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Hilfskomitee der evangelisch-lutherischen Ostumsiedler

Rubrik: Religion

Hilfskomitee der evangelisch-lutherischen Ostumsiedler (HdELO, auch Hilfskomitee für die Russlanddeutsche, Hilfskomitee für die evangelischen Schwarzmeerdeutschen, seit 1977 – „Kirchliche Gemeinschaft der Evangelisch-Lutherischen Deutschen aus Russland e.V.“, KG) war von 1946 eine Einrichtung für die Russlanddeutschen, die von der evangelischen Kirche für Aufgaben in verschiedenen gesellschaftlichen, kirchlichen, politischen und fachlichen Kontexten gebildet wurde und als Ausschuss der Stuttgarter Arbeitsgemeinschaft der Hilfskomitees (1946–1985) tätig war. Heutiger Nachfolger ist „Kirchliche Gemeinschaft der Evangelisch-lutherischen Deutschen aus Russland e.V.“, ein Strukturteil des „Konventes ehemaliger evangelischer Ostkirchen“, der der Evangelischen Kirche in Deutschlands untersteht.

Das HdELO wurde 1946 als eine unoffizielle Gruppe gegründet, als in der Nachkriegszeit in den Kirchen und ihren Einrichtungen verstärkt gerichtete Aktivitäten und organisierte Hilfe für die Bewältigung der Versorgung der Russlanddeutschen einsetzte. Der Begriff „Ostumsiedler“ anstatt „Russlanddeutsche“ war als Tarnname gewählt worden. Am 11. Oktober 1946 wurde HdELO von der evangelischen Kirche Deutschlands anerkannt. Im Dezember 1946 wurden Richtlinien zur Eingliederung des HdELO in das Hilfswerk der evangelischen Landeskirche Württemberg erlassen. Erster Vorsitzende war Pastor aus Wathlingen, Kreis Celle, Friedrich Rink (1889–1967), ein Wolhyniendeutsche, der von 1920 bis 1925 Leiter des Vereins der Deutschen Wolhyniens in Berlin war. 1947 schloss sich das HdELO offiziell mit den 12 weiteren Hilfskomitees (Deutschbalten, Deutschen aus der Bukowina, Deutschen aus Polen, Deutschen du der Dobrudscha, deutschen Evangelischen aus Ungarn, Galiziendeutschen, Kirche aus Bessarabien, Kirche aus Jugoslawien, Schlesier, Siebenbürger Sachsen in Württemberg, Slowakeideutschen, Sudetendeutschen) zu einer Dachorganisation „Stuttgarter Arbeitsgemeinschaft der Hilfskomitees" (SAdH) zusammen. Seit 1948 war der Leiter des Hilfskomitees Pastor Heinrich Römmich (1888–1980), seit 1961 – Pastor Alfred Kärcher, seit 1969 – Pastorin Irmgard Stoldt (1912–1998). Erster Vorsitzende der SAdH war von 1946 bis 1973 aus Bessarabien stammende Pastor Albert Kern.

Obwohl die Koordinierung der Arbeit des Hilfskomitees seit 1949 dem Ostkirchenausschuss der EKD oblag, arbeitete das HdELO selbstständig. In den Anfangsjahren stand im Vordergrund die seelsorgerische Hilfe, wie Beratung und Hilfevermittlung, Familienzusammenführung oder Auswanderungshilfe. Vordringlich wollte das HdELO das Erbe der evangelischen Kirche in Russland und anderen Ländern bewahren und an die nachfolgenden Generationen weitergeben. Diesem Zweck diente auch Herausgabe und Versand von Publikationen, die sich vorwiegend der kirchengeschichtlichen Forschung widmete. Als sich aus HdELO auch die zukünftige „Landsmannschaft der Deutschen aus Russland“ entwickelte, verselbstständigte sich das Hilfskomitee, um als evangelische Glaubensgemeinschaft wahrgenommen zu werden. Zwischenzeitlich erfolgte Umbenennung des HdELO und die Bezeichnung änderte sich. Am 21. September 1950 schlossen sich die Russlanddeutschen zum „Konvent der zerstreuten ehemaligen Heimatkirchen“ (später „Konvent der zerstreuten evangelischen Ostkirchen“, 2003 umbenannt in „Konvent der ehemaligen evangelischen Ostkirchen“) zusammen. In der Geschäftsordnung des „Konvents der zerstreuten ehemaligen Heimatkirchen“ von 1951 wurde das „Hilfskomitee für die evangelischen Schwarzmeerdeutschen“ eingetragen, weil die damaligen Gründungsmitglieder vor allem Deutsche aus dem Schwarzmeergebiet waren, die bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg als deutsche Staatsangehörige in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen konnten. Pastor Römmich, der von 22. April 1950 bis 15. Oktober 1950 der 1. Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Ostumsiedler war, zog am 15. Oktober 1950 in sein Amt als Leiter des HdELO zurück.

Eine weitere Umstrukturierung im Jahre 1977, ergab sich, als auf Initiative der Vorsitzenden Pastorin Irmgard Stoldt eine Umbenennung in „Kirchliche Gemeinschaft der Evangelisch-Lutherischen Deutschen aus Russland e.V.“ und neue Satzung des Vereins erarbeitet wurde. Der Sitz wurde nach Kassel und 1979 nach Bad Sooden-Allendorf verlegt. Zunächst war die geistliche Betreuung der Landsleute in Deutschland die wichtigste Aufgabe des Hilfskomitees. Bald wurde jedoch die Unterstützung der in der alten Heimat verbliebenen Evangelischen auch wichtig. In der 1990er Jahre verschoben sich die Aufgabenfelder wieder: die Betreuung älterer Menschen und Spätumsiedler und auch Unterstützung der Hilfeleistungen für Gemeindemitglieder in den Herkunftsländern sind die zentralen Themen der Tätigkeit geworden. Fehlender Nachwuchs der Mitglieder und zunehmende Überalterung der Funktionsträger führten zu rückläufigen Mitgliederzahlen und zu einer Abnahme der Aktivitäten des Hilfskomitees. Bis heute sind aber KG zusammen mit weiteren 15 evangelischen Hilfskomitees der Vertriebenen aus Ost- und Südosteuropa im „Konvent ehemaliger evangelischer Ostkirchen“ organisiert.

Die KG ist eine kirchliche Vertretung aller in der Zerstreuung lebenden Evangelischen aus den früheren deutschen Gemeinden in Russland. Das Ziel der modernen KG ist die Russlanddeutschen in Deutschland und in der ehemaligen UdSSR karitativ und kirchlich zu betreuen, ihre besonderen Anliegen vor der Kirche und interkonfessionellen Verbänden zu vertreten. Zweck der Gemeinschaft als gemeinnützig anerkannten Vereins ist laut Satzung: das geistliche, geschichtliche und kulturelle Erbe der russlanddeutschen Kirche zu wahren und für die Zukunft fruchtbar zu machen und bedürftige Personen zu unterstützen. Zur Erreichung dieser Ziele werden Bibelwochen, Gottesdienste, Tagungen, Andachten, Begegnungen, Seminare in Deutschland und Russland durchgeführt. Die KG organisiert jährlich 15–20 Integrationsrüstzeiten für Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion, Heimatkirchentage (2000–3000 Teilnehmer), Brüdertage (300 Teilnehmer). Die KG hat Kontakt zu 200 russlanddeutschen Brüdergemeinden. Darüber hinaus pflegt die Kirchliche Gemeinschaft Kontakte zu den Gemeinden der evangelischen Kirchen im Ausland. Durch Kontakte auf individueller und kircheninstitutioneller Ebene zu Personen und Einrichtungen in den Herkunftsregionen trägt die KG bis in die Gegenwart zur Verständigung und zum transnationalen Austausch bei.

Literatur

Baumann A. Partner der Hilfskomitees in deren Herkunftsgebieten. In: Die Anfänge der Diakonie im östlichen Europa. Münster 2002. Beiträge zur ostdeutschen Kirchengeschichte 5. S. 230–235; Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Bd. 1–8. Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte, Reihe A: Quellen. Göttingen 1995–2012; Eberl I. Vertriebenenverbände: Entstehung, Funktion, Wandel // Mathias Beer (Hg.): Zur Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen im deutschen Südwesten nach 1945. Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung. Sigmaringen 1994; Geschäftsordnung des „Konvents der zerstreuten ehemaligen Heimatkirchen“, Ratzeburg, 28.08.1951 // Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche. Bd. 5: 1951; Konvent der ehemaligen evangelischen Ostkirchen, offizielle Seite http://www.ev-ostkirchen.de/; Rudolph H. Evangelische Kirche und Vertriebene 1945 bis 1972. Bd. 1: Kirchen ohne Land. Bd. 2: Kirche in der neuen Heimat. Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte, Reihe B: Darstellungen 11, 12. Göttingen 1984–1985; Schott C.-E. (Hg.): In Grenzen leben – Grenzen überwinden. Zur Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts in Ost-Mittel-Europa. Beiträge zu Theologie, Kirche und Gesellschaft im 20. Jahrhundert. Münster, 2008.

Autoren: Lizenberger O.A.

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