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Heimatmuseum der Deutschen aus Bessarabien

Rubrik: Kultur, Wissenschaft, Bildung, Medizin

Heimatmuseum der Deutschen aus Bessarabien und der Dobrudscha (früher Heimatmuseum der Deutschen aus Bessarabien) ist ein Museum, Begegnungs- und Lernort in der Stadt Stuttgart (Deutschland), das sich der Geschichte und Kultur der Deutschen aus Bessarabien und Dobrudscha widmet. Bessarabien und Dobrudscha sind die historischen Landschaften in Südosteuropa, wo die deutschen Bevölkerungsgruppen lebten: Bessarabien ist vom Schwarzen Meer im Süden sowie den Flüssen Pruth im Westen und Dnjestr im Osten begrenzt und ist heute Teil der Republik Moldau und der Ukraine; Dobrudscha liegt zwischen dem Unterlauf der Donau und dem Schwarzen Meer, heute ist es ein Teil des Rumäniens und des Bulgariens.

Eine Vorläufereinrichtung des Museums „Kulturhistorisches Heimatmuseum der Deutschen Kolonisten Bessarabiens“ wurde 1922 zum hundertjährigen Ortsbestehen in Sarata (heute eine Siedlung städtischen Typs, Rayon Sarata, Gebiet Odessa) gegründet und existierte bis zu der Umsiedlung der Bessarabiendeutschen im Jahre 1940. Aus Sarata konnten einige Gegenstände durch Museumsbegründer Immanuel Wagner bei der Umsiedlung 1940 gerettet worden, nach Posen gebracht und dem Kaiser-Friedrich-Museum übergeben; der Verbleib der Sammlungsbestände ist aber bis heute unbekannt. Am 3. April 1952 beschloss die Hauptversammlung des „Hilfskomitees der evangelisch-lutherischen Kirche aus Bessarabien“ (gegr. am 17. Juni 1946) und des Rates der „Gemeinschaft der Umsiedler aus Bessarabien“ (gegr. am 23. Oktober 1949, seit 1958 „Landsmannschaft der Bessarabiendeutschen“) einen Museumverein zu gründen. Am 24. Mai 1952 wurde das Museum nach der Initiative des Trägervereins „Heimatmuseum der Bessarabiendeutschen e.V.“ in Stuttgart eröffnet. Der erste Vorsitzende des Trägervereins war von 1952 bis 1992 Christian Fieß (1910–2001), Begründer des Museums, Buchautor und Lehrer bessarabiendeutscher Herkunft, von 1976 bis 1982 Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Bessarabiendeutschen.

Die Unterbringung des Heimatmuseums erfolgte zunächst in den Privaträumen, von 1954 bis 1962 in drei Räumen des Alten Waisenhauses am Charlottenplatz, die die Stadt Stuttgart zur Verfügung stellte. Durch das kulturelle Erbe, das der Öffentlichkeit präsentiert wurde, öffnete das Museum eine Tür zum Leben der Bessarabiendeutschen. Seit Mai 1963 befindet sich das Museum im „Haus der Bessarabiendeutschen“, wo das Museum bis 1995 über eine Ausstellungsfläche von 78 m² verfügte. Nach den abgeschlossenen Umbaumaßnahmen beträgt die Gesamt-Ausstellungsfläche des Museums 400m². Das Museum wird durch ein Archiv und eine Bibliothek ergänzt.

Die Ausstellung wurde 1992–1995 nach der Initiative von Ingo Rüdiger Isert (von 1992 bis 1995 der zweite Vorsitzende des Trägervereins, der von 2004 bis 2011 der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft war), konzeptuell überarbeitet. Zum 50-jährigen Jubiläums des Museums 2002 wurde die Struktur der Ausstellung eingehend erläutert. Die Dauerausstellung dokumentiert die deutsche Besiedlung und spannt einen weiten historischen Bogen von der inneren Entwicklung Bessarabien und Dobrudscha bis zu der Neuzeit: der Reichtum an Traditionen und Bräuchen der Bessarabiendeutschen wird bewusst gemacht, ebenso wie die Themen Flucht und Vertreibung.

Unter dem Leitbegriff „Auswanderung der Deutschen nach Bessarabien“ (Raum 1) erzählt das Museum von der organisierten Besiedlung, deren Gründe und Wege. Wissenschaftliche Ergebnisse werden anschaulich und allgemein verständlich im weiteren Räumen „Leben der Deutschen in Bessarabien“ vermittelt. Auf der Ausstellungsfläche in 2. Obergeschoss erhält der Besucher Informationen über die Landschaft und ihrer Bewohner im Zusammenspiel mit der kulturellen, religiösen und wirtschaftlichen Lebenswelt vor 1945. Ausstellungsgegenstände sind hier Geräte aus der Landwirtschaft und dem Handwerk, Dorfpläne und Kirchenmodelle aus den früheren deutschen Siedlungen, Textilien, Musikinstrumente, Haushaltsgegenstände, Landschaftsfotos aus Bessarabien und sakrale Gegenstände. Die Ausstellung folgt den politischen und sozialen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts bis zur Katastrophe von Krieg, der Umsiedlung 1940, des Lagerlebens und der Flucht 1945. Anhand von Schautafeln werden ebenso das Leben nach 1945 und die Integration der Bessarabiendeutschen in der Bundesrepublik Deutschland dargestellt.

Im 3. Obergeschoss des „Hauses der Bessarabiendeutschen“, befinden sich die Arbeitsräume des Heimatmuseums: die Bibliothek (Spezialbibliothek mit Schrifttum zu deutschen Siedlungsgebieten im osteuropäischen und Schwarzmeerraum, unter anderem Bessarabien, Dobrudscha, Polen, Russland), der Archivraum (Bildarchiv und Archiv zu deutschen Orten in Bessarabien mit der Heimatortskartei, Filmen, Tonaufnahmen und Dokumentationen von Mundart und Liedgut, Personenstands-, Ausbildungs- und Besitzurkunden) und der Raum der familienkundlichen Abteilung, wo die Mikrofilmaufnahmen bessarabischer und dobrudschaner Kirchenbücher sowie die umfangreiche Personen-Karteisammlung der Dobrudschadeutschen Landsmannschaft und die anderen Unterlagen zur Familienforschung vorhanden sind. Neben der Aufgabe der Präsentation von Ausstellungsstücken aus der 125-jährigen Geschichte der Bessarabiendeutschen und der Dobrudschadeutschen ist der Zweck des Museums die Förderung, die Herausgabe und der Vertrieb von Heimatliteratur.

2019 wurden in das Museum die Kulturgüter der Dobrudschadeutschen integriert, die sich 2009 als Landsmannschaft der Dobrudscha- uns Bulgariendeutschen dem Bessarabiendeutschen Verein anschlossen. Durch die Fusion des Heimatmuseums mit den bisherigen bessarabiendeutschen Vereinigungen ist das Museum Teil des neu gegründeten Bessarabiendeutschen Vereins (gegr. 2006).

Literatur

Einweihung des Bessarabienhauses // Südostdeutsche Vierteljahrsblätter. №4. 1962. S. 246; Fieß Chr. Heimatmuseum der Deutschen aus Bessarabien // Heer R. (Hg.). Die alte und die neue Heimat der Bessarabien-Deutschen. Eine Dokumentation 1920–1980. Bietigheim-Bissingen 1980; Heimatmuseum der Deutschen aus Bessarabien und der Dobrudscha // https://www.bessarabien.de/heimatmuseum; Kessler W. Ostdeutsches Kulturgut in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Handbuch der Sammlungen, Vereinigungen und Einrichtungen mit ihren Beständen. Hg. von der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat (OKR). München 1989; Mitteilungsblatt des Bessarabiendeutschen Vereins e.V. Heft 1 /2017. S. 19; Röder A. (Hg.). Gerettet – gesammelt – gesichtet: Heimatsammlungen von Vertriebenen und Flüchtlingen in Baden-Württemberg. Stuttgart 2012; Rüdiger Isert I: 50 Jahre Heimatmuseum der Deutschen aus Bessarabien. 1952–2002. Jubiläumsschrift. Stuttgart, 2002; Rüdiger Isert I. Heimatmuseum der Deutschen aus Bessarabien. 58. Jahrgang. Jahrbuch der Deutschen aus Bessarabien – Heimatkalender 2007. Hannover, 2006. S. 31–33.

Autoren: Lizenberger O.A.

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