Wolgakolonien in den Jahren 1891/92 von einer Hungersnot heimgesucht wurden, geriet Schönfeld wie viele andere Städte und Dörfer der Region in eine Notlage. So wandte sich der Amtsbezirksälteste von Werchni Jeruslan (Bezirk Nowousensk) im Januar 1892 mit der Bitte an die Semstwo-Führung, in Schönfeld eine kostenlose Hungerküche einzurichten, und stellte Listen der Bedürftigen zusammen. 1892 waren in Schönfeld 62 Familien (insgesamt 304 Personen im Alter von über einem Jahr) vom Hunger betroffen. Im Durchschnitt kam auf eine fünfköpfige Familie ein Ernährer, so dass unter den Hungernden zwar nur 57 arbeitsfähige Männer, aber 247 Alte, Frauen und Kinder waren. Nur 30% der betroffenen Familien hatten eine Kuh. Schafe und Kleinvieh waren bereits geschlachtet.

Vom 1. Oktober an bekamen die Bauern ein Lebensmitteldarlehen von 30 Pfund pro Esser und Monat, das sich aber nach Aussagen der Dorfbewohner als „extrem unzureichend“ erwies. Insbesondere für Personen, die über keinerlei sonstige Lebensmittel und nicht einmal über kleinste Vorräte verfügen, reichte die Hilfe gerade einmal für einen halben Monat, „in der zweiten Hälfte litten die Bauern äußerste Not, die ein tragisches Ende zu nehmen drohte.“ In der Hoffnung, dort irgendwie über die Runden zu kommen, verließen die hungernden Bauern Schönfeld in Richtung Stadt.

In den Jahren der Sowjetmacht wurde im Dorf eine landwirtschaftliche Kreditgenossenschaft eingerichtet. 1937 schrieb die Zeitung „Nachrichten“, dass der vom Vorsitzenden Wagner geführte Schönfelder Dorfsowjet die Direktiven von Partei und Regierung im Unterschied zu vielen anderen deutschen Dörfern vorbildlich umsetze. Im September 1941 wurden die Deutschen aus Schönfeld deportiert.

Schule und Erziehungswesen. In der Kirchenschule, die in Schönfeld praktisch seit Gründung der Kolonie selbst bestand, lernten Kinder im Alter von 7-15 Jahren. Bis zum Bau der ersten Kirche im Jahr 1901 fanden Gottesdienste und Schulunterricht im gleichen Gebäude des Schul- und Bethauses statt. Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Schönfeld auch eine Semstwo-Schule gegründet, in der die Kinder in zwei Klassenzügen drei Jahre lernten. Das von der Semstwo-Schule genutzte Schulgebäude musste die Gemeinschaft der Kolonie zur Verfügung stellen. Wie in der Kirchenschule wurden auch in der Semstwo-Schule mehrere Jahrgänge in einer Klasse zusammengefasst und im gleichen Klassenraum von einem einzigen Lehrer unterrichtet, so dass das Lehrmaterial nicht eindeutig auf einzelne Jahrgänge verteilt war. Pflichtfächer waren Religionsunterricht, Lesen, Schreiben, Rechnen und Gesang. Die Lehrer stellten die Lehrpläne selbständig zusammen, wählten selbst zusätzliche Fächer aus und durften das Lehrmaterial eigenständig auf einzelne Jahrgänge verteilen.

Nach den von Pastor J. Erbes, dem Probst des linksufrigen Wolgagebiets, zum Stand des deutschen Schulwesen zusammengetragenen Daten waren im Jahr 1906 270 der insgesamt 1.792 Einwohner Kinder im Alter von 7-15 Jahren, die zum Besuch einer Elementarschule verpflichtet waren. Allerdings besuchten in Schönfeld nicht alle Kinder im schulpflichtigen Alter auch wirklich eine Schule. Nach den von Pastor Erbes zusammengetragenen Daten blieben 35 Kinder dem Unterricht fern, da ihre Eltern arm waren und erklärten, ihre Kinder ein Jahr später mit Erreichen des 8. Lebensjahrs in die Schule geben zu wollen. 1906 besuchten 85 Jungen und 50 Mädchen die Semstwo-Schule, wo sie von zwei Lehrern unterrichtet wurden. In der Kirchenschule lernten 36 Jungen und 64 Mädchen bei einem einzigen Lehrer. Beide Schulen wurden aus Mitteln der Kirchengemeinde unterhalten. In sowjetischer Zeit wurden beide Schulen geschlossen und durch eine Grundschule ersetzt.

Religionszugehörigkeit der Bevölkerung und Kirche

Die Kolonisten waren lutherischer und reformierter Konfession. Im Jahr 1905 lebten in Schönfeld 1.360 Reformierte und 150 Lutheraner. In den Jahren 1864-1905 gehörte die evangelisch-lutherische deutsche Gemeinde der Kolonie Schönfeld zum seit dem 22. Juli 1864 bestehenden Pfarrsprengel Schöndorf (heute Dorf Repnoje, Rayon Krasny Kut, Gebiet Saratow). Als dieser im Jahr 1905 in die beiden Pfarrsprengel Schöntal (heute Dorf Dolina, Rayon Fjodorowka, Gebiet Saratow) und Hoffental (heute Dorf Schdanowka, Rayon Krasny Kut, Gebiet Saratow) geteilt wurde, wurde das Dorf Schönfeld wie auch die deutschen Siedlungen Schöntal, Schöndorf und Jagodnoje dem Pfarrsprengel Schöntal zugeteilt, dessen Gründung am 13. Mai 1905 bestätigt wurde. Im Jahr 1905 lebten im Pfarrsprengel Schöntal 7.891 Gemeindemitglieder.

In den ersten vierzig Jahren des Bestehens der Kolonie fanden die Gottesdienste in einem Bethaus statt, das bereits in den ersten Monaten nach der Ansiedlung der Kolonisten errichtet worden war und den Status einer Filialkirche hatte. Das genaue Datum des Baus ist nicht bekannt. Der kleine, für eine vorübergehende Nutzung errichtete Bau genügte schon bald nicht mehr den Anforderungen, so dass im Jahr 1901 schließlich die erste Holzkirche errichtet wurde, die ebenfalls den Status einer Filialkirche hatte. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden nahezu alle im Wolgagebiet neu errichteten deutschen Kirchen in einem einheitlichen, am Spätklassizismus orientierten Stil gebaut, den der Architekt des Fürsorgekontors Ferdinand Lagos entwickelt hatte. In diesem sogenannten „Kontorstil“ wurde auch die Kirche in Schönfeld gebaut. Die Kosten für den Bau der zweistöckigen Kirche trugen die Dorfbewohner. Im Innenraum war das Kirchengestühl in vier durch Längs- und Quergänge geteilten Quadraten aufgestellt, die Balkone wurden durch massive Holzpfeiler gestützt. Bei aller Ähnlichkeit zwischen den im Stil des Klassizismus errichteten russischen und deutschen Kirchen lassen sich auch einige Unterschiede erkennen: Während die russischen Kirchen durch Kuppeln gekrönt waren, war ein hoher von einem einige Meter großen Kreuz gekrönter Glockenturm unverzichtbares Attribut einer deutschen Kirche. Die deutschen Kirchen wiesen im Vergleich zu den russischen deutlich mehr Fenster auf, die zudem größer waren. Neben der Kirche stand ein freistehender hölzerner Glockenstuhl.

Aus den aufgrund eines entsprechenden Rundschreibens des NKWD der ASSR der Wolgadeutschen vom 13. Dezember 1929 zusammengestellten Listen der Geistlichen und Mitglieder der Kirchenräte geht hervor, dass es in Schönfeld nach Stand zum 15. April 1930 593 regelmäßige Kirchgänger gab. Die Gottesdienste hielt der frühere Schulmeister Philipp Jegorowitsch Ott ab. Als besonders aktive Mitglieder des Kirchenrats wurden die Gemeindemitglieder Iwan Andrejewitsch Miller, Heinrich Filippowitsch Lizenberger, Peter Petrowitsch Ott und Philipp Iwanowitsch Popp genannt.

Das Archivmaterial zeugt davon, dass der letzte Pastor der Pfarrgemeinde Schöndorf Georg Schwartz unter Beobachtung der sowjetischen Sicherheitsorgane stand. In einem Bericht der regionalen Kommission zur Prüfung religiöser Angelegenheiten wird er als „Lischenez“, also Person, der das Wahlrecht und andere bürgerliche Rechte aberkannt waren, und „arglistiger Kirchensteuerverweigerer“ ausgewiesen. Die Zahl der Gläubigen ging praktisch mit jedem Tag unaufhaltsam zurück. Alle Aktivitäten nicht nur der Geistlichen, sondern auch der einfachen Gläubigen standen unter ständiger Kontrolle von Seiten der Organe der Staatsmacht. 1931 informierte die regionale Kommission für die Prüfung religiöser Angelegenheiten das Präsidium des Zentralexekutivkomitees der ASSR der Wolgadeutschen in einem geheimen Bericht, dass es in Schönfeld ungeachtet der bereits erfolgten Schließung der Kirche noch 1.126 Gläubige gebe, von denen einschließlich der Mitglieder des Kirchenrats Ott und Koch acht den Status von „Lischenzy“ hätten, ihnen also das Wahlrecht und andere bürgerliche Rechte aberkannt waren.

Am 28. August 1934 informierte die Kommission für Kultfragen beim Zentralexekutivkomitee der ASSR der Wolgadeutschen das Präsidium der ASSR, dass das im Dorf Schönfeld befindliche Holzgebäude der Kirche von den Gläubigen noch immer genutzt werde und die Frage seiner Schließung eigens geprüft werden müsse. Anfang der 1930er Jahre wurden in der Sowjetunion massenhaft Gotteshäuser aller Konfessionen und Religionsgemeinschaften geschlossen. Vor Ort waren die lokalen Stellen bestrebt, die Bethäuser so schnell wie möglich zu schließen, um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, der Religion gegenüber zu loyal eingestellt zu sein. 1938 gab es im Wolgagebiet keine einzige lutherische Kirche mehr. An vielen Orten wurden die Kirchen zu Lagerhäusern oder Garagen umfunktioniert oder als nicht nicht den Ansprüchen des Sozialismus genügende Architektur zum Abriss freigegeben, was Mitte der 1930er Jahre auch im Fall der Schönfelder Kirche geschah.

Liste der Pastoren

Pastoren der Pfarrgemeinde Schöndorf, die in Schönfeld Gottesdienst hielten: Nikolai Reinhold Sprekelsen (1865–1904). Pastoren der Pfarrgemeinde Schöntal, die in Schönfeld Gottesdienst hielten: Andreas Gö(o)rne (1906–08), Karl Zimmer (1908–11), Johann Georg Schwartz (1912–32).

Entwicklung der Einwohnerzahlen

1859 lebten in Schönfeld 515 Personen, 1883 waren es 791, 1889 – 863 Personen. Nach den Daten der Volkszählung von 1897 lebten in Schönfeld 1.109 Personen, von denen 1.103 Deutsche waren. Im Jahr 1905 hatte das Dorf 1.510 und im Jahr 1910 1.922 Einwohner. Nach den Daten der Allrussischen Volkszählung von 1920 lebten in Schönfeld 1.520 Personen. 1921 gab es 53 Geburten und 197 Sterbefälle. Nach den Daten des Gebietsamts für Statistik des Gebiets der Wolgadeutschen lebten in Schönfeld nach Stand zum 1. Januar 1922 1.032 Personen. Nach den Daten der Volkszählung von 1926 lag die Gesamteinwohnerzahl bei insgesamt 943 Personen, die ausnahmslos alle Deutsche waren.1931 hatte das Dorf 1.226 Einwohner, von denen 1.205 Deutsche waren.

Das Dorf heute

Heute zwischen den Dörfern Repnoje (Rayon Krasny Kut, Gebiet Saratow) und Dolina (Rayon Fjodorowka, Gebiet Saratow) gelegene unbewohnte Ortschaft. Angesichts der Tatsache, dass sich viele der in den Kriegsjahren in das Dorf gekommenen Neusiedler nur schwer an die örtlichen Gegebenheiten anpassen konnten, gingen die Bevölkerungszahlen kontinuierlich zurück, so dass das Dorf im Zuge der in den 1960er Jahren durchgeführten Kampagne zur Auflösung „perspektivloser Dörfer“ schließlich vollständig aufgegeben wurde. Heute finden sich am früheren Standort des Dorfes Schönfeld nur noch die endlosen Weiten der Steppe. Nichtsdestotrotz lassen sich auch an diesem Ort Spuren der Vergangenheit finden. So erkennt der aufmerksame Beobachter noch die frühere Dorfstruktur der deutschen Kolonie und kann den Verlauf der historischen Straßen und frühere Hausgrundstücke lokalisieren. An den früheren Standorten von Häusern und Hofbauten sind Reste der Fundamente erhalten. Weder die Schule noch die Holzkirche noch einzelne Häuser sind erhalten, obwohl viele Öffentliche Bauten erst im 20. Jahrhundert errichtet wurden. Abseits des früheren Standorts des Dorfes befindet sich mitten in der Landschaft ein kleiner Friedhof mit einigen Gräbern aus der Nachkriegszeit. Einige kleine Hügel weisen auf alte Grabstellen hin.

Literatur

Князева Е.Е., Соловьева Ф. Лютеранские церкви и приходы ХVIII – ХХ вв. Исторический справочник. – СПб., 2001. Часть I; Немецкие населенные пункты в Российской Империи: География и население. Справочник / Сост.: В.Ф. Дизендорф. – М., 2002; Amburger E. Die Pastoren der evangelischen Kirchen Russlands vom Ende des 16. Jahrhunderts bis 1937. Ein biographisches Lexikon. – Martin-Luther-Verlag, 1988; Nachrichten. – 1937. – 20. März.

Archive

Autoren: Lizenberger O.A.

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