SEIBERT VIKTOR FJODOROWITSCH (30.09.1947, Dorf Nikolajewka, Bezirk Jessil, Region Nordkasachstan – 19.04.2022, Petropawlowsk), Archäologe, Doktor der Geschichtswissenschaften (1992), Professor für Archäologie (1996), Korrespondierendes Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts (1997), Direktor des Forschungsinstituts für Archäologie der Steppenzivilisationen der Kasachischen Al-Farabi-Nationaluniversität (2017).
Geboren wurde er in einer Familie deutscher Sonderumsiedler, die zur Dorfintelligenz gerechnet wurden und vor dem Krieg in der ASSR der Wolgadeutschen gelebt hatten. Vater Fjodor Fjodorowitsch, ein Gesangslehrer, hatte zwei Semester am Saratower Konservatorium absolviert, Teilnehmer des Großen Vaterländischen Krieges, Angehöriger der Arbeitsarmee, kehrte im November 1946 zur Familie zurück. Mutter Amalia Petrowna, Deutsch-Lehrerin, absolvierte das Saratower pädagogische Technikum. Außer Viktor gab es noch fünf weitere Kinder in der Familie: Irina, Vilma, Elvira, Wladimir und Juri.
Absolvent der Geschichtsfakultät des Pädagogischen Instituts Petropawlowsk (1969) (heute Nordkasachische Staatliche Kosybajew-Universität). 1969 begann er im Petropawlowsk-Museum für Heimatkunde zu arbeiten.
Die groß angelegte Erforschung archäologischer Stätten in Nordkasachstan begann 1967, als auf der Grundlage des Petropawlowsk-Museums (später Nordkasachstan-Museum) und des Petropawlowsk-Pädagogischen Instituts unter der Leitung des Museumsmitarbeiters und Lehrers des Pädagogischen Instituts G.B. Sdanowitsch die Nordkasachstan-Archäologische Expedition (NKAE) gegründet wurde. Während seines Studiums lernte Viktor Seibert Gennadi Borissowitsch kennen und wurde bald sein Assistent. Die erste Forschungsbasis der NKAE ist das Gebiet in der Nähe der Dörfer Jawlenka und Pokrowka. Das Haus der Familie Seibert in Pokrowka, wo Viktors Eltern damals lebten, wurde für viele Jahre zur Hochburg und zum Durchgangspunkt der Expedition.
Von 1969 bis 1976 war Seibert Restaurator archäologischer Sammlungen, wissenschaftlicher Mitarbeiter und anschließend Leiter der archäologischen Abteilung des Petropawlowsk-Museums für Heimatkunde. Er absolvierte ein Praktikum in der Eremitage, dem Staatlichen Historischen Museum, dem Puschkin-Museum, dem Allunions-Restaurierungszentrum und den Kreml-Restaurierungslaboratorien.
1972 leitete er eines der NKAE-Teams, das sich mit der Ausgrabung steinzeitlicher Monumente beschäftigte. Zu dieser Zeit wurde seine wissenschaftliche Ausrichtung festgelegt – die Erforschung steinzeitlicher Denkmäler im Gebiet Nordkasachstans. Die Geschichte der Mesolithikum-, Neolithikum- und Äneolithikum-Periode der Region Ischim war damals ein weißer Fleck auf der archäologischen Landkarte Kasachstans.
Seibert entdeckte etwa 200 neue Monumente und identifizierte neue archäologische Kulturen (Atbasar, Botai), zog tiefgreifende theoretische Schlussfolgerungen zur antiken Menschheitsgeschichte und bildete Generationen von Archäologen aus.
Alle bei Ausgrabungen archäologischer Stätten erhaltenen Materialien werden heute in den Lagerräumen der Regionalmuseen von Petropawlowsk, Kokschetau und dem Zentralen Staatlichen Museum von Almaty aufbewahrt. Sie bilden die Grundlage der Ausstellung zur antiken Geschichte Nordkasachstans. Allein die Sammlung aus der Botai-Siedlung umfasst etwa 300.000 Artefakte und Hunderttausende von Botai-Pferdeknochen.
Die Arbeit im Museum wurde durch die Verlegung an das Pädagogische Uschinskij-Institut Petropawlowsk und Aspirantur (PhD-Studium – Anm. d. Üb.) am Institut für Archäologie der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in Moskau (1977–1980) unterbrochen. Dennoch blieb das Museum über viele Jahre hinweg eine Arbeitsstätte für Archäologen und ein Treffpunkt für Fachleute.
V.F. Seibert war der letzte Doktorand von Otto Nikolajewitsch Bader (1903–1979), Doktor der Geschichtswissenschaften und Gründer der Permer Schule für Archäologie. Die Ausbildung endete mit der Verteidigung einer Doktorarbeit zum Thema „Neolithikum Nordkasachstans“. Anhand steinzeitlicher Materialien identifizierte Seibert die neolithische Atbasar-Kultur (6.–4. Jahrtausend v. Chr.).
Im Jahr 1992 verteidigte Seibert am Institut für Archäologie und Ethnographie der sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften (Nowosibirsk) seine Dissertation zum Thema „Das Äneolithikum des Ural-Irtysch-Zwischenflusses“ für den Doktor der Geschichtswissenschaften im Fach Archäologie. 1996 verlieh ihm die Höhere Beglaubigungskommission Kasachstans den Titel eines Professors für Archäologie. Die Doktorarbeit basierte auf den Ergebnissen der Ausgrabungen des Referenzdenkmals aus der Kupferzeit (Äneolithikum) Botai. Das einzigartige Objekt wurde 1980 von Seibert in der Region Aiyrtau in Nordkasachstan entdeckt, seine Untersuchung ist jedoch bis heute nicht abgeschlossen. Der Wissenschaftler identifizierte die Botai-Kultur (IV.-III. Jahrtausend v. Chr.), die die Grundlage für die Entstehung der Ursprünge der Steppenzivilisation im Ural-Irtysch-Zwischenflussgebiet bildete. Die Dissertation enthält einen wichtigen historischen und kulturellen Kontext sowie ein paläoökonomisches Modell zur Entstehung und Entwicklung der frühen Pferdezucht in Eurasien.
Die ersten Ergebnisse von Botais Erforschung waren bereits atemberaubend. Wissenschaftler der Universität Pittsburgh haben die Siedlung Botai als das älteste Denkmal der Pferdedomestizierung anerkannt. Ihre Forschungen bestätigten, dass Pferde bereits vor 5.600 Jahren gezüchtet wurden und die gefundenen Zaumproben bestätigten die Existenz des Reitsports. 1995 fand hier das internationale Symposium „Alte Pferdezüchter Eurasiens“ statt, an dem mehr als 80 Archäologen aus 16 Ländern teilnahmen.
1995 begann V.F. Seibert mit deutschen Kollegen zusammenzuarbeiten. 1996 präsentierte er am Archäologischen Institut Berlin einen Vortrag mit dem Titel „Die Botai-Kultur und die Entstehung einer Manufakturwirtschaft in den Steppen Kasachstans“. 1997 wurde er zum korrespondierenden Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts Berlin gewählt. In den Jahren 1997–2000 wurde ein gemeinsames kasachisch-deutsches Projekt „Ausgrabungen des Grabhügels und der Grabstätte von Baikara in der Nähe des Dorfes Sergejewka der Region Nordkasachstan“ durchgeführt. Basierend auf den Ergebnissen wurde eine Monographie mit dem Titel „Der Große Kurgan von Baikara“ in russischer und deutscher Sprache veröffentlicht, finanziert von deutscher Seite.
Um das Denkmal von Weltbedeutung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurden in der Nähe der Siedlung Botai und des Schalkar-Sees auf der Grundlage wissenschaftlicher Rekonstruktionen antike Wohnhäuser errichtet, in denen im Sommer Ausstellungen über die Wirtschaft, das Leben und die Weltanschauung der Menschen stattfinden, die die Steppenzivilisation begründeten. Im Jahr 1994 organisierte und präsentierte Seibert auf Einladung der britischen Royal Society in Cambridge eine Ausstellung mit dem Titel „Die Ursprünge der Steppenzivilisation“, die auf Materialien aus der Botai-Siedlung basierte. Gleichzeitig hielt er Vorlesungen an Universitäten in Belfast, Cambridge, Oxford, Newcastle und Edinburgh. Im Jahr 2007 wurde im Staatlichen Museum von Almaty die Ausstellung „Botai – die Ursprünge der Steppenzivilisation“ gezeigt.
Am 18. November 2011 eröffnete das Nordkasachische Regionalmuseum für Geschichte und Heimatkunde eine internationale Fotoausstellung mit dem Titel „Archäologische Forschung in Zentralasien“, die vom Museum gemeinsam mit der deutschen Botschaft in Kasachstan und dem Deutschen Archäologischen Institut organisiert wurde. Zuvor war sie in Astana und Taschkent gezeigt worden. Seit 1997 forscht das Deutsche Institut in Kasachstan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan in Zusammenarbeit mit Kollegen aus diesen Ländern. Die Ausstellung spiegelte daher die wichtigsten Ergebnisse der Zusammenarbeit wider. Das Museum, Mitorganisator der Ausstellung, ergänzte diese mit Artefakten, die bei Ausgrabungen in Nordkasachstan gefunden wurden, insbesondere mit der Baikara-Begräbnisstätte, die sich nicht nur als Begräbnisstätte, sondern als Kultstätte oder Heiligtum aus der skythischen Zeit herausstellte.
Wissenschaftliche, pädagogische und administrative Tätigkeit von Viktor Seibert an der Nordkasachischen Staatlichen Kosybajew-Universität dauerte bis 1998: Lehrer an der Geschichtsabteilung, Leiter der Geschichtsabteilung, Dekan der Fakultät für Geschichte und Philologie, Prorektor für Wissenschaft und Leiter des Forschungsinstituts der Universität. Seit 1999 – Rektor des Petropawlowsk-Instituts für Wirtschaft und Management; 2002–2003 – Direktor des Ualichanow-Instituts der Universität Kokschetau; 2005–2009 – Leiter der Abteilung für Politikwissenschaft und Geschichte und gleichzeitig Direktor des Wissenschaftlichen Zentrums für Archäologie und kulturelle Genesis „Koksche“, Leiter der archäologischen Expeditionen nach Nordkasachstan und Kokschetau.
In den letzten Lebensjahren leitete V.F. Seibert die wissenschaftlichen Zentren Kokschetau und Petropawlowsk an der Koksche-Akademie und der Kosybajew-Universität.
Im Jahr 2017 leitete er das an der Kasachischen Al-Farabi-Nationaluniversität eröffnete Forschungsinstitut, dessen Aktivitäten auf die Koordinierung, Zusammenfassung und Verbreitung der Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung zu aktuellen Fragen der Archäologie Kasachstans abzielen.
Ein wichtiger Erfolg in der Arbeit des Wissenschaftlers war die Gründung des Staatlichen historischen und kulturellen Museumsreservats Botai im Jahr 2018.
Auszeichnungen:
Orden „Dostyk“ II. Grades, Jubiläumsmedaille „ҚР Тәуелсіздігіне 25 Jahre“, Goldmedaille – Auszeichnung der Versammlung des Volkes von Kasachstan „ҚХА „Бірлік“ Altyn-Medaillen“.
Familie:
Frau Galina Iwanowna Seibert.
Sohn Andrei.
Hauptwerke:
Атбасарская культура. – Екатеринбург, 1992. 222 с.
Ботай. У истоков степной цивилизации. Алматы, 2011. 477 с., ил.
Ботайская культура. Алматы, 2009. 576 с.
Неолит Северного Казахстана: Автореф. дис. … канд. ист. наук (специальность 07.00.06). М., 1979. 6 с.
Энеолит Урало-Иртышского междуречья: Автореф. дис. … док. ист. наук (специальность 07.00.06). Новосибирск, 1992. 52 с.
Энеолит Урало-Иртышского междуречья. Петропавловск: Наука, 1993. 244 с.
Парцингер Г., Зайберт В.Ф., Наглер. А., Плешаков А.А. Большой курган Байкара: Исследование скифского святилища. СПб., 2002.
Der grosse Kurgan von Bajkara: Studien zu einem skythischen Heiligtum / Von Hermann Parzinger, Viktor Zaibert, Anatoli Nagler, Anatoli Plesakov/ Deutsches Archäologisches Institut. Eurasien-Abteilung. – Mainz: von Zabern, 2003. – 280 S., 144 Abbil., 39 Taf. und 7 Beilag. (Archäologe in Eurasien: Bd. 16).
Atbasarskaja kul’tura (Die Atbassar-Kultur). – Jekaterinburg, 1992. – 222 S.; Bol’soj kurgan Bajkara: Issledovanie skifskogo svjatilišča (Der große Kurgan Bajkara: Erfoschung eines skythischen Heiligtums). – Sankt Petersburg: Izd-vo Evrazija; Antikva, 2002. (Co-Autoren: Parzinger, H., Nagler, A., Plešakov; A. A.); Botaj. U istokov stepnoj civilizacii (Botai: An den Quellen der Steppenzivilisation). – Almaty: Balaussa, 2011. – 477 S., illustr.; Botajskaja kul’tura (Die Botai-Kultur). – Almaty: KazAkparat, 2009. – 576 S.; Neolit Severnogo Kazachstana: Avtoref. dis. … kand. ist. nauk (special’nost‘ 07.00.06) (Das Neolithikum Nordkasachstans. Autoref. zur Diss. … Doktor der Geschichtswissenschaften (Fachrichtung 07.00.06)). – М., 1979. – 16 S.; Novye pamjatniki rannej bronzy na r. Išim (Neue Denkmäler der frühen Bronzezeit am Fluss Ischim) // KSIA. – 1973. – Ausg. 134.; Pamjatnik kamennogo veka Petropavlovskogo Priišim’ja (Ein Denkmal der Steinzeit des Petropawlowsker Gebietes am Fluss Ischim) // SA. 1979, № 1; Eneolit Uralo-Irtyšskogo mezdureč’ja: Avtoref. dis. … dok. ist. nauk (Fachrichtung 07.00.06) (Das Äneolithikum des Ural-Irtysch-Zweistromlandes: Autoref. zur Diss. … Doktor der Geschichtswissenschaften (Fachrichtung 07.00.06)). – Nowosibirsk, 1992. – 52 S.; Eneolit Uralo-Irtyšskogo mezdureč’ja (Das Äneolithikum des Ural-Irtysch-Zweistromlandes). – Petropawlowsk: Nauka, 1993. – 244 S.; Der große Kurgan von Bajkara: Studien zu einem skythischen Heiligtum / Von Hermann Parzinger, Viktor Zaibert, Anatoli Nagler, Anatoli Plešakov / Deutsches Archäologisches Institut. Eurasien-Abteilung. – Mainz: von Zabern, 2003. – 280 S., 144 Abbil., 39 Taf. und 7 Beilag. (Archäologie in Eurasien: Bd. 16).