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SEIBERT Viktor Fjodorowitsch (geb. 1947), Archäologe, habilitierter Doktor der Geschichtswissenschaften

Rubrik: Biographische Beiträge (Personalien) / Vertreter des sozialen Bereichs (Bildung, Medizin)
В.Ф. Зайберт, фото 1990 г.
В.Ф. Зайберт

SEIBERT (auch: Zaibert), Viktor Fjodorowitsch (Jahrgang 1947, Dorf Nikolajewka des Jesil-Kreises im Verwaltungsgebiet Nordkasachstan, heute: Verwaltungsgebiet Akmola), Archäologe, Spezialist auf dem Gebiet der Untersuchung von Denkmälern der Steinzeit auf dem Territorium Nordkasachstans, habilitierter Doktor der Geschichtswissenschaften (1992), Professor für Archäologie (1996), korrespondierendes Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts (1997) und der Akademie für Sozialwissenschaften der Republik Kasachstan, Mitglied des wissenschaftlichen Rates für Archäologie und Geschichte des Instituts für Geschichte, Archäologie und Ethnografie des Bildungs- und Wissenschaftsministeriums der Republik Kasachstan (seit 1997), Autor von mehreren wissenschaftlichen Entdeckungen sowie mehr als 100 Büchern und Artikeln zur antiken Geschichte Nordkasachstans.

Geboren wurde er in einer Familie deutscher Sonderumsiedler, die zur Dorfintelligenz gerechnet wurden und vor dem Krieg in der ASSR der Wolgadeutschen gelebt hatten. Vater Fjodor Fjodorowitsch, ein Gesangslehrer, hatte zwei Semester am Saratower Konservatorium absolviert, Teilnehmer des Großen Vaterländischen Krieges, Angehöriger der Arbeitsarmee, kehrte im November 1946 zur Familie zurück. Mutter Amalia Petrowna, Deutsch-Lehrerin, absolvierte das Saratower pädagogische Technikum. Seibert beendete die Mittelschule von Jawlenka im Jesil-Kreis, danach die Fakultät für Geschichte des Petropawlowsker pädagogischen Instituts (1965–1969) in der Fachrichtung „Geschichtslehrer“. 1969 begann er in der Abteilung für Archäologie des Geschichts- und Heimatkunde-Museums des Verwaltungsgebietes Nordkasachstan zu arbeiten.

Die großangelegte Untersuchung der archäologischen Denkmäler Nordkasachstans begann 1967, als auf der Grundlage des Nordkasachstanischen Heimatkundemuseums und der Petropawlowsker pädagogischen Hochschule die Nordkasachstanische archäologische Expedition (NKAE) unter Leitung des Museumsmitarbeiters und Hochschullehrers der pädagogischen Hochschule Gennadij Borisowitsch Zdanowitsch gebildet wurde. Im zweiten Studienjahr lernte Viktor Seibert Zdanowitsch kennen und wurde bald erster Assistent seines Lehrers. Zur ersten Basis für die Forschungsarbeiten der NKAE wurde das Gebiet bei den Dörfern Jawlenka und Pokrowka. Das Haus der Familie Seibert in Pokrowka, in dem zu jener Zeit Viktors Eltern wohnten, wurde für viele Jahre zum Stütz- und Umschlagspunkt der Expedition.  

Von 1969 bis einschließlich 1976 war er Restaurator archäologischer Sammlungen, wissenschaftlicher Mitarbeiter, danach Leiter der Archäologie-Abteilung des Museums. In den 1970er–1980er-Jahren absolvierte er Praktika in der Eremitage, dem Staatlichen Historischen Museum, dem Puschkin-Museum sowie im Allunionsrestaurierungszentrum und in den Kreml-Restaurierungslabors. Seit 1972 – Leiter der NKAE. Gegenwärtig umfassen die Bestände der Archäologie-Abteilung des Nordkasachstanischen Museums rund 552.000 Bestandseinheiten, von denen die überwältigende Mehrheit während der Einsätze der NKAE zusammengetragen wurde. Es handelt sich dabei um Keramikgefäße, Werkzeuge aus Bronze und Eisen, Knochen und Steinen sowie Schmuckgegenstände aus Gold und Bronze. 

Die Tätigkeit im Museum wurde offiziell durch einen Wechsel zur Petropawlowsker pädagogischen K.-D.-Uschinskij-Hochschule sowie durch eine Aspirantur im Institut für Archäologie der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in Moskau (1977–1980) unterbrochen. Viktor Fjodorowitsch war der letzte Aspirant des bekannten Archäologen O. N. Bader (1903–1979). Die Ausbildung endete mit der Verteidigung einer Dissertation (der ersten Doktorarbeit) zum Thema „Das Neolithikum Nordkasachstans“. Durch Seibert wurde anhand von Materialien aus der Steinzeit die neolithische Atbassar-Kultur (6000 bis 4000 Jahre v. u. Z.) bestimmt. Auf dem Territorium des Verwaltungsgebietes Nordkasachstan sind über 200 Objekte aus der Steinzeit entdeckt und untersucht worden, von denen der Großteil aus dem Neolithikum stammt. Das erlaubte Seibert, eine Periodisierung zu entwickeln und eine Chronologie des Neolithikums zu beschreiben. Der Beginn fällt in das 6. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, und das Ende – in den Beginn des 3. Jahrtausends v. u. Z.

Die wissenschaftliche und pädagogische sowie administrative Tätigkeit in der Petropawlowsker pädagogischen Hochschule (Nordkasachstanische M.-Kozybajew-Staatsuniversität) dauerte bis 1998 an. Etappen der Berufskarriere: Lehrer des Lehrstuhls für Geschichte, Leiter des Lehrstuhls für Geschichte, Dekan der Geschichts- und Philologie-Fakultät, Prorektor für Wissenschaft und Leiter des Forschungssektors der Universität. Von 1999 bis einschließlich 2002 – Rektor der Petropawlowsker Hochschule für Business und Management; 2002–2003 – Direktor des Pädagogischen Instituts der Sch.-Sch.-Ualichanow-Staatsuniversität von Kokshetau, 2005–2009 – Leiter des Lehrstuhls für Politologie und Geschichte und gleichzeitig Direktor des wissenschaftlichen Zentrums für Archäologie und Kulturgenese „Kokshe“, Leiter der Nordkasachischen archäologischen und der archäologischen Kokshetau-Expedition.

1992 verteidigte er seine zweite Doktorarbeit für den wissenschaftlichen Grad eines Doktors der Geschichtswissenschaften in der Fachrichtung „Archäologie“ zum Thema „Das Äneolithikum des Ural-Irtysch-Zweistromlandes“. Die Verteidigung erfolgte im Institut für Archäologie und Ethnographie der Sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften (Nowosibirsk). 1996 verlieh die Höchste Attestierungskommission Kasachstans Seibert den Titel eines Professors der Archäologie.

Die Doktorarbeit wurde auf der Grundlage der Ergebnisse von Ausgrabungen des Maßstäbe setzenden Denkmals Botai aus der Epoche der Kupfersteinzeit (Äneolithikum) geschrieben. Das einmalige Objekt war von Seibert 1980 im Kreis Aiyrtau des Verwaltungsgebietes Nordkasachstan entdeckt. Seine Untersuchung ist jedoch bis heute nicht abgeschlossen worden. Der Wissenschaftler bestimmte die Botai-Kultur (4.–3. Jahrtausend v. u. Z.), die die Grundlage für die Ausprägung der Quellen der Steppenzivilisation im Ural-Irtysch-Zweistromland war (die Siedlungen Botai, Krasny Jar, Wassilkowka, Balandino, Rostschinskoje, Sergejewka). Die Dissertation enthält einen wichtigen kulturhistorischen Kontext und ein paläo-ökonomisches Modell für das Aufkommen und die Entwicklung der alten Pferdezüchter Eurasiens. Wissenschaftler aus der Pittsburger Universität haben die Siedlung Botai als ältestes Denkmal für die Domestikation des Pferdes anerkannt. Ihre Forschungsarbeiten haben bestätigt, dass man vor 5600 Jahren Pferde züchtete. Und die gefundenen Elemente von Pferdegeschirren bestätigten die These, dass man auf Pferden ritt. 1995 wurde in Botai das internationale Symposium „Antike Pferdezüchter Eurasiens“ veranstaltet, an dem über 80 Archäologen aus 16 Ländern teilnahmen.

Ab 1995 begann Seiberts Zusammenarbeit mit deutschen Kollegen. 1996 trat er im Archäologischen Institut von Berlin mit dem Vortrag „Die Botai-Kultur und die Entstehung einer produzierenden Wirtschaft in den Steppen Kasachstans“ auf. 1997 wurde er zum korrespondierenden Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts (Berlin) gewählt. Im Zeitraum 1997–2000 wurde das kasachisch-deutsche Gemeinschaftsvorhaben „Ausgrabungen des Kurgans und der Grabstätte Bajkara beim Dorf Sergejewka des Verwaltungsgebietes Nordkasachstan“ realisiert. Auf der Grundlage der gewonnenen Ergebnisse wurde in russischer und deutscher Sprache die Monographie „Der große Kurgan Bajkara“ herausgegeben, deren Finanzierung Deutschland vorgenommen hatte.    

Zur Popularisierung des Denkmals von internationaler Bedeutung wurden unweit der Siedlung Botai und am Schalkar-See auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Rekonstruktion Botai-Bauten errichtet, in denen in der Sommerzeit Ausstellungen organisiert werden, die über die Wirtschaft, das Leben und die Ideologie der Menschen, die die Steppenzivilisation begründeten, erzählen. 1994 wurde in Cambridge auf Einladung der (British) Royal Society (deutsch: Königliche Gesellschaft) durch Seibert die Ausstellung mit Materialien aus der Siedlung Botai „Quellen der Steppenzivilisation“ organisiert und zwei Monate lang gezeigt. Gleichzeitig hielt er Vorlesungen in Universitäten von Belfast, Cambridge, Oxford, Newcastle und Edinburgh. 2007 wurde die Ausstellung „Botai – Quellen der Steppenzivilisation“ im staatlichen Museum von Almaty gezeigt.

Am 18. November 2011 wurde im Nordkasachstanischen Geschichts- und Heimatkunde-Gebietsmuseum die internationale Fotoausstellung „Archäologische Forschungsarbeiten in Zentralasien“ eröffnet, die durch das Museum zusammen mit Deutschlands Botschaft in Kasachstan und dem Deutschen Archäologischen Institut organisiert worden war. Zuvor war sie in Astana und Taschkent gezeigt worden. Seit 1997 führte das Deutsche Archäologische Institut Forschungsarbeiten in Kasachstan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan in Zusammenarbeit mit Kollegen aus diesen Ländern durch. Daher hatten in dieser Ausstellung die wichtigsten Ergebnisse dieser Zusammenarbeit ihren Niederschlag gefunden. Das Museum hatte als Mitorganisator der Schau diese durch Artefakte ergänzt, die bei Ausgrabungen in Nordkasachstan, unter anderem an der Grabstätte Bajkara gefunden worden waren. Bei letzteren handelte es sich nicht nur einfach um eine Begräbnisstätte, sondern um ein kultisches Bauwerk aus der Zeit der Skythen, um ein Heiligtum.   

Gegenwärtig leitet Seibert die durch ihn seinerzeit geschaffenen wissenschaftlichen Zentren Kokschetau und Petropawlowsk bei der Akademie „Koksche“ und der Nordkasachstanischen M.-Kozybajew-Staatsuniversität. Seine Schüler wurden zu anerkannten Wissenschaftlern. Doch sie arbeiten nach wie vor erfolgreich in einem Team, das entsprechend dem staatlichen Programm „Erforschung und Bewahrung des kulturhistorischen Erbes der Republik Kasachstan“ Forschungsarbeiten durchführt. Herausgegeben werden Materialien über archäologische Denkmäler, gearbeitet wird zur Bewahrung von Objekten und zu deren Monitoring, und es werden Projekte zur Nutzung des kulturhistorischen Erbes in der Tourismusindustrie entwickelt. 

INHALT

Arbeiten

Atbasarskaja kul’tura (Die Atbassar-Kultur). – Jekaterinburg, 1992. – 222 S.; Bol’soj kurgan Bajkara: Issledovanie skifskogo svjatilišča (Der große Kurgan Bajkara: Erfoschung eines skythischen Heiligtums). – Sankt Petersburg: Izd-vo Evrazija; Antikva, 2002. (Co-Autoren: Parzinger, H., Nagler, A., Plešakov; A. A.); Botaj. U istokov stepnoj civilizacii (Botai: An den Quellen der Steppenzivilisation). – Almaty: Balaussa, 2011. – 477 S., illustr.; Botajskaja kul’tura (Die Botai-Kultur). – Almaty: KazAkparat, 2009. – 576 S.; Neolit Severnogo Kazachstana: Avtoref. dis. … kand. ist. nauk (special’nost‘ 07.00.06) (Das Neolithikum Nordkasachstans. Autoref. zur Diss. … Doktor der Geschichtswissenschaften (Fachrichtung 07.00.06)). – М., 1979. – 16 S.; Novye pamjatniki rannej bronzy na r. Išim (Neue Denkmäler der frühen Bronzezeit am Fluss Ischim) // KSIA. – 1973. – Ausg. 134.; Pamjatnik kamennogo veka Petropavlovskogo Priišim’ja (Ein Denkmal der Steinzeit des Petropawlowsker Gebietes am Fluss Ischim) // SA. 1979, № 1; Eneolit Uralo-Irtyšskogo mezdureč’ja: Avtoref. dis. … dok. ist. nauk (Fachrichtung 07.00.06) (Das Äneolithikum des Ural-Irtysch-Zweistromlandes: Autoref. zur Diss. … Doktor der Geschichtswissenschaften (Fachrichtung 07.00.06)). – Nowosibirsk, 1992. – 52 S.; Eneolit Uralo-Irtyšskogo mezdureč’ja (Das Äneolithikum des Ural-Irtysch-Zweistromlandes). – Petropawlowsk: Nauka, 1993. – 244 S.; Der große Kurgan von Bajkara: Studien zu einem skythischen Heiligtum / Von Hermann Parzinger, Viktor Zaibert, Anatoli Nagler, Anatoli Plešakov / Deutsches Archäologisches Institut. Eurasien-Abteilung. – Mainz: von Zabern, 2003. – 280 S., 144 Abbil., 39 Taf. und 7 Beilag. (Archäologie in Eurasien: Bd. 16).

Literatur

Vremja. Step‘. Dorogi… (Zeit. Steppe. Straßen…) / Red.-Koll.: A. M. Kislenko, A. A. Tairova, T. V. Ljubčanskaja u. a.  – Tscheljabinsk, 2007. – 146 S., illustr.; Plešakov; A. A. Formirovanie archeologičeskich fondov Severo-Kazachstanskogo oblastnogo istoriko-kraevedčeskogo muzeja (Die Bildung der archäologischen Bestände des Nordkasachstanischen Geschichts- und Heimatkunde-Gebietsmuseums) // Lavrovskij sbornik (Lawrow-Sammelband): Materialien der XXXIII. Mittelasiatisch-kasachischen Lesungen 2008–2009: Ethnologie, Geschichte, Archäologie, Kulturologie / Verantwortl. Red. Ju. Ju. Karpov, I. V. Stasevič. – Sankt Petersburg: MAE RAN, 2009; Čerkaz’janova, I. V. Professor-archeolog s mirovym imenem (Ein Archäologieprofessor von Weltruf) // BIZ-Bote. – М., 2012. – № 1–2; Warkentin, E. Arkaim – eine Entdeckung von Weltbedeutung // Neues Leben. – 1990. – 14. Febr. – S. 1.

Autoren: Tscherkasjanowa I. W.

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