SOKOLOWSKI, Pawel Emiljewitsch (Jemeljanowitsch) (6. Juli 1860, Riga – 16. November 1934, Kaunas), Jurist, hab. Dr. des römischen Rechts, Professor, Betreuer des Bildungsbezirks Charkow. Vertreter des lutherischen Glaubens, entstammte einer deutschen Pfarrersfamilie im Baltikum. Er schloss ein Gymnasium in Riga ab (1878), erhielt Hochschulbildung im Jura-Bereich an der Universität Dorpat (1884), die er mit einem Doktorgrad absolvierte. 1884–1887 war er Assistent eines Bezirksrechtsanwalts der Moskauer Gerichtskammer, Bezirksrechtsanwalt der Petersburger Gerichtskammer. Vom 15. September 1888 bis 15. Dezember 1890 besuchte er ein russisches Seminar über römisches Recht bei der Berliner Universität. Seit dem 22. Februar 1891 wurde er dem Ministerium für Volksbildung zugeordnet.
Am 11. April 1891 verteidigte er an der Universität Dorpat seine Magisterarbeit zum Thema „Die Mandatbürgerschaft nach römischen und gemeinen Recht“ (Die Arbeit wurde 1891 in Halle veröffentlicht). Das Diplom wurde am 1. Mai 1891 erteilt.
Am 12. Juni 1891 wurde er zum Privatdozenten der Universität des Hl. Wladimir (Kiew) ernannt, hielt Vorlesungen über römisches Recht an der Jura-Fakultät. Verteidigte am 3. November 1894 an der Universität Charkow die Doktorarbeit „Gesellschaftsvertrag im römischen Zivilrecht“ (veröffentlicht 1893 in Kiew). Die Stellungnahmen dazu stammten vom Dekan der Fakultät А. N. Stojanow und Professor L. N. Sagurskij. Wurde am 18. Mai 1895 zum ordentlichen Professor des römischen Rechts an der Universität Charkow ernannt. Wechselte am 1. Juni 1896 zum gleichen Lehrstuhl der Moskauer Universität über. War 1897–1899, 1900–1902, 1903–1906 Mitglied der Prüfungskommission in Jura bei der Moskauer Universität.
Veröffentlichte 1900 den ersten Band des umfangreichen Philosophiewerks „Die Philosophie im Privatrecht“. War im Sommer 1902 und 1904 in Auslandsdienstreisen für wissenschaftliche Studien. Nahm am 3.–8. September 1906 an der Arbeit eines Kongresses der Zivil- und Strafrechtler in Kiel teil.
Wurde am 16. November 1906 zum Betreuer von Kinderanstalten beim Hauptkomitee für Spendensammlung zugunsten der Kinderanstalten der Behörde von Einrichtungen der Kaiserin Maria ernannt.
Die praktische Untätigkeit der Universitäten in den Jahren der ersten russischen Revolution bewog Sokolowski, die im Sommer 1906 eingegangene Einladung der Berliner Universität bzgl. Vorlesungen über römisches Recht anzunehmen. Seit dem 1. Dezember 1906 leistete er keinen aktiven Dienst in Russland. Später nahm er auf Empfehlung des Professors der Leipziger Universität, Chemikers Wilhelm Ostwald die Unterrichtstätigkeit in Königsberg auf (mit dem Wohnsitz am Theaterplatz 10).
Am 21. Juli 1908 gab Sokolowski seine wissenschaftliche Laufbahn auf und übernahm die Leitung des Bildungskreises Charkow. Gleichzeitig behielt er das Amt des Betreuers von Kinderanstalten. Sein Jahresgehalt betrug 10 000 Rubel einschl. 2000 Rubel für Wohnungsmiete. Bei seiner Ernennung zum neuen Betreuer wurde er vom Bildungsminister A. N. Schwarz dem Kaiser als eine Person empfohlen, die ihre Obliegenheiten mit „außerordentlicher Tüchtigkeit und Sachkenntnis“ erfüllt. Am 19. August 1908 bezog Sokolowski sein neues Amt.
Seine Ansichten bzgl. Universitätsreform lagen denen von Minister A. N. Schwarz nahe, Sokolowski war der Meinung, dass es bei einer Universität um eine staatliche Hochschule gehen soll, welche „für die Zwecke und auf Anweisung des Staates unter Anwendung der Mittel der modernen Wissenschaft funktioniert“. Er war Gegner revolutionärer Unruhen in Bildungseinrichtungen, trat gegen die Absicht des Atamans Baron F. F. Taube auf, sämtliche im Raum des Don-Kosakenheeres befindlichen Schulen dem Kriegsamt zu unterstellen (1910). Er verhielt sich recht unabhängig gegenüber dem Gouverneur von Charkow, der sich in die Angelegenheiten der Universität (1912) einzumischen versuchte.
Am 29, März 1911 wurden Sokolowski und der Vizeminister W. T. Schewjakow für mehrere Monate nach Deutschland und Frankreich entsandt. Ihre Aufgabe bestand in der Durchführung von Verhandlungen mit ausländischen Universitäten über die Möglichkeit der Entsendung junger Leute aus Russland für die Vorbereitung auf den Professorengrad. Nach einem Plan des Ministers L.A. Kasso sollte das System der Heranbildung von Professoren reorganisiert und nicht in den Universitäten Russlands, sondern im Ausland konzentriert werden. Bereits am 26. April berichtete Sokolowski an Kasso per Telegraph über positive Ergebnisse aus Berlin und am 13. Mai 1911 wurde von Kasso ein Rundschreiben über die Absicht verabschiedet, „Professorenlehrgänge“ bei folgenden Universitäten zu gründen: an der Berliner Universität – für römisches Recht, an der Universität Tübingen – für Biologie und Physik, an der Universität Paris – für Mathematik und Jura, an der Universität Karlsruhe – für Mechanik und angewandte Wissenschaften.
In der Amtszeit von Sokolowski wurden eine Vierklassen-Schule in Meref, Gouvernement Charkow (1. September 1911), das Cholodnogorskij Mädchengymnasium in Charkow (30. August 1912) eröffnet.
Mitte März 1913 trat Sokolowski eine vier Monate lange Dienstreise nach Ostsibirien zwecks Prüfung von Bildungseinrichtungen an. Diese Materialien wurden für die Einführung der allgemeinen Grundschulbildung in der Region benötigt. An der Reise nahmen der Direktor einer Realschule in Sumy M. P. Drobjasko und der Inspektor E. N. Kwaschtschenko teil, die in die Kommission auf Antrag von Sokolowski aufgenommen wurden. Sie besuchten Krasnojarsk, Irkutsk, Tschita, Nertschinsk, Mandschurien, Harbin, Pogranitschnaja, Nikolsko-Ussurijsk, Wladiwostok, Chabarowsk, Blagoweschtschensk und legten 20 Tausend Werst zurück. Sie besichtigten Hunderte mittlere Bildungseinrichtungen für Jungen und Mädchen, Lehrerseminare, eine Hochschule für Lehrkräfte, Berufsschulen. Unter den Empfehlungen von Sokolowski gab es eine Verordnung über breitere Entwicklung von Agrarschulen in Sibirien, er setzte sich aktiv für die Entwicklung des Sportunterrichts in den Bildungseinrichtungen ein. Der Bericht über die Inspektionsreise wurde 1914 veröffentlicht und mit zahlreichen Fotos versehen. Im Dezember 1914 stellte Sokolowski in Woronesch sein Buch dem Kaiser persönlich vor.
Am 19. Juli 1914 nahm er sechs Wochen Urlaub, und die Nachricht über den Kriegsausbruch erreichte ihn im Landgut Jürgensburg im Baltikum, das seiner Ehefrau gehörte. Unter Mitwirkung von Sokolowski wurde das Pädagogische Zentralkomitee gebildet, dessen Aufgabe in der Hilfeleistung an die vom Krieg betroffenen Pädagogen und Angestellten im Bildungsbezirk Charkow bestand. Auf Anregung des Betreuers entstand in Slawjansk ein Sanatorium für 50 Betten für die Rehabilitation von verwundeten Pädagogen, das seinen Betrieb am 1. Juni 1915 aufnahm. Sokolowski bemühte sich aktiv um die Einrichtung in Charkow einer zentralen gewerblichen Werkstatt für die Aufnahme der Militäraufträge. Dazu wurde am 26. Juni ein Kongress der Leiter technischer Fachschulen einberufen.
Unter dem Druck der Zeitungshetzerei vor dem Hintergrund einer deutschfeindlichen Kampagne reichte Sokjolowski am 23. Juli einen Kündigungsantrag ein, der am 26. August 1915 angenommen wurde. Die Zeitungen bezichtigten ihn der Sympathie gegenüber Deutschland, nannten ihn einen Agenten des deutschen Kaisers. Sokolowski selbst meinte, dass seine Entlassung durch die politischen Motive verursacht wurde.
Nach der Revolution wanderte er ins Baltikum aus. Im Mai–Juni 1919 war er Justizminister Lettlands in der Regierung von Andrievs Niedra, 1921–1926 Direktor des Herder-Instituts, einer privaten deutschen Hochschuleinrichtung (Riga, eröffnet im September 1921). 1925–1933 war er Vorsitzender der Deutschen Juristischen Gesellschaft (Riga). 1926–1933 war er Mitglied des Wissenschaftsrates der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (München). Seit 1933 – Professor für Zivilrecht der Litauischen Universität „Vytautas der Große“ (Kaunas).
Auszeichnungen: Hl. Anna-Orden des 2. Grades, Hl. Stanislaw-Orden des 2. Grades, Hl. Wladimir-Orden des 3. Grades.
Ehefrau Maria Pawlowna (geb. von Stwolinsky, Vertreterin des lutherischen Glaubens. Ihre Töchter: Margarita (9. April 1899 – ?) und Anna (29. Oktober 1901 – ?). Ein weiteres Kind kam im Sommer 1909 zur Welt. Seiner Ehefrau gehörte das Landgut Jürgensburg bei Nitau, Ujesd Riga, Gouvernement Livland.
РГИА. Ф. 733. Оп. 122. Д. 404; Ф. 740. Оп. 5. Д. 57; Ф. 740. Оп. 14. Д. 23.
Die Mandatbürgerschaft nach römischen und gemeinen Recht / von Paul Sokolowski. – Halle, 1891; Договор товарищества по римскому гражданскому праву. – Киев, 1893; Ответ г. Загурскому на его рецензию о «Договоре товарищества по римскому гражданскому праву». – Киев, 1894; Рецепция римского гражданского права у современных народов и его прямое значение для России: Вступ. лекция, чит. 12 сент. 1891 г. приват-доцентом П. Соколовским. – Киев, 1891; Русская школа в Восточной Сибири и Приамурском крае. – Харьков, 1914.
Зайцев Б.П., Посохов С.И. Попечители Харьковского учебного округа. – Харьков, 2000; Литвинов М. Прусский профессор во главе русского учебного округа. – Харьков, 1914; Мзура А. О харьковском попечителе г. Соколовском // Вечернее время. – Пг., 1915. 24 февр; Отставка П.А. Соколовского // Утро России. 1915. 25 июня; Соколовский (Sokolowski) Павел Емельянович (Эмильевич) // Шилохвост О. Русские цивилисты: середина XVIII – начало XX в.: Краткий биографический словарь. – М., 2005; Староверов Б. Немецкое пленение Харьковского университета. – Харьков, 1915; Черказьянова И.В. «Увы, я остзеец!» (об отставке попечителя Харьковского учебного округа в 1915) // Вопросы германской истории. – Днепропетровск, 2002; Черказьянова И.В. Профессор П.Э. Соколовский во главе Харьковского учебного округа // Университеты: Наука и просвещение. Науч.-поп. журнал. – Харьков, 2004. № 3.