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MARZ , Andrei Walerianowitsch, * 26. Juni 1924 in Moskau, † 20. Oktober 2002 ebenda. Bildhauer und Tierkünstler, Verdienter Künstler der RSFSR (1983)

Rubrik: Biographische Beiträge (Personalien) / Vertreter des sozialen Bereichs (Bildung, Medizin)

MARZ, Andrei Walerianowitsch, * 26. Juni 1924 in Moskau, † 20. Oktober 2002 ebenda. Bildhauer und Tierkünstler, Verdienter Künstler der RSFSR (1983).

Andrei Marz' Vater Walerian Marz wurde in Deutschland ausgebildet und war als Experte in der Textilindustrie tätig. Seine Mutter Lilia Marz (geborene Simonowa) arbeitete nach Abschluss der Höheren Frauenkurse als Krankenschwester. Andrei Marz fing schon früh an zu zeichnen und legte ein außergewöhnliches Talent an Tag. Als die Eltern seine Begabung erkannten, förderten sie seine künstlerische Entwicklung in jeder erdenklichen Weise.

1936 beschäftigte sich der zu diesem Zeitpunkt zwölfjährige Andrei Marz am Moskauer Haus der Pioniere unter der Leitung von N.N. Kaplun erstmals mit Bildhauerei. In den Jahren 1939-43 besuchte er die Moskauer Kunst-Mittelschule, die zahlreiche herausragende Künstler und Kunsthistoriker zu ihren Lehrkräften zählte, die den Kindern neben dem praktischen künstlerischen Handwerk auch die Liebe zur Kunst einimpften.

Unmittelbar nach Ausbruch des Deutsch-Sowjetischen Kriegs wurde Andrei Marz zusammen mit den anderen Schülern der Kunstschule in das in Baschkirien gelegene Dorf Woskressenskoje evakuiert, dessen Bewohner die jungen Leute sehr freundlich aufnahmen. Ihre Jugendjahre verbrachten die jungen Hauptstädter im Dorf, wo sie nicht nur ihre künstlerische Ausbildung fortsetzten, sondern auch mit den schweren Lebensbedingungen, der landwirtschaftlichen Arbeit und dem Umstand konfrontiert wurden, dass viele Bewohner des Ortes und ältere Mitschüler nach Abschluss der Schule zur Armee eingezogen wurden. Just an diesem im Südural gelegenen Ort wurden sie zu Erwachsenen und reiften zu Künstlern. Die vielen aus der Begegnung mit der urwüchsigen Natur dieser Region entspringenden Eindrücke trugen erstaunliche Früchte – wunderbare Zeichnungen und Gemälde.

Ihre in Woskressenskoje verbrachten Jahre blieben den späteren Künstlern als eine Zeit in Erinnerung, in der sie zu den Künstlern wurden, die sie waren. Später kehrten sie oft an diesen Ort zurück, der ihnen Zuflucht gewährt hatte, und beschlossen irgendwann, dem Dorf und seinen Bewohnern durch die Gründung einer Kunstgalerie zu danken, die 1971 im Beisein von Andrei Marz und anderen Initiatoren eröffnet wurde.

Zwei Jahre nach der Rückkehr der Schule nach Moskau fand in der Tretjakow-Galerie eine große Ausstellung der in der Evakuation entstandenen Arbeiten statt, deren Erlöse für die Front gespendet wurden.

1943 wurde Andrei Marz zum Militärdienst eingezogen, den er in den Flugzeugwerken der Luftstreitkräfte ableistete, wo man für die Tarnung der Werksanlagen Fachkräfte brauchte, die eine künstlerische Ausbildung genossen hatten. 1946 wurde Marz demobilisiert und mit der Medaille „Für den Sieg über Deutschland im Großen Vaterländischen Krieg 1941-45“ ausgezeichnet.

 

In den Jahren 1946-52 studierte Andrei Marz an der Fakultät für Bildhauerei der Moskauer Hochschule für für Malerei, Bildhauerei und Architektur [Moskauer Kunstinstitut Surikow], wo er unter anderem bei dem Grafikkünstler und Meister des Holzschnitts Pawel Pawlinow sowie bei den Bildhauern Romuald Iodko und Nikolai Tomski lernte.

Noch vor Abschluss seines Studiums fand Andrei Marz in der Skulptur seine Berufung. Für seine Diplomarbeit fertigte er eine Reiterstatue Michail Frunses an. Zu seinen ersten Aufträgen als junger Künstler gehörte das Flachrelief „Pferderennen“. Diese ersten erfolgreichen Schritte sollten seinen weiteren Werdegang als Bildhauer und Tierkünstler maßgeblich prägen.

1956 nahm Andrei Marz an seiner ersten Ausstellung teil. Nur ein Jahr später (1957) gewann er den Skulpturen-Wettbewerb der Gießerei und Maschinenfabrik Kussa (Gebiet Tscheljabinsk), die auch Kunstgüsse herstellte.

Das Talent des jungen Bildhauers fand früh Anerkennung, so dass er bereits 1958 in den Künstlerverband der UdSSR aufgenommen wurde. Zur gleichen Zeit traf er die auf moderne Skulpturen spezialisierte angehende Kunsthistorikerin Ludmilla Boiko. Gemeinsame Interessen, tiefes gegenseitiges Verständnis, gleiche künstlerische Ansätze und die Fähigkeit, das Talent des jeweils anderen zu entwickeln, wurden zur Grundlage ihrer langjährigen glücklichen Ehe. 1959 wurde ihre Tochter Irina geboren, die das Talent ihrer Eltern erbte und ihr Leben der Malerei widmete.

Von 1964 an produzierten die Gießerei und Maschinenfabrik Kussa sowie die auf die Produktion von Kunstgüssen und gusseisernen Architekturelementen spezialisierte Gießerei Kasli nach Modellen von Andrei Marz die gusseisernen Skulpturen „Liegendes Fohlen“ (1964); „Hirsch“, „Antilope“, „Eber“ (1966); „Zebras“, „Kleines Pferd“ (1968); „Gazelle“ (1969); „Pfau“, „Nashorn“, „Laufende Widder“ (1970); „Liegende Antilope“ und „Antilopen“ (1960er-1970er Jahre).

1966 gewann Marz in der Kategorie Kleinplastik den zweiten Preis des Wettbewerbs des Künstlerfonds der RSFSR. Nach seinen Modellen wurden aus Kunststoff gefertigte Statuetten wie z.B. „Weidendes Damwild“ und „Liegende Antilope“ gefertigt.

1969 wurde Andrei Marz künstlerischer Leiter der in den Kulturzentren in Pereslawl-Salesski (D.N. Kardowski-Haus des Kreativen Schaffens) und Dsintari (Teodors Zaļkalns-Haus des Kreativen Schaffens) abgehaltenen Bildhauer-Workshops, an denen zu jener Zeit Künstler aus der ganzen Sowjetunion teilnahmen, um ihre Kunst zu vervollkommnen und Erfahrungen auszutauschen.

1983 wurde Andrei Marz der Titel eines Verdienten Künstlers der RSFSR verliehen. Abgesehen davon wurde er mit dem Diplom der Akademie der Künste der UdSSR ausgezeichnet.

Ende der 1990er Jahre begann Andrei Marz die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Verband der Deutschen Kultur, der er nicht zuletzt deshalb große Bedeutung beimaß, weil sie ihm über das gesellschaftliche Engagement hinaus auch die Möglichkeit bot, die Welt mit der alles andere als einfachen Geschichte der Russlanddeutschen bekannt zu machen. Bereits 1991 nahm Andrei Marz zusammen mit seiner Tochter Irina an der ersten landesweiten Ausstellung russlanddeutscher Künstler im Zentralen Haus der Künstler in Moskau teil. 1992 fand im Russischen Museum für Dekorative und Angewandte Kunst in Moskau die Ausstellung „Russlanddeutsche Künstler. Malerei, Skulptur, Graphik“ sowie in Deutschland die Ausstellung „Deutsche Künstler aus Russland“ (Düsseldorf, Berlin, München) statt, auf denen auch Arbeiten von Marz zu sehen waren. 2016 fand im Russisch-Deutschen Haus in Moskau eine gemeinsame Ausstellung von Andrei und Irina Marz statt, die sehr erfolgreich verlief.

Das Schaffen von Andrei Marz nimmt innerhalb der zeitgenössischen Tierkunst eine absolut einzigartige Sonderstellung ein. Er schuf eine gewaltige Anzahl von Darstellungen von Fischen, Vögeln und sonstigen Tieren aus allen Breitengraden und Kontinenten. Er bereiste weite Teile des Landes, besuchte Zoos und Reservate und studierte die Bewohner der Meere und Ozeane. Während seiner Reisen an den Stillen Ozean „studierte“ der Bildhauer eigens für ihn gefangene Fische, um sie nach der Natur zu formen. So entstanden die Arbeit „Großer dekorativer Fisch“ (1990), die Serie „Tiefseefische“ (1997–2002) sowie der für das Vestibül des Hotels „Aurora“ bestimmte Springbrunnen „Fische“ (1998). Unter seinen in dieser Zeit entstandenen Arbeiten sind die „Giraffen“ (1980), die „Rentier-Herde“ (1981), der „Schreitende Flamingo“ (1993), das Relief „Pferderennen“ (1995) und der „Igel“ (2002).

Die Arbeiten von Andrei Marz wurden auf allen wichtigen unions- und russlandweiten Ausstellungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in vielen Ländern Europas und auch in den USA ausgestellt. Ausstellungen seiner Arbeiten fanden unter anderem in den folgenden Ländern statt: Ungarn (2. Internationale Biennale der Kleinskulptur. Budapest. 1973); Polen (Ausstellung der Arbeiten Moskauer Bildhauer. Warschau, Danzig. 1973. 7. Biennale der Kleinskulptur. Posen. 1987); Österreich („Graphik und Skulptur der kleinen Formen. 1976); Bulgarien („Moskauer Bildhauer“. Sofia. 1986); USA (Tierkunst-Ausstellung. Kansas City. 1987), Deutschland („Moskauer Künstler“. Hamburg. 1989); Frankreich (Herbstsalon, Paris. 1990); Norwegen („Moskauer Künstler“. Oslo. 1991).

Von der ihm entgegengebrachten hohen Wertschätzung zeugen seine mit großem Erfolg in Moskau und anderen russischen Städten sowie im Ausland verlaufenen (Einzel-) Ausstellungen: „Marz“ (Moskau. 1993, 1995), „Marz und andere“ (Brüssel, Belgien. 1996); Ausstellungen der Werke von Andrei Marz im Museum der Weltmeere in Kaliningrad (1996) und in Archangelsk (1997), „Erbe“ (2012), Ausstellung „Von der Schöpfung“ (Moskau. 2013); Jubiläumsausstellung aus Anlass des 80. Geburtstags des Künstlers (2004); „Planet Marz“ (Moskau. 2014) und „Schöpfung“ (Lipezk. 2019).

Im Jahr 2000 fand eine Einzelausstellung seiner Werke in den Sälen der Russischen Akademie der Künste statt. Zur gleichen Zeit wurde Andrei Marz zum korrespondierenden Mitglied der Akademie der Künste gewählt.

2019 gab das Staatliche Darwin-Museum in Moskau anlässlich des 95. Geburtstags des Bildhauers eine Gedächtnis-Souvenir-Produktion mit Darstellungen der Skulpturen von Andrei Marz heraus.

Werke von Andrei Marz sind in den Sammlungen von fast 50 russischen und ausländischen Museen enthalten, darunter die Staatliche Tretjakow-Galerie, das Staatliche Russische Museum, das Museum der Weltmeere in Kaliningrad, das Kunstmuseum in Stuttgart (Deutschland), das Museum für Ausländische Kunst in Sofia, das Staatliche Darwin-Museum, das Timirjasew-Museum für Biologie sowie zahlreiche Privatsammlungen in den Ländern Europas, in den USA und in Japan (Kaiserliche Sammlungen).

Andrei Marz, der als einer der größten russischen Bildhauer des 20. Jahrhunderts in die Kunstgeschichte eingegangen ist, sagte selbst zu seinem Schaffen: „Mir sind die Tiere selbst nah und teuer, der Charakter der ein oder anderen Art. Wenn es mir gelingt, das zu vermitteln, wird das von mir geschaffene Bild, wie mir scheint, überzeugender und organischer.“

Literatur

Шашкина М.В. Андрей Марц. М.: «Советский художник», 1988. «Андрей Марц. Альбом» / вступ. ст. М.Л. Юргенс. М:. «Международный союз немецкой культуры», 1995. «Андрей Марц. Скульптура». М.: «Молодая гвардия», 2000. Тиханова В.А. «Скульпторы-анималисты Москвы». М.: «Советский художник», 1968. Тиханова В.А. «Лик живой природы. Очерки о советских анималистах». М: «Советский художник», 1990.

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