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WEBER ROBERT (1.1.1938 – 26.5.2009) – russlanddeutscher Dichter, Schriftsteller, Publizist, Übersetzer, Redakteur

Rubrik: Biographische Beiträge (Personalien) / Vertreter des sozialen Bereichs (Bildung, Medizin)
Robert Weber 1975
Robert Weber 2007

Weber Robert (1.1.1938 – 26.5.2009) – russlanddeutscher Dichter, Schriftsteller, Publizist, Übersetzer, Redakteur.

Robert Weber wurde am 1. Januar 1938 in Pavlovskij Posad bei Moskau geboren. 1942 wurden seine Eltern – die Wolgadeutschen Benjamin und Emilia Weber – in Arbeitslager im Norden Russlands eingewiesen. Die frühe Kindheit verbrachte Robert Weber daher bei den Großeltern in der sibirischen Siedlung Sarbala im Gebiet Kemerovo. Anfang 1944 wurde seine Mutter aus der Arbeitsarmee entlassen und kam ebenfalls nach Sarbala, wo Roberts jüngerer Bruder Waldemar geboren wurde. Nach dem Krieg zog die Familie in das Gebiet Vladimir um, wo die Eltern in einer Textilfachschule und einer Schule für berufstäti ge Jugendliche unterrichteten. Dort, in der Stadt Karabanovo absolvierte Robert Weber 1955 die mittlere Schule und arbeitete anschließend zwei Jahre als einfacher Arbeiter und Elektriker.

1957 begann er das Studium der Medizin in Moskau, brach dieses jedoch nach drei Jahren ab. Eine einjährige Zwischenstation führte ihn nach Čeljabinsk, wo er in einem Walzwerk als Dispatcher arbeitete.

1961 wurde Robert Weber Student der prestigeträchtigen pädagogischen Hochschule für Fremdsprachen in Moskau, die seit 1964 den Namen von Maurice Thorez trägt, und schloss das Studium in den Fächern Deutsch und Englisch 1966 erfolgreich ab. Anschließend arbeitete er als Englischlehrer in einer Besserungsarbeitskolonie für schwer erzieh bare Jugendliche in der Siedlung Ikša im Moskauer Gebiet.

Von 1967 bis 1980 war Robert Weber als Sonderkorrespondent der deutschsprachigen Wochenzeitung „Neues Leben“ in Moskau tätig, für deren Literaturabteilung er zahlreiche Beiträge, Reportagen und Essays über die Russlanddeutschen Sibiriens, Zentralrusslands, Kasachstans und Moldawiens verfasste. Seine Artikel publizierte er unter den Pseudonymen Rudolf (oder Rudi) Werner und Roman Keim.

Seit 1967 war Robert Weber auch literarisch aktiv. Er veröffentlichte zahlreiche Gedichte in den deutschsprachigen Zeitungen „Neues Leben“„Freundschaft“ und „Rote Fahne“. Als Dichter galt Robert Weber als der modernste und originellste unter den russlanddeutschen Autoren, der sich nicht in einem engen Rahmen eines Stils oder Genres bewegte. Weber experimentierte viel mit Reim und schuf so seinen eigenen einzigartigen Stil. Seine Dich tungen zeichneten die freien Rhythmen aus, viele seiner Verse hatten kein bestimmtes Versmaß und waren nicht gereimt („verlibr“ – freier Vers). Anerkennung fand er auch als Nachdichter der russischen Lyrik ins Deutsche, besonders als Übersetzer russischer Kinderautoren, und Autor von Liedtexten, in denen er dagegen feste Rhythmen nicht scheute, sowie als Herausgeber von Sammelbänden russlanddeutscher Literatur.

1978 wurde Robert Weber Mitglied des Schriftstellerverbandes der UdSSR. Fast zwanzig Jahre war er Vorsitzender der Kommission für sowjetdeutsche Literatur beim Vorstand des Schriftstellerverbandes der UdSSR. Seit 1980 arbeitete er als freischaffender Journalist und Dichter in Moskau.

In Buchform erschienen von ihm sechs Einzelbände in deutscher Sprache: „Verheißung“. Moskau 1972; „Vom Herz- und Uhrschlag“. Moskau 1975; „Spitzenzeiten“. Moskau 1982; „Reise in die Erinnerung“. Alma-Ata 1983; „Wer lenkt die Welt?“ Moskau 1986; „Russlanddeutsche Fabel“. Berlin 1992. Russischen Lesern wurde Robert Weber vor allem durch die Übersetzung Evgenij Vitkovskijs bekannt, der zwei Bände „Obeščanie“ (Verheißung). Moskau 1980 und „Vopreki vsem pravilam“ (Gegen alle Regeln). Moskau 1989 herausgegeben hatte.

Im Jahr 2000 siedelte Robert Weber, lange Zeit als eine der letzten Hoffnungen der russlanddeutschen Literatur in Russland gehandelt, nach Deutschland über, wo bereits sein jüngerer Bruder Waldemar, ebenfalls Schriftsteller, Übersetzer und Verleger, lebte. Nach einer schwierigen Phase der Adaption an neue Umgebung und Suche nach eigenem Platz in der bundesdeutschen Literaturlandschaft fing Robert Weber erst 2006 wieder zu publizieren an. Seine Werke erschienen in der russischsprachigen Zeitschrift „Kontakt-Chance“(„Klenovyj listoček“ (Ahornblatt)), in den „Literaturblättern deutscher Autoren aus Russland“ (Almanach 2007), wo von ihm ein Viktor Heinz gewidmetes Poem „Auswanderung“ veröffentlicht wurde, sowie im „Heimatbuch der Deutschen aus Russland 2007/2008“, in dem Weber Gedichte aus dem Zyklus „Nachdenklicher Laubfall“ sowie acht weitere Gedichte vorstellte.

Nach seiner Übersiedlung lebte Robert Weber zunächst in Geretsried, danach in Augsburg. 2009 schied er durch Freitod aus dem Leben. Er wurde in Moskau auf dem Kuncevo-Friedhof beigesetzt, wo auch seine Eltern und sein älterer Bruder Gennadij ruhen.

Posthum erschienen von Robert Weber die zweisprachige Sammlung seiner Gedichte „V točke peresečenija. Im Schnittpunkt“. Moskau 2011; die autobiografisch inspirierte Erzählung „Sarbala“ (Reise in die Erinnerung). Moskau 2015, in der Weber eindrucksvoll eine typische russlanddeutsche Kriegskindheit schildert, sowie die von ihm ins Deutsche übersetzte Sammlung russischer Sprichwörter Vladimir Dal’s „Gereimte Sprichwörter des russischen Volkes“ (Rifmovannye russkie poslovicy). Moskau 2012.

Anlässlich des 80. Geburtstages von Robert Weber initiierte die Witwe des Dichters, Tamara Weber, die Herausgabe seiner „Gesammelten Werke“, die Gedichte, Poeme, Erzäh lungen, Essays, Nachdichtungen, Reportagen, Tagebücher und Briefe aus den Jahren 1967–2009 sowie andere Materialien vereinen, die an den Dichter erinnern. Die in Moskau erschienene Ausgabe „Robert Weber. Gesammelte Werke“. Moskau 2016–2021 umfasst sieben Bände: Bd. I: Lyrik (1967–1992); Bd. II: Lyrik (1967–2007); Bd. III: Nachdichtungen; Bd. IV: Prosa; Bd. V: Journalistik, Publizistik; Bd. VI: Lieder; Bd. VII: Alles über ihn und nicht nur.

Literatur

Waldemar, Weber: „101-j kilometer, dalee vezde“. Rasskazy. St. Peterburg 2015; Korn, Robert: Das letzte Aufgebot, in: https://wolgadeutsche.net/korn/Das_letzte_Aufgebot.pdf (2016, Zugriff vom 22.1.2020); Sejfert, Elena: An mein Volk. Pamjati poėta Roberta Vebera, in: Moskauer Deutsche Zeitung 11 (258), Juni 2009, S. 6; Brantsch, Ingmar: Robert Weber, in: Ostdeutsche Gedenktage 18, 2008, S. 13-17; ders.: Das Leben der Russland deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg im Spiegel ihres Schrifttums. War der weite Weg umsonst? Wien 1999; Boldt, Katharina / Piirainen, Ilpo Tapani: Literatur der Russlanddeutschen. Essen 1997; Rußlanddeutsche Fabel. Gedichte von Robert Weber. Berlin 1992.

Autoren: Donig Natalia, (Passau)

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